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Die passionierte Surferin und Van Travellerin Eddie Maassen lebt ihren Traum. Als stolze Besitzerin eines knallroten VW Bullis jagt sie mit ihrem Söhnchen Miki den Wellen Europas hinterher. Eigentlich könnte es nicht besser laufen für die moderne Nomadin, wenn nicht Eddies Exfreund Blake wieder aufkreuzen würde und Eddie zutiefst verletzt. Eddie hat die Schnauze voll von der Liebe. Endgültig! Ein neuer Plan muss her! Und warum nicht gleich ein neuer Lebenstraum?
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Seitenzahl: 304
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Manou Rabe
Chicas Welle
Surfer Roman
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Prolog
Van Life
Poseidons Kiss
Art is Freedom
Change the Game
Mindset
My Boy
Going back, but going forward
Live Life Simply
BIG WAVES
LOST
Nomades
Walk the Line
Drive thru UK
Time to say Goodby
Ladys Night
Deep Blue
Shit happens
Nordic Summer
LET GO
September Sessions
Blast from the past
Surfing Cadizfornia
Gentlemen´s Fight
Highway to Haeven
Baghira Baby
Throwback Friday
Eddies SURFER ABC
Muchas Gracias
Impressum neobooks
Für Yvonne
Not sister by blood, but sisters by heart
Du kannst nicht das nächste Kapitel deines Lebens beginnen, wenn du ständig den letzten Abschnitt wiederholst.
– Michael McMillan
Seit einer gefühlten Stunde ist der erste Gang drin, mein rechter Fuß drückt das Gaspedal bis auf das Bodenblech und wird langsam aber sicher taub. Der luftgekühlte Boxermotor meines T2 Bullis arbeitet so emsig wie die ersten spanischen Gastarbeiter, die nach Deutschland und vor allem nach Wolfsburg kamen, um genau die Autos zu bauen, mit denen die Deutschen wiederum gen Spanien und den Süden zogen.
Genau wie wir. Mein Sohn Miki und ich. Allerdings knapp fünfzig Jahre später. Wir sind zu zweit, nein, eigentlich zu dritt. Was denn nun? Aber von vorne. Ich bin Eddie, genau genommen Edith Maassen, 38 Jahre alt, hauptberuflich Fotografin und derzeit auf Surffotografie spezialisiert. Ich bin Mami eines fünfjährigen, süßen, blonden Zwerges und passionierte Surferin. Vintagecar Loverin! Bulli Liebhaberin! Surfvan Travellerin!
Wir leben seit sechs Monaten in einem knallroten VW Bulli T2.
Ich bin aus Kiel und meinem alten Leben ausgebüchst, um mit dem Bulli meine Freiheit zu geniessen, zu surfen, wann immer und wo immer ich will . Das war vor knapp sechs Monaten, solange sind wir nun schon im Bulli unterwegs. Du willst wissen, wie das alles kam? Dann lies gerne das Buch CHICA MIT BULLI! Dann bist Du im Bilde! Wer es schon gelesen hat, kann ja einfach hier weiterlesen! Aber an dieser Stelle ein Dankeschön von Herzen für deine Treue. Here we go!
Nun geht es aus Nordspanien, wo ich im Sommer als Surffotografin in einem Surfcamp in Langre jobbe in unsere Winterdestination nach Andalusien.
Zur Zeit befinden wir uns noch an der spanischen Nordküste, genaugenommen zwischen Asturien und Kantabrien. Doch vor uns ragen sie in den Himmel: die Picos de Europa! Eine gewaltige Kalkstein-Gebirgskette, die den ersten Nationalpark Spaniens bildet. Die Gipfel von Europa, wie sie übersetzt heißen, haben ihren Namen nicht von ungefähr. Mit einer Höhe von rund 2.500 Metern kann man diese Bergspitzen schon weit vom Atlantik aus sehen – das machten früher auch die Seefahrer und tauften das Gebirgsmassiv daraufhin Picos de Europa.
Und hier sind wir nun. Neben den traumhaften Bergen vor unserer Nase, passieren wir auch dichte Wälder, tiefe Schluchten, romantische Wasserfälle, karge Moorlandschaften, eine Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten, rustikale Dörfer und einsame Berghütten.
Leider bin ich hinter Santander schon falsch abgebogen, da ich immer ohne Navi fahre, und aus Versehen auf einem Pass geraten. Das war überhaupt nicht der Plan! Mal wieder geträumt, Eddie?! Zähne zusammen beissen ist nun die Devise. Der Bulli, mein Söhnchen Miki und ich!
Eigentlich soll der Bulli Spitze hundertzwanzig Stundenkilometer fahren! Zusammen schaffen wir nun bergauf dreissig Stundenkilometer. Echt jetzt! Nicht lachen! Wir sind sowas von im Schneckentempo unterwegs!
Siebzig Pferdestärken tuckern hinten unterm Bodenblech, ein Käfermotor. Hört sich zwar super an, wirklich ein toller Sound, aber siebzig Pferdestärken waren schon für den Käfer nicht viel, und so ein Bulli wiegt mit seiner aus Holz gefertigten Camping-Ausrüstung original Marke Westfalia mehr als eine Tonne! Und ich habe ja auch Gepäck dabei! Drei Surfboards, mein Mountain Bike, ein Kinderfahrrad für Miki und eine zweite gefühlte Tonne Lego. Spaß! Keine Tonne, aber ein bißchen Spielzeug muss schon mit. Auch wenn wir im Bulli leben und verdammt wenig Platz haben.
Ein paar flotte kantabrische Rennradfahrer heften sich nun an unsere Fersen, und so manchen anderen Urlauber in seinem Zweihundert -PS-Kombi kann ich im Rückspiegel fluchen sehen, weil der Bulli und ich seine Zeitpläne sowas von durchkreuzen. Trotzdem haben wir einen Mega-Spaß und supergute Laune. Denn es ist nicht nur eine Tour von Nord nach Südspanien, wo wir überwintern wollen, um am legendären Kap Trafalgar zu surfen und ein letztes mal Freiheit, Wildlife und Vanlife zu geniessen.
Es ist dank des alten Bullis irgendwie auch eine Fahrt zurück in die Pionierzeit des Reisens, als notgedrungen auch der Weg das Ziel war, bedingt durch schmächtige Technik und dünne Straßennetze.
Schon früh hatten die Menschen ja das Bedürfnis, sich nicht nur mit einem vollgestopften Kleinwagen auf den Weg zu machen – manche wollten auch ein Haus auf Rädern. Neudeutsch, Vanlife!
Ich habe mal recherchiert und folgendes herausgefunden: Ein britischer Soldat, dessen Name nicht überliefert ist, entkernt seinen VW Bus und lässt sich bei der deutchen Möbelfirma Westfalia eine Wohneinrichtung dafür zimmern, exakt auf Maß. Aus der Idee wird ein Produkt, es heißt Campingbus, und aus dem Produkt wird ein riesengrosser weltweiter Erfolg! Auch wenn zunächst nur Tisch, Sitzbank, sprich Klappsofa und ein paar Schränke ins Auto gestellt wurden.
Immerhin gibt es in meinem T2 sogar eine kleine Boardspüle neben der Tür, in die man Wasser füllen kann – für die Katzenwäsche am Morgen oder um mal Geschirr abzuspülen.
Ferner hat mein Westfalia-Ausbau auch einen eingebauten Gasherd, den kann ich herunterklappen und bei Bedarf kochen. Eine kleine Butangasflaschenklappe ist direkt hinter dem Fahrersitz eingelassen, und so kann man auch ganz einfach Gas wechseln.
Ich habe meinen Bulli Bus Lee genannt, weil er ein echter Fighter aus den Siebziegern ist. Angelehnt an Bruce Lee, der Ikone des Martial Arts Films, aber auch, weil mein Bus Lee mit seinem extravaganten Ersatzrad auf der Nasenspitze, sprich Frontschürze irgendwie ein Tigergesicht hat.
„Exit the Dragon, Enter the Tiger“ war der erste Bruce Lee Film, den ich sah. Mein Cousin Jörg fand ihn spitze und hatte damals tausende Videokassetten. Ja, richtig gehört Kassetten. Nicht DVD. Nicht Blueray und erst recht kein Netflix. Old School, oder? Na ja, ich finde, Bus Lee passt super zu solch einem siebziger Kult Van.
Aber zurück zur Geschichte! Zur Vorgeschichte! Zum Prolog!
Der Bulli stemmt sich also weiter gegen die Schwerkraft. Wir kämpfen uns die steilen Serpentinen empor. Da die Straße so eng ist und so viele Kurven aufeinander folgen, ist so ein alter Campingbus nicht nur schön, sondern auch ein Verkehrshindernis.
Mein Problem sind aber nicht die Autos hinter mir, es ist der plötzlich auftretende Regen vor mir. Die kleinen Scheibenwischer bekommen den Regen einfach nicht in den Griff, eigentlich fahre ich fast im Blindflug. Ich fluche!
Also weiter mit Vollgas, solange es bergauf geht, im Schneckentempo kann ja nichts passieren. Wenigstens habe ich die Rennrad Truppe abgehängt, oder sie haben sich schlauerweise in irgendeiner Berghütte untergestellt.
Ich umklammere konzentriert das riesige Lenkrad und schraube uns Stunde um Stunde die engen Kurven hinauf. Irgendwann ist es dann geschafft. Wir haben den Pass erreicht. Das Wetter änderst sich schlagartig von Starkregen auf fröhlichen Sonnenschein. Aber es ist noch lange nicht die Zeit, wieder aufzuatmen.
Im Gegenteil. Jetzt müssen wir wieder runter! Der Bulli gewinnt an Fahrt, ich will scharf bremsen, aber was ein echter Oldie ist, der gibt auch mal seinen Geist auf. Bergab krallen sich dann plötzlich die Trommelbremsen fest, so dass das Pedal steinhart wird und sich nicht bewegen lässt, auch nicht zurück. Ich bekomme Herzrasen, Blut schiesst mir in die Ohren, mir bleibt nur eins, ich knalle die Motorbremse rein. Da ich im zweiten Gang bergab noch immer zu schnell bin und Angst habe aus den Kurven zu fliegen, setze ich alles auf eine Karte und knall den ersten Gang rein.
Bus Lee heult ohrenbetäubend auf, wie ein Kojote bei Vollmond, er ächzt und krächzt. Und dann geht es genau so runter wie wir hoch gekommen sind. Das heisst dann auch, nur mit maximal dreißig Stundenkilometern, abermals im Schneckentempo. Ich gebe für heute auf. Für heute habe ich auch genügend Adrenalin in meinem Blut. Immerhin haben wir es bis San Isidro geschafft. Morgen ist auch noch ein Tag. Ich find einen hübschen Parkplatz an einem Rio, an einem Flüsschen.
Mittlerweile ist es draußen stockfinster und mein Söhnchen Miki gähnt bereits ununterbrochen. Ich schaue auf mein Handy. Es ist gerade mal neunzehn Uhr. Doch da es bereits Spätherbst ist, genaugenommen Ende Oktober sind die Tage kurz und es wird schon früh dunkel. Selbst in Spanien. Schnell baue ich unsere Sitzbank nach einem kleinem Porridge Snack zu einem Bett um und klappe mit nur einem Griff den Campingtisch weg. Dann breite ich unsere Kuschelkissen und Decken aus, die tagsüber unter den Sitzen einfach weggepackt werden und knipse, als wir uns eingekuschelt haben, meine parktische Kopflampe aus. Ich bin völlig gerädert.
Was für ein krasses Abenteuer, mit einem siebziger Bulli über einen Pass zu kriechen.
Aber dann breitet sich ein breites Grinsen auf meinem Gesicht aus, und ich muss fast lachen. Vor mir liegt mein dritter Winter im Bulli. Mein dritter und letzter Winter. Was das für mich bedeutet?
Sich einfach treiben zu lassen. Keine Verpflichtung. Keine Termine. Kein Stress. Fahren, wohin ich möchte, bleiben, wo es mir gefällt. Ich kann tun und lassen, was ich will. Ich kann unter dem schönsten Sternenhimmel einschlafen und vom sanften Rauschen der Wellen geweckt werden. Morgen werden wir die Picos überquert haben. Und dann im Anschluss gechillt die Extremadura durchfahren.
Mit neunzig Sachen durch Spanien.
Ich bin gespannt.
Liebevoll und erleichtert, dass wir den Pass im Oldie ohne weitere Pannen gemeistert haben, drücke ich meinen Sohn Miki fest an mich und schlafe ein.
Erschöpft, glücklich und voller Zuversicht.
„Aiaiai- mi morena, aiaiai mi corazon“ schmachtet ein schnulziger spanischer Barde aus dem lokalen RN3- Radio Nacional Tres und jault mir damit aus der Seele.
Mir geht es gar nicht prima. Mir geht es richtig dreckig!
Fast genau zwei Jahre Vanlife in meinem kultigen 1971er VW Bulli T2 sind nun ins Land gezogen.
Zwei Jahre Vanlife. Zwei Jahre Surfen, Freiheit, Wildniss, Freicampen, Abenteuer, Strand, Dünen, Natur pur.
Zwei Jahre ist es her, dass ich, nachdem ich einen Sommer in einem Surfcamp in Cantabrien als Surf-Fotografin jobbte, den Entschluss fasste, nicht heimzufahren.
Ich beschloss, nicht nach Deutschland zurückzukehren, sondern die Picos de Europa zu überqueren, um weiter Richtung Süden zu reisen und die Winter im Van im südlichsten Teil des europäischen Festlands in Andalusien zu verbringen.
Die Sommer verbrachte ich in Kantabrien, wo ich regelmässig einen Job im Liquidsurfcamp und Stellplatz in Langre für meinen Bulli Bus Lee hatte.
Der Stein kam damals ins Rollen, als ich mit meinem Ex-Freund, dem Surfer und Vantraveller Blake einige Zeit am legendären Kap Trafalagar verbrachte.
Genau genommen waren es nur ein paar Wochen über die Jahreswende. Wir hatten uns damals zu viert mit meinem Söhnchen Miki und seinem lieben, unfaßbar charmanten Schäferhundmischling Kuh-Jo ein hübsches Appartement direkt hinter den Dünen gemietet.
Aus der Beziehung ist schlussendlich nichts geworden, da es Blake nervte , dass ich bereits ein Kind habe und es immer wieder zu Reibereien kam.
Trotz, dass mein Herz maulte, entschied mein Verstand die Sache schleunigst zu beenden, noch bevor sie richtig begann. Sprich, den „großen“ Mann mit seinem tollen Hund Kuh-Joe ihres Weges ziehen zu lassen und loszulassen.
Naja. So richtig geklappt hat das nun auch wieder nicht.
Das Loslassen. Denn Blake ploppt noch immer wieder mal auf, und wie das so ist, wenn man verliebt ist, immer wieder werde ich butterweich und mein Herz schmilzt dahin, wenn er mit diesem endfiesen, sehnsüchtigen Dackelblick mal wieder vor mir steht.
Was dann kam, kennt der ein oder andere, ein sich bis dato dahin ziehendes On-Off Geplänkel.
Und nun bin ich mal wieder hier, das dritte mal in Folge in Andalusien, ohne Blake, dafür das zweite Mal mit einem tollem 1971er Bulli, Westfalia Ausbau und meinem Sohn Miki, der mittlerweile sechs Jahre alt ist.
Also nicht ganz einfach. Auf Facebook gibt es dafür sogar den Beziehungsstatus: „Es ist kompliziert.“ Ich würde behaupten- ein einziges Tohuwabohu!
Erst gestern hat mir Blake wieder gesimst. Er hat ganz unverbindlich nachgefragt, wo ich denn so bin, was ich so treibe, und dass er auf dem Weg in den Süden sei.
Jaja! Und was macht mein verweicheiertes Herzchen? Das Mistviech hat doch glatt einen kleinen Freudenhüpfer gemacht! Verräter!
Aber egal! Ob mit oder ohne Blake, aus irgendeinem Grund zieht mich das Kap Trafalgar, mit seiner magischen Bucht, der freien Sicht bis nach Afrika und den traumhaften Longboardwellen an.
Kennt ihr das Gefühl, wenn man irgendwo hinkommt und man denkt, ganz genau hier und nirgendwo sonst auf der Welt möchte ich jetzt sein? Genauso fühlt es sich an!
Hinzu kommt, dass ich passionierte Wellenreiterin bin.
Seit einem Jungendtripp als knapp Achtzehnjährige mit Freunden nach Biarritz hat mich die Leidenschaft des Surfens gepackt und seit knapp zwei Jahrzehnten jage ich nun schon auf der ganzen Welt den Wellen hinterher.
Ich habe schon nahezu jede bekannte Welle auf der Welt gesurft, ob Uluwatu auf Bali, Padang Padang auf Sumatra, Jaws und Pipeline, die Mütter aller Wellen in Hawaii, Mundaka in Nordspanien, Puerto Escondido in Mexico oder gar Long John in Jütland, einer der letzten Secret Spots in Dänemark. Ich war da. Ich kenne sie alle.
Das hört sich jetzt an, als wäre ich einer der weltbesten Surfer. Nicht unbegedingt. Ich bin da bescheiden. Ich surfe gut und das reicht mir. Ich bin und bleibe Soul Surfer, habe noch nie an einem Contest teilgenommen, hatte noch nie Classes oder Coaching in meinem Leben, aber ich behaupte mal, einen schönen Longboard Stil zu surfen.
Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, ich surfe nicht, ich tanze! Ich tanze mit dem Meer. Ich gebe mich hin und lasse mich fallen. I am an ocean dancer!
Das ist meine große Liebe. Meine Passion. Auch achte ich immer drauf, dass die Wellen an den Tagen, an denen ich surfe, nicht allzu schnell und hoch sind. Maximal kopfhoch oder Doppelkopf hoch und lange laufend, so sehen für mich perfekte Wellen aus.
Denn ich bin Longboarderin. Sprich, mein Surfbrett ist groß und lang, wie ein Laufsteg oder eine kleine Bühne, auf der man tanzen kann. Das macht das Longboarden eben aus.
Kleiner Tipp! Für den Fall, dass du etwas aus unserem Surfer Fachchinesisch nicht verstehen solltest. Im angehängten Glossar findest du Eddies Surfer ABC mit all dem Kauderwelsch, den ich so von mir gebe.
Den Spaß am Surfen hat auch nicht die Geburt meines Söhnchens Miki getrübt. Ganz im Gegenteil, die viele Freizeit in der Elternzeit habe ich genutzt, um einfach noch mehr zu surfen und noch mehr zu reisen. Und was soll ich sagen?
Wo ein Wille- da eine Welle!
Nun verbringe ich wie erwähnt bereits meinen dritten Winter in Andalusiens Wellenparadies am legedären Kap Trafalgar.
Meine Lieblingswelle hier heißt Maria Sucia, was eigentlich nur die Einheimischen wissen. Warum die Welle schmutzige Maria heisst?
Keine Ahnung, ich habe mal rumgefragt, aber weiß eigentlich keiner so genau. Vielleicht weil, wenn man einmal infiziert ist, nur noch an Maria denken kann?
Aber eins ist so was von klar- die Wassersportbedingungen an der Costa de la Luz, oder Cadizfornia wie die lokalen Surfer liebevoll diese Region um die Landeshauptstadt Cadiz nennen, sind einzigartig, wenn nicht sogar fantastisch im Winter.
Selbst in der kalten Jahrezeit, ist das Meer unanständig türkis und die weißen, unendlichen sowie menschenleeren Strände traumhaft schön.
Die unbebaute, wilde Dünenlandschaft erinnert an Sylt oder an Jütland in Dänemark, die Pinienwälder im angrenzenden Barbarte duften wie das wunderschöne Aquitaine am Atlantik in Südfrankreich.
Darüber hinaus punktet Andalusien besonders in den Monaten Dezember und Januar mit konstantem Swell und einem sonnigen und sehr mildem Klima, das selbst das gute alte Mallorca temperaturtechnisch alt aussehen lässt.
Das Meer hat derzeit eine Temperatur von fünfzehn Grad Celsius. Wenn ich daran denke, dass Jungs und Mädels in Cold Hawaii -so wird eine besonders gut surfbare Gegend rund um Kittmöller in Dänemark genannt- bei gerade mal vier Grad Celsius surfen gehen, dann kann man sagen, fünfzehn Grad sind noch echt human. Da gibt es nichts zu meckern.
Dennoch habe ich heute morgen irgendwie Mist gebaut. Ich war zu lange im Wasser, der Swell hatte eine hohe Periode, was bedeutet, das man immer wieder mal zwanzig Minuten im Wasser abhängt, einfach nur auf seinem Surfbrett sitzt, ewig wartet, obwohl kaum eine Welle ins Becken kommt.
Wenn man dann meint, noch nicht genügend derer abbekommen zu haben, denkt man sich: „Ach, eine noch!“ Und wartet. Und noch eine. Und wartet. Und noch eine.
Zack- und ehe man sich versieht, sind dann schon zwei, drei Stunden verstrichen. Oft komme ich erst aus dem Wasser, wenn ich meine Füße und Finger kaum noch spüre oder der Hunger mich an Land treibt. Oder wenn meine Energie Reserven definitiv vebraucht sind, und ich bereits im Wasser friere wie ein Schneider. So wie heute.
Ich war mal wieder viel zu lange im Wasser, sprich surfen und habe die Zeit völlig vergessen. Jetzt sterbe ich fast vor Hunger und Durst und friere wie eine kleine Katze, die beim Fischangeln in ein Eisloch gefallen ist.
Wir schreiben gerade mal den neunten Januar. Das Jahr ist also noch frisch. Ich liege Mutterseelenallein in meinem Bus Lee und habe bereits sowas ähnliches wie meinen ersten Zusammenbruch. Na super!
Rien va plus!
Nachdem ich mit schnellen Schritten aus dem Meer zurück zu meinem Bulli Bus Lee kam, den nassen Neopren ausgezogen hatte und Kuschelkram sowie Uggboots anzog, überfielen mich bereits aus dem Nichts Symptome wie Frieren, Schwitzen, Muskelzittern und eine beschleunigte Herzfrequenz.
So etwas hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht.
Während Miki, der neuerdings seit einigen Wochen in einer kleinen spanischen Vorschule in El Palmar steckt, liege ich zitternd wie Espenlaub und völlig erschöpft in meinem Bulli.
Weil ich so stark zittere und friere, stapel ich alle vorhandenen Decken und Kissen über mir zu einem monströsen Iglu auf.
Plötzlich setzen zudem krasse Kopfschmerzen ein. Sie pochen wie Hämmer in einem Stahlwerk auf meine Schläfen.
Ich bekomme schrecklichen Durst und versuche aufzustehen, aber mein Gleichgewichtszentrum macht bescheuerte Sperenzchen. Entnervt und schlapp wie eine gekochte Spagetti in einem Kochtopf falle ich kraftlos in mein Iglu zurück.
Alles tut mir weh; nicht nur der Kopf! Ich habe sogar stechende Schmerzen in den Händen, in den Fingern, Beinen, sogar bis in die einzelnen Zehen.
Mit Konzentration auf meinen Atem und mit progressiver Muskelentspannung versuche ich, mich dem Schmerz in Kopf und Gliedern entgegenzustemmen.
Nach einiger Zeit schlafe ich ein.
Keine Ahnung wie lange ich da so liege, als sich plötzlich ein Mann mit rötlichem Rauschebart vor meinem Iglu aufbaut und mich freundlich anlächelt.
Aber das ist doch...also...eh?
Wo kommt der denn jetzt her?
Vor mir steht mein Dad!
„Hey Papschi, was machst du denn hier?“, frage ich ihn verwundert und bemerke, dass sein Bart ruhig mal gestutzt werden könnte. Mein Papa sieht ja aus wie Barbarossa!
„Eddie, hab ich dir nicht tausend mal erklärt, dass je kälter das Wasser ist, desto länger solltest du dich vorher an Land aufwärmen, um zu verhindern, dass du zu schnell auskühlst? Wie lange hast du dich aufgewärmt?“, fragt mein Dad mich oberlehrermässig.
Für einen Moment bin ich völlig sprachlos.
„Gar nicht, Papschi!“, antworte ich dann leicht trotzig und versuche mich zu erinnern, wo ich eigentlich bin.
„Geheimmer langsam ins kalte Wasser, hörst du! Und gib deinem Körper die Gelegenheit, sich an die Kälte zu gewöhnen!“, erklärt mein Dad mir freundlich und bestimmt.
“Bei Wassertemperaturen von unter fünfzehn Grad solltest du, Eddie – neben einem vierdreier Neoprenanzug in Erwägung ziehen, zusätzlich Neoprenhandschuhe, Socken und Haube überzuziehen und die Zeit, die du surfst, entsprechend zu verkürzen.“
„Haube, Handschuhe und Booties sind voll uncool, Papschi! Sowas hat hier keiner! Und ein vierdreier Neopren ist teuer, mein alter Dreizweier reicht mir völlig! Wir sind ja nicht in Dänemark!“, kontere ich pikiert. Ich habe noch immer starke Kopfschmerzen und eigentlich gar keine Lust auf Diskussion mit meinem Papa.
„Eddie,du weißt ganz genau, das ist Mumpitz. Ein Mensch kühlt im Wasser unter gleichen Temperaturbedingungen etwa fünfundzwanzig mal schneller aus! Was soll denn der Klamauk, wem willst du denn mal wieder was beweisen?“
Barbarossa alias mein Dad wird langsam sauer und sein sonst so freundliches Gesicht nimmt einen gefährlich roten Schimmer an.
„Außerdem bin ich ja kein Weichei vom DLRG.“, trete ich nach und merke in der selben Sekunde, ich bin zu weit gegangen! Das war gemein.
Mein Dad war Zeit seines Lebens passionierter Rettungsschwimmer im DLRG, der deutschen Lebens-Rettungs- Gesellschaft.
Als ich in meiner Pubertät nicht mehr gewillt war, seine Liebe zu pipilauwarmen Trainingseinheiten im städtischen Schwimmbad zu absolvieren, sondern mich lieber mit Freundinnen in der Stadt verabredete, sorgte das öfter für Zündstoff in der Familie.
„Wag es nicht....“, das Gesicht meines Dads verfinstert sich zu einem Donnerwetter, schwillt an wie ein Luftballon und – PENG - verwandelt sich mein Papa unglaublicherweise in Neptun! Oder meinentwegen auch in Poseidon.
Auf jeden Fall hat er nun keinen roten sondern einen weißen Rauschebart und einen schicken, goldenen Dreizack in der Hand, mit dem er böse rumfuchtelt und Blitze verschleudert.
Hä? Papa? Echt jetzt?
Um sich dann aber nach einem erneuten PENG, mir nichts dir nichts in einen kleinen orange-weißen Fisch zu verwandeln.
Ich bin überfordert.
Zum Schluss sieht er gar aus wie ein sauer dreinschauender Nemo.
Völlig baff und erstaunt glotze ich das putzige aber sehr, sehr wütende Fischchen an dämlich an.
Das putzige, sehr wütende Fischchen glotzt mich ebenfalls mit großen Kulleraugen an. Aber eher unverblümt an als dämlich und sagt dann mit einer noch putzigeren Stimme: „Schluss jetzt mit Firlefanz! Ab nach Hause Eddie!“
Dann öffnet und schließt es das Maul. Öffnet es. Schließt es. Öffnet es... Ich kürze das mal ab..
Ich starre meinen kiemenatmenden Papa noch eine ganze Weile verwundert und ratlos an, doch dann verblasst der putzige Nemo langsam.
Es scheint, als werfe es mir noch ein Augenzwinkern und ein Küsschen zu, dann verschwindet es und um mich herum wird ganz hell. Schrecklich hell!
Ich blinzele und schrecke hoch.
Die Sonne scheint mir genau ins Gesicht und blendet mich. Papa? DLRG? Neptun? Poseidon? Nemo?
Werd ich verrückt, oder was?
Ich besinne mich. Ich muss eingeschlafen sein.
Das war nur ein ganz bescheuerter Traum.
Ein Fiebertraum? Ich denke nach. Aber dann wird mir so einiges klar. „Mist! Mein Dad hat völlig recht!“
Ob mein Paps nun Barbarossa, Poseidon oder Nemo ist, Fakt ist, ich war tatsächlich zu lange im Meer.
Mein Neopren ist in der Tat zu dünn für läppische fünfzehn Grad Celsius Wassertemperatur, und ich muss mir eine schwere Unterkühlung eingefangen haben.
Das kann lebensgefählich sein.
Ein bisschen Theorie aus dem DRLG Training ist dann doch noch in meinem Salzwasser geschwängerten Gehirn hängen geblieben. Ich zwinge mich und versuche, wieder klar zu denken.
„Eddie steh auf!“, höre ich mich selbst sagen.
Ich setzte mich auf, ganz langsam und vorsichtig und versuche mich krampfhaft zu erinnern, was die Erste Hilfe Massnahme bei Unterkühlung ist.
Möglichst wenig bewegen und den Körper schön warm halten! Und vor allem- langsam aufwärmen.
„Irgendwo muss doch meine Mütze sein.“ frage ich mich.
Wichtig ist, den Kopf warm zu bekommen, denn hier geht die meiste Wärme verloren.
Ich finde sie und ziehe mir noch eine Jacke zusätzlich an, deren Kapuze ich ebenfalls über meinen Kopf ziehe.
Ich verharre so einige Minuten, bis ich merke, dass mein Kreislauf sich langsam stabilisiert und sich das krasse Muskelzittern entspannt.
Nach ein paar Minuten bin ich soweit, um aufzustehen. Auf wackeligen Beinchen krabbel in meinem Van nach vorne und bereite ich mir mit eisernem Willen einen heißen Kräutertee mit ein wenig Honig zu.
Nach einer weiteren viertel Stunde geht es mir insoweit schon so gut, dass ich nach meinem Handy fische. Ich wähle Blakes Nummer.
Wir sind zwar kein Paar, aber wir haben sporadischen Kontakt. Er hatte mir ja gesimst, dass er ebenfalls in Andalusien überwintern will und die Tage hier unten aufkreuzt. Eigentlich müßte er schon da sein.
Er meldet sich nicht. Auch nach drei weiteren Versuchen geht immer nur der Anrufbeantworter an.
„Hallo, ich bin im Wasser, einfach eine Nachricht hinterlassen.“
Ich lege auf und stöhne genervt.
So ein Mist! Das fängt ja mal gut an, das neue Jahr!
Ich schreibe eine kurze WhatsUp Nachricht. Ich könnte jetzt mal seine Hilde gebrauchen.
Bitte melde dich mal, Eddie!
Irgendwann werfe ich einen Blick auf meine Uhr und stelle erschrocken fest, es wird Zeit, ich muss Miki abholen.
„Was einen nicht umbringt, härtet einen nur ab.“ murmel ich mir Mut zu.
Nun muss ich über mich selbst lächeln.
„Ja, ja! Ich und meine Binsenweisheiten. Selbst Schuld!“
Mit einem dampfenden Kräutertee in der Hand setze ich mich nun im Schneidersitz vorsichtig in die Sonne. Ein paar Minuten habe ich noch! Jetzt kein Stress!
Das Tolle an VW Bullis ist ja, man kann sich herrlich mit geöffneter Tür in die Sonne setzen und hat dabei den perfekten Windschatten. Ein Bulli ist quasi ein Strandkorb auf Rädern.
Ich konzentriere ich mich erneut auf meine Atmung. Schön einatmen, lange und langsam ausatmen, ich trainiere bis sich die flache, hyperventilierende Atmung der Unterkühlung aufgelöst habe und ich wieder normal und tief einatmen kann.
Aus der Yoga Lehre leihe ich mir ein drittes Auge und stelle mir vor wie konzentrierte Sonnenenergie durch meine Stirn in meinen Körper einfließt, mir Lebensenergie und Power schenkt.
Ich bemerke, wie mir langsam aber sicher wieder schön warm wird und ich das Zittern und die Unterkühlung überwinde.
Dann spüre ich, wie die grausame Kälte endgültig meinen Körper verlässt. Schwein gehabt. Die verdammte Unterkühlung ist bekämpft!
Ich klettere aus dem Bus.
„Ende gut – alles gut“, höre ich mich erneut eine dämliche Binsenweisheit sagen.
Ich muss grinsen. Sobald ich Zeit hab, werde ich mal recherchieren, wo eigentlich das bescheuerte Wort Binsenweisheit her kommt.
Ich schaue erneut auf die Uhr. Nun aber schnell, es ist halb zwei Uhr nachmittags. In einer halben Stunde muss ich an der Dorfschule sein und Miki einsacken.
Ich krabbel ins Cockpit, schmeiße den alten Bulli an und fahre vorsichtig und konzentriert von Canos de Meca gen El Palmar, wo sich die kleine Dorfschule befindet.
Als ich mit meinem VW Bulli auf die Strand Promenade einbiege, entdecke ich zu meinem erstaunen King.
King? Wer oder was ist King?
King ist Blakes cooler neuer pechschwarzer Van. Mit dem Kieler Kennzeichen KI-NG 6.
King, der stattliche Daimer Bus, Blake hat sich neuerdings einen ausrangierten Feuerwehrbus umgebaut, steht praktisch keine zweihundert Meter enfernt von der kleinen Dorfschule. Direkt an der Strandpromenade des kleinen Surfer Städtchens El Palmar.
Kurz überlege ich, neben ihm zu stoppen und zu klopfen. Jedoch parkt neben seinem Van ein kleiner, weißer Renault, der mir bekannt vorkommt.
Aus irgendeinem Grund beschleicht mich ein ganz mieses Gefühl. So richtig mies. Mir wird sogar schlecht. Und als wüßte ich es bereits, zieht sich mein Herz ruckartig zusammen.
Wem gehört nochmal dieser Renault?
Ich denke angestrengt nach. Mir fällt eigentlich nur die Riu Tante ein.
Dann fällt es mir wie jedoch Schuppen von den Augen! Jetzt wird mir erst recht schlecht. Mennö. Was für ein scheiß Morgen! Entschuldigung für den Kraftausdruck, aber jetzt reichts!
„Schlimmer kommt es nimmer!“, höre ich mich sagen.
„Jetzt hör doch mal mit den kack Binsenweisheiten auf!“, schelte ich mich und stelle fest, ich streite mich schon mit mir selbst. Oh, my God! Bald rede ich noch mit einem Volleyball!
Ich beiße mir wütend auf die Unterlippe und blinzele Tränen weg, die unbedingt aufsteigen wollen. Ich denke nach. Stimmt.
Blake hat mir mal erzählt, dass er bevor wir uns kennen lernten eine Affäre mit einer Reiseleiterin aus Stuttgart hatte, einer Riu Tante.
Mit einer, die seit Jahren in Chiclana de la Frontera lebt, und so eine Art Pferde Jule. Eine Kaltblut-Amazone!
Jetzt erinnere ich mich wieder an die ganze Story.
Linda, die Riu Tusse heißt Linda.
Auf ihrem eigenen Geburtstag, so erzählte er mir, habe er, und auch weil er sie nicht liebt, mit ihrer besten Freundin rumgeknutscht.
Und Linda hat dann im Gegenzug wie ein eiskalter Racheengel, den in einer Sofaecke fremdknutschenden, angeheiterten Möchtegern Casanova mit einem Bauscheinwerfer geblendet und dann vor versammelter Mannschaft zwischen die Beine getreten. Autsch!
Aber jetzt ist alles wieder suutsche?
Piep, piep, piep, wir haben und wieder lieb? Wut kommt in mir auf.
Grad noch fast erfroren, nun koche ich.
Am liebsten würde ich seine dämliche King-Tür aufreißen, reinmaschieren und ihm ebenfalls mit Schmackes in die Eier treten.
Aber ich bin nicht seine Freundin. Und ich trete auch niemanden. Auch keine Arschlöcher! Aber das ist er! Punkt!
Einige Sekunden verharre ich wie versteinert. Dann schnaube ich wie ein Pferd.
„Ok, Eddie. Reiß dich zusammen, Lady!“, ermahne ich mich.
Blake ist ein freier Mann, wir sind kein Paar. Ich selbst habe die Reißleine gezogen. So what! Selber Schuld. Aber bei mir braucht er nicht mehr angedackelt zu kommen!
Soll er machen, was er will und wann er will. Und auch wenn es mir grad fast die Luft abschnürt, fahre ich stur an den parkenden Fahrzeugen vorbei, als wäre nichts geschehen bis zur Dorfschule.
Zitternd würge ich Bus Lees Motor ab. Und verharre erstmal eine Sekunde. Ich lasse den noch recht jungen Tag nocheinmal Revue passieren. Erst Unterkühlung, dann noch ein Arschtritt vom Hickhack König. Was soll heute noch kommen? Mir kommt ein alter Reiterspruch in den Sinn!
„Pferde vergessen nie, aber vergeben alles? Na, dann viel Spaß mit deiner reitenden Riu Tussi, Blake! Lass dir mal ordentlich die Sporen geben, mein Freund!“
Schade eigentlich, dass er mich nicht hören kann.
Was ist eigentlich los? Warum hat der Mensch der Gegenwart verlernt, wie man eine dauerhafte Partnerschaft aufbaut?
Warum gibt es so wenige glückliche Paare? Ich meine, richtig glücklich. Nicht diese Kompromisse, und wenn man das Paar besucht, ist immer einer von beiden am Meckern oder am Heulen!
Warum gehören Trennungen zur Tagesordnung? Oder wieso haben so viele Bindungsangst? Anstatt sich auf was Schönes einzulassen, wird wie wild durch die Gegend gepoppt? Bloß nichts anbrennen lassen?
Hat der moderne Mensch, Probleme sich zu binden? Oder liegt es gar nicht in unserer Natur eine feste Partnerschaft einzugehen, sondern ist dies womöglich eine Erfindung der Kirche?
Fakt ist doch, dass es viel zu viele Optionen gibt. Es kann ja immer noch was Besseres kommen, oder? Besserer Sex, noch mehr Romantik, eine noch größere Liebe? Oder?
Ist dies das Problem?
Zwar sagt man ja Männern die größere Bindungsangst zu, aber mal ehrlich, mir geht es doch eigentlich auch nicht anders.
Meiner ersten grossen Liebe, die zehn Jahre andauerte, bin ich entflohen, weil ich mit Ende Zwanzig Angst hatte, zu heiraten und auf der Couch zu versauern.
Big, meinem Exfreund und Mikis Papa bin ich entflohen, weil ich mir seiner Treue nicht hundert Prozent sicher war, aber eventuell war das nur ein Vorwand, um auch da nicht aus Versehen den Bund fürs Leben als lebenslängliche Sicherheitsverwahrung hinzunehmen. Er ist mitlerweile mit Chantal verheiratet, aber das ist eine andere Geschichte. Ich bin ganz froh, dass ich all dem entkommen konnte.
Ist die Wahrheit nicht die, dass die enormen Ansprüche von uns coolen, mutigen, weltbereisten Frauen wachsen? Wir wollen nicht irgendeinen Mann. Wir wollen den, der uns rundum glücklich macht. Das komplette Sorglospaket.
Ja, und ich will auch aufschauen können. Aber was soll denn da noch kommen?
Sind die Ansprüche da etwa zu hoch geschraubt? Also meine? Was soll er denn machen oder was soll er können?
Auf jeden Fall noch besser surfen als ich. Er soll im Beruf erfolgreicher sein als ich. Stärker. Mutiger. Größer. Ausdauernder. Und treu sein! Und sich mit Miki verstehen! Ist es das, was ich will?
Aber ist dieser Mister Right nicht ein Wunderwesen, das es gar nicht geben kann?
Oder ist es was anderes? Vielleicht habe ich noch einfach nicht meinen Seelenverwandten gefunden?
Intuitiv spüre ich, dass ich nun auf dem richtigen Weg bin.
Wenn die Seele der Kern des Ichs ist, dann muss ich mich ja eigentlich nur auf das Abenteuer Expedition in meine Seele einlassen.
Was zur Hölle ist aber eine Seele? Ich habe gelesen, die Seele ist ein Teil des Ganzen, also mein Anteil am Ganzen.
Was für ein Ganzes? Na, mit dem Universum und mit dessen ganzen Energien. Wenn man mal drüber nachdenkt, hat doch wohl jeder schon mal den Einklang mit dem Universum gespürt.
Mir ist das schon tausende Male passiert.
Beim Surfen auf einer Welle im Ozean. Während eines Sonnenaufgangs am Strand oder wenn ich in Bus Lee liege, die Tür geöffnet und ich den unendlichen Sternenhimmel betrachte.
Dann fühle ich mich verbunden.
Dann bin ich Teil des Universums und komischerweise fühle ich mich in solchen Situationen nie alleine!
Ich fühle mich dann verbunden mit allem was existiert. Das würde jedoch bedeuten, dass meine Sehnsucht nach einem Partner im Grunde einfach nur die Sehnsucht ist, mit dem Universum verbunden zu sein, oder?
Also jetzt mal ganz hypotetisch, ich muss doch statt mir einen tollen Kerl zu suchen, nur das machen, was mir so oder so Spaß macht.
Also sind Surfen, Sonnenaufgänge, Sonnenuntergänge betrachten doch ein Lösungsansatz. Aus dem Bulli in die Sterne starren. Skifahren. Skateboarden. Mountainbiken. Die Sonne auf meiner Haut spüren. Mein Kind kuscheln. Das H2O des Ozeans durchschwimmen. Frische, salzige Seeluft atmen.
Ist es das?
Ist das die Lösung, das wahre Glück zu finden?
Oder Schokolade essen? Was Köstliches im Mund zergehen lassen? Puh! Das wäre ja dann easy!
Das Glück würde quasi auf dem Teller liegen. Lustig!
Dann muss ich plötzlich richtig lachen, schon wieder eine Binsenweisheit? Ich muss jetzt dringend googeln, woher die denn kommen!
Dann klettere ich entschlossen aus meinem Bulli, aus der Ferne sehe ich einen kleinen Blondschopf zwischen all den schwarzhaarigen Kindern – und plopp geht schon wieder mein Herz auf und wird ganz warm.
Während ich vor der Schule stehe und warte bis die Kinder an der Reihe sind, entlassen zu werden. Das geht in Spanien nur mit Blickkontakt zu den Eltern und der Reihe nach, wird mir eines klar, was für mich selbst auch von Bedeutung ist.
Nämlich, dass in der Realität nicht jeder alles oder jeden, den er haben möchte, auch haben kann. Es gilt, eine viel größere Liebe zu genießen.
Die Selbstliebe und die Liebe zum Ganzen.
Ich erinnere mich nun auch an ein Zitat, das mir geholfen hat, mich von Mikis Papa zu lösen, als es mit ihm ebenfalls verflixt kompliziert wurde, wie man so schön sagt.
Wenn du etwas loslässt, bist du etwas glücklicher.Wenn du viel loslässt, bist du viel glücklicher.Wenn du ganz loslässt, bist du frei.
An dem Punkt war ich doch nun schon.
Ich habe also noch immer nichts dazu gelernt.
Es wird wirklich Zeit, auch mal was zu ändern!
Ich habe meine Hausaufgaben noch nicht gemacht. Also ist die Reise auch noch nicht zu Ende!
„Komm schon, Eddie! Alles hat seinen Sinn, lass dich nicht runter ziehen, kleine Kriegerin! Wenn du dir einen Hero wünschst, sei einfach selbst Wonder Woman!“, feuer ich mich selbst an.
Och nöööö! Just in dem Moment, als ich die kleine Hand meines Sohnes umschließe, trifft mich ein dicker Regentropfen mitten auf die Nase! Frechheit!
Ich schaue zum Himmel. Aber wie es so ist, wenn man einmal einen miesen Lauf hat, es kommt noch dicker. Ein atlantischer Sturm zieht auf.
Wir setzen uns in Bewegung und rennen gemeinsam zurück zu Bus Lee. Kaum klettern Miki und ich in den Bulli, da fängt es bereits an aus Eimern zu schütten.
Pitsch Patsch. Schütt. Schütt. Och nö! Nicht schon wieder! Kennt ihr den Film Murmeltier Tag? Ich fühle mich grade in einer Zeitschleife gefangen.
Ich gebe Hackengas und fahre erneut gen Canos de Meca, wo ich Bus Lee einigermaßen windgeschützt hinter einer großen Düne am Strand parke.
Dann überprüfe ich, ob alle Fenster gut verschlossen sind, und wir wechseln die Kleidung, denn die Temperaturen stürzen sturmbedingt über zehn Grad ab.
Skeptisch scanne ich den schwarzgrauen Himmel und stelle fest, dass der Sturm immer näher und näher kommt. Man kann es richtig hören. Der Wind heult gespenstisch und das Meeresrauschen schwillt zu einem gruseligen Gepeitsche an.
Ab geht die Lucy; es regnet nun in Strömen und gleichzeitig klatscht der Wind in rauen Böen breitseitig an den kleinen Bulli, sodass wir ordentlich geschaukelt werden.
Am schlimmsten sind jedoch all die Blitze; es scheint als wären sie überall gleichzeitig.
Das anschließende Krachen des Donners llässt sogar den Erdboden und Bus Lee erzittern.
Noch immer nimmt der Wind zu. Ich schätze die Orkanböen, denen wir ausgeliefert sind, auf zwölf Beaufort ein. Die Luft wird von