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Eine kostenlose Kurzgeschichte zur spannenden “Cat & Cole”-Reihe.
Jun Bei, Cole, Anna, Leoben und Ziana sind keine normalen Kinder. Sie leben abgeschottet in dem Labor des berühmten Genetikers Lachlan Agatta, der an ihnen forscht, um einen Impfstoff gegen das ausgebrochene Virus zu finden.
Als aber eines Tages ein Mann und eine Frau der Cartaxus-Organisation auftauchen, scheint sich eine einzigartige Gelegenheit aufzutun: Sie bieten den Kindern einen Ausweg aus der Versuchshölle.
Doch eine von ihnen würde sogar diese einmalige Chance aufs Spiel setzen, um das zu bekommen, was sie will …
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Seitenzahl: 47
Das Buch
Jun Bei, Cole, Anna, Leoben und Ziana sind keine normalen Kinder. Sie leben abgeschottet in dem Labor des berühmten Genetikers Lachlan Agatta, der an ihnen forscht, um einen Impfstoff gegen das ausgebrochene Virus zu finden.
Als aber eines Tages ein Mann und eine Frau der Cartaxus-Organisation auftauchen, scheint sich eine einzigartige Gelegenheit aufzutun: Sie bieten den Kindern einen Ausweg aus der Versuchshölle.
Doch eine von ihnen würde sogar diese einmalige Chance aufs Spiel setzen, um das zu bekommen, was sie will …
Bei Planet! bereits erschienen:
Cat&Cole: Die letzte Generation (Band 1)
Cat&Cole: Ein grausames Spiel (Band 2)
Die Autorin
© privat
Emily Suvada wurde in Australien geboren, wo sie einen Abschluss in Mathematik gemacht hat. Wenn sie nicht gerade Algorithmen entwickelt oder sich dem Schreiben widmet, findet man sie beim Wandern, Fahrradfahren oder bei chemischen Experimenten in ihrer Küche. Im Moment lebt sie zusammen mit ihrem Ehemann in Portland, Oregon.
Mehr über Emily Suvada: emilysuvada.com
Der Verlag
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Viel Spaß beim Lesen!
Emily Suvada
Vergessene Wunden
Short Story
Übersetzt von
Vanessa Lamatsch
Für Rachel, Ellie und Rory
Leoben wacht auf, als jemand in sein Bett gleitet und unter seine Decke kriecht. Der Schlafsaal des Zarathustra-Labors ist in sanftes, blaues Licht getaucht, wie es nur kurz vor der Dämmerung herrscht. Die anderen Kinder schlafen auf ihren Feldbetten. Er kann die glänzende Wölbung von Zianas kahlem Kopf sehen, Coles Arm über der Decke, den unordentlichen Heiligenschein von Annas blondem Haar auf ihrem Kopfkissen. Draußen, jenseits der Stahlgitter vor dem Fenster, leuchtet der Halbmond hoch über den gezackten Bergen am Horizont. Leoben, immer noch verschlafen, hebt die Decke und entdeckt Jun Bei, die zu ihm aufstarrt.
„Ich kann nicht mehr schlafen“, flüstert sie und drängt sich näher heran. Ihre grünen Augen sind verschwollen, ihr schwarzes Haar verknotet. Sie hatte wieder einen Albtraum.
Gewöhnlich rollt sie sich nach einem schlechten Traum neben Cole zusammen, doch in der letzten Woche ist sie stattdessen zu Leoben gekommen.
„Shhh“, murmelt er. „Es ist noch zu früh zum Aufstehen.“ Er verlagert sein Gewicht, um die Decke zu befreien und sie besser über ihre beiden Körper zu ziehen. Sie werden langsam zu groß, um sich ein Bett zu teilen. Letzten Monat sind sie elf geworden. Sie sind keine kleinen Kinder mehr.
Jun Bei packt seinen Arm. „Zeig mir deine Simulation.“
Leoben hält inne, die Hände immer noch an der Decke. Er baut an einer Insel in seiner Virtual Reality, verbringt schon seit Monaten jeden freien Moment damit, Bäume zu entwerfen und Tiere auszusuchen. Eigentlich soll das ein Geheimnis sein. Sein eigenes Projekt, von dem die anderen nichts wissen. „Woher weißt du …“
„Zeig es mir einfach.“ Sie hebt den Arm, sodass ihre Panels aneinandergedrückt werden. „Ich will an einen sonnigen Ort.“ Leoben unterdrückt ein Gähnen. „Ich weiß nicht. Ich bin müde.“
Jun Bei packt seinen Arm fester, bis ihre Finger sich in seine Haut graben, so fest, dass er zusammenzuckt. „Oder ich nehme mir von dir wieder eine Probe für mein Experiment“, sagt sie. „Ich habe aber keine Nadeln mehr. Vielleicht werde ich dich einfach beißen.“
„Okay, okay“, sagt er, begleitet von einem leisen Schmerzensschrei. „Hör auf damit. Ich zeige es dir ja.“ Ihre Finger lockern sich, aber sie gibt ihn nicht frei. Leoben richtet seine Aufmerksamkeit auf das Menü seines Panels, um die Simulation zu finden. Er wollte warten, bis sie fertig ist, bevor er sie mit den anderen teilt … aber wenn Jun Bei einmal beschlossen hat, dass sie etwas will, ist es schwer, ihre Meinung zu ändern. Und wahrscheinlich war das mit dem Beißen kein Witz. In den letzten Monaten hat sie sich aus Teilen, die sie im Keller gefunden hat, ein Genkit gebaut, und seitdem hat sie Leoben quasi in ein Nadelkissen verwandelt, um ihre Tests an ihm durchzuführen. „Okay, jetzt geht es los“, sagt er, als die VR-Datei geladen wird. Jun Bei drückt seinen Arm, dann lassen beide mit einem Blinzeln das Bett hinter sich und tauchen in einen Wald ein. Es ist Mittag und die Sonne strahlt von einem wolkenlosen Himmel. Kiefern und Fichten erheben sich um sie herum, unter ihren Füßen ein Teppich aus kniehohem Gras voller weißer Blüten. Es gibt keinen Hinweis auf das Labor, keine vergitterten Fenster, keine grauen Betonwände. Sie stehen auf einem kleinen Abhang und sehen über die Hügellandschaft hinweg, die Luft um sie herum erfüllt vom Duft der Wildblumen.
Eine Brise bewegt das Gras, doch keiner von ihnen beiden kann sie spüren. Die Simulation ist mit ihrem Sinnestek verbunden – ihren Augen, ihrem Gehör und der Geruchswahrnehmung –, doch auf ihrer Haut spüren sie nur die Decke, die über ihnen liegt. Es ist möglich, eine Simulation zu erschaffen, die man fühlen kann, aber Leoben weiß noch nicht, wie das geht. Er hat gerade erst angefangen, codieren zu lernen. Nicht Gentech-Coding, wie Jun Bei es in ihrem Experiment macht – sondern Computer-Programmierung. Jun Bei hat sich in die Bibliothek des Labors gehackt und ein Handbuch gefunden, mit dem er sich alles selbst beibringen kann. Er hat es jeden Tag studiert. Die Blumen, zwischen denen sie stehen, sind einzeln programmiert, genauso wie die orangefarbene Schlange, die über einem Ast hängt. Sie soll eigentlich alle zehn Sekunden den Kopf heben und zischen, aber anscheinend gab es bei diesem Befehl eine Fehlfunktion.
„Gefällt es dir?“, flüstert Leoben leise, um die anderen nicht aufzuwecken.
Jun Beis Augen werden groß, als sie sich umsieht. „Das ist so cool. Wo soll dieser Ort sein?“
„Bermuda“, sagt er. „Ich will ein Haus im Bermuda-Dreieck bauen. Ich werde eines Tages dorthin fliegen und ein so guter Pilot sein, dass ich es schaffe, das Dreieck zu durchqueren. Und niemand kann mir folgen.“
Jun Bei rümpft die Nase, als würde sie versuchen, ein Lachen zu unterdrücken. „Das Bermuda-Dreieck ist nicht echt, Lee. Das ist nur eine Geschichte, die die Leute erfunden haben.“ „Nein, ist es nicht“, beharrt er, doch gleichzeitig spürt er, wie sich sein Körper auf dem Feldbett anspannt. Eine der Krankenschwestern hat ihm vom Bermuda-Dreieck erzählt. Das war seine Lieblingsgeschichte. Die Krankenschwester hat geschworen, dass es das Dreieck wirklich gibt, aber Jun Bei hat in solchen Dingen gewöhnlich recht. „Du weißt nicht alles, Jun Bei.“
Sie zieht einen Schmollmund. „Das habe ich nie behauptet.“ „Das ist meine Simulation“, sagt er, „und sie zeigt das Bermuda-Dreieck. Wenn es dir nicht gefällt, kannst du gerne verschwinden.“
„Was auch immer“, sagt sie und verdreht die Augen. „Die Bäume auf Bermuda würden allerdings nicht so aussehen. Ich bringe das für dich in Ordnung.“
„Du meinst, die Simulation umprogrammieren?“ Leoben weiß, dass Jun Bei klug ist – jeder weiß, dass sie klug ist –, aber sie kann keine ganze VR-Simulation im Vorbeigehen hacken. „Du kannst das nicht einfach ändern, während wir hier drin sind. So funktioniert VR nicht. Es ist viel komplizierter.“
„Lass es mich versuchen“, sagt sie und drückt erneut seinen Arm. Diesmal flehend statt drohend. „Komm schon! Ich kann helfen. Ich mache sie noch besser, versprochen.“
„Schön“, sagt Leoben, darum bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie verletzt er ist. Er hätte sie nicht herbringen sollen. Jetzt wird sie sich an seinem Code zu schaffen machen. Sie wird ihn wahrscheinlich zerstören. Jun Bei zerstört alles. Fenster. Teller. Knochen. Ihr Blick verschwimmt, und Leoben fängt an, an einer der Krusten auf seiner Brust herumzukratzen.
Wehe, sie rührt die Schlange an.
Jun Bei wird still. Leoben ist sich vage ihrer Hand an seinem Arm bewusst, ihrer Gegenwart neben sich auf dem Feldbett. Gewöhnlich mag er es nicht, berührt zu werden. Nicht von Lachlan, nicht von den Wachen und nicht mal von den Krankenschwestern. Er zwingt sich sogar dazu, nicht vor Berührungen der anderen Kinder zurückzuzucken, selbst wenn es sich manchmal anfühlt, als würde er sich die eigene Haut vom Körper ziehen. Das Gefühl einer Hand an seinem Körper ist für ihn nur die Ankündigung von Schmerz.
Die einzigen Hände, die er je gespürt hat, haben ihn in ein Labor geführt, Kabel in sein Panel gesteckt oder Fesseln um seine Handgelenke geschlossen.
Wenn Jun Bei ihn verletzt, macht ihm das üblicherweise nicht so viel aus. Alle Kinder streiten manchmal, und er und Jun Bei vertragen sich hinterher immer wieder. Doch seitdem sie angefangen hat, das Genkit zu bauen, bohrt sie ständig silberne Nadeln in ihn und erntet Tropfen seines Blutes für ihre Experimente. Beim letzten Mal hat sie die Nadel so plötzlich in seine Hand gerammt, dass er die Augen schließen musste, um nicht zu weinen.