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Das multimediale Event „Catch the Millionaire“ des London Chronicle stellt nicht nur die Medienwelt auf den Kopf: Millionäre versuchen auf diese spektakuläre Weise die Frau fürs Leben zu finden – und ausgerechnet Gillian, 24, etwas zu klein, etwas zu rund, wird mit der Leitung des Projekts betraut. Freudig stürzt sie sich in die Aufgabe, doch schon ihr erster „Fall“, der schottische Millionär Kyle MacLeary, bringt sie mit seinem Wunsch nach einem „intelligenten Topmodel“ und seiner unausstehlichen Art zur Weißglut. Und auch sonst läuft nichts wie es soll. Ihr Nachbar ist der heiße Bad Boy Jayson, der ihre Sinne verwirrt. Als Gillian dann auch noch ein neuer Chef vor die Nase gesetzt wird, kann sie ihren Augen nicht trauen … Liebesroman mit Happy End. (E-Book, Taschenbuch, Hörbuch) Jeder Roman der Reihe CATCH THE MILLIONAIRE ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden. Die einzelnen Geschichten enthalten wiederkehrende Charaktere. Für einen erhöhten Lesegenuss empfiehlt sich daher, die chronologische Reihenfolge einzuhalten.
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Humorvoll, romantisch, mit einer gehörigen Portion Highland-Charme und unvermeidlichem Happy End.
Das multimediale Event „Catch the Millionaire“ des London Chronicle stellt nicht nur die Medienwelt auf den Kopf: Millionäre versuchen auf diese spektakuläre Weise die Frau fürs Leben zu finden – und ausgerechnet Gillian, 24, etwas zu klein, etwas zu rund, wird mit der Leitung des Projekts betraut. Freudig stürzt sie sich in die Aufgabe, doch schon ihr erster „Fall“, der schottische Millionär Kyle MacLeary, bringt sie mit seinem Wunsch nach einem „intelligenten Topmodel“ und seiner unausstehlichen Art zur Weißglut. Und auch sonst läuft nichts wie es soll. Ihr Nachbar ist der heiße Bad Boy Jayson, der ihre Sinne verwirrt. Als Gillian dann auch noch ein neuer Chef vor die Nase gesetzt wird, kann sie ihren Augen nicht trauen …
Inhaltsverzeichnis
Catch the Millionaire - Kyle MacLeary
Kapitel eins
Kapitel zwei
Kapitel drei
Kapitel vier
Kapitel fünf
Kapitel sechs
Kapitel sieben
Kapitel acht
Kapitel neun
Kapitel zehn
Kapitel elf
Kapitel zwölf
Die Autorin
Impressum
Es kann nicht schaden,
Millionär zu sein.
Dem Millionär vor allem.
Unbekannt
(Graffito auf einer Hausmauer)
Kapitel eins
Die Einkaufstüte in der einen und die Bücher in der anderen Hand lehne ich meinen gut gepolsterten Po gegen die Eingangstür und drücke sie auf. Prompt umgibt mich der Geruch des Treppenhauses. Ich atme durch den Mund, da ich mir die Nase nicht zuhalten kann. Mrs Brimberry, die Portiersfrau, hat heute ihren Kohltag und dazu gibt oder gab es Lammwürste. Ich hasse beides. Aber ich werde sie nicht zum gefühlt neunundneunzigsten Mal fragen, warum sie die Flurfenster nicht öffnet und geschlagene zehn Minuten lang der Aufzählung ihrer Wehwehchen lauschen. Ich werde es selbst tun.
Daher nehme ich die Treppe, und mein Unterbewusstsein applaudiert. Das Stiegensteigen bis in den vierten Stock verbraucht sechsundzwanzig Kalorien. Und da der Lift in den drei Monaten, seitdem ich hierhergezogen bin, im On-off-Rhythmus einer blinkenden Ampel funktioniert, erspare ich mir zudem die Enttäuschung. Denn nach dem Heimweg in der Schwüle, die seit Wochen über London hängt, wäre die Fahrt hinauf der erste Lichtblick des Tages gewesen.
Jeder Treppenabsatz hat vierzehn Stufen, und ich bin gerade mal bei einundachtzig – und somit knapp vor dem dritten Stockwerk –, als die Bücher, die ich am Wochenende lesen will, zu rutschen beginnen. Ich drücke sie noch fester an meine Brust und springe auf das letzte Fenster zu, das ich öffnen will. Aber irgendwie muss mir das Kohl-Wurst-Gemisch zu Kopf gestiegen sein, denn das flaue Gefühl in meinem Magen verstärkt sich. Vor meinen Augen beginnt alles zu verschwimmen. Mein Fuß knickt um, ich stolpere, die Brille rutscht mir von der Nase und fällt zu Boden – und ich hinterher. Das Erste, was ich mitbekomme, ist das Geräusch von splitterndem Glas. Das Zweite, dass ich seitlich auf dem harten Steinboden des Treppenhauses liege. Das Dritte eine Stimme.
»Haben Sie sich wehgetan?«
Und was für eine Stimme! Tief, wie das Brummen einer Harley – und besorgt.
Ich glaube, ich träume!
Diese sanfte Berührung an meiner Wange, der Daumen, der über mein Kinn streicht, und dieser Duft ...
»Mein Knöchel«, stöhne ich, ziehe das Knie an und rolle mich herum, bis ich auf dem Rücken liege.
»Lassen Sie mich sehen.«
Seine Hand berührt meinen Rist, das Riemchen der Sandale, die die Fessel umschließt. Ich zucke zusammen und denke daran, dass meine letzte Pediküre mehr als eine Woche zurückliegt.
»Miss, rühren Sie sich nicht! Ich bin gleich wieder da.«
Aber wer rührt sich denn! Und woher weiß er, dass ich unverheiratet bin?
Ich liege mit geschlossenen Augen auf dem harten Steinboden. Vorsichtig bewege ich den Knöchel – und ziehe scharf die Luft ein. Der Schmerz jagt mir einen Stich durch den Körper. Ich atme tief ein und spüre einen sanften Lufthauch auf meinem Gesicht. Mein Samariter hat das Fenster geöffnet, denn Mrs Brimberrys Kohl ist nur noch eine ferne Erinnerung.
»Nicht erschrecken, das ist ein Eisbeutel.«
Mit dieser Stimme, rauchig und sexy, wie ein sinnliches Versprechen, könnte er mir auch sagen, dass er meinen Fuß in glühende Lava taucht. Egal! Stattdessen drückt nun etwas Kaltes auf den Knöchel.
»Setzen Sie sich auf, ich helfe Ihnen.«
»Danke«, flüstere ich, als er einen Arm um meinen Nacken, den anderen stützend um meine Taille legt und mich hochzieht.
Dieser benebelnde Duft nach Ozean und frisch gepressten Grapefruits und noch etwas ...! Verführung pur! Er riecht nach dem Mann, von dem ich nachts träume und zugleich weiß, dass er nichts für mich ist. Kategorie Hot Guy. Genau der Typ, der auf schmalhüftige Blondinen mit perfektem C-Körbchen und Stupsnasen steht. Nicht auf den südländischen kurvigen Typ wie mich.
Ich atme noch tiefer ein. Amazonas. Tropen. Edelholz. Sehr edles Holz!
Mir bleibt die Luft weg. Dafür schlüpfen sämtliche Larven in meinem Magen zur gleichen Zeit und erheben sich als Schmetterlinge zum Flug. Sie bewegen sich genauso hektisch wie meine Lider. Ich hebe und senke sie, blinzle – und sehe nichts. Besser gesagt: ein helles Oval. Ein Gesicht, soweit ich das beurteilen kann. Die beiden blauen runden Flecken müssen Augen sein. Sehr, sehr blaue Augen!
»Meine Brille«, stottere ich und lasse die Handfläche über den Steinboden gleiten. Doch das Einzige, was ich ertaste, ist die Papiertüte mit den Einkäufen, dann etwas Rundes. Vielleicht eine Tomate. Und ein Bucheinband, daneben noch einer.
»Sehen Sie mich an!«, fordert mich der Mann auf.
Der hat gut reden. Ohne meine Sehhilfe bin ich fast blind! Trotzdem blinzle ich in die Richtung seiner Stimme und konzentriere mich auf das Blau der beiden undefinierten Flecken vor mir.
»Ein Glas ist zerbrochen, nicht erschrecken.«
Sanft schiebt er mir die Bügel auf die Ohren. Ich blinzle, und wenn auch nur mit einem Auge – endlich erkenne ich die Konturen seines Gesichts. Und mein Herz setzt einen Schlag aus.
»Alles in Ordnung?«
Was? Wo? Bitte? Nichts ist in Ordnung!
In Gedanken stelle ich mein Gehirn auf Restart.
Hot Guy? Was ist die Steigerungsstufe? Hottest Guy ever?
Seine Augen sind von einem unnatürlichen Blau, das auf der Welt gar nicht vorkommt. Diese Farbe hat Gott bei der Schöpfung vergessen, weil sie so unwahrscheinlich schön ist, dass ihr Anblick schmerzt. Vor allem, wenn sie mit einem unwiderstehlichen Lächeln verbunden ist, das mein Herz schmelzen lässt.
»Sie hat es aber schlimm erwischt!«
Wenn du wüsstest!
Ich japse nach Luft.
Und zugleich läutet ein Handy.
»Sorry«, sagt er und erhebt sich zu seiner vollen Körpergröße. OMG! Sein Kopf verschwindet irgendwo dort oben im fernen Nichts. Dort oben braucht er eine Sauerstoffmaske, um atmen zu können! Er meldet sich mit einem unwirschen »Was gibts?«, und ich blinzle einäugig an ihm entlang. Von unten – schwarze Lederschuhe, eng geschnittene schwarze Hose – bis zur Mitte, die nicht allzu weit von meinen Augen entfernt ist. Er steht mit dem Rücken zu mir – und er ist perfekt! Am liebsten würde ich die Hände ausstrecken und auf diese beiden einladenden Pobacken legen.
»Nein!«
Ertappt! Dass er nicht mich meint, wird mir erst klar, als er den Anrufer mit einem »Nerv mich nicht!« abwimmelt und sich zu mir umdreht und neben mir in die Hocke geht.
»Lassen Sie mich mal sehen.« Jede Kälte ist aus seiner Stimme verschwunden. Er hebt den Eisbeutel, den ich als Packung Tiefkühlerbsen identifiziere, an und streift über meinen Knöchel. »Sieht nicht so schlimm aus«, meint er und dreht den Kopf.
Saphirblau! Das ist es. Seine Augen funkeln in dem Blau der wundervollen Edelsteine.
»Kommen Sie, ich helfe Ihnen auf. Und dann bringe ich Sie in Ihre Wohnung.«
»Kennen wir uns?«, frage ich dümmlich. Natürlich nicht! So ein Mann hinterlässt selbst nach einer flüchtigen Begegnung Spuren.
Er schmunzelt.
»Noch nicht. Aber Sie müssen Gillian Conway sein, richtig?«
»Wieso ...?«
»Ich bin Ihr Nachbar. Jayson Rearden.«
Jayson Rearden. Der, von dem die Brimberry behauptet, dass er die Frauen wechselt wie die Hemden. Der, den ich in den drei Monaten, die ich hier lebe, nie zu Gesicht bekommen habe. Und außerdem ... Mein Herz beginnt zu rasen, und mir fällt meine Mutter ein, als er mir beide Hände entgegenstreckt. Ich ergreife sie. Er zieht mich hoch und ich pralle mit der Stirn an sein Kinn. Meine Brüste pressen sich an seinen stahlharten Oberkörper, er legt seine Arme um meine Taille und hält mich fest.
»Wieso haben wir uns noch nie gesehen?«, nuschle ich in den Stoff seines schneeweißen Hemds, das am Kragen aufgeknöpft ist, und atme dabei seinen Duft ein, der durch die Nase in mein Gehirn und weiter in den Magen schießt. Er riecht wie die fleischgewordene Verführung! Und ich stelle idiotische Fragen, wo ich die Antwort doch kenne!
»Weil ich erst vor zwei Tagen aus den Staaten zurückgekommen bin. Aber ich finde diese Art von Kennenlernen ausgesprochen anziehend«, haucht er in mein Ohr.
Ausziehend, denke ich und gleite mit meinen Fingerspitzen über die gestählten Muskeln an seinem Rücken. Seine Hände kommen wie zufällig auf meinem Po zu liegen und drücken sanft zu. Ich bin froh, dass ich Jeans anhabe, die meine ausladenden Kurven in Form halten und ihnen auf den ersten Blick – hoffentlich auch Griff – ein wenig Spannung verleihen.
»Du gefällst mir, Gillian«, knurrt Jayson an meinem Ohr und schiebt sein Becken vor.
Der Härte nach zu schließen, die sich gegen meinen Bauch drückt, sagt er die Wahrheit. Und treibt mir die Schamesröte ins Gesicht. Wobei ... Es ist eher Wärme, die sich in mir ausbreitet und zwischen meinen Beinen in einen Feuerball verwandelt. Als ob ich glühende Kohle in den Händen hätte, lasse ich ihn los, mache einen Schritt zurück und zucke vor Schmerz zusammen, als ich auftrete.
»Gillian!«
Seine Hände fahren vor – meine auch.
»Nicht!«, zische ich.
»Aber ich will dir doch nur helfen!«, ruft er aus.
Mrs Brimberrys Worte fallen mir ein.
Natürlich! Ausgerechnet er, der Hot Guy, bei dem die Frauen Schlange stehen, will mir helfen. Mir!
»Kannst du bitte meine Sachen nach oben bringen?« Ich spreche gerade laut genug, dass er mich versteht, umklammere den Handlauf des Geländers und trete mit dem gesunden Fuß auf die erste Treppenstufe.
Ich habe zwar üppige Formen, aber unsportlich bin ich nicht. Obwohl ich meine Arbeit, die ich nun einmal sitzend verrichte, allem anderen vorziehe, gehe ich regelmäßig schwimmen. Fünfzig Längen im olympischen Becken dreimal pro Woche macht siebeneinhalb Kilometer. Meine Muskeln sind trainiert. Rücken, Arme, Beine – aber nicht nur die. Mein Körper ist kein Pudding, hat nur überall ein wenig mehr Außenschicht als nötig.
Und so schaffe ich die achtundzwanzig fehlenden Stufen mit zusammengebissenen Zähnen und mich am Geländer stützend, noch bevor mein Nachbar den Einkauf wieder in die Tüte verfrachtet und diese, die Bücher und meine Tasche nach oben bringt. Wortlos nehme ich ihm meine Patchworktasche vor der Tür ab, öffne sie und hole den Schlüsselbund heraus. Ich drehe den Schlüssel im Schloss und die Tür schwingt auf.
»Danke für deine Hilfe.« Ohne ihn anzusehen, greife ich nach den Büchern, humple in den Flur und lege sie auf die Kommode. Die Tasche stelle ich daneben.
»Gillian?«
Er spricht jede Silbe meines Namens einzeln aus, lässt sie auf der Zunge zergehen. GIL-LI-AN. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Am liebsten würde ich ihn an seinem Hemd packen und in meine Wohnung zerren – verstauchter Knöchel hin oder her. Den braucht man beim Sex auch nicht, oder?
Stattdessen wende ich mich ihm zu und strecke die Hand nach der Einkaufstüte aus.
»Ja?«
Ich sehe ihn mit dem einen Auge verschwommen, mit dem anderen erschreckend klar. Jayson hat es wirklich drauf! Dieser treuherzige Blick könnte einem das Herz zerreißen ...
»Ich kann sie dir doch in die Küche ...«
»Nein!«
Natürlich könnte er! Nicht die Tüte reintragen, sondern mich auf dem Küchentisch nehmen. Hart und tief.
Ich reiße ihm die Papiertüte aus der Hand, ein Henkel reißt ab. Umweltschutz wird überbewertet, denke ich und starre nach unten.
Jaysons Tiefkühlerbsen, mit denen er meinen Knöchel verarztet hat, liegen oben auf. Besser gesagt: Sie lagen. Jetzt sind sie auf dem Boden, ebenso wie zwei Tomaten.
Ich stöhne auf.
Er macht einen Schritt auf mich zu.
Ich umfasse die Tüte mit beiden Armen und drücke sie an meine Brust. Langsam humple ich damit in die Küche und stelle sie neben dem Waschbecken ab.
Plötzlich ist Jayson hinter mir. Er wirft die Packung mit den Erbsen auf die Arbeitsplatte, platziert die Tomaten daneben. Und dann lehnt er sich mit der Brust an meinen Rücken und flüstert mir ins Ohr.
»Deine Mutter hat nicht übertrieben, Gillian. Du bist genau mein Fall.«
Die Luft zum Atmen wird knapp. Das muss an dieser benebelnden Duftmischung aus Ozean, Grapefruits und Edelholz liegen.
»Dein Vater hatte ebenfalls recht, als er mich warnte«, erwidere ich heiser.
»Warum?«
»Er meinte, dass du nach deiner Rückkehr die erste Gelegenheit beim Schopfe packen würdest, um es mit mir zu probieren, obwohl ich nicht dein Typ bin.«
Jayson löst sich von mir und dreht mich zu sich um. Er legt seine Hände auf meine Schultern.
»Dann hat er sich geirrt, und zwar gleich zweimal. Ich habe nichts gemacht. Du hast dich doch in meine Arme geworfen.«
Er hebt seine diabolisch anmutenden Augenbrauen und zwinkert mir zu.
»Zu deinen Füßen«, erwidere ich und boxe ihm spielerisch in die Brust, um meine plötzliche Verlegenheit zu verdecken. Dabei lache ich auf, und in meinen Ohren klingt es wie das hysterische Gekicher der Zicken vor dem Kaffeeautomaten in der Firma.
Er packt meine Fäuste mit einer Hand und hält sie fest. Und augenblicklich verändert sich die Stimmung zwischen uns. Die Luft wird dünner, mein Atem kürzer. Jayson nimmt mir die kaputte Brille ab.
»Die brauchst du jetzt nicht«, flüstert er nahe an meinem Mund.
Ich schließe die Augen, hebe mein Kinn und erwarte die Berührung seiner Lippen auf meinen.
Und warte ... und warte ...
Er ist vor mir. Ich spüre ihn, und als ich die Augenlider endlich anhebe, sehe ich auch das verschwommene helle Oval seines Gesichts.
»Jayson?«
Meine Stimme will nicht so richtig. Ich piepse seinen Namen.
Er räuspert sich.
»Gillian, ich ...«
Er wirkt unsicher. Er! Jayson Rearden, der Womanizer, dessen Ruf in der gesamten westlichen Hemisphäre bekannt ist, der Bad Boy, vor dem mich sogar sein eigener Vater gewarnt hat, findet keine Worte! Mein Magen beginnt zu vibrieren und setzt das Kribbeln bis in meine Fingerspitzen fort. Und ich vergesse einfach, dass ich das unscheinbare graue Entlein bin, und stelle mir vor, ein wunderschöner Schwan mit glänzend weißem Gefieder zu sein. Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und ziehe ihn näher. Meine Lippen berühren seine wie Schmetterlingsflügel. Tastend streiche ich mit der Zungenspitze darüber, stupse vorsichtig dagegen. Ich spüre sein Becken, das sich vorschiebt, die Härte an meinem Bauch, die nichts mit dem Sixpack zu tun hat, das eindeutig weiter oben liegt – und das Öffnen seines Mundes. Spielerisch umtanzen sich unsere Zungen, erkunden einander, kommen sich näher. Es fühlt sich an, als ob ich in ihm zu Hause wäre. Richtig, passend, perfekt. Ich reibe mich an ihm, spiele mit den dunklen Haaren in seinem Nacken. Sie sind dicht, eine Spur zu lang, umspielen den Hemdkragen, unter den meine Fingerspitzen gleiten, um sich vorzutasten. Ich streiche mit meinen Fingerkuppen über die nackte Haut und stöhne auf. Er schiebt seinen Oberschenkel zwischen meine Beine, und ich denke nicht im Traum daran, ihm Widerstand zu leisten. Mit langsam kreisenden Bewegungen reibe ich mich an ihm.
Jayson knurrt, drückt sein Becken gegen meinen Unterleib. Er knabbert an meiner Zunge, saugt an meiner Lippe – und löst sich keuchend von mir.
»Gillian, nicht!«
Ich zucke zusammen. Was soll ich nicht tun? Und was habe ich denn bitte getan?
Er tritt einen Schritt zurück, dann noch einen. So weit, dass wir uns nicht mehr berühren. Ich blinzle und versuche sein Gesicht zu fokussieren. Fehlanzeige. Ich strecke den Arm seitlich aus, greife hinter mich auf die Arbeitsfläche, finde die Brille, setze sie auf. Ich kann das Verlangen in seinem Blick erkennen. Und doch steht er einfach nur bewegungslos da. Jayson presst die Lippen fest zusammen.
»Warum?«
Ich stöhne oder seufze oder keuche das Wort. Was auch immer. Meine Vernunft ist irgendwo in meinem sich schmerzhaft zusammenziehenden unteren Bauch gelandet. Ich habe ihn doch gespürt! Er wollte es genauso wie ich. Weshalb also stößt er mich von sich?
»Weil ich nicht tun werde, was mein Vater von mir erwartet. Nicht mit dir.«
»Wieso? Passe ich nicht in dein Beuteschema?« Meine Stimme kippt, verwandelt sich in ein schrilles Piepsen. Welch idiotische Frage! Natürlich nicht! Wahrscheinlich hätte er mir nicht einmal einen zweiten Blick geschenkt, wenn ich ihm nicht vor die Füße gefallen wäre!
Er übergeht meine Frage, legt stattdessen den Kopf schräg und die Stirn in Falten. »Was hat er dir von mir erzählt?«
Er. Sofort weiß ich, wen er meint. Wie auch nicht? Ich denke an den Abend vor etwa einem halben Jahr, nachdem ich nach London zurückkehrte und Mum ihn mir vorstellte. Bereits im vorigen Sommer hatte sie mir gesagt, dass es jemanden gab, der ihr gefiel. Vorstellen wollte sie ihn mir aber erst, wenn ich auch das Praktikum bei der CNN in New York beenden und heimkehren würde.
»Rick Rearden, der Mann meines Lebens«, sagte sie und lächelte dabei auf die Art und Weise, wie es frischverliebte Teenager tun. Und er warf ihr einen strahlenden Blick zu, der sein markantes, hartes Gesicht weichzeichnete. Ich kannte seinen Namen. In Großbritannien ist es schwierig, nicht über ihn zu stolpern. Er ist der britische Rupert Murdoch. Der Medienmogul, der mit seinen Zeitungen, Zeitschriften und TV-Sendern zum Multimillionär wurde. Oder Milliardär. So genau weiß das niemand. Einer, der vom Geschäft der Schlagzeilen lebt, jedoch selbst keine macht. Bis ich ihm nicht gegenüberstand, wusste ich nur, dass seine Frau vor vielen Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war und er seine beiden Kinder allein aufgezogen hatte. Beim gemeinsamen Abendessen, dem einzigen in all den Monaten seither, erwähnte er Jayson nur kurz. »Mein Sohn ist gut in seinem Job, sehr gut sogar. Als Herzensbrecher ist er hingegen unschlagbar.« Umso mehr sprach er von seiner Tochter, der achtzehnjährigen Cathy, die im Internat ist, doch das behielt ich in diesem Moment für mich.
»Nicht viel«, antworte ich Jayson. Sein Adamsapfel zuckt leicht, seine Schultern sacken ein wenig nach unten. »Dein Vater ist stolz auf dich«, beeile ich mich, hinzuzufügen.
»Das ist er, wenn es sich um Geschäftliches handelt«, bestätigt er leise. Das Blau seiner Augen ist so dunkel wie die See vor einem Sturm. »Er meint aber auch, dass ich meine Finger nicht von den Frauen lassen kann. Gestern hat er mir angedroht, mich wieder nach New York zu verfrachten, falls ich meine neuen Mitarbeiterinnen nicht auf Distanz halte.« Er fährt sich mit gespreizten Fingern durch das dichte dunkle Haar, streicht es seitlich aus der Stirn, spricht weiter: »Und dann hat er seine Hand auf die deiner Mutter gelegt und ihr zugezwinkert und gemeint, dass ich von nun an unter Beobachtung stünde.«
Mum? Was hat sie mit Jayson zu tun? Ich rutsche mit einem Kopfschütteln von der Arbeitsplatte und zucke prompt zusammen, als ich auf dem Boden aufkomme. Der Stich, der durch meinen Knöchel fährt, erinnert mich daran, weshalb Jayson hier in meiner Küche ist, und mir wird klar, dass er mit dem Gerede über meine Mum und seinen Dad von dem ablenken will, was vorhin zwischen uns passiert ist.
»Ach ja?«, sage ich beiläufig, verlagere das Gewicht auf das andere Bein, schlage einen Bogen in Richtung Kühlschrank. Ich lege die Hand auf den Griff, ziehe die Tür auf und greife nach dem O-Saft. »Du meinst, er hat an deinem neuen Arbeitsplatz einen Privatdetektiv eingeschleust?« Wo auch immer Ricks Sohn jetzt, nachdem er aus den Staaten zurückgekehrt ist, arbeiten wird, es wird sicher innerhalb des filmischen Bereichs des Familienimperiums sein. Er hat jahrelange Erfahrung bei US-amerikanischen Fernsehsendern gesammelt, wie Rick einmal erwähnte.
»Willst du damit sagen, dass du es nicht weißt?« Jayson steht plötzlich neben mir, seine Hand umfasst meinen Oberarm.
»Was?« Ich sehe ihn fragend an.
»Dass ich ab Montag als stellvertretender General Manager den London Chronicle und somit das Projekt Catch the Millionaire leiten werde.«
Mein Mund öffnet sich mit der gleichen Geschwindigkeit, in der mir der O-Saft aus der Hand gleitet. Die Plastikflasche schlägt genau in dem Moment auf dem Boden auf, in dem ich »Shit« flüstere. Und dann springt sie wie ein Ball noch einmal hoch, und meine Stimme wird lauter. »Holy Shit!«
Jayson ist mein neuer Chef.
Kapitel zwei
Mein Blick gleitet nach oben. Piccadilly Circus ist zwar nicht Times Square, aber die riesigen Werbetafeln sind hier ebenso unübersehbar wie in New York. Ein Mann rammt mir seinen Ellenbogen in die Seite, ein anderer drängt sich mit lautstarkem Gemurmel an mir vorbei. Montag ist tendenziell für die meisten Menschen ein schwarzer Tag, wie man an den mürrisch und unausgeschlafen wirkenden Gesichtern erkennen kann. In den Stationen der Underground sieht keiner den anderen an, alle drängen wie Roboter in die Züge und wieder hinaus. Und je näher der Arbeitsbeginn rückt, umso unsympathischer werden sie. Von der sprichwörtlichen Coolness und Gelassenheit der Londoner ist so gut wie nichts zu spüren. Ich ramme meine Heels in den Boden, um nicht wie ein Punchingball hin und her geschubst zu werden, während ich auf den übergroßen Highlander starre, der mich von der gegenüberliegenden Fassade überheblich angrinst. Catch the Millionaire blinkt es über seinem Kopf mit den vom Wind zerzausten rotblonden Haaren, die bis auf Kinnlänge sein markantes Gesicht umrahmen. Highland-Millionär sucht intelligentes Topmodel. Heirat nicht ausgeschlossen, steht quer über seinem Kilt geschrieben. Und zwar genau dort, wo ein Mann sein bestes Stück hat. Und seines entspricht dem Ausdruck in jeder Hinsicht.
Ich kann die Röte spüren, die mir bei diesem Gedanken in die Wangen schießt. Natürlich habe ich es nicht gesehen, aber als Kyle MacLeary in seinen engen Jeans auf einem der Stühle Platz genommen hatte, die in unserem VIP-Meetingroom stehen, hatte ich einen perfekten Blick auf das, was der schwarze Denim bedeckte. Und das nur, weil der Innenarchitekt, der die Büros des London Chronicle eingerichtet hat, auf Glasplatten steht. Kein Tisch im gesamten Gebäude schirmt das, was darunter ist, vor indiskreten Blicken ab. So konnte ich bei den hochsommerlichen Temperaturen der letzten Wochen, wenn die Füße gegen Ende eines langen Arbeitstages anschwollen, niemals die Schuhe abstreifen, um ihnen ein wenig frische Luft – und Schmerzlinderung – zukommen zu lassen. Und ich musste in den Endlosmeetings stets darauf achten, meine Knie ladylike zusammenzupressen, so wie die Männer ihre Hände bestenfalls auf ihren Oberschenkeln ablegen, und sie nicht – in vertrauter Geste – auf ihr bestes Stück zu legen. Womit ich wieder bei Kyle MacLeary angelangt war, der von der Hauswand süffisant auf mich herunter grinst.
Und nein. Er hatte sich nicht ein einziges Mal während des Treffens, bei denen ich für meine Chefin Mallory Evans das Profil des heiratswilligen Millionärs erstellte, ebendort berührt. Dafür hatte er mich ständig auf eine unergründliche Art angelächelt, Bemerkungen über graue Katzen und blinde Fledermäuse eingeworfen und mit einem »Tz, tz, tz« den Kopf geschüttelt, als ich nach einem Cookie gegriffen hatte, da der Lunch ausgefallen war. Seine verwaschenen blauen Augen, die weder die Farbe des Himmels noch die des Meeres hatten, waren durch die verdammte Glasplatte des Tisches hindurch auf der sanften Wölbung unter meinem Rockbund gelandet. Keine Rede, dass ich den Keks wie ein brennendes Holzscheit zurück auf den Teller hatte fallen lassen.
Mit einem Seufzer ziehe ich das Handy aus meiner Clutch, hebe es hoch, aktiviere die Kamerafunktion und mache das, wozu ich hierhergekommen bin: Ich fotografiere das Werbeplakat, auf dem in riesengroßen Lettern, zwischen den behaarten Schienbeinen des Schotten aus den Highlands, der mit nur neunundzwanzig Jahren mit Schafwolle und Whisky bereits ein riesiges Vermögen angehäuft hat, der Hashtag #CatchMillionaire und der Weblink des Projekts zu lesen sind.
»Meinst du wirklich, dass ein solcher Mann eine wie dich auch nur ansieht?« Ich höre die hohe, näselnde Stimme, noch bevor sich eine Tussi mit blauschwarzem Kurzhaarschnitt und blutrot bemalten, aufgeblasenen Lippen vor die Kameralinse schiebt. Ich senke das Handy und sehe sie entgeistert an. Mir fehlen die Worte! Mein Mund klappt auf und zu, doch nichts entweicht. Auch keine Luft, wie ich bemerkte, als sie mir zum Atmen fehlt und ich danach schnappe. Die Tussi zielt mittlerweile mit ihrem eigenen Handy auf das überlebensgroße Abbild, schießt ein Foto und stolziert auf ihren ellenlangen Storchenbeinen, die in hautengen schwarzen Leggings in Kindergröße stecken, davon. »Der gehört mir!«, ruft sie mir über die Schulter zu und deutet mit ausgestrecktem Arm auf Kyle. Ihre spitz zugefeilten rot lackierten Fingernägel wirken dabei wie die Krallen eines gefährlichen Raubtiers und die weiten Ärmel ihres durchscheinenden Kurzarmshirts wehen wie Fledermausflügel an ihrem schmalen Oberkörper.
Niemals! MacLeary ist zwar ein überheblicher Kerl, der mit seiner süffisanten Art und seinem Aussehen die Derbheit seiner Heimat widerspiegelt, aber so eine künstlich aufgemotzte Barbie an seiner Seite ist undenkbar. Obwohl ... Ein leises Lächeln umspielt meine Mundwinkel. Sollte sie sich melden – und ich gehe davon aus, dass sie es tun wird –, werde ich sie in den Kreis der drei Erlesenen hineinschmuggeln, die alle gemeinsam einen Tag mit ihm verbringen werden. Und dann werde ich mich im Hintergrund amüsieren, wenn sie und die anderen um die Gunst von Kyle buhlen und ihm dabei gehörig einheizen werden. Besser noch: Sie sollen ihn zur Weißglut bringen!
Aber zuvor muss ich den ersten Tag mit meinem neuen Chef überstehen, dem ich seit unserem zufälligen – erregenden, heißen, verwirrenden ... – Zusammentreffen erfolgreich ausgewichen war. Auch heute, als ich mit einem Aufatmen feststellte, dass seine Wohnungstür bereits ins Schloss fiel, als ich noch an meinem Kaffee nippte.
Natürlich wusste Mum schon Freitagabend, als ich anrief, dass ich Jayson bereits kennengelernt hatte.