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Folge 40 der britischen Erfolgsserie
Es ist Winter in Cherringham. Doch das Verbrechen macht auch bei klirrender Kälte keine Pause und beschert Jack und Sarah einen neuen Fall: Der Kleinganove Charlie Topper ist in Lebensgefahr. Im letzten Sommer wurde er bei einem Einbruch Zeuge eines kaltblütigen Mordes. Um nicht selbst in Schwierigkeiten zu geraten, hat er niemandem erzählt, was er gesehen hat. Doch nun hat ihn der Mörder offenbar aufgespürt! In seiner Verzweiflung bittet er Jack und Sarah um Hilfe: Können die beiden den Fall lösen, bevor der eiskalte Mörder auch hinter ihnen her ist?
Über die Serie: "Cherringham - Landluft kann tödlich sein" ist unsere erfolgreichste Cosy-Crime-Serie. Jede Folge ist unabhängig lesbar und geeignet, in die Welt von Cherringham einzusteigen. Cherringham ist ein beschauliches Dorf in den englischen Cotswolds. Doch mysteriöse Vorfälle, eigenartige Verbrechen und ungeklärte Morde halten die Bewohner auf Trab. Zum Glück bekommt die örtliche Polizei tatkräftige Unterstützung von Sarah und Jack. Die alleinerziehende Mutter und der ehemalige Cop aus New York lösen jeden noch so verzwickten Fall. Und geraten das ein oder andere Mal selbst in die Schusslinie ...
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!
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Seitenzahl: 178
Cover
Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie
Über diese Folge
Die Hauptfiguren
Über die Autoren
Titel
Impressum
1. Ein perfekter Juniabend
2. Eine Überraschung für alle
3. Acht Monate später
4. Dinner – und die Wahrheit – im Spotted Pig
5. Verdächtige
6. Der Schauplatz des Verbrechens
7. Eine neue Spur
8. Der Jäger
9. Ein Besuch in der Cherringham Crescent
10. Ein Poltern in der Nacht
11. Karl Huntfords Laptop
12. Zwei Männer im Schnee
13. Eine Falle im Schneegestöber
14. Alibis
15. Der Teich
16. Ein Sonntagsbraten
»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy- Crime-Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Regelmäßig erscheinen sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch spannende und in sich abgeschlossene Fälle wie auch Romane mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah.
Es ist Winter in Cherringham. Doch das Verbrechen macht auch bei klirrender Kälte keine Pause und beschert Jack und Sarah einen neuen Fall: Der Kleinganove Charlie Topper ist in Lebensgefahr. Im letzten Sommer wurde er bei einem Einbruch Zeuge eines kaltblütigen Mordes. Um nicht selbst in Schwierigkeiten zu geraten, hat er niemandem erzählt, was er gesehen hat. Doch nun hat ihn der Mörder offenbar aufgespürt! In seiner Verzweiflung bittet er Jack und Sarah um Hilfe: Können die beiden den Fall lösen, bevor der eiskalte Mörder auch hinter ihnen her ist?
Jack Brennan hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet – und fast genauso lange von einem Leben in den englischen Cotswolds geträumt. Mit einem Hausboot im beschaulichen Cherringham ist für ihn ein langgehegter Traum in Erfüllung gegangen. Doch etwas fehlt ihm. Etwas, das er einfach nicht sein lassen kann: das Lösen von Kriminalfällen.
Sarah Edwards ist Webdesignerin. Nachdem ihr perfektes bürgerliches Leben in sich zusammengefallen ist, kehrt sie mit ihren Kindern im Schlepptau in ihre Heimatstadt Cherringham zurück, um dort neu anzufangen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings oft zu langweilig. Gut, dass sie in Jack einen Freund gefunden hat, mit dem sie auch in der vermeintlichen Idylle echte Abenteuer erleben kann!
Matthew Costello ist Autor erfolgreicher Romane wie Vacation (2011), Home (2014) und Beneath Still Waters (1989), der sogar verfilmt wurde. Er schrieb für verschiedene Fernsehsender wie die BBC und hat dutzende Computer- und Videospiele gestaltet, von denen The 7th Guest, Doom 3, Rage und Pirates of the Caribbean besonders erfolgreich waren. Er lebt in den USA.
Neil Richards hat als Produzent und Autor für Film und Fernsehen gearbeitet sowie Drehbücher verfasst, für die er bereits mehrfach für den BAFTA nominiert wurde. Für mehr als zwanzig Videospiele hat der Brite Drehbuch und Erzählung geschrieben, u. a. The Da Vinci Code und, gemeinsam mit Douglas Adams, Starship Titanic. Darüber hinaus berät er weltweit zum Thema Storytelling. Bereits seit den späten 90er Jahren schreibt er zusammen mit Matt Costello. Inzwischen haben die beiden mit »Cherringham. Landluft kann tödlich sein« und »Mydworth. Ein Fall für Lord und Lady Mortimer« zwei Serien erfolgreich ins Leben gerufen.
Matthew CostelloNeil Richards
CHERRINGHAM
LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN
Ein eiskaltes Verbrechen
Aus dem Englischen von Sabine Schilasky
beTHRILLED
Deutsche Erstausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Titel der englischen Originalausgabe: »Cold Case«
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Dr. Arno Hoven
Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt
Covergestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven © shutterstock: pathdoc | Ryzhkov Oleksandr | Standret | PJ photography
eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf
ISBN 978-3-7517-0271-3
be-thrilled.de
lesejury.de
Karl Huntford schritt vorsichtig durch das hohe Gras der steil abfallenden Wiese, hinunter zum Teich und dem kleinen Holzdeck, das er eigens für Abende wie diesen gebaut hatte.
Er hielt einen perfekt gekühlten Sauvignon Blanc in der einen Hand und zwei Weingläser in der anderen.
Hinter ihm folgte seine Frau Christine mit einem kleinen Korb, in dem sich ein größeres Stück Brie und einige von den lachhaft teuren Kräckern aus dem Hofladen befanden.
Wie für den Abend vorhergesagt, waren die Temperaturen absolut ideal – warm mit einer sehr sanften Brise, die von rechts über den Teich wehte.
Karl liebte es, wenn sie sich hierhin zurückzogen. Die hölzerne Plattform war von ihm so angelegt worden, dass sie freien Blick auf den Teich und den nahen Wald hatten: Sie konnten von dort aus die Tiere beobachten, die in der Dämmerung auftauchten, als handelte es sich um eine besondere Aufführung eigens für sie beide.
Huntford genoss es.
Ganz besonders, nachdem er ein ganzes Jahr verloren hatte, um sich an solchen Erlebnissen zu erfreuen.
Nach einer solchen Erfahrung lernte man die wirklich schönen Dinge erst recht schätzen.
Diese Wiese zum Beispiel: der erste Teil des großen Renaturierungsprojekts für das Anwesen. Ein volles Jahr lang hatte er dieses geplant. Das absichtlich ungemähte Gras war nun von Wiesenmargeriten, Klatschmohn und Rotem Fingerhut gesprenkelt.
Und die Schmetterlinge! Rote Admirale, Kleine Füchse – herrliche Farbtupfer, die von Blume zu Blume tanzten.
Eines Tages, wenn ich Glück habe, dachte er, sehe ich vielleicht sogar einen Himmelblauen Bläuling.
Karl betrat das Holzdeck, das den Teich ein wenig überragte. Dort standen zwei stabile Metallstühle und ein passender Tisch für Drinks und Snacks.
Gerade genug Platz für sie beide – wie Karl es am liebsten hatte.
Er stellte den Wein und die Gläser hin, bevor er einen schlichten Korkenzieher aus seiner Gesäßtasche hervorholte. Mit der Spitze löste er das Foliensiegel.
Karl gab altmodischen Korkverschlüssen eindeutig den Vorzug, ganz gleich, was Experten über die neuen, einfachen Schraubverschlüsse und deren Wirksamkeit sagten.
Ein Schraubverschluss! Das war so romantisch und spannend, als würde man eine Ketchup-Flasche öffnen!
Er entkorkte den Wein mit einem leisen »Plopp«.
»Gut gemacht«, lobte ihn Christine und stellte den Käse und die Kräcker hin.
In ihrer ärmellosen blauen Karobluse und den weißen Shorts sah sie fantastisch aus.
»Besser könnte das Wetter gar nicht sein«, sagte Karl.
Natürlich würden Tage kommen, an denen der Sommer in den Herbst und der Herbst in den Winter überging.
Doch jetzt gerade? Perfekt.
Rasch schenkte er ihnen ein und erhob sein Glas, um mit Christine anzustoßen – ein sanftes »Pling«. Sie lächelte.
Seine Frau war schön wie immer – die Wangen von Natur aus rosig, und auf ihrem Mund schimmerte nur ein Hauch von Lippenstift.
Make-up ist unnötig. Eine wahre Naturschönheit.
Ich … bin ein glücklicher Mann, dachte er.
Dann wandte er sich ab und blickte zu dem Teich, der unten im Tal eingebettet war, und dem dichten Wald auf dem Hügel gegenüber.
Alles gehörte seiner Frau und ihm. Und bald würde die Dämmerung einsetzen.
»Sehen wir mal, was für Besucher wir heute Abend haben werden«, sagte er.
Und es dauerte nicht lange, bis sie nicht mehr allein waren.
Sie hatten einen Habicht entdeckt, der drüben am Teichrand entlangsegelte und dann im Wald verschwand, wo die Bäume dunkel und undurchdringlich wirkten.
Wahrscheinlich sitzt er dort irgendwo auf einem hohen Ast, dachte Karl. Beobachtet. Wartet auf seine Beute.
Nach einer kleinen Ewigkeit – während der Karl und Christine Käse aßen, auf andere Vögel zeigten und sich leise unterhielten – kam der Habicht plötzlich aus den Bäumen hervorgeschossen und näherte sich im raschen Sturzflug dem Teichrand.
»Ah – er hat etwas«, stellte Karl fest, als der Vogel mühelos mit einer winzigen grauen Gestalt zwischen seinen Krallen wieder aufstieg.
»Oder sie? Du hast doch gesagt, dass Männchen und Weibchen gleich gut jagen.«
Er lächelte. »Das stimmt. Oh, sieh mal! Es scheint eine kleine Maus zu sein. Oder ist das eine Spitzmaus? Keine sehr üppige Mahlzeit – vielleicht nur ein kleiner Imbiss für die Küken im Nest.«
Sie schauten weiterhin aufmerksam zum Waldrand, tranken und knabberten Kräcker mit würzigem Brie.
Dann hörte Karl, wie Christine sagte: »Oh, da ist sie. Die Mutter und ihre Jungen vom letzten Jahr.«
»Pünktlich auf die Minute.«
Zögerlich und wachsam – der Inbegriff der Nervosität – trat ein Hirschquartett aus dem dichten Unterholz: eine Hirschkuh und ihre drei gepunkteten Kälber.
Die Kleinen ästen, während die Mutter hauptsächlich in alle Richtungen schaute, um rechtzeitig feststellen zu können, ob ihren Kälbern Gefahr drohte.
Wahrscheinlich kam bald noch mehr Wild.
Vor einer Woche hatte sich sogar einmal der Hirsch sehen lassen – immer ein aufregender Anblick, insbesondere wegen des wachsenden Geweihs mit den scharfen Spitzen, das gleich einer Waffe allzeit für den Kampf bereit war.
Und Karl, der nahe bei seiner Frau saß, war so glücklich und zufrieden gewesen, wie man es nur sein konnte.
Der fabelhafte französische Wein half zweifellos auch, dass sich solche Hochgefühle einstellten.
Charlie Topper hatte beobachtet, wie das Paar von seinem herrschaftlichen Haus auf dem Hügel den Hang hinunterging – eine kleine Strecke von rund hundert Metern.
Genau wie sie es schon an vielen Nachmittagen getan hatten, die er hergekommen war, um sich im Gebüsch und zwischen den Bäumen auf einer Seite des Hauses zu verstecken.
Verlässlich wie ein Uhrwerk, dachte Charlie, was das Leben stets leichter macht.
Anfangs war Charlie nur neugierig gewesen, wie er die beiden ausrauben könnte. Er hatte geglaubt, dass es in solch einem Haus, das zwar alt, aber modernisiert worden war, eine Alarmanlage geben musste.
Doch dann war ihm auf seinen kleinen Expeditionen, bei denen er seinen verbeulten Nissan gut eine Meile weit weg parkte und durch den Wald zum Haus stapfte, fernab der Wanderwege, um das Paar zu beobachten – es auszuspionieren –, etwas Entscheidendes aufgefallen.
Sie verließen ihr Haus immer hinten durch eine Schiebetür, um zu ihrem gemütlichen kleinen Holzdeck zu gehen.
Die Tür glitt einfach auf und oftmals auch wieder zu – jedoch nicht immer.
Im Sommer sind die Leute so unachtsam. Bewegen sich rein und raus.
Als gäbe es überhaupt keinen Grund zur Sorge.
Und wenn Charlie geduldig genug gewesen war, um eine ganze Weile zu bleiben – eine Stunde, vielleicht länger –, hatte er sie mit einer leeren Weinflasche und Gläsern zurückkehren und ins Haus spazieren gesehen.
Und keiner der beiden tippte irgendwelche Zahlencodes ein, um ins Haus zu gelangen, wenn die Tür geschlossen war.
Die Alarmanlage war ausgeschaltet.
Ich schätze, dachte er, dass sie sich sicher fühlen, weil sie in der Nähe sind, und es nicht für nötig halten, alles zu verriegeln.
Und Kameras? Es musste welche geben, aber die waren höchstwahrscheinlich diskret platziert und entsprechend schwer zu finden. Was allerdings kein unlösbares Problem darstellte. Denn Charlie hatte eine Skimaske mit Öffnungen für die Augen und den Mund.
Mit der war er quasi unsichtbar.
An einem warmen Nachmittag wie heute war das Atmen in dem Ding freilich nicht angenehm, so viel stand fest. Doch in diesem Fall blieb ihm keine andere Wahl.
Und nun blickte er den Hügel hinunter, über das hohe Gras hinweg, und vergewisserte sich, dass die zwei, was immer sie da unten taten, Wein trinkend und über ihren Besitz blickend, dem Haus den Rücken zugekehrt hatten.
Was bedeutete – ja –, dass es für Charlie Topper Zeit wurde, nachzuschauen, welche Schätze er drinnen finden könnte.
Charlie eilte aus seiner Deckung zwischen den Bäumen und schlüpfte durch dieselbe Schiebetür ins Haus, die das Paar stets benutzte.
Zum Glück ist die Tür offen geblieben, dachte er. Aber selbst wenn sie geschlossen wäre – ohne eine Alarmanlage lässt sich wahrscheinlich jede Tür öffnen.
Charlie hatte von einigen seiner Kumpel Gerüchte gehört, dass der Typ, der hier wohnte – obwohl er wegen irgendwelcher üblen Geldgeschichten im Knast gesessen hatte –, immer noch einiges an Barem besaß.
Vielleicht sogar eine ganze Menge.
So wie es drinnen aussieht, muss da etwas dran sein, fand Charlie, als er sich im Haus umblickte.
Während er von Zimmer zu Zimmer ging, dachte er, dass es eher wie ein modernes Museum aussah: Skulpturen, Kunst – und alles war angeleuchtet. Charlie würde jederzeit zugeben, einen schlichten Geschmack zu haben, und tatsächlich hatte er keine Ahnung, was hier wertvoll und was reine Dekoration war.
Allerdings wurde unter seinen Kollegen in der Einbruchdiebstahl-Branche spekuliert, dass die Frau teuren Schmuck besaß.
Ja, und Schmuck war fast so gut wie kaltes, hartes Bargeld. Leicht an einen Hehler zu verkaufen. Dinge von echtem Wert, die sich in schnelles Geld umwandeln ließen.
Er näherte sich einem Fenster und überprüfte, ob die beiden noch unten am Teich saßen – eigentlich war es mehr ein kleiner See –, bevor er zur Treppe ging.
Denn Leute bewahren ihren Schmuck natürlich im Schlafzimmer auf!
Und im größten Schlafzimmer oben stand selbstverständlich ein Schmuckkasten auf einer weißen Kommode. Er hatte jedoch ein Schlüsselloch und war vermutlich abgeschlossen.
Doch als Charlie den Kasten mit seiner von einem Handschuh verhüllten Hand zu öffnen versuchte, ging der Deckel zu seinem Erstaunen auf.
Darunter kam eine schwindelerregende Menge an Funkelndem zum Vorschein.
Manche der bunteren Stücke waren mit Steinen besetzt, die Charlie nicht kannte. Doch er sah auch einige, von denen er wusste, woraus sie bestanden und dass sie leicht zu verscherbeln waren – wie etwa die Diamantohrringe und diese Perlenkette.
Bei solch einem Haus … und solch einem Mann … der eine jüngere Frau hatte … dachte Charlie. Da sind diese Perlen garantiert echt.
Mein lieber Schwan, hier ist heute wirklich Zahltag für mich.
Karl schenkte seiner Frau die letzten Tropfen Wein ein. Die Flasche schien viel zu schnell geleert. Aber war das bei wirklich gutem Wein nicht immer so?
»Ein Jammer! Alles ausgetrunken.«
Dann sagte Christine etwas, nun ja, Ungewöhnliches.
Eine leere Flasche war normalerweise das Zeichen, dass das leise Reden und die Naturbeobachtung hier vorbei waren. Auf der anderen Seite des Teichs hielt sich jetzt ein ganzes Hirschrudel auf, und zu dem Habicht hatten sich Schwalben gesellt, die pfeilschnell über das Wasser hinwegflogen und Insekten fingen.
Es war sogar ganz kurz ein Eisvogel zu sehen gewesen – ein exquisiter Farbblitz vor einem Hintergrund aus Sumpfdotterblumen und violettem Weiderich.
»Karl, soll ich schnell zum Haus gehen und noch eine Flasche holen? Es ist so schön hier – der Sonnenuntergang, dieser Abend.«
Karl nickte. Die Sonne war hinter den Hügel hinter ihnen gesunken, und die Kumuluswolken über dem Wald auf der anderen Seite leuchteten pink und orange.
»Warum nicht. Ich gehe …«, begann er.
Aber Christine war bereits aufgestanden.
»Bleib du hier – vielleicht siehst du den Eisvogel noch mal. Ich bin gleich wieder da. Den gleichen?«, fragte sie. Natürlich meinte sie den Wein. »Man soll ja nicht mitten im Rennen die Pferde wechseln, heißt es doch.«
Er schaute ihr nach, während sie den Hügel hinaufging, und holte tief Luft. Der Abend schmolz langsam dahin. Dann drehte er sich wieder zu seinem hübschen Teich um.
Als er mit den Schlafzimmern fertig war, betrat Charlie einen kleinen, dunklen Raum im zweiten Stock, in dem die Vorhänge geschlossen waren. Es handelte sich um eine Art Büro, wie er annahm.
Das einzige Licht kam von einem Laptop mit silbernem Gehäuse und schwarzen Tasten.
Der Computer war aufgeklappt und zeigte wechselnde Bilder, die aussahen, als wären sie auf diesem Anwesen – der Wald, Hirsche, Vögel – und während der Auslandsreisen des Paars aufgenommen worden.
Ein sonniger Strand, Huntford in Badehose und einem blütenweißen, kurzärmligen Hemd.
Seine Frau in einem Bikini.
Ja, dachte Charlie, dem Typen geht es gut.
Das heißt, bis heute Abend.
Doch es wurde Zeit zu verschwinden. Er wusste ja, wie lange ihre kleinen Ausflüge hinunter an den Teich gewöhnlich dauerten.
Dann jedoch zögerte er und sah sich den Laptop genauer an. Der war noch neu. Und Charlie wollte darauf wetten, dass er gutes Geld wert war.
Also stopfte er ihn in seinen Rucksack zu dem Schmuck, den er eingesteckt hatte.
Und weil er sich mit solchen Sachen nicht auskannte, riss er auch noch alle Kabel raus, die mit dem Computer verbunden waren, und steckte sie ebenfalls ein.
Charlie hatte nun einen vollen Rucksack – als wäre er eine Art umgekehrter Nikolaus. Er drehte sich zu einem kleinen Fenster um, das zur Wiese, zu dem Tal und dem Teich ging, und schob den Vorhang ein winziges Stück zur Seite …
Oh Gott!
Huntfords Frau kam mit schnellen Schritten den Hügel hinauf zum Haus!
Charlie Topper wusste, dass seine sorgfältig geschmiedeten Pläne schnell dahin sein könnten. Es brauchte bloß einen Anruf bei der Polizei, und die würde ihn auf dem Weg zurück zu seinem Auto erwischen. Mit der Beute bei sich!
Also rannte er, so schnell er konnte, aus dem kleinen Büro und die breiten Treppen hinunter. Ja, er raste förmlich.
Und dabei dachte er: Wie zur Hölle komme ich jetzt raus?
Karls Blick glitt wieder über die Wildwiese und zu seiner Frau, die beinahe beim Haus angelangt war.
Für einen Moment ließ er es zu, dass seine Gedanken abschweiften. Dieser Ort weckte stets eine besondere Ruhe tief in ihm: nur seine Frau und die Natur. Pures Glück.
Es war erstaunlich, wie er es geschafft hatte, dies hier zu erreichen, nach – nun ja – einem finanziellen und persönlichen Desaster von einer solchen Tragweite, dass es die meisten Männer gebrochen hätte.
Zerstört hätte.
Aber nicht ihn! Und mit den neuen Plänen, deren Umsetzung bereits eingeleitet war, und dem üblen Teil, der nun vorbei war, sah die Zukunft sogar noch besser aus.
Er nickte, als wollte er sich selbst versichern, dass die Gedanken, die ihm soeben durch den Kopf gegangen waren, tatsächlich der Wahrheit entsprachen.
In wenigen Momenten wäre Christine mit einer weiteren Flasche Wein zurück, und vielleicht würde er ihr dann ein wenig mehr von diesen Plänen erzählen.
Ja, das würde er machen.
Denn was brachte es schon, faszinierende Pläne zu haben, die in der Mache waren, wenn man sie mit keiner Menschenseele teilte?
Charlie Topper, dessen Rucksack sich fast zum Bersten wölbte, rannte zu einer Seitentür, die er gesehen hatte. Sie ging von der riesigen, blitzblank geputzten Küche ab.
Er legte die Hand an den Türknauf und überlegte: Die Alarmanlage an der Terrassentür ist zwar aus, aber trotzdem könnte die hier noch aktiviert sein …
Vielleicht war das Paar nicht so arglos und von einem solchen Sicherheitsgefühl durchdrungen, wie er es sich an diesem Sommernachmittag vorgestellt hatte.
Doch er hörte ein Geräusch hinter sich. Die Frau kam gerade herein, und Charlie wusste, dass er keine Wahl hatte.
Er drehte den Knauf, zog und stürmte hinaus, als würde er gejagt.
Und dann, ohne sich umzudrehen, raste er direkt auf den dichten Wald seitlich vom Haus zu, wo er sehr bald so gut wie unsichtbar wäre.
Bisher hörte er zum Glück nichts aus dem Haus hinter ihm – es gab keinen Alarm. Und blinkende rote Lichter waren auch nicht zu sehen, wie er feststellte, als er einen hastigen Blick nach hinten warf.
Jetzt musste er nur noch zu seinem Wagen zurückeilen. Den hatte er abseits der Straße in dichtem Gestrüpp versteckt, wo der alte Nissan in den Augen vorbeikommender Passanten hoffentlich wie ein zurückgelassenes Wrack wirkte.
Da er jetzt endlich wieder in Deckung war – außer Atem, aber halbwegs beruhigt, weil ihn der Wald und die dichten Büsche abschirmten –, blieb er stehen, drehte sich um und blickte hinunter zu der Wiese.
Huntford wartete darauf, dass seine Frau wiederkam.
Würde seine hübsche Frau merken, dass etwas nicht stimmte … oder vielmehr fehlte, und nach ihrem Mann schreien?
Aber dann …
Dann …
Charlie nahm eine Bewegung im Wald auf der anderen Seite vom Teich wahr. Und während er dorthin schaute, sagte er sich immer wieder, dass er einfach zu seinem Auto weiterrennen sollte, so schnell er konnte.
Er sah jemanden drüben, der auf einer Höhe mit Huntford und so tief ins Unterholz geduckt war, dass es Charlie innehalten ließ. Etwas an dieser ganzen Situation stimmte nicht – stimmte absolut nicht.
Er schluckte, als er erkannte, dass die Gestalt etwas in den Händen hielt, und dachte: Nur eine Sache sieht so aus, aber das kann doch nicht sein …
Die Gestalt bewegte sich wieder ein wenig – nur ein ganz kleines bisschen –, und nun erkannte Charlie es deutlich:
Die Gestalt da drüber hielt ein Gewehr in den Händen.
In dem Moment bemerkte er, wie Karl Huntford sich vorbeugte, als wäre auch ihm etwas aufgefallen, das nicht zu den Hirschen, den Vögeln und dem friedlichen Teich gehörte.
Charlie wollte es mit einem Schulterzucken abtun – das hier ging ihn nichts an. Der Kerl war vielleicht irgendein Wilderer, der sich auf Huntfords Anwesen herumtrieb. Doch dann hörte er einen kurzen, harten Knall, der ein Echo im Tal und in den umliegenden bewaldeten Hügeln auslöste.
Dieses Geräusch konnte bloß eines bedeuten: Die Waffe war abgefeuert worden.
Er beobachtete, wie Karl Huntfords rechte Hand für eine Sekunde nach oben zuckte, dann kippte der Mann nach hinten und schlug gegen den Metalltisch, sodass die leeren Gläser auf das Holzdeck fielen und zerbrachen.
Und Huntford rührte sich nicht mehr.
Während Charlie sich bereits umdrehte, um zu fliehen, und er vom Haus her ein Schreien hörte, das beständig lauter wurde, dachte er …
Ich habe eben gesehen, wie ein Mann ermordet wurde!
Und dann rannte er durch den Wald zu seinem Wagen.
Das Auto stand noch dort, wo er es gelassen hatte. Charlie riss die Fahrertür auf, die er nicht abgeschlossen hatte, und klemmte den Rucksack hastig hinter den Beifahrersitz. In letzter Minute dachte er daran, keinen Lärm zu machen, und schloss die Tür so leise, wie es ging. Dann kramte er in seiner Tasche nach dem Schlüssel.
»Immer mit der Ruhe, Charlie. Bleib ruhig«, murmelte er vor sich hin und versuchte, seine Atmung zu verlangsamen, damit das Herzrasen aufhörte.