Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Donezk, das schwarze Juwel der Ukraine ‒ Eden und Sodom zugleich, im Kohlerausch brodelnder Tiegel, unwendbares Schicksal im Osten Europas. Die Leserschaft wird auf die doppelte Odyssee zweier Abenteurer geschickt: auf das des feurigen Schmieds Alexander und das der scheuen Linguistin Lisa, deren Wege sich an der Schwelle zum Krieg im Donbas kreuzen. Nur einer der beiden ahnt, dass die Begegnung weit über ihren vordergründigen Zweck hinausreichen wird. Thriller, Lovestory, Lebenslauf, historische Windrose, Handwerkerlied, Ontologie der ostukrainischen Seele - »Carbon« ist all das zugleich, ein in polyphonen Versen verfasstes Gebet für die geliebte, geschundene Stadt.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 111
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Svetlana Lavochkina ist Autorin, Essayistin und Übersetzerin ukrainischer und russischer Lyrik. Geboren und aufgewachsen in der östlichen Ukraine, lebt sie heute mit ihrer Familie in Leipzig, wo sie als Lehrerin arbeitet. Ihre Texte wurden bisher in zahlreichen Zeitschriften und Anthologien in den USA und Großbritannien veröffentlicht. 2013 wurde ihre Novelle »Dam Duchess« mit dem Pariser Literaturpreis ausgezeichnet. »Carbon« wurde in ukrainischer Übersetzung 2022 mit dem 2. Preis der Lemberger Literaturprämie »Der geflügelte Löwe« ausgezeichnet.
Diana Feuerbach ist im Bereich Literatur vielfältig tätig. Die Absolventin des Deutschen Literaturinstituts Leipzig hat in den USA studiert und gearbeitet. Mehrfach hat sie die Ukraine bereist und sich u. a. in ihrem Roman »Die Reise des Guy Nicholas Green« (Osburg Verlag 2014) mit dem Land beschäftigt. Für Voland & Quist übersetzte sie zuletzt Sally McGranes »Die Hand von Odessa« (2022).
Bei Voland & Quist erschienen bisher Svetlana Lavochkinas Romane »Puschkins Erben« (2019) und »Die rote Herzogin« (2022) in der Übersetzung von Diana Feuerbach.
Die Arbeit der Übersetzerin am vorliegenden Text wurde vom Deutschen Übersetzerfonds gefördert.
Originaltitel: Carbon: Song of Crafts
erschienen bei Lost Horse Press, Washington 2020
© Svetlana Lavochkina
Deutsche Erstausgabe
© Verlag Voland & Quist GmbH, Berlin und Dresden 2024
Korrektorat: Barbara Häusler
Lektorat: Helge Pfannenschmidt
Umschlaggestaltung: HawaiiF3
Satz: Fred Uhde
Druck und Bindung: BALTO print, Litauen
ISBN 978-3-86391-404-9
eISBN 978-3-86391-409-7
www.voland-quist.de
SVETLANA LAVOCHKINA
EIN LIED VON DONEZK
AUS DEM ENGLISCHEN VONDIANA FEUERBACH
PROLOG:Lauwarm und zärtlich
ISCHLACKE:Donbas Riviera
Drei Duftnoten eines Geburtstagsparfums
Kosmonaut im Negativ-All
Donezker Metallurgiewerk, Mama Aphrodite
Urteil für Alex
Drei Duftnoten eines Freiheitsparfums
IISCHNECKE:Aquarelle der Unschuld
NASS AUF TROCKEN
Mutters weißer Kittel
Tempel der Fäzes
Enterbte Prinzessin
Neugeborene Baritone
Schweinsledertasche
Innenseite aus Gold
Weiße Kornblume
GEDÄCHTNISNOTIZ 200
Weißer Zentaur
NASS AUF NASS
Schneckenzunge
Unberührbar, doch nützlich
Zwei Zungen
Fünf Zungen
Sieben Zungen
Kornblumenleiche
Hotdogs statt Wolkenpastete
FLÄCHIGE LAVUR
Das Sprudeln der Silbenlust
Die Schlacht der Phoneme
GRADUIERTE LAVUR
Roes of Yes
Amerikanische Ichs
Abseilübung
Bona Fide
GEMISCHTE LAVUR
100 Bekehrungspunkte
Blasser Pfirsich
IIISCHNUCKEL:Krass und unsichtbar
LISA WASSER
ALEX YANGIN
Ein Stern im Guide Michelin
Vierter Platz der Weltmeisterschaft für Kunstschmiede
Sechsfache Liebe
Amsterdamer Linien
Alarum
Majestätisches Donbasjuwel
Keine Arabesken
IVSCHÜSSE:Tierkreis in meiner Windrose
VIER JA-STRICHE
Kalter Flamingo
Hechtsprung
Barschsuppe
Zänkische Henne
Tigertag
Schwarzweißes Äffchen
Schwalbenschwanz-Aphrodite
VIER CARBON-ALLOTROPE
ALEX YANGIN
Irdischer Auftrag
Linker Flügel
Mitteltafel
Rechter Flügel
LISA WASSER
Kosmogonie
karbonisch
hypophyse
sehen hören tasten
riechen schmecken brüten
er sie
hieven
Einfache Götter
Putzfrau Aurora
Wolkenakademie, Institut für Carbon
Graphit, Bachelor of Science
Diamant, Master of Arts
Amor(ph)isches Carbon-Graphen, Dr. rer.nat.
EPILOG:Männlicher Erbe
Der Bürgermeister von Donezk bereiste Frankreich im Juni 1964
Auf Einladung der kommunistischen Zeitung L’Humanité.
Die Sehenswürdigkeiten von Paris erschütterten ihn, doch
Erst im Parc de Bagatelle war er völlig geschockt:
Von der Pracht des Rosengartens mit zehntausend Sträuchern
Und eintausendzweihundert verschiedenen Sorten.
Seitdem hatte er Rosen im Sinn.
Sie rankten sich immer dichter um sein Gehirn.
Wieder daheim, in der Sitzung des Stadtrats,
Verlas er einen Entschluss, ungewöhnlich poetisch:
„Donezk steht auf zwei Beinen, eins aus Stahl, eins aus Kohle.
Zwischen ihnen pendelt ein Hammer.
Hitze, trocken und nass. Hephaistos und Hades.
Die Luft ist so schmutzig wie ein Teenager-Traum.
Diese männliche Stadt braucht einen Ausgleich, lauwarm und zärtlich.
Hammer braucht Amboss und Hahn braucht Henne“,
Schloss er auf seine übliche, volkstümliche Art.
Und so machte er aus Donezk einen riesigen Rosengarten.
Paris schickte die Samen von eintausend Sorten,
Donezker Komsomolzen säten sie an fünfzig Subbotniks.
Rosen umstickten das Opernhaus, rahmten den Flughafen ein,
Schmückten die Mittelspur des Artem Boulevards,
Fluteten die Obstgärten der einfachen Leute,
Inhalierten alle Elemente des Periodensystems,
Verströmten reinen Sauerstoff und Duftrausch.
Kein Mensch wusste, weshalb der Bürgermeister so versessen war auf seine Rosen.
Seine Kollegen glaubten, er sehe den Glanz von Steinkohle in Crimson Glory.
Seine Freunde meinten, die scharlachrote Sedona erinnere ihn an flüssigen Stahl.
Seine Frau ahnte, dass er sich verliebt hatte in die junge Dolmetscherin,
Die auf einem Foto der Donezker Delegation im Pariser Park neben ihm stand:
Eine vornehme Nachfahrin russischer Aristokraten in dritter Generation,
Die das saftig-kräuselnde Russisch des Silbernen Zeitalters sprach, mit getrillertem „R“.
Das „R“ des Bürgermeisters klang wie das Knurren eines Straßenköters.
Das Werkzeug der Muttersprache führte er kurz und bündig,
Mit der Tüchtigkeit eines Bergarbeiters in vierter Generation:
Subjekt, Prädikat, Attribut mit Kraftausdrücken gewürzt.
Als Schüler hatte er Yesenin und Mayakovski verehrt,
Zwei poetische Beine, weggebrochen mangels Gebrauch.
Kultiviertes Sprechen war für ihn unerreichbar geworden, ein heiliger Gral.
Das „R“ in „Rose“, so nobel getrillert von der Dolmetscherin,
Multiplizierte er mit einer Million gelber, weißer, karmesinroter Blüten.
Das Donezker Stadtwappen sollte nun zeigen:
Eine Halde, eine Ramme und im Vordergrund eine Rose.
Doch der Generalsekretär der Ukraine lehnte die Rose ab
Mit dem Argument, sie sehe zu weibisch aus
Auf dem Wappen eines Giganten der Schwerindustrie.
Die Rose wurde durch eine Hand ersetzt, die einen Hammer hält.
„Beschissenes Omen“, fluchte der Bürgermeister.
(Nie zuvor war er abergläubisch gewesen.)
Grübchen auf traumweichen Wangen,
Ein rosa Mund, der in Sichelform grinst.
Von meiner pickligen Stirn aus
Flattern flachsblonde Strähnen im Wind.
Rechts vom Haus seh ich Halden,
Links vom Haus Rosengewirr.
Kopfnote meines Geburtstagsparfums:
Die Vanillecreme in Mamas Éclair.
Die Zechen fauchen wie Drachen,
Ihr Atem färbt den Staublappen schwarz.
Trotz Geburtstag muss ich Hausarbeit machen.
Ruckzuck, Knochenhaufen, alles am Platz.
Drei Halden, drei Zwergenvulkane.
Merapi, die pechschwarze Magd.
Noch dampft sie vom Gebären der Kohle,
Noch zuckt sie vom Grubengas.
Jahrzehntelang wird sie stöhnen,
Bis der Schlaf ihre Seele verhaucht.
Hin und wieder verschwinden Streuner
In ihrem schönen, gewaltigen Bauch.
Vesuvia, rostrot daneben.
Kreatur, abgestumpft und verlebt.
Ihre Kuppe angefressen vom Alter.
Kein Hammerschlag mehr in ihr bebt.
Lauwarm und der Wagnisse müde,
wird sie nur noch von Würmern geliebt.
Ihre Glanzsplitter gehen zur Neige.
Schlaffer Puls – das Klimakterium siegt.
Dritte Halde, Mont Campanula,
Der saftige, wuchernde Tod.
Wo chemische Prozesse erlahmten,
nährt die Erde nun frisches Rot.
Als Kolonnen zarten Vergessens
kitzeln Ameisen Robiniendorn –
Drei Halden, drei Generationen,
Ruckzuck, Knochenhaufen, wieder von vorn.
Im Obstgarten,
unter der Ägide von Papas grünem Daumen,
wächst dank seinem tropischen Eifer eine Fülle von Wundern.
Tomaten der Ochsenherzsorte prangen im Beet, die Erde
stöhnt unter den Rugbybällen der Buchara-Wassermelonen.
Felsenbirnbeeren schmecken am besten, wenn sie überreif sind.
Mispeln, ausgelegt, um teigig zu werden, reißen die Mäuler auf.
Schwärme von Quitten, rubensdrall, sitzen auf dicken Stämmen.
Papa hat sogar mal versucht, in seinem Garten eine
kubanische Bananenpalme zu pflanzen.
Als Mitglied einer Delegation sowjetischer Bergleute hatte Papa Havanna besucht, eine Auszeichnung für udarniks – selbstaufopfernde, ultraproduktive Arbeiter.
Gern hätte er den hüpfenden Hintern einer sexuell befreiten Reiseleiterin mit nach Hause gebracht, der so perfekt in seine gewölbte Handfläche passte. Concepción verwöhnte ihn mit Streicheleinheiten, die noch nicht einmal in den trunkenen Prahlereien von Bergmännern vorkamen. Aus Sentimentalität brachte Papa die Banane mit heim, die Concepción in einer derart fortschrittlichen Praktik benutzt hatte, dass seine Grubenkumpel ihm kein Wort glaubten. Auch nach fünf Selbstgebrannten schluckten sie nicht, dass es so etwas gab. Sie sagten, sie würden ihre Meinung erst ändern, wenn die Palme in Donezker Erde Wurzeln schlug und Bananen gebar.
Die gesamte Nachbarschaft der Katzenzeche pilgerte zu den Bananensprösslingen in Papas Garten. Aus den kleinen Samen lugten bald smaragdgrüne Blätter, und die Bergmänner erträumten sich ihre eigenen Spielarten von Concepción. Papa pflanzte die Setzlinge, und zunächst gediehen sie prächtig. Doch der folgende Winter war ungewohnt streng, und alle Palmen erfroren.
Papa verlor seine Wette. Er musste eine Kiste dreijährigen Ararat-Kognak kaufen, eine Flasche für jeden Freund. Sie entkorkten den Kognak, tranken synchron bis zur Neige und fielen zwischen den Beeten in Tiefschlaf.
Schulaufgaben auch am Geburtstag:
Griechische Götter, Hades, Persephone.
Es riecht ein bisschen nach Schwefel –
Die Basis in meinem Geburtstagsbouqet.
Während die Sonne des 3. Juni hinter einer kontinentalen Wolke verweilt,
Zögerlich noch, sich zu zeigen und den Morgen
Wie einen Hochofen zu heizen,
Roll ich die Schlange des Gartenschlauchs aus, dreh den Hahn auf.
Rose um Rose erquick ich mit prickligem Tau, dann, den Schlauch lose im Gras,
Schließ ich die Augen und stoß meine Finger ins dornige Dickicht.
Unter den Nachbarn der Katzenzeche bin ich bekannt als
Der einzige Junge, der Rosensorten nach ihrem Aroma benennt,
Der einzige überhaupt, der sich für Zartgliedriges wie Rosen interessiert.
Meine Freunde quälen Katzen mit Steinschleudern, kreuzigen Frösche.
Andere basteln gern Bomben aus Kaliumchlorat,
Geklaut aus den Selbstrettungsgeräten der eigenen Väter.
Ich betaste die nassen Blüten,
Spür den süßen Schmerz an den Händen,
Die frischen Kratzer, mit Blutperlen bestickt.
Vierzehnter Geburtstag und nichts als Staubbeutel und -fäden im Sinn:
Banknachbarin Ninka, die ihre Kreidefinger an der Strumpfhose abwischt
Oder eine stachlige Achsel entblößt, wenn sie beim Volleyball aufschlägt.
Die junge Vertretungslehrerin beugt sich zu mir herab,
Zeigt mir den Weg aus einer quadratischen Gleichung –
Ich brauch ihre Hilfe nicht, stell mich bloß matt
Für einen kurzen Blick in ihren schattigen Ausschnitt.
Diese Rosensorte heißt Snow Waltz.
Und die da, mit Sicherheit, Home Run.
Ich reiß die Augen auf. Ich irre mich nie.
Papa zieht mich am Ohr, dann sein knochiger Hieb,
„Du Trottel hast sie wieder ersäuft!”
Kurz vor der Ohnmacht ein letzter Duft:
Die preisgekrönte Sorte Charles Darwin,
Herznote meines Geburtstagsgeruchs.
Als Vorspeise: Sardinen in Roter Bete, Brot, Butter und Störkaviar.
Wer als Kabelmann alles im Schacht repariert, das ist mein eigner Papa.
Er wittert den Verschleiß jedes Rädchens, hat elektrische Ladung im Haar.
Er kriecht in die engsten Stollen, wo die Luft nass ist und launisch, voller Gefahr.
Für einen Bergmann ist seine Arbeit entspannt. Die Kabel gehorchen ihm.
Seine tägliche Kost sind Hackfleisch und Schnaps – 55 Jahre sind damit drin.
Erster Gang: Schweinssülze mit Möhren. „Galantine”, ruft Mama stolz.
Erster Wodka mit Trinkspruch: „Auf deine Eltern!“ Die Gläser kollidieren randvoll.
Valentins Papa ist Hauer, sein Bohrhammer hat zwanzig Kilo Gewicht.
Die Kumpel nennen ihn Ghul, er aber trägt ein Filmlächeln im Gesicht.
Nur in Blümchenschlüpfern und Stiefeln füttert er Flöze mit Dynamit.
Lungenkrebs mit 39, länger bleibt er nicht fit.
Das Hauptgericht: Rindergulasch mit Steinpilzen und viel Schmand.
Alle trinken auf mich, den nächsten udarnik, drücken mir ein Wodkaglas in die Hand.
Dennis’ Papa ist Anschläger, Dompteur der Massen am Ende der Schicht.
Die Kumpel drängen zur Seilfahrt; seinen grollenden Bass stört das nicht.
Sie rufen ihn Arschloch, er zählt die Männer im Förderkorb, zeigt Nerven aus Stahl.
Nach zehn Stunden ohne Tabak und Schnaps ist die Laune der Leute schal.
Wachsstümpfe schmücken die Napoleon-Torte, Blätterteig in Buttercremeglanz.
„Blas die Kerzen aus, Alexander, deine Lungen sind ja noch ganz.“
Eine Seilfahrt fasst acht Tonnen Männer, mit Spiel.
Das Seil reißt nach zweihundert Metern: ein hungriger Kumpel zu viel.
Blech wird zu Samt, Wolle zu Seide, der Plastikhelm zum Heiligenflor.
Kohleseelen, zusammen tausende Jahre, fahren in himmlische Gruben empor.
Tims Papa war Strebmeister, ein Zechenstar auf allen vieren.
Elite der Schacht-Rasse, stolzer Mensch mit staubschwarzer Miene.
Kein Bergrutsch, kein Schlagwetter nahm ihn den Freunden fort.
Er hat seine Stullen mit Grubenratten geteilt. Gütiges Herz, am falschen Ort.
Nager übertragen Tularämie, die Heilungschancen stehn schlecht.
Dasselbe gilt für Omsker Fieber. Doch das Urteil der Schachtratten war Pest.
Großer Bär gießt Blues über die Trinker.
Mama wäscht ab, alles döst.
Bis ein erschöpfter Grubenengel
die Nacht an den Tag erlöst.
Als Kind wollte Papa Kosmonaut werden, das war sein Traum.
Wenn Gagarin, der Bauernsohn, ohne Uni einer geworden war, wieso nicht er?
Papa wollte ihn sogar überflügeln.
Mars und Venus erobern, dann das ganze Sonnensystem.
Doch als der erste Kosmonaut der Welt in den Tod stürzte,
Bei einem banalen Trainingsflug mit einer MIG
Nur sieben Jahre danach, änderte Papa seinen Plan.
Damals war ihm seine Lebenserwartung noch wichtig.
Anstatt sich leibhaftig ins Weltall zu wagen,
Konnte er Astronom sein. Eine Karriereetage tiefer, doch
Er würde den gesamten Kosmos besitzen, wenn auch nur mit den Augen.
Neue Sterne entdecken und sie benennen, als himmlischer Magellan.
Er lernte die Sternkarte auswendig, südliche und nördliche Hälfte,
Und den Tierkreis, als Astrologie noch niemanden interessierte.
Andromeda bis Vulpecula, Alkor bis Zuben-el-schemali und wieder zurück.
An der Moskauer Astronomiefakultät fiel er durch die Aufnahmeprüfung –
Schlecht gelernte Geschichte des Kommunismus ließ ihn im Stich.
Sein Onkel, der Bürgermeister von Donezk, griff zum Telefon.
Doch sein Provinzknurren galt nichts in der Hauptstadt.
Papas Zensuren reichten für die Fakultät für Angewandte Mathematik.
Er studierte dort vier Semester.
Er begriff die Ableitung, die erste und zweite,
Tat sich leicht auf dem gut gepflügten Feld der Analysis,
In den treuen, redlichen Furchen der linearen Algebra,
Auf den Holzleitern und buckligen Böden der analytischen Geometrie,
In den Pilzhaufen der Gruppentheorie.
Dann wurde das Feld unübersichtlich, voller Minen für den Verstand.
Im grellen Sauerstofflicht der Abstraktion konnte Papa nicht mehr glänzen.
In labyrinthischen Beweisketten verlor er den rettenden Faden der Logik,
Hielt sich aber noch fest am Großen Wagen der allgemeinen Vernunft.
Die Schlangen der Differentialgleichungen würgten ihn,
Doch es gelang ihm ein letztes Mal, sich zu befreien.
Erst der eisige Sporn der Funktionalanalysis trieb ihn in den Ruin.
Im Geröll der Wahrscheinlichkeit: das Ende der Fähigkeit – Hahn-Banach-Theorem.
Die Gabel des Psy – psychedelisch-bekloppt, psychotisch-extrem.
Neptunischer Sumpf, zweischwänzige Peitsche integraler Integrität –