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Norwegen im Jahr 860. Die Halbbrüder Thorolf, Yngvi und Digur verhelfen den Töchtern des Wikingerfürsten Halldor zur Flucht. Halldors Rache lässt nicht lange auf sich warten. Brandschatzend zieht er durch das Gebiet der Befreier und erwirkt deren Verbannung. Den Brüdern bleibt keine Wahl: Mit auswanderungswilligen Siedlern brechen sie zu neuen Ufern auf und erreichen nach einer abenteuerlichen Seereise Catan - das Land der Sonne. Doch die Insel stellt die Brüder vor gewaltige Herausforderungen. Werden sie zusammenstehen, um den Siedlern eine bessere Zukunft zu bieten oder wird sie diese Aufgabe entzweien?
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Seitenzahl: 834
CATAN - Der Roman (Band 1)
Klaus Teuber
KOSMOS
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Umschlagsabbildung: © www.buerosued.de
© 2022, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-50451-2
E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Mein Name ist Björn Einarson. Ich lebe auf Catan, einem von Gott mit fruchtbarer Erde gesegneten Eiland. Der weite Ozean, der unsere Insel umgibt, bestimmt das Wetter an unseren Küsten. Meist sind uns seine Winde gnädig und sorgen für einen Gleichklang zwischen sonnigen Tagen, die dem Getreide auf unseren Äckern ihre goldgelbe Reife schenken, und trüben Tagen mit regenschwangeren, dunklen Wolken, deren reichliches Nass tief in die Erde dringt und üppiges Grün sprießen und gedeihen lässt.
Doch manchmal tobt das Meer und schickt uns schwere Stürme. Dann nagen mächtige Wellen an unserer Küste und gleißende Blitze, gefolgt von laut schallenden Donnerschlägen, lehren nicht nur Kinder und Hunde das Fürchten.
Als ich klein war, ängstigten mich die Unwetter. Wenn ich Schutz suchend unter eine Bank kroch, erinnerte ich mich an eine gruselige Geschichte, die uns die Alten erzählten. Sie handelte von einer riesigen Schlange, die das Ende der Welt besiegelte. In meiner kindlichen Fantasie fürchtete ich das Unwetter als Vorboten dieses übermächtigen Ungeheuers, dessen gierig aufgerissener Schlund nicht nur Haus und Hof, sondern unsere ganze Insel verschlingen würde.
Meine Mutter, die von meinen Ängsten wusste, deutete eines Tages auf ein kleines Fettauge, das auf der Oberfläche meiner Brühe schwamm, und meinte, dies sei eine Insel im Meer meiner Suppe. Wie das Fettauge könne auch eine richtige Insel nicht untergehen – schon gar nicht Catan, bekräftigte sie lächelnd. Dafür sei die Insel viel zu groß.
Von da an fand ich die Unwetter etwas weniger bedrohlich.
Als ich dreizehn wurde, erzählte mir mein Vater, Catan sei nicht immer bewohnt gewesen. Vor vielen Wintern sei die Generation meiner Großmütter und Großväter mit seetüchtigen Schiffen über den weiten Ozean gesegelt und habe unsere Insel in Besitz genommen.
Das konnte ich mir kaum vorstellen und bat ihn ungläubig, mir mehr über unsere Vorfahren zu erzählen, wer sie waren und woher sie kamen. Vater lachte und legte mir eine schwielige Hand auf die Schulter. Er meinte, es gebe einen Mann, der einer der ersten Siedler gewesen sei und viel besser meinen Wissendurst befriedigen könne, als er selbst es vermöge. Die Zeit sei reif, dass ich diesen Mann kennenlernte.
Eine Woche später brachte mich mein Vater auf ein Schiff, das zu einem vier Seetage entfernten Dorf segelte. Dort wohnte mein Großonkel, der mit seinen fast siebzig Wintern wohl der älteste Bewohner Catans war – so kam er mir jedenfalls vor, als ich ihm das erste Mal begegnete.
Noch heute sehe ich ihn vor seinem Haus stehen. Gebeugt stützte er sich auf einen knorrigen Stock, als ich ihn begrüßte und ihm erklärte, wer ich war und was ich von ihm wollte. Den vielen Jahren, die an meinem Großonkel vorübergezogen waren, war es zwar gelungen, seine Knochen zu schrumpfen und ihn mit dem Verlust fast aller seiner Haare sowie mit tiefen Falten zu schlagen, doch vor seinen Augen hatte die Zeit kapituliert. Ihr Blau war von einer Klarheit, wie sie sonst nur jungen Menschen eigen ist. Es waren kluge Augen, Augen, in denen auch ein lustiger Geselle namens Schalk wohnte, der aufblitzte, als er mir mit einem kleinen Scherz die Scheu nahm und mich in sein Haus führte.
An diesem Tag begann eine tiefe Freundschaft zwischen ihm und mir, die fast drei Jahre währen sollte – bis zu seinem Tod. Während dieser Zeit, in der ich ihn immer wieder besuchte, beantwortete er alle meine Fragen, befriedigte meinen Wissensdurst und mehr noch: Er vertiefte auch meine Kenntnisse in der Kunst des Lesens und Schreibens. Dies schien ihm besonders viel Freude zu bereiten.
Schon am ersten Tag unserer Bekanntschaft nahm er sich meiner drängendsten Frage an: der nach der Herkunft meiner Vorfahren. Die rostigen Scharniere quietschten jämmerlich, als er eine alte, verschrammte Truhe öffnete und ihr ein an den Rändern eingerissenes Pergament entnahm. Auf ihm, erklärte er mir, habe er in jungen Jahren alle ihm bekannten Länder der alten Welt skizziert. Mit einem gichtigen Finger tippte er auf eine gezackte Küstenlinie. Das sei das Nordland, seine alte Heimat. Von dort aus seien er, seine Brüder und viele Siedlerfamilien zu ihrer langen Fahrt aufgebrochen. Das Nordland, lehrte er mich, sei ein karges, im Winter oft bitterkaltes Land, in dem Bauern, Hirten und Fischer lebten, aber auch Häuptlinge, die mit beutehungrigen Kriegern ihre schnellen Langschiffe bestiegen und auf Wikingfahrt gingen. Als er meine fragende Miene bemerkte, ergänzte er, Wiking bedeute so viel wie Plünderung oder Raub.
Er kniff die sehschwachen Augen zusammen; sein Finger wanderte auf der Karte weiter nach Westen zu einer größeren und einer kleineren Insel und verharrte schließlich auf einer Landmasse im Süden. Dort überallhin seien die Wikinger gesegelt. An den Küsten der Iren, Angelsachsen und Franken hätten sie Klöster und Herrensitze überfallen, die Bewohner versklavt und Truhen mit Gold und Silber gefüllt. Als ich ihn fragte, ob auch er auf Beutefahrt gegangen sei, schüttelte er den Kopf und bekannte mit einem feinen Lächeln, er habe lieber mit Waren gehandelt, statt sie zu rauben; aber sein Vater, der sei ein berüchtigter Wikingerfürst gewesen.
Zu meinen Vorfahren, führte er aus, zählten Iren und Menschen aus dem Nordland. Doch auch das Blut einer Frau aus dem heißen Land fließe in meinen Adern. Von ihr hätte ich den bronzenen Ton meiner Haut und die schwarzen Locken geerbt. Als wollte er sich derer vergewissern, zauste er mein Haar mit seinen krummen Fingern.
Durch die lebhaften Schilderungen meines Großonkels entstanden Bilder in meinem Kopf, die im Laufe der Jahre immer zahlreicher wurden und schließlich zu einem Großen und Ganzen zusammenwuchsen.
Am Tage seines Todes schickte er alle Besucher weg, die ihm die letzte Ehre erweisen wollten. Nur seine Tochter und ich durften bei ihm bleiben.
Bevor er zu einem letzten Atemzug ansetzte, flüsterte er kaum hörbar: „Carla“ – den Namen seiner einige Jahre zuvor verstorbenen Frau. Sein Blick brach, doch seine Lippen lächelten, wie sie es in seinem erfüllten Leben wohl oft getan hatten. Weinend schloss ihm seine Tochter die Augen.
In diesem Moment entschied ich, seine Geschichte, die zugleich auch die seiner beiden Brüder und vieler mutiger Frauen und Männer war, irgendwann niederzuschreiben und sie so vor dem Vergessen zu bewahren. Am liebsten hätte ich gleich damit begonnen, doch die Aufgaben – zunächst auf meines Vaters Hof und später die auf meinem eigenen Gut – schienen eifersüchtig bemüht zu sein, mir die nötige Zeit dafür zu rauben.
Erst heute, fünfundzwanzig Winter später, da meine Kinder, die mir meine Frau geschenkt hat, fast erwachsen sind und mich bei der Arbeit auf unseren Feldern tatkräftig unterstützen, finde ich endlich die Zeit, zur Feder zu greifen. An vieles, was mein Großonkel mir erzählt hat, erinnere ich mich noch sehr genau, anderes mag meine Fantasie schon damals hinzugedichtet haben, bei wieder anderem muss ich mich auf meine heutige Vorstellungskraft verlassen …
Die Geschichte meines Großonkels beginnt mit einer dramatischen Flucht im winterlichen Nordland.
Asla lag mit offenen Augen auf ihrer Schlafstätte. Sie starrte auf den Herd, dessen Glut die Umgebung in einen schwachen rötlichen Schein tauchte. Hin und wieder züngelte eine gelbe Flamme aus der glühenden Kohle und spendete für einen kurzen Moment dem ganzen Raum ihr mattes Licht. Dann warfen die hölzernen Säulen, die das Dach der großen, dreischiffigen Halle trugen, lange, blasse Schatten an die Wand.
Nur nicht einschlafen, mahnte sich Asla.
Noch waren ihre Eltern wach. Davon zeugten das leise Getuschel und das gelegentliche unterdrückte Prusten ihrer Mutter Greta hinter dem Vorhang, der die Schlafstätte ihrer Eltern vor neugierigen Blicken schützte. Vermutlich lästerten sie über den einen oder anderen Gast, der dem Julfest vor ein paar Tagen beigewohnt und sich lächerlich gemacht hatte.
Sie musste geduldig sein. Erst wenn ihr Vater mit seinem gleichmäßigen Schnarchen beginnen und ihre Mutter nicht lange danach, so als hätte sie nur auf das vertraute Signal gewartet, selig darin einstimmen würde, durfte sie ihre Flucht wagen.
Asla schmiegte sich in ihre Felldecke. Trotz des wärmenden Herds war es kühl in der großen Halle Halldors, ihres Vaters, der sich gerne König des Nordlands nannte – ein Titel, den er beanspruchte, obwohl ihm bisher nur wenige Häuptlinge und Fürsten die Treue geschworen hatten. Viele mächtige Stammesführer des Nordens verweigerten ihm die Anerkennung.
Halldor war ein stattlicher Mann und ein kampferfahrener und gefürchteter Krieger. Ihre Mutter liebte und seine Gefolgsleute verehrten ihn. Viele seiner freien Bauern und die seiner verbündeten Häuptlinge griffen gerne zu den Waffen, wenn er sie rief. Doch obwohl Halldor ein ansehnliches Heer auf die Beine stellen konnte, war es ihm auch in vielen kräftezehrenden Auseinandersetzungen nicht gelungen, seine größten Widersacher zu besiegen.
Seit seine Krieger der Kämpfe müde wurden und sich immer unwilliger von ihren Höfen entfernten, um mit ihm in den Krieg zu ziehen, hatte Halldor seine Strategie geändert. Statt Schwerter plante er nun, seine vier Töchter, die zu außerordentlichen Schönheiten heranwuchsen und in ihrem Liebreiz ganz nach ihrer Mutter kamen, einzusetzen, um König des gesamten Nordlands zu werden.
Asla war mit ihren siebzehn Wintern die Älteste von ihnen. Sie war die erste seiner hübschen Figuren, die Halldor in seinem Spiel um Macht und Ruhm zu nutzen und einem ungewissen Schicksal auszuliefern gedachte. Der Gemahl, den er für sie vorgesehen hatte, hieß Hafur und war einer der mächtigen Fürsten, die ihm bisher den Treueeid verweigerten.
Einige Wochen vor dem Julfest hatte Halldor mit seinem Rivalen über ein Bündnis verhandelt und ihm bei dieser Gelegenheit auch seine beiden ältesten Töchter Asla und Stina vorgestellt. Die Schwestern hatten sich wie wesenlose Fleischhüllen gefühlt, als Hafur lüstern und ausgiebig ihre Körper musterte. In ihre Gesichter hatte er nur kurz und mit wenig Interesse geschaut.
Von seinen Dienerinnen hatte Asla erfahren, dass Hafur seine beiden ersten Frauen überlebt hatte und mittlerweile fast fünfzig Winter zählte. Sie hatten ihr erzählt, Hafur habe seine Angetrauten roh behandelt und mit Schlägen nicht gegeizt. Es ging sogar das Gerücht, er habe eine von ihnen im Rausch totgeschlagen.
Asla fröstelte und kuschelte sich noch tiefer in ihre Decke, als sie an den glatzköpfigen, stämmigen Stammeshäuptling mit den verfaulten Zähnen und dem widerlichen Mundgeruch sowie an ihre drohende Verheiratung mit ihm dachte. Diese hatten Halldor und Hafur für den Tag im Frühjahr angesetzt, an dem das Licht der Sonne ebenso lang herrschte wie das Dunkel der Nacht, und ihr Bündnis mit einem Handschlag besiegelt.
Sie seufzte leise und ließ ihre Gedanken zu Thorolf wandern, der draußen in der Nacht auf sie wartete. Im Geiste sah sie sein Gesicht, als stünde er vor ihr. Sein schwarzes Haar bildete einen spannenden Kontrast zu seinen sattblauen Augen, in deren Tiefen sie sich gerne verlor. Sein markantes Kinn, das er nach vorne schob, wenn er angespannt war oder etwas durchsetzen wollte, verlieh ihm den Anschein, als besäße er eine ihm innewohnende urwüchsige Kraft. Besonders liebte sie das auffallende Grübchen darin.
Asla kannte den Sohn des Stammesfürsten Ulrik seit ihren Kindheitstagen. Ihre Familien hatten sich anlässlich vieler Feste getroffen und sie hatte, so lange sie denken konnte, in den unbeschwerten Zeiten der Feiertage die Nähe ihres Bruders Hilmar und Thorolfs gesucht, die unzertrennliche Freunde waren.
Anfangs waren die beiden älteren Jungen erfolgreich vor ihr, der kleinen, nervigen Schwester, geflüchtet, was aufgrund der längeren Beine von Hilmar und Thorolf kein Kunststück gewesen war. Erst als Asla älter wurde, akzeptierten die Freunde immer häufiger ihre Gegenwart, wenn sie mit ihren Holzschwertern aufeinander einprügelten, den Unfreien kleine Streiche spielten oder mit Pfeil und Bogen auf die Jagd nach Hasen und Enten gingen. Als sie vierzehn war, bekam sie dann von Hilmar ihren ersten eigenen Bogen geschenkt. Im selben Sommer hatte sie mehrfach amüsiert festgestellt, dass Thorolf sie nicht mehr ansah, als wäre sie ein Mädchen, sondern als die Frau, zu der sie inzwischen herangewachsen war.
Endlich. Ihre Eltern schnarchten einträchtig.
Langsam erhob sich Asla. Sie bemühte sich, leise zu sein, um Stina, die das Lager mit ihr teilte, und ihre beiden jüngeren Schwestern Hoffa und Njala, die auf der benachbarten Schlafstätte ruhten, nicht zu wecken. Sie legte sich die Felldecke über die Schultern und griff nach ihren Lederschuhen. Dank der wollenen Strümpfe gelangte sie, bedächtig einen Fuß vor den anderen auf den kühlen, gestampften Lehmboden setzend, nahezu lautlos zum Eingang der Halle.
Neben der Tür nahm sie schemenhaft den dort ruhenden Loki wahr, den zweijährigen mittelgroßen Jagdhund ihres Vaters, der das Privileg genoss, sich – anders als seine Artgenossen – im Haus aufhalten zu dürfen. Als sich Asla zu ihm hinabbeugte und seinen Kopf streichelte, leckte ihr Loki mit nasser Zunge liebevoll die Hand. Sie würde den treuen Hund vermissen, mit dem sie oft die umliegenden Wiesen und Wälder durchstreift hatte, und mehr noch ihre Mutter und ihre Geschwister, nicht aber ihren mächtigen Vater, den sie als Kind fast wie einen Gott verehrt hatte. Ihm konnte sie nicht verzeihen. All ihr Flehen hatte er nicht erhört, hatte sich nicht erweichen lassen, sie einem anderen Mann als Hafur zur Frau zu geben. Schließlich hatte sie erkennen müssen, dass ihr Vater in ihr nicht viel mehr als eine wertvolle Ware sah, die er in seinem Machtstreben ohne Skrupel einzutauschen bereit war. Als auch ihre letzten verzweifelten Appelle wirkungslos an ihm abgeprallt waren, hatte sie begonnen, ihn zu hassen, und sich zur Flucht und für eine gemeinsame Zukunft mit Thorolf entschieden, der ihr vor drei Monden seine Liebe gestanden hatte. Ein schlechtes Gewissen, die eigensüchtigen, kaltherzigen Pläne ihres Vaters zu vereiteln, hatte sie nicht.
Ein letztes Mal sah sie zurück zu ihrer Schlafstätte, zu Stina, die dort schlief und die ihr von ihren Schwestern am nächsten stand. Sie würde sie wohl nie wiedersehen. Aber alle Wehmut brachte sie jetzt nicht weiter. Es half nichts, so oder so waren ihre Tage in ihrem Elternhaus gezählt. Behutsam schob Asla den Riegel zurück und öffnete die schwere Holztür fast geräuschlos. Ihre Mutter hasste es, wenn die Tür beim Öffnen und Schließen hundertmal am Tag knarzte und quietschte, und schmierte, statt sich tatenlos zu beklagen, jede Woche geduldig den Riegel und die Angeln mit Talg ein.
Asla trat über die Schwelle und drückte die Tür langsam hinter sich zu. Erleichtert atmete sie tief die klare, für die winterliche Jahreszeit relativ milde Luft ein. Bis hierin war ihr der erste Schritt ihrer Flucht schon mal gelungen.
Das Licht des klaren, sternenumspannten Himmels und der Sichel des Monds schälte die Konturen der Häuser des väterlichen Hofes aus der Dunkelheit. Zu ihrer Rechten standen die Ställe für das Vieh, links lagen die Unterkünfte der Knechte und Mägde und der engsten Gefolgsleute ihres Vaters. Vor ihr erhob sich das Langhaus Hilmars, ihres Bruders, der vor Kurzem geheiratet und seinen eigenen Hausstand gegründet hatte.
Bis auf das Pfeifen und Trillern eines Käuzchens war alles still. Asla streifte sich ihre Schuhe über und schlich geduckt am Haus ihres Bruders vorbei. Als sie kurz zurückblickte, meinte sie, eine Gestalt in das Gesindehaus huschen zu sehen. Einen Moment verharrte sie ruhig, konnte aber keine weiteren verdächtigen Bewegungen erkennen.
Bald gelangte sie zu einer Stelle der mannshohen Palisade, die im Sichtschutz einer großen Eiche lag. Die Umfriedung des elterlichen Anwesens diente vor allem dem Schutz des Viehs, insbesondere der Hühner, vor den hungrigen Fängen von Wölfen und Füchsen. Menschliche Feinde würden mit ihren Langschiffen den Fjord hinaufgerudert kommen, an dessen Ende das Gehöft ihres Vaters lag, und die Wachen, die Halldor am Fjord positioniert hatte, würden die Bewohner des Dorfes rechtzeitig mit Leuchtfeuern vor einem Angriff warnen.
Asla fischte ihren Tragesack, den sie tags zuvor heimlich versteckt hatte, aus dem Gebüsch am Fuß der Eiche. Hierin hatte sie wichtige Dinge verstaut, auf die sie bei ihrer Flucht nicht verzichten wollte: ein frisches Unterkleid aus Leinen, ein längliches Wolltuch, Holzstäbe zur Zahnreinigung, verschiedene Säckchen mit Heilkräutern und ein Seil. Sie tastete in dem Sack nach dem schön gearbeiteten Kamm aus Walknochen, um sich seines Vorhandenseins zu vergewissern.
Sie hatte ihn vor drei Monden geschenkt bekommen, als sie und ihre Familie zu Gast auf dem Hof von Thorolfs Vater, Fürst Ulrik, gewesen waren. Während die Männer der beiden Sippen fröhlich zechend das Erntefest feierten, war sie von Thorolf an eine abgelegene Stelle am Fjord geführt worden. Dort legte er ihr den meisterhaft gefertigten und mit kleinen Edelsteinen verzierten Kamm in die Hände und bat sie, seine Frau zu werden.
Ohne zu zögern, hatte sie sich auf die Zehenspitzen gestellt und ihm einen schnellen, frechen Kuss auf sein Kinngrübchen gegeben. Höher kam sie nicht und beide mussten lachen. Als sie ihm versicherte, dass sie ihn liebe, seit sie ihn kenne, hatte Thorolf sie auf seinen Mantel gezogen, den er zuvor auf dem weichen Gras ausgebreitet hatte …
Asla riss sich zusammen. Sie durfte jetzt nicht träumen, sondern sollte ihre Flucht fortsetzen. Eilig zog sie den langen ärmellosen Wollmantel an, den sie ebenfalls in dem Gebüsch deponiert hatte, und legte sich ihre Felldecke wieder über die Schultern. Mithilfe des Seils kletterte sie rasch über die Palisade und befand sich kurz darauf auf der Wiese auf der anderen Seite. Zügig hielt sie auf den zum Wald führenden Pfad zu.
Immer wieder blickte Asla ängstlich zurück, aber niemand verfolgte sie. Nur einmal schien sich einer der Schatten zu bewegen, der sich bei näherem Hinsehen aber nur als ein im Wind wogender Busch entpuppte. Ihr Herz klopfte schneller, als sie an das bevorstehende Wiedersehen mit Thorolf dachte.
***Thorolf und seine Brüder Yngvi und Digur hatten ihr Lager auf einer kleinen Lichtung des Waldes aufgeschlagen, in dem die Frauen von Halldors Dorf im Sommer und Herbst Beeren, Kräuter und Pilze sammelten. Obwohl zu dieser winterlichen Jahreszeit zufällige Besucher wenig wahrscheinlich waren, hielt immer einer der drei Brüder Wache.
In dieser Nacht hatte Thorolf die erste Wache übernommen und hütete den Schlaf seiner Brüder. Zum Zeitvertreib bearbeitete er mit seinem Messer geschickt ein großes Stück Eichenholz. In den drei Tagen, die sie bereits auf der Lichtung auf Asla warteten, war er weit gekommen. Schon war die Figur eines Adlers mit ausgebreiteten Schwingen gut zu erkennen.
Beim Schnitzen dachte Thorolf oft sehnsüchtig an die Liebesnacht vor drei Monden, als er und Asla sich in den Armen gehalten und sich ihre gemeinsame Zukunft in allen Farben ausgemalt hatten. Weniger gern hingegen erinnerte Thorolf sich an die Ernüchterung am nächsten Morgen. Er war mit Asla vor Halldor getreten und hatte ihn gebeten, ihm seine Tochter zur Frau zu geben. Seine Bitte war zwar ungebührlich, da eigentlich sein Vater Ulrik mit Halldor über eine Hochzeit mit Asla hätte verhandeln müssen, aber er selbst war trotz seiner jungen Jahre ein sehr erfolgreicher Kauffahrer und hatte genügend Mittel beiseitegelegt, um einen stattlichen Brautpreis für Asla zahlen zu können. Halldors Reaktion jedoch war eindeutig gewesen: Zunächst starrte er ihn und Asla mit offenem Mund ungläubig an, dann schoss ihm das Blut in den Kopf, und zuletzt verwies er ihn, wütend mit dem Zeigefinger in seine Richtung fuchtelnd, der Halle. Kurz darauf war Halldor früher als ursprünglich geplant mit seiner Familie und seinen Männern abgereist.
Seitdem hatte Thorolf seine Geliebte nicht mehr gesehen. Auch nicht vor sieben Tagen, als sein Vater und die anderen verbündeten Häuptlinge mit ihren Familien und ihren tapfersten Kriegern der Einladung Halldors zum Julfest gefolgt waren und im Hafen anlegten. Der selbst ernannte König des Nordlands und seine Familie hießen die Gäste willkommen. Neben Halldors Frau standen ihre Töchter Stina, Hoffa und Njala, Asla aber hatte Thorolf nirgends entdecken können.
Noch am gleichen Abend begannen die Häuptlinge und ihre Recken, in der großen Halle Halldors zu feiern. Halldor ließ sich nicht lumpen: Met, Wein aus dem Süden und Bier flossen in Strömen. Die Stimmung war überwiegend ausgelassen und fröhlich. Skalden sangen Heldenlieder und erzählten von den Göttern. Die Krieger brüsteten sich wortgewaltig mit ihren Taten und nicht selten führte ein hitziger Wortwechsel zu einer blutigen Schlägerei, die, befeuert von den Zechern, vor der Halle ausgetragen wurde. Am nächsten Tag hatten die Männer ganz wie in Walhall ihre Auferstehung von einem todesähnlichen Schlaf gefeiert und munter in die nächste Nacht hinein gesoffen.
Wenn Thorolf nicht dem Fest beigewohnt hatte, war er in Halldors Dorf in der Hoffnung umhergewandert, Asla irgendwo zu finden oder einen Hinweis zu erhalten, wo sie sich aufhielt. Schließlich hatte ihn Stina, Aslas jüngere Schwester, zur Seite genommen und ihm verraten, Halldor habe seine älteste Tochter während des Festes in einer Hütte eingesperrt und ihr verboten, diese zu verlassen. Gewissenhaft trugen Wachen Sorge, dass Asla dieses Verbot einhielt und er, der unwillkommene Liebhaber, der Hütte nicht zu nahe kam. Doch Halldor hatte seine Rechnung ohne Stina gemacht, die ihre Schwester liebte und treu zu ihr hielt. Während der letzten beiden Festtage hatte Stina die Botin zwischen ihm und Asla gespielt und war anscheinend froh gewesen, ihrer Schwester helfen zu können und zugleich im Mittelpunkt eines aufregenden, nicht alltäglichen Abenteuers zu stehen.
So hatte er mit Asla die Lichtung als Treffpunkt vereinbaren können und ihr versprochen, dort auf sie zu warten.
Thorolf betrachtete den halb fertigen Adler. Er würde ihn Asla schenken und sicher würde sie ihn stolz über der Tür ihres zukünftigen Heimes befestigen.
Nach dem Ende des Julfestes hatten bereits viele Gäste mit ihren Schiffen den Hafen unterhalb von Halldors Anwesen verlassen und auch Thorolf hatte seinen Männern befohlen, die Goldadler aus dem Hafen herauszurudern. Während er selbst am Heck seiner breitbauchigen, geräumigen Knorr stand, verharrte Halldor hoch aufgerichtet und breitbeinig am Ufer, hob seine Hand und schickte ihm zum Abschied einen frostigen Gruß. Thorolf las keine Freundlichkeit in den Augen des Königs, sondern glaubte, in dessen Miene vor allem Triumph und Selbstzufriedenheit darüber zu erkennen, eine mögliche Liebesnacht zwischen ihm und Asla verhindert zu haben.
Aber Thorolf war nicht nach Hause gesegelt. Als die Goldadler etwa die Mitte des Fjords erreicht hatte, ließen seine Männer im Schutz der Nacht ein Beiboot zu Wasser und ruderten ihn und seine Brüder zum nahen Ufer. Während seine Gefolgsleute die Goldadler heimwärts segelten, hatten sich Thorolf, Yngvi und Digur einen schmalen, steilen Pfad empor gemüht, der sie entlang der Bergkette, die den Fjord auf einer Seite begrenzte, an Halldors Dorf vorbei zu der kleinen Lichtung führte, auf der er sich mit Asla verabredet hatte.
Thorolf hielt inne und ließ das Schnitzmesser sinken. Hatte er etwas gehört? Hatte am Rand des Waldes welkes Laub geraschelt? Er lauschte. Das Rascheln wurde lauter, Zweige knackten.
Mit einem Zischen weckte er Yngvi und Digur, die sogleich nach ihren neben sich bereitliegenden Schwertern griffen und aufsprangen. Auch Thorolf zog sein Schwert und erhob sich. Eine Gestalt schälte sich aus dem Dunkel des Waldes und betrat die sternenbeschienene Lichtung.
„Thorolf. Yngvi, Digur! Was steht ihr da mit euren großen Messern herum? Nennt ihr das eine standesgemäße Begrüßung für eine Königstochter?“
Als Thorolf die vertraute Stimme hörte, ließ er sein Schwert zu Boden fallen und rannte auf Asla zu, die sich ihrer schweren Felldecke entledigte und sich ihm lachend entgegenwarf. Lange wiegte Thorolf seine Geliebte sprachlos in seinen Armen, küsste sie innig, sog ihren Duft ein, drückte sie immer wieder und schien sie gar nicht mehr loslassen zu wollen.
Yngvi dauerte das zu lange: „Verehrter Bruder, wenn du so weitermachst, wird von Asla bald nichts mehr übrig sein. Digur und ich würden deine schöne Braut auch gerne willkommen heißen. Vielleicht schenkt sie uns zur Begrüßung auch einen Kuss?“
Digur nickte zustimmend.
Asla löste sich behutsam aus Thorolfs Armen und ging auf die beiden zu. Fröhlich glitzerten ihre Augen. „Einen Kuss sollt ihr haben, ihr mutigen Krieger. Als Dank dafür, dass ihr Thorolf bei meiner Flucht zur Seite steht. Und sogar einen zweiten schenke ich euch. Einfach, weil ich euch Kerle mag.“
Yngvi musste sich kaum bücken, um auf jeder seiner Wangen einen Kuss von seiner zukünftigen Schwägerin zu empfangen, Digur hingegen war ein hünenhafter, muskulöser Krieger, der seinen breiten Rücken ein gutes Stück beugen musste, um seine Belohnung entgegenzunehmen.
***„Erschreckt nicht! Ich bin’s, Stina!“
Unbemerkt war Stina in den Lichtschein des schwach lodernden Feuers getreten und verschränkte fröstelnd ihre Arme vor der Brust. Über ihrem langen Unterkleid trug sie nur einen leichten Wollumhang. Ihre Füße steckten in einfachen Lederschuhen.
Asla gewann als Erste ihre Fassung zurück. „Was tust du hier, Stina? Ich dachte, du hättest geschlafen, als ich die Halle verlassen habe …“
„Nein, ich war hellwach. Als eure Botin wusste ich ja, wo du hinwolltest.“
„Bist du alleine? Ist dir jemand gefolgt?“, fragte Thorolf barsch und musterte argwöhnisch den dunklen Waldrand.
Stina schüttelte den Kopf. „Ich habe aufgepasst. Niemand hat mich gesehen, als ich das Dorf verließ.“
„Du willst doch nicht etwa mit uns kommen?“, fragte Asla ungläubig.
„Doch!“, erwiderte ihre Schwester trotzig. „Wer müsste denn in deine Fußstapfen treten, wenn du weg bist? Ich! Unsere beiden Schwestern sind noch zu jung, um deine Bürde zu tragen. Ich wäre es, die den alten Widerling Hafur nach deiner Flucht an deiner Stelle heiraten müsste.“ Stina verzog den Mund, als hätte sie auf eine bittere Frucht gebissen. „Mir wird übel, wenn ich nur daran denke, von ihm angefasst zu werden. Deshalb bin ich dir gefolgt, Asla.“ Sie sah Thorolf an, und ein Flehen schlich sich in ihren Blick. „Bitte, nimm mich mit.“
Beschämt musste sich Asla eingestehen, dass sie nur an sich gedacht und die Folgen, die ihre Flucht für Stina bedeuteten, gedankenlos beiseitegeschoben hatte.
Thorolf sah von einer Schwester zur anderen. Sie sahen sich auf den ersten Blick fast zum Verwechseln ähnlich. Beide waren schlank und mittelgroß; volle, leicht gewellte blonde Haare umrahmten ovale, ebenmäßige Gesichter mit großen, grün-braun gesprenkelten, von langen Wimpern beschatteten Augen. Ein zweiter Blick jedoch enthüllte feine Unterschiede: Asla besaß vollere Lippen und eine höhere Stirn, die sie abgeklärter und in gewisser Weise vornehm erscheinen ließ, Stina hingegen wirkte eher keck und herausfordernd, was ihrer leicht nach oben weisenden Stupsnase und den jetzt im Winter verblassten Sommersprossen geschuldet war.
Yngvi unterbrach das ratlose Schweigen: „Was überlegst du, Thorolf? Wenn Halldor mitbekommt, dass ihm Asla, sein wertvollstes Schätzchen, abhandengekommen ist, wird er in einem seiner berüchtigten Tobsuchtsanfälle das Mobiliar seiner Halle zertrümmern. Stinas Flucht ist dann nur noch eine Dreingabe, die vielleicht noch das eine oder andere Huhn das Leben kostet, das ihm unglücklicherweise über den Weg läuft. Eine entführte Tochter mehr oder weniger ist doch egal. Halldor wird so oder so stinkwütend sein und versuchen, uns zur Rechenschaft zu ziehen. Also, was soll’s? Ich bin dafür, dass Stina mit uns kommt.“
Digur nickte zustimmend.
Dankbar blickte Stina zu den beiden Brüdern.
Thorolf aber schüttelte bekümmert den Kopf. „Wir können Stina nicht mitnehmen. Wenn ich Halldor einen Großteil meines Vermögens als Brautpreis zukommen lasse, wird er den Verlust von Asla vielleicht hinnehmen. Zumal er klug genug sein dürfte, das Bündnis mit unserem Vater nicht zu gefährden. Stina jedoch wird er in jedem Fall zurückfordern.“ Er blickte seinem jüngeren Bruder zwingend in die Augen. „Versteh doch, wenn wir Stina nicht zu ihm zurückschicken, wird er sich nicht auf mein Angebot einlassen und sowohl Stina als auch Asla mit Gewalt zurückholen.“
„Das mag sein, Thorolf“, erwiderte Stina mit leiser Stimme, in der tiefe Verzweiflung schwang. „Ich habe aber gehofft, du fändest eine Lösung, mich trotzdem mitnehmen zu können.“ Sie senkte den Kopf und starrte traurig auf einen imaginären Punkt zu ihren Füßen. „Falls nicht, bleibt dir wohl nichts anderes übrig, als mich zu fesseln und zurückzutragen. Oder lass mich hier einfach alleine stehen. Freiwillig gehe ich nicht zurück.“
Asla nahm die Hand ihrer jüngeren Schwester, die standhaft gegen ihre Tränen ankämpfte, und drückte sie sanft. Sie hatte einen Entschluss gefasst. „Thorolf, ich kann nicht mit dir flüchten, wenn du Stina zurückschickst. Täte ich es, würde mich ein Leben lang mein Gewissen plagen, mein Glück auf dem Unglück meiner Schwester aufgebaut zu haben. Und diese Schuld würde auf Dauer meine Liebe zu dir vergiften.“
Stina hatte sich an sie geschmiegt. Sie zitterte, was nicht nur an der nächtlichen Kühle lag. Asla legte schützend einen Arm um ihre Schwester.
„Also nimm uns beide mit oder keine. Noch ist es wahrscheinlich nicht zu spät für Stina und mich, unbemerkt zurückzukehren. Solltest du dich für uns entscheiden, werden wir mithilfe deines Vaters vielleicht einen Weg finden, meinen Vater zu besänftigen. Falls nicht, können wir immer noch dein Schiff besteigen und uns auf den Faröern oder auf Hjaltland eine neue Heimat suchen.“
Eigentlich, dachte Asla, würde Thorolf drei Menschen zurückschicken, denn sie trug sein Kind unter ihrem Herzen. Aber das wollte sie Thorolf in dieser Situation nicht verraten, er sollte sich frei und ohne Verpflichtungen für sie und Stina oder gegen sie entscheiden.
Während Thorolf sichtbar überrascht die ernste Ansage von Asla verdaute, meldete sich Yngvi erneut zu Wort: „Wo ist das Problem? Wir verstecken Stina vor den Spitzeln Halldors und behaupten einfach, wir wüssten nichts über ihren Verbleib. Vielleicht wurde sie von Wölfen gefressen oder von einem Gefolgsmann oder einem Knecht Halldors vergewaltigt und ermordet, während sie versuchte, ihrer Schwester zu folgen.“
Digur, der seit ihrer Ankunft kaum einen Blick von Stina gelassen hatte – etwas schien den ruhigen, aufgrund seiner Größe und seiner Stärke von seinen Feinden gefürchteten Krieger an ihr zu faszinieren –, ergriff unerwartet das Wort: „Wo willst du sie verstecken?“
„Ich kenne den Köhler in der Nähe unseres Dorfes. Ich habe bei ihm und seiner Frau noch etwas gut.“ Yngvi lächelte schelmisch. „Wir verkleiden Stina als Jungen und bringen sie bei den Köhlern als Gehilfen unter. Wenn wir ihr die Haare abschneiden und sie ordentlich mit Kohle einschmieren, wird niemand unter der Maskerade ein Mädchen vermuten. Im Frühjahr dann, wenn wir zu unserer Handelsfahrt aufbrechen, bringen wir sie zu unserem Onkel auf die Faröer. Was meint ihr?“
„Finde ich gut“, meinte Digur. „Könnte klappen.“
Thorolf wunderte sich über seinen älteren Bruder. Normalerweise ließ Digur lieber andere reden, heute war er für seine Verhältnisse ausgesprochen mitteilsam.
„Offenbar seid ihr alle dafür, Stina mitzunehmen.“ Thorolf räusperte sich und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. „Dann soll es so sein. Machen wir es so, wie Yngvi es vorgeschlagen hat.“ Er blickte ernst in die Runde. „Mögen die Götter auf unserer Seite sein.“
Asla bedankte sich mit einem Kuss bei Thorolf und flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin dieser sie mit nachdenklicher Miene an sich drückte.
Stina fühlte sich zutiefst erleichtert. Sie würde wie Asla die Chance erhalten, einer Ehe mit Hafur zu entgehen, und vielleicht bekäme sie eines Tages auch die Möglichkeit, ihr Geschick in die eigenen Hände zu nehmen. Wer wusste schon, wie die Nornen ihre Fäden spannen. Sie war Asla unendlich dankbar. Ihre ältere Schwester hatte ihr eigenes Schicksal mit dem ihren verwoben und damit den Weg für Thorolfs Entscheidung geebnet. Auch Yngvi und Digur hatten sich für sie eingesetzt, was sie den Brüdern hoch anrechnete. Bedächtig zog sie die beiden Silberringe, die sie von ihrer Großmutter geschenkt bekommen hatte, von ihren Fingern, ging ein paar Schritte und blieb vor Yngvi stehen.
„Dieser Ring ist für dich, Yngvi. Möge er dir Glück bringen, dich beschützen und dir deine Klugheit bewahren.“
Yngvi reagierte wie meist: Er grinste. „War das alles, liebste Stina?“, fragte er und hielt ihr frech seine linke Wange hin.
Stina hauchte einen Kuss darauf.
Dann wandte sie sich zu Digur und bot ihm ihren zweiten Ring an. „Dieser Ring ist für dich. Möge er dir Glück bringen, dich beschützen und dir deine Stärke bewahren.“
Digur stand wie ein Fels mit dem Rücken zum Lagerfeuer und grübelte darüber nach, was ihn an diesem Mädchen so irritierte. Inständig hoffte er, die unangenehme Situation möge schnell vorübergehen. Bevor sein Zögern auffällig wurde, ergriff er den ihm dargebotenen Ring. Stinas schmale Hände umfassten seine schwielige Pranke, dann schaute sie zu ihm auf. Digur blickte in ihre eindrucksvollen grün gesprenkelten Augen und erschrak: Es schien ihm, als stünde plötzlich ein anderes Mädchen vor ihm, ein Mädchen aus seiner Vergangenheit, das ihn vorwurfsvoll und anklagend ansah. Digur schauderte und wandte den Blick von Stina ab.
Zuletzt ging Stina zu Thorolf. „Einen dritten Ring besitze ich leider nicht, mit dem ich auch dir meinen Dank erweisen könnte, künftiger Schwager. Aber durch meine Hilfe hältst du jetzt meine liebe Schwester in deinen Armen. Ich bitte die Götter, eure Verbindung zu billigen und Unheil von euch abzuwenden.“
Unsicher trat Stina zurück. Mit Ausnahme Thorolfs, für den sie die letzten Tage die Botin gespielt hatte, kannte sie die drei Brüder, die eigentlich Halbbrüder waren, fast nur vom Hörensagen und war ihnen auf den Festen, die in den vergangenen Jahren von ihren Familien gemeinsam begangen worden waren, stets nur kurz begegnet. Sie hoffte, die Entscheidung, ihnen ihr Leben und ihre Zukunft anzuvertrauen, war die richtige.
Thorolf seufzte. „Lasst uns packen und aufbrechen“, forderte er seine Gefährten auf. „Ich habe kein gutes Gefühl, solange wir uns in unmittelbarer Nähe von Halldors Dorf aufhalten. Wer weiß, vielleicht hat jemand eure Flucht bemerkt.“
Ein Fußmarsch von mehreren Tagen lag vor ihnen. Er würde sie über Berghöhen und durch tiefe Täler führen, die zwischen den Fjorden mit den Gebieten von Halldor und Thorolfs Vater Ulrik lagen. In den Bergen würden ihnen Frost und Schnee zusetzen, weshalb die Brüder wärmende Kleidungsstücke und Fellschuhe für sich und für Asla in ihrem Gepäck hatten. Auch für Stina würde die zur Verfügung stehende Kleidung reichen, um sie vor der Kälte zu schützen; nur wärmendes und bequemes Schuhwerk gab es für sie nicht.
Als Thorolf Asla einen Mantel in die Hand drückte, sagte diese verwundert: „Ich danke dir für deine Fürsorge, Liebster, aber bis zu deinem Schiff ist es wohl nicht weit und die Nacht ist mild. Was, in Odins Namen, sollen wir denn mit deinen Pelzmänteln anfangen?“
„Wir gehen nicht zu meinem Schiff, Asla. Es wäre zu gefährlich gewesen, mit der Goldadler mehrere Tage im Fjord zu ankern. Die Wachen deines Vaters hätten ihr Bleiben bemerkt. Halldor wäre misstrauisch geworden und hätte dich weiter in deinem Gefängnis schmoren lassen. Daher ziehen wir über die Berge. Ich schätze, wir werden in drei Tagen den Stammsitz meiner Familie erreichen.“
Asla und Stina schienen nicht begeistert über die Aussicht auf einen mehrtägigen Fußmarsch, aber ihnen blieb keine Wahl.
Als alle Mitglieder der kleinen Gemeinschaft bereit waren, entzündete Thorolf eine Fackel und schritt los. Hintereinander folgten ihm Asla, Yngvi und Stina in die Nacht. Digur sicherte als Letzter das Ende des kleinen Trupps.
***Bis zum Morgen waren sie ein gutes Stück auf dem Pfad vorangekommen, der sie zunächst sanft ansteigend weiter durch den Wald geführt, dann in Serpentinen in die Höhe geleitet und sich schließlich in einer Hochebene mit braungrüner, baumloser Vegetation verloren hatte. Tauende Schneeinseln zeugten selbst in der Höhe von dem seltenen Gastspiel eines milden Winters zur Zeit des Julfestes.
Asla und Stina waren lange Märsche nicht gewohnt, um die Mittagszeit begannen ihre Beine und Füße zu schmerzen, und Erschöpfung machte sich in ihren Mienen breit. Thorolf konnte den beiden jungen Frauen das leise Stöhnen nicht verdenken, das sich hin und wieder ihren Kehlen entrang. Schließlich waren sie inzwischen eine halbe Nacht und einen halben Tag fast ununterbrochen unterwegs.
Als sie nach dem Abstieg in ein Tal am frühen Nachmittag den schützenden Rand eines Waldstücks erreichten, beschloss Thorolf mit dem Einverständnis seiner Brüder, dort bis Mitternacht eine Rast einzulegen. In der Nähe gluckerte ein Bach, mit dessen Wasser sie ihre Trinkschläuche füllen konnten.
Die beiden jungen Frauen seufzten erleichtert und ihre Gesichtszüge entspannten sich, als sie sich auf dem Stamm eines entwurzelten Baumes niederließen. Thorolf und Digur verabschiedeten sich in den Wald, um trockenes Holz für ein Feuer zu sammeln, während Yngvi in der Nähe nach Zunder suchte.
Asla zog die ihr von Thorolf überlassenen Fellstiefel aus und knetete mit beiden Händen ihre überanstrengten Füße. „Ah, tut das gut!“
Währenddessen saß Stina regungslos und schweigsam neben ihr.
Nach einer Weile fragte Asla: „Wie geht es deinen Füßen und Waden? Soll ich sie dir auch ein wenig durchkneten?“
Ihre Schwester schüttelte den Kopf. „Danke, nicht nötig. Deine Lederschuhe leisten mir gute Dienste.“
Das war eine Lüge, die Stina glatt über die Lippen kam. Zwar war Aslas robustes Schuhwerk, das sie ihr überlassen hatte, weitaus besser für einen langen Marsch geeignet als die leichten Lederschlappen, mit denen Stina ihr Zuhause in dem Glauben verlassen hatte, Thorolf würde mit Asla und ihr zu seinem Schiff zurückkehren und die Flucht über das Meer fortsetzen. Für eine längere Wanderung waren ihr die Schuhe jedoch etwas zu klein und so hatten sich während des Marsches Blasen an ihren Füßen gebildet, die sie nicht sehen und deren Anblick sie Asla nicht zumuten wollte.
Stina lenkte vom Thema ab, indem sie auf den blonden Yngvi deutete, den jüngsten der drei Halbbrüder, der mit seinem Messer eifrig einen Schwamm von einem Baumstamm abschabte. „Man hört ja allerlei über ihn. Angeblich soll er mehr Frauen gehabt haben, als er Winter erlebt hat, und das sind gewiss nicht weniger als zwanzig.“
„Kein Wunder“, meinte Asla schmunzelnd. „Mit seinem Charme, seinem Aussehen und seiner sprühenden Lebenslust weckt er bestimmt das Interesse vieler Frauen.“
„Auch dein Interesse?“
Asla lachte kurz auf. „Nein, gewiss nicht. Ich mag Yngvi. Aber er ist kein Mann, mit dem ich das Lager teilen wollte. Dafür ist er mir zu sprunghaft und zu leichtfertig. Als Freund und zukünftiger Schwager ist er mir allerdings sehr willkommen. Und du? Bist du interessiert?“
Stina sah zu Boden, ihre langen Haare fielen nach vorne und verbargen ihr Gesicht. „Ich mag Yngvi. Aber er berührt nicht mein Herz, wie Thorolf deines. Wenn meine Flucht gelingt, begegnet mir vielleicht eines Tages ein Mann, mit dem ich gerne mein Leben verbringen möchte. Einer, den ich mir selbst ausgesucht habe, und keiner wie der widerwärtige Hafur.“
„Warum hast du mit mir eigentlich nicht über deine Ängste gesprochen, bevor ich geflohen bin?“
„Hätte das etwas genützt?“ Stina warf ihre Haare zurück und schaute sie skeptisch an. „Um Thorolf keine Schwierigkeiten zu bereiten, hättest du mich doch niemals mitgenommen. Ohne mich hättest du dann aber auch nicht fliehen wollen. Aus Liebe zu mir wärst du geblieben, und dir wäre nichts anderes übrig geblieben, als die Ehe mit Hafur einzugehen. Für mich hätte das kaum etwas geändert: Ich hätte dann zwar nicht ihn heiraten, aber nach Vaters Plänen sicher dem nächsten Häuptling oder Fürsten Kinder gebären müssen – womöglich gar als Zweitfrau, falls seine legitime Ehefrau noch gelebt hätte. Wir hätten beide verloren.“ Stina hielt einen Moment inne und rieb sich die Nase. „Meine, nein, unsere einzige Chance war es, dir heimlich zu folgen und Thorolf vor vollendete Tatsachen zu stellen.“ Sie blickte ihre Schwester entschuldigend an. „Ich weiß, das war nicht fair. Aber ich wusste mir nicht anders zu helfen.“
Verständnisvoll legte Asla ihr eine Hand auf den Arm. „Es ist gut so, wie es jetzt ist, und ich bin froh darüber. Wir sind zusammen, und mein Herz ist so viel leichter, als wenn ich dich noch zu Hause wüsste. Glauben wir einfach an den Beistand der Götter und einen guten Ausgang unserer Flucht.“
Asla zog ihre Stiefel wieder an und stand auf. „Ich möchte mich ein wenig waschen. Und erleichtern muss ich mich auch. Kommst du mit?“
In der Nähe des Baches fanden sie eine geeignete Stelle, um ihren Bedürfnissen nachzukommen.
„Hast du das gehört, Asla?“
„Was?“
„Es klang wie ein Hund.“
Asla, die hockend ihre Blase entleerte, hörte auf zu pinkeln und lauschte. Eine Weile vernahm sie nur das zarte Rascheln von vertrockneten Blättern im Wind und das leise Raunen des Baches. Doch dann hörte sie es auch: das noch weit entfernte, aber eindeutige Bellen eines Hundes.
Sie erhob sich rasch und strich ihre Kleidung glatt. „Sie sind uns auf den Fersen. Wenn ich mich nicht täusche, ist das Loki, der unserer Spur folgt. Alleine ist er bestimmt nicht unterwegs. Womöglich ist Vater höchstpersönlich dabei, um uns wieder einzufangen.“
Stina wurde blass und starrte ihre Schwester erschrocken an. „Was machen wir jetzt?“
Asla überlegte eine Weile. Schließlich sagte sie: „Unsere Flucht fortzusetzen, ergibt keinen Sinn. Früher oder später werden sie uns einholen. Es bleibt Thorolf und mir wohl nichts anderes übrig, als uns ihnen hier und jetzt zu stellen. Vielleicht können wir uns gütlich mit ihnen einigen. Aber diese Aussicht besteht nur, wenn sie dich nicht bei uns finden. Du musst dich verstecken, Stina.“
Asla sah sich um. „Am besten folgst du dem Bachlauf und verbirgst dich irgendwo in seiner Nähe. Wenn du das erste Stück im Wasser watest, hat Loki es schwerer, deiner Spur zu folgen, falls sie dich suchen sollten.“
Stina sah sie ängstlich an. „Und dann?“
„Dann wartest du in deinem Versteck, bis ich dich holen komme. Sollte ich bis zum Aufgang des Mondes nicht auftauchen, ist meine Flucht wahrscheinlich gescheitert, und ich muss zurück. Aber vielleicht kannst dann wenigstens du zusammen mit Thorolf und seinen Brüdern unserem Vater entrinnen. Versprich mir, dass du auf einen von uns wartest und nicht vorher zurückkehrst!“
„Ich verspreche es.“
Stina weinte, als sie ihre Schwester umarmte und sich von ihr verabschiedete, und Asla fiel es sehr schwer, ihre eigenen Tränen zurückzuhalten. Vielleicht würde sie Stina nie mehr wiedersehen.
Als Asla zurück zum Lagerplatz kam, empfing Thorolf sie mit ernstem Blick und deutete auf eine Gruppe von vier Menschen, die den Pfad am Abhang des Berges hinunterkam, den sie auch genutzt hatten. Sie lehnte sich an seine Schulter. „Ich erkenne Hilmar an seinem Blondschopf. Er kommt, um mich zu holen.“
Thorolf fragte besorgt: „Wo ist Stina?“
„Sie folgt dem Bachlauf im Wald und sucht sich ein Versteck in seiner Nähe. Dort wird sie so lange warten, bis wir sie holen kommen“, antwortete Asla. „Das hat sie mir versprochen.“
Thorolf nickte. „Das ist gut. Wenn die uns bevorstehende Begegnung überhaupt ohne Blutvergießen verlaufen soll, dann geht dies nur, wenn sie Stina nicht bei uns antreffen.“
Als ihre Verfolger sie einholten, näherte sich die Sonne bereits der Bergkette im Südwesten. Ein frischer Wind und graue Wolken, die sich unaufhaltsam vor das dunkle Himmelsblau schoben, kündigten einen Wetterumschwung an.
Der Erste, der sie erreichte, war Loki. Hechelnd und bellend sprang er Asla an und schleckte ihre Hände; winselnd, sich im Kreis drehend, drückte er seine Freude aus, sie gefunden zu haben.
Asla bückte sich, nahm ihn in ihre Arme, liebkoste sein dichtes grau-weißes Fell und flüsterte ihm ein paar Worte ins Ohr, die der Hund zu verstehen schien und auf die er mit freudigem Kläffen reagierte.
Kurz nach Loki erreichte auch Hilmar, Aslas und Stinas Bruder, mit drei Gefolgsleuten das Lager. Asla erkannte Knut. Der langjährige Gefolgsmann ihres Vaters stand erst seit Kurzem in Hilmars Diensten und musterte sie grimmig.
„Ich grüße dich, Thorolf, mein Freund.“ Hilmar umfasste Thorolfs Unterarme und lächelte ihn verhalten an. „Du weißt, warum ich hier bin?“
Thorolf nickte. „Ja, und ich hoffe, wir werden uns verabschieden, wie wir uns begrüßt haben: in Freundschaft.“
Asla schenkte Hilmar ein schmales Lächeln und ergriff Thorolfs Hand, um zu betonen, zu wem sie gehörte. Loki hatte sich beruhigt und saß mit hechelnder Zunge neben ihr. Aufmerksam drehte er seinen wolfsähnlichen Kopf mal zu Hilmar, mal zu ihr, als spürte er die unterschwellige Spannung, die zwischen den Geschwistern in der Luft lag.
„Du hast uns schnell gefunden“, stellte Asla bedauernd fest.
„Njala ist aufgewacht, weil sie einen schlechten Traum hatte und wollte sich zwischen dich und Stina kuscheln. Als sie euer Lager leer vorfand, weinte sie und weckte unsere Eltern. Vater hat zunächst alleine und dann mit mir und einigen unserer Leute das Dorf und seine Umgebung nach euch abgesucht. Ein Knecht hat Vater berichtet, er hätte dich, als er kurz vor die Tür musste, zur Palisade an der großen Eiche laufen sehen. Dass er Vater nicht gleich geweckt hat, war ein Fehler. Morgen wird Halldor ihn auspeitschen lassen.“
„Ich wette“, bemerkte Asla sarkastisch, „hätte er Vater geweckt, wäre er auch ausgepeitscht worden.“
Hilmar überging den respektlosen Einwurf seiner Schwester und sagte: „Dann hielten wir Loki eines deiner getragenen Unterkleider unter die Nase und haben ihn an die Stelle geführt, wo du vermutlich über die Palisade geklettert warst.“ In seiner Stimme schwang ein leicht ironischer Unterton mit, als er fortfuhr: „Loki liebt dich, und es hat ihm großes Vergnügen bereitet, deiner Spur zu folgen. Letztlich war es ein Kinderspiel, dich zu finden.“
Asla beobachtete ihren Bruder, während er sprach. Vor ihr stand nicht der vertraute und geliebte Bruder, der Spielkamerad und Beschützer ihrer Kindheit, dem sie all ihre Sorgen hatte anvertrauen können, nicht der einfühlsame, zum Manne gereifte, gut aussehende Hilmar, der sich Ehre und gerechtes Handeln auf seinen Schild geschrieben hatte. Vor ihr stand der Erbe, die verlängerte Hand Halldors, als die er ihr und Thorolf nicht bedingungslos freundlich gesonnen war.
Hilmar blickte sich um. „Wo ist Stina?“
Yngvi rieb sich das stoppelige Kinn und entgegnete mit unschuldiger Miene: „Meinst du die begehrenswerte Stina, mit der ich vor ein paar Tagen das Vergnügen hatte zu tanzen? Diese Stina habe ich seither leider nicht mehr gesehen.“
Die Lüge kam Yngvi leicht über die Lippen. Ehrlichkeit und Ehre waren für ihn keine Tugenden, an die man sich sklavisch halten musste. Für das Erreichen eines hehren, wichtigen Ziels war er durchaus bereit, die Wahrheit zu dehnen oder gar zu verdrehen.
Digur, der seine Hand um das Heft seines Schwertes gelegt hatte, bestätigte: „Ich weiß von keiner Stina.“
Asla, die hoffte, ihre Verstellungskünste würden glaubhaft wirken, fragte mit besorgter Miene: „Meinst du, Stina ist uns gefolgt? Mit mir zusammen ist sie jedenfalls nicht geflohen. Das kann vermutlich auch der Knecht bezeugen, den Vater morgen auspeitschen lassen will. Arme Stina, was mag ihr zugestoßen sein?“
Schluchzend verbarg Asla ihr Gesicht an Thorolfs Schulter, weniger auf der Suche nach Trost, denn aus Furcht, die gespielte Verzweiflung über Stinas Schicksal nicht überzeugend in ihrem Gesicht spiegeln zu können.
Thorolf legte eine Hand tröstend auf den Kopf seiner Geliebten. „Hilmar, was willst du? Asla und ich sind füreinander bestimmt, und ich werde nicht zulassen, dass du meine Braut, deine Schwester, diesem Hafur zuführst. Wir waren immer Freunde und haben in unserer Jugend eine aufregende und gute Zeit miteinander verbracht.“ Er wies mit seiner freien Hand in Richtung des Pfades, den Hilmar mit seinen Gefolgsleuten und Loki entlanggekommen war. „Kehre im Namen unserer Freundschaft zurück und richte Halldor aus, ich werde ihm einen hohen Brautpreis für Asla zahlen. Du weißt, dass ich das kann.“
Hilmar hatte sich die Worte seines Freundes mit unbewegter Miene angehört. „Thorolf“, sagte er seufzend, „du weißt, dass dein Brautpreis Halldor kaum interessieren wird. Er möchte Bündnisse schmieden, um als König des Nordens anerkannt zu werden. Dazu braucht er Asla und Stina.“ Er ging einen Schritt auf Thorolf zu, fixierte ihn eindringlich, umfasste mit seiner Rechten dessen Schwertarm und rüttelte ihn sanft. „Thorolf, wach auf! Im Namen unserer Freundschaft, werde endlich vernünftig! Seit alters kämpfen wir Söhne mit unseren Schwertern für die Zukunft unserer Sippe und unsere Schwestern haben die Pflicht, sich den Heiratsplänen unserer Väter zu beugen und so für den Bestand ihrer Bündnisse zu bürgen. Das weißt du so gut wie ich.“
Hilmar ließ den Arm Thorolfs los, trat zurück und fuhr fort: „Soweit ich weiß, entsprang die Ehe deines Vaters Ulrik und deiner verstorbenen Mutter Aslaug auch nicht der vergänglichen Flamme der Liebe, sondern war das Ergebnis zäher Verhandlungen deiner Großväter. Also lass dieses dumme Liebesspielchen, und gib mir Asla in Frieden mit. Und sollte Stina entgegen eurer Beteuerungen doch hier in der Nähe sein, dann rücke sie am besten gleich mit heraus. Ihr werdet meine Schwester nicht vor den Spitzeln meines Vaters verstecken können. Du kennst Halldor. Wenn er herausfindet, dass ihr auch noch Stina entführt habt, bedeutet das Krieg zwischen unseren Stämmen. Das will keiner von uns.“
Damit seine Gefolgsleute, die fünf Schritte hinter ihm standen, seine Worte nicht mitbekamen, ging er wieder einen Schritt auf Thorolf und Asla zu, bevor er beschwörend flüsterte: „Ich werde meinem Vater sagen, ich hätte meine Schwestern alleine und hilflos im Wald gefunden. Dann kann er dir nichts ankreiden, und die Sache ist vergessen.“
Die Rede Hilmars und dessen Appell an ihre Freundschaft berührten Thorolf. Er war selbst den Bräuchen und Gesetzen seines Volkes tief verhaftet und wusste, dass er gegen sie verstieß und zum Außenseiter wurde, wenn er Hilmars Forderung nicht nachkam. Er schob das Kinn vor und mahlte unschlüssig mit den Zähnen.
Hilmar wertete das Zögern seines Freundes offenbar schon als halben Sieg. „Asla wird kein Leid geschehen, wenn sie Hafurs Frau wird. Wenn Hafur sie züchtigen sollte, wäre es so, als hätte er unsere ganze Sippe geschlagen und beleidigt. Dann müsste er unsere Rache fürchten. Das weiß er. Außerdem ist Hafur alt. Asla wird ihn viele Jahre überleben und als Witwe eines Fürsten ein gutes und geachtetes Leben führen.“
Asla spürte fast körperlich den Kampf, den Thorolf mit sich ausfocht, und als Frau des Nordens konnte sie ihn sogar verstehen. Als sie jedoch befürchten musste, Thorolf könnte dem Drängen Hilmars nachgeben, war es Zeit für ein Bekenntnis.
Leise war ihre Stimme und nur Thorolf und Hilmar verstanden sie, als sie sagte: „Ich bin schwanger. Wenn die weise Oda recht hat und wir das Wohlwollen der Götter haben, werde ich Thorolf um Mittsommer einen Sohn gebären.“
Thorolf sah Asla erstaunt an, und auch Hilmar brauchte einige Augenblicke, um Aslas Worte zu verdauen, fing sich aber schneller als sein Freund. Mit halb zugekniffenen Augen musterte er seine Schwester und sagte mit kühler Stimme: „Die weise Oda, die du so oft besucht hast, kennt sicher Mittel und Wege, deine Schwangerschaft zu beenden.“
Angesichts des herzlosen Ansinnens ihres Bruders keimte Ärger in Asla auf. Ihre Augen blitzten, als sie ihn giftig anzischte: „Stell dir vor, sie hat mich an ihrem großen Wissen teilhaben lassen. Vieles hat sie mich gelehrt – so viel, dass ich mir inzwischen sogar selbst helfen könnte!“
„Dann tu das“, forderte er sie ungerührt auf.
Aslas Haut rötete sich vor Zorn. Wütend erhob sie die Stimme: „Ich werde Thorolfs Kind austragen! Du wirst mich nicht daran hindern, deinem Neffen das Leben zu schenken!“
Yngvi und Digur blickten sich verblüfft an, und auch Hilmars Gefolgsleute zeigten sich erstaunt über die unerwartete Neuigkeit.
Dann hatte sich auch Thorolf von seiner Überraschung erholt. Laut und bestimmt teilte er seine Entscheidung mit: „Asla trägt meinen Sohn – meinen Erben – unter ihrem Herzen. Das ändert alles. Nie könnte ich es zulassen, dass ihm sein Leben genommen wird oder er als unwillkommener Bastard im Haushalt von Hafur aufwachsen muss. Ich fordere dich nochmals auf, Hilmar, ziehe friedlich deiner Wege. Ich werde dir Asla und meinen Sohn nicht überlassen. Niemals!“
Für einen Moment gab Hilmar seine reservierte Miene auf und es lag tiefes Bedauern in seinem Blick, als er Asla zuraunte: „Ich habe Vater mit meinem Blut auf meinem Schwert geschworen, dich und Stina zu suchen und zu finden, damit ihr eure Pflicht erfüllt. Wenn ich diesen Schwur nicht erfülle, kann ich nur als toter Mann zu ihm zurückkehren.“
Aslas Wut fiel in sich zusammen. Das Leben ihres Bruders gegen das ihres ungeborenen Sohnes? Das war eine unmöglich zu treffende Wahl. Verzweifelt suchte sie nach einem Ausweg. „Und was ist, wenn du Vater berichtest, du hättest unsere von Wölfen zerfleischten Leichen gefunden?“
„Und meine Männer? Meinst du, die würden dichthalten? Nein, irgendwann würden sie Vater die Wahrheit sagen. Zudem ist ein Schwur heilig. Ich hatte die Hoffnung, dich überzeugen zu können, den Willen unseres Vaters und Königs zu achten. Mit eurem Kind hatte ich nicht gerechnet. Auch wenn ich euch verstehe, kann ich dich nicht gehen lassen. Für mich gibt es nur einen Ausweg.“
Hilmar wirkte wieder kühl und distanziert, als er ein paar Schritte zurückschritt und mit klarer Stimme verkündete: „Thorolf und ich konnten uns nicht einigen. Um meinen Schwur zu erfüllen, ist ein Waffengang unvermeidbar.“
Yngvi nahm in jede Hand eines seiner Messer, von denen mehrere in seinem Gürtel steckten und mit denen er in der Regel mit großem Geschick seine Ziele traf. Digur griff mit seiner Rechten seine Axt und zückte mit seiner Linken sein Schwert.
Mit einem metallischen Zischen zogen Hilmars Gefolgsleute ebenfalls ihre Schwerter blank. Aufmerksam und nicht ohne Furcht fixierten sie den Hünen Digur, von dem sie vermuteten, dass er es locker mit zwei oder sogar drei Gegnern auf einmal aufnehmen könnte. Thorolf und Hilmar standen sich schweigsam starrend gegenüber.
Schließlich ergriff Thorolf das Wort. „Lass uns größeres Blutvergießen vermeiden, Hilmar. Lass die Götter über den Ausgang unseres Zwists entscheiden. Ich fordere dich zum Zweikampf. Wessen Blut zuerst fließt, hat verloren. Gewinnst du, soll Asla mit dir gehen. Gewinne ich, bleibt sie bei mir und du und deine Gefolgsleute werden uns friedlich ziehen lassen.“
Hilmar schüttelte den Kopf und entgegnete mit belegter, aber fester Stimme: „Wie ich dir erklärt habe, kann ich nicht ohne meine Schwestern heimkehren, zumindest nicht lebend. Wenn unser Abkommen gelten soll, verlange ich einen Kampf auf Leben und Tod!“
Ein paar Schneeflocken fielen vom Himmel, gejagt von einem immer heftiger und kälter werdenden Wind.
Ungläubig verfolgte Asla das Geschehen. Es erschien ihr unwirklich, unfassbar. „Nein!“, schrie sie verzweifelt. „Das dürft ihr nicht! Keiner von euch darf meinetwegen sterben. Ich liebe euch beide und ich könnte es nicht ertragen, wenn ihr einander umbringt.“ Rasch atmend hielt sie einen Moment inne. Dann blickte sie ihren Bruder Hilfe suchend an: „Hilmar, ich gehe mit dir zurück. Nimm mich und bringe mich zu unserem Vater. Ich ergebe mich in mein Schicksal und heirate Hafur. Aber bitte, Hilmar, beende diesen Wahnsinn!“
Hilmar sah Thorolf in die Augen, bat stumm um dessen Einverständnis, wohl ahnend, dass er es nicht erhalten würde.
Mit wehmütigem Bedauern erwiderte Thorolf den Blick seines Freundes und sagte zu Asla: „Nein, das ist unmöglich. Ich kann dich nicht gehen lassen. Du trägst meinen Sohn unter deinem Herzen. Ich muss für ihn und für dich kämpfen. Der Runenkundige Gundahar weissagte mir einst, mein Erstgeborener werde das Schicksal meines Stammes maßgeblich zum Guten wenden. Ich kann und ich werde meinen Sohn nicht einem ungewissen Schicksal überlassen.“
„So sei es denn“, antwortete Hilmar gefasst. „Die Nornen lassen uns keine andere Wahl. Sie haben unsere beiden Schicksalsfäden miteinander verwoben und einen davon werden sie heute kappen.“ Er wandte sich an seine Männer: „Solltet ihr mich tot vom Kampfplatz tragen, werdet ihr Asla mit Thorolf ziehen lassen. Schwört auf euer Schwert, dass ihr meinen Willen befolgen werdet.“
Jeder der beiden Gefolgsleute, die Asla nicht näher kannte, legte eine Hand um die Klinge seines Schwertes und schwor mit seinem Blut. Erst als Hilmar Knut einen scharfen Blick zuwarf, umfasste auch dieser zögerlich die Klinge und legte mit finsterer Miene den Schwur ab.
„Sollte ich den Kampf verlieren, habe ich mein Möglichstes getan, meinen Eid zu erfüllen. Berichtet das meinem Vater, solltet ihr ihm meinen Leichnam bringen.“
Die Männer nickten.
Thorolf wandte sich an seine Brüder: „Wenn ich im Kampf falle, werdet ihr Asla mit Hilmar gehen lassen.“
Mit ernsten Gesichtern legten Yngvi und Digur den geforderten Schwur auf ihre Schwerter ab.
Loki spürte die bedrohliche Stimmung. Leise winselnd sah der Hund zu Asla auf, als wollte er seine Herrin bitten, die unheilvolle Spannung zu vertreiben.
Asla jedoch stand wie erstarrt zwischen ihrem Geliebten und ihrem Bruder.
Hilmar ergriff wieder das Wort: „Thorolf, bestimme einen deiner Brüder, der dich auf unserem Gang begleitet. Ich wähle Knut.“
Der Erwählte gesellte sich mit wenigen Schritten zu ihm.
„Ich wähle Yngvi“, erwiderte Thorolf.
„Nein!“, schrie Asla, wandte sich an Thorolf und umschloss seine stoppeligen Wangen mit ihren Händen. „Bitte, lass mich mit Hilmar gehen. Im Namen unserer Liebe flehe ich dich an: Kämpfe nicht gegen meinen Bruder! Wenn du stürbst, würde ich Hilmar auf ewig hassen. Käme Hilmar zu Tode, würde sein Blut auf ewig zwischen mir und dir stehen.“ Mit tränennassen Augen sah sie den Vater ihres ungeborenen Kindes eindringlich an.
Doch Thorolf ließ sich nicht erweichen. Mit unbewegter Miene blickte er zu Digur. Seine Stimme klang rau, als er sagte: „Bring sie weg! Warte im Wald mit ihr, bis Yngvi euch holt.“
Digur umfasste den Oberarm Aslas und zog sie von Thorolf fort. Sie jammerte und schlug um sich, was den mächtigen Krieger körperlich nicht kümmerte, aber sein Herz mehr berührte, als er sich eingestehen wollte. Dennoch verstärkte er seinen Griff und zerrte sie unbeirrt zum Waldrand.
Asla sah schließlich ein, dass sie verloren hatte. Sie besaß nicht die Macht, Thorolf und Hilmar von ihrem tödlichen Vorhaben abzuhalten. Schluchzend, ohne sich weiter zu wehren, folgte sie Digur willig wie ein Schaf, das seinem unabänderlichen Schicksal nicht mehr entkommen konnte.
Seinen beiden anderen Gefolgsleuten befahl Hilmar, Loki mit einem Strick anzuleinen und Digur mit dem Hund zu folgen. „Behaltet den Hünen im Auge!“, rief er ihnen nach.
Der Wind hatte nachgelassen. Dicke Flocken tanzten auf das winterbleiche, mit Steinen durchsetzte Gras und bedeckten es mit ihrem unschuldigen Weiß. Yngvi und Knut steckten einen quadratischen Kampfplatz mit Fackeln ab, die sie entzünden würden, sobald die Dunkelheit undurchdringlich wurde.
„Ohne Schild?“, fragte Thorolf.
„Ohne alles, nur mit unseren Schwertern“, antwortete Hilmar bestimmt. „Lass es uns schnell hinter uns bringen.“
Die beiden Freunde umfassten sich ein letztes Mal bei den Unterarmen und nickten sich zu. Sie waren beide hervorragende, ebenbürtige Schwertkämpfer und Hilmar drückte aus, was beide dachten. „Die Götter sind mit dem Glücklicheren.“
Bevor sie sich voneinander trennten, bat Thorolf: „Wenn ich sterbe, kümmerst du dich um meinen Sohn?“
Hilmar nickte: „So gut ich kann.“
Jeder ging drei Schritte zurück, stellte sich breitbeinig auf und zog sein Schwert. Nun waren sie erbitterte Gegner.
Yngvi flüsterte seinem Bruder ins Ohr: „Möge dir dein ungeborener Sohn Glück schenken!“
Knut wünschte seinem Herrn, Odin selbst möge ihm den Arm führen. Dann zogen sich die beiden Begleiter vom Kampfplatz zurück und verkündeten fast gleichzeitig: „Bereit!“
Konzentriert erwartete Thorolf Hilmars Angriff. Von den unzähligen Kämpfen, die sie in ihrer Jugend mit ihren stumpfen Holzschwertern miteinander ausgefochten hatten, wusste er, dass sein ungeduldiger Freund seinen Vorteil meist im Angriff suchte, während er selbst auf Konterchancen lauerte. Manch blauen Fleck hatte sich Hilmar auf diese Weise von ihm eingefangen.
Der bleiche Grasboden trug noch die Milde der vergangenen Tage in sich. Durch den Schnee, der auf ihm taute, war er nass und glitschig. Thorolf war sich dessen bewusst und suchte mit seinen Stiefeln sicheren Halt.
Wie er erwartet hatte, eröffnete Hilmar den Zweikampf. Mit erhobenem Schwert stürmte er auf ihn zu. Thorolf blockte den Schlag ab und wich zur Seite. Hilmar rutschte unverrichteter Dinge ein Stück weiter, drehte sich flink um und parierte nun seinerseits Thorolfs Hieb.
Angriff, Parade, Konter, Finte, Angriff; so ging es eine Weile in schneller Abfolge hin und her, ohne dass einer der beiden Kontrahenten ernsthaft verletzt wurde. Das harte metallische Klirren, wenn die Klingen sich trafen, das helle Sirren und Singen, wenn sie aneinander schleiften, das Grunzen und Keuchen der Kämpfer erfüllten den schwindenden Tag.
Trotz der Sorge um seinen Bruder kam Yngvi nicht umhin, das große Geschick der beiden Kämpfenden im Umgang mit dem Schwert zu bewundern. Von solch einer Kunst war er selbst weit entfernt.
Auf leisen Sohlen schlich die Dämmerung in das Tal. Knut entzündete die Fackeln, deren flackerndes Licht jedoch kaum das inzwischen dichte Schneetreiben durchdrang und die Sicht der Kämpfenden nur unwesentlich verbesserte. Keuchend hielten die beiden vom Schicksal zu Gegnern bestimmten Freunde eine Weile erschöpft inne, um neue Kraft zu schöpfen. Etwa sieben Fuß trennten ihre Schwertarme.