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Bilingualer Unterricht, auch bekannt als CLIL, wird als effektiv eingestuft, weil er sowohl den Aufbau von Sachwissen als auch von fremdsprachlichen Kompetenzen ermöglicht. Da der Schweizer Lehrplan vorschlägt, vermehrt solche bilingualen Sequenzen ergänzend zum Fremdsprachenunterricht anzubieten, wurde im Rahmen einer Good Practice-Studie erforscht, wie optimale CLIL-Lernangebote mit Englisch und Bildnerischem Gestalten für die Primarstufe angeboten werden können, wie diese von den heterogenen Lernenden genutzt werden und welche weiteren Chancen sowie Herausforderungen die Beteiligten dabei erfahren.
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Seitenzahl: 725
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Silvia Frank Schmid
CLIL in der Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten in heterogenen Primarschulklassen
Die Chancen und Herausforderungen von bilingualen Modulen als Ergänzung zum Englischunterricht
© 2021 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
ISSN 0175-7776
ISBN 978-3-8233-8499-1 (Print)
ISBN 978-3-8233-0303-9 (ePub)
«Das ist eine tolle Idee Englisch und Bildnerisches Gestalten in ‘Benglish’ zu verwandeln.»
Zitat einer Schülerin
An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen herzlich bedanken, die mich während der Planung, Durchführung und Fertigstellung der vorliegenden Arbeit unterstützt haben.
Zuerst gebührt mein grösster Dank Prof. Dr. Anna-Katharina Praetorius und Prof. Dr. Nikola Mayer für die Betreuung meiner Dissertation. Vielen Dank für die Unterstützung in Form von kompetenten Anregungen und hilfreichen Rückmeldungen. Ich habe die Zusammenarbeit, die in meinen Augen von einer ausgewogenen Balance an vertrauensvollen Freiraum und zielführender Begleitung gezeichnet war, sehr geschätzt. Ebenfalls möchte ich mich bei Prof. Dr. Annika Kolb für ihre wertvollen Ratschläge ganz zu Beginn meines Vorhabens und für ihre Bereitschaft am Schluss in den Beurteilungsprozess einzusteigen aufrichtig bedanken.
Mein Dank gilt ebenfalls der Pädagogischen Hochschule Zürich, die mir diese Arbeit überhaupt erst ermöglichte und mich grosszügig über die letzten drei Jahre hinweg unterstützte. In diesem Zusammenhang bedanke ich mich auch bei meinen Vorgesetzten, die mich zu diesem Vorhaben ermutigten und Verständnis zeigten, dass ich während der Dissertation in anderen Aufgabenbereichen etwas kürzertreten musste.
Ausserdem gilt ein besonderer Dank den acht an dieser Untersuchung beteiligten Lehrpersonen und ihren Schulklassen. Für mich war die Umsetzung der CLIL-Module in den Klassenzimmern das Herzstück dieser Arbeit und ohne ihren grossen Einsatz würde diese Untersuchung in dieser Form nicht vorliegen.
Weiter möchte ich meiner Zweitcodiererin Fabienne Wehrli einen grossen Dank aussprechen. Sie hat mich vor allem bei der Auswertung der Daten aber auch bei der Überarbeitung der Texte mit ihrem unermüdlichen Einsatz tatkräftig unterstützt.
Weiter gebührt ein grosser Dank den sechs Expert*innen Nicole Périsset, Irene Gehrig, Edith Gloor, Hans Diethelm, Brigitte Achermann und Esther Graf-Beglinger der Pädagogischen Hochschule Zürich, die die Lernaufgaben kritisch diskutiert und evaluiert haben. Ferner bedanke ich mich bei den verschiedenen Berater*innen, die mich mit ihrem forschungsmethodischen Wissen und ihrer Fach-Expertise bei unterschiedlichen Belangen unterstützt haben. Dies sind Dr. Daniel Stotz, Prof. Dr. Hans Berner, Prof. Dr. Rudolf Isler, Prof. Dr. Matthias Baer, Prof. Dr. Christoph Maeder, Monica Bazzigher-Weder, Thomas Györffy und Werner Burger der Pädagogischen Hochschule Zürich, sowie Katharina Fischer-von Weissenfluh und Claudia Niederberger der Pädagogischen Hochschule Luzern und schliesslich Dr. Urs Grob vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Zürich.
Aus meinem privaten Umfeld bedanke ich mich herzlich bei meinem ‘sparring partner’ Daniel Schmid. Aus einer Aussenperspektive hat er mich mit seiner Fähigkeit Zusammenhänge analytisch zu betrachten und schnell zu verstehen immer wieder zum vertieften Nachdenken über mein Forschungsthema angeregt.
CLIL
Content and Language Integrated Learning
BG
Bildnerisches Gestalten (Zeichnungs-/Kunstunterricht)
TBL
Task-based learning
CLT
Communicative Language Teaching
IK
Interkulturelle Kompetenz
LOTS
Lower Order Thinking Skills
HOTS
Higher Order Thinking Skills
TPR
Total Physical Response
AdL
Altersdurchmischtes Lernen (altersgemischte Schulklassen)
EDK
Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren
PISA
Program for International Student Assessment
TIMSS
Third International Mathematics and Science Study
DESI
Deutsch Englisch Schülerleistungen International
APA
American Psychological Association
Einige Begriffe wurden konsequent auf Englisch – kursiv und klein geschrieben – in den anderweitig auf Deutsch verfassten Text integriert. Dies ist immer dann der Fall, wenn es für diese Begriffe keine zufriedenstellende Übersetzung gibt (z. B. mixed-methods, task outcome, CLIL tool kit) oder wenn der Ausdruck selber ein aus dem englischsprachigen Raum stammendes theoretisches Konzept beschreibt (z. B. visual literacy, 4Cs framework, lesson study) oder damit zusammenhängt (z. B. case pupil). Englische Begriffe werden dann gross (und kursiv) geschrieben, wenn es sich um Namen von Konzepten oder Theorien handelt (z. B. ‘Communicative Language Teaching’ oder ‘Multiple Intelligences’) oder wenn sie Namen von Codes bezeichnen (z. B. ‘Participant organisation’, ‘Non-linguistic art activity’)
Dem Terminus ‘CLIL’, ein Akronym stehend für Content and Language Integrated Learning, bin ich1 vor rund fünfzehn Jahren zum ersten Mal im Rahmen meiner Nachqualifizierung für die Unterrichtsberechtigung für das damals neu eingeführte Fach Englisch auf der Primarstufe begegnet. Das dahinterliegende Konzept, fremdsprachliches Lernen an relevante Sachinhalte aus anderen Fächern zu koppeln, überzeugte mich deshalb, weil Primarschulkinder in der Schweiz der englischen Sprache nur im beschränkten Umfang ausserhalb des Schulzimmers begegnen. Deshalb gilt es für diese Zielgruppe interessante Lerninhalte mit hohem Lebensweltbezug als Basis für das Lernen einer Fremdsprache bereitzustellen. Anhand solcher relevanten thematischen Inhalte werden die Lernenden befähigt in einer echten kommunikativen Lernsituation in der Zielsprache zu interagieren.
Während meiner langjährigen Tätigkeit als Primar- und Englischfachlehrerin merkte ich bald, dass CLIL nur ein kleiner Teil meiner Lektionen ausmachte. Der Englischunterricht orientierte sich an den Lehrmitteln, welche zwar aktuell und kompetenzorientiert sind, die jedoch nur zeitlich beschränkt und sequentiell CLIL anbieten. An den meisten Schweizer Primarschulen wird CLIL somit hauptsächlich in der Form umgesetzt, bei der die in den Lehrmittelen vorgegebenen Sachthemen in den Englischunterricht integriert werden und so sporadisch inhaltsorientierter Fremdsprachenunterricht stattfindet.
Gleichzeitig vernahm ich in meiner Rolle als Aus- und Weiterbildnerin von Lehrpersonen und als kantonale Fachberaterin für die Fremdsprachenfächer auf der Primarstufe immer wieder Kritik am Konzept des frühen Fremdsprachenlernens: Zwei bis drei isolierte Lektionen seien zu wenig lerneffektiv, es fehle an Lernzeit, das ganzheitliche als auch spielerische Lernen gehe verloren und die formale Korrektheit stehe immer mehr im Vordergrund. Solche Stimmen liessen mich aufhorchen und machten mich nachdenklich, wie man das fremdsprachliche Lernen auf der Primarstufe optimieren könnte.
Der konkrete Anstoss für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Lehren und Lernen von Fremdsprachen auf der Primarstufe folgte kurze Zeit danach. Mit der Einführung des neuen Deutschschweizer Lehrplans 21 wurde eine rege Auseinandersetzung zum Thema Kompetenzorientierung entfacht. Als Weiterbildnerin für verschiedentliche Lehrplan 21 Einführungskurse für den Fachbereich Englisch setzte auch ich mich mit dieser Akzentverschiebung gründlich auseinander. Für den Fremdsprachenbereich ändert sich auf den ersten Blick diesbezüglich nicht viel, denn der Englischunterricht verstand sich bereits zuvor anwendungs- und somit kompetenzorientiert. Jedoch las ich im Lehrplan 21 mit Interesse, dass das fremdsprachliche Lernen mit «immersiven oder bilingualen Sequenzen» angereichert werden kann (vgl. D-EDK 2014 Sprachen, Didaktische Hinweise).
Als ich schliesslich die Chance erhielt, im Rahmen der Förderung der Fachdidaktiken unterstützt durch die swissuniversities ein eignes Forschungsprojekt anzupacken, war es für mich naheliegend solche bilinguale Unterrichtssequenzen in den Fokus meiner Untersuchung zu rücken. Jedoch nicht in der bereits erlebten Umsetzungsart des Einbringens von sachfachlichen Inhalten in den Englischunterricht, sondern indem Englisch mit einem anderen Fach auf gleichberechtigte Weise fusioniert wird und dabei eine echte Verknüpfung von Sprach- und Sachlernen stattfinden sollte.
Mit dieser Variante von CLIL ergeben sich aus meiner Sicht eine Vielzahl an Vorteilen: Einerseits entsteht mehr Lernzeit für das fremdsprachliche Lernen, ohne den Stundenplan weiter auszureizen. Zweitens erhält die Fremdsprache in diesem inhaltsorientierten Unterricht ihre genuine Funktion als Kommunikationsmittel zurück. Drittens wird die Zielsprache von den jungen Lernenden dadurch vermehrt holistisch und implizit gelernt, weil der Fokus auf das formale Sprachenlernen in den Hintergrund rückt. Schliesslich, so stelle ich mir vor, kann dank dem dualen Fokus von Sprache und Inhalt im facettenreichen CLIL-Unterricht eine breite Interesse- und Leistungsgruppe von Lernenden auf der Primarstufe angesprochen werden.
Letzterer Punkt betreffend die Heterogenität ist für mich als Primarlehrerin mit langjähriger Erfahrung im Unterrichten von heterogenen, altersgemischten Klassen eine wichtige Prämisse. Auch wenn im CLIL-Unterricht unterschiedliche Interessen und Begabungen verschiedener Kinder dank dem Einbringen von reichhaltigen Sachthemen berücksichtigt werden können, so scheinen bilinguale Unterrichtssequenzen auf den ersten Blick das ‘Problem’ der Differenzierung zu verdoppeln. Dies weil die Fremdsprache als zusätzliche Hürde den Zugang zum inhaltlichen Lernen erschweren kann. Deshalb soll die vorliegende Untersuchung ein spezielles Augenmerk darauf richtigen, wie Schüler*innen mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen mit CLIL umgehen.
Welches Sachfach sich für die Umsetzung von CLIL am besten eignet, war mir bald klar: Bildnerisches Gestalten. Das Postulat der besonderen Eignung von Kunst-/Zeichnungsunterricht als bilinguales Sachfach auf dieser Zielstufe deckt sich nicht nur mit verschiedenen empirischen Befunden (vgl. Bechler 2014; Witzigmann 2011; Rymarczyk 2003), sondern basiert auch auf meiner langjährigen Unterrichtserfahrung. Kein anderes Fach lässt so viel Raum für Kreativität, bietet eine hohe Anschaulichkeit, ist geprägt von handelndem Unterricht, lässt methodisch-didaktischen sowie inhaltlichen Freiraum, verlangt vielseitige (bild-) sprachliche Interaktionen, begünstigt das kulturelle Lernen und – last but not least – ist frei von Noten- und Leistungsdruck.
In der Fächerfusion mit Englisch und Bildnerischem Gestalten wird somit die vorliegende Untersuchung mit Good Practice-Ansatz durchgeführt, um Gelingensbedingungen rund um die Umsetzung solcher CLIL-Module als Ergänzung zum herkömmlichen Englischunterricht auf der heterogenen Primarschulstufe in Erfahrung zu bringen. Unter dem Good Practice-Ansatz verstehe ich ein exploratives Vorgehen, mit dem Ziel eine innovative, erfolgsversprechende Unterrichtspraxis für einen spezifischen Schulkontext zu entwickeln, zu implementieren und zu erforschen. Konkret interessieren mich die folgenden drei Aspekte: (1) Inwiefern es gelingt qualitätsvolle Lernaufgaben für das duale Lernen zu entwickeln, (2) wie diese Lernangebote von den unterschiedlichen Schüler*innen im CLIL-Unterricht genutzt werden und (3) welche weiteren Chancen und Herausforderungen von allen Beteiligten bei der Implementierung dieser CLIL-Module wahrgenommen werden.
Da eine echte Fusion von Englisch und Bildnerisches Gestalten ein zentrales Anliegen bei der Entwicklung und Umsetzung dieses CLIL-Unterrichts ist, bin ich sehr bemüht beide Fächer in ausgewogener Weise zu berücksichtigen. Aufgrund meiner Rolle als Englisch-Fachdidaktikerin kann jedoch eine etwas verstärkte Fokussierung auf fremdsprachliche Aspekte nicht ganz vermieden werden, denn insgesamt betrachte ich es auch als meine Aufgabe im Rahmen dieser Untersuchung optimierende Ansätze für das Fremdsprachenlernen auf der Primarstufe zu erforschen.
Wie soeben aufgezeigt, untersucht die vorliegende Arbeit die Chancen und Herausforderungen von CLIL-Modulen in der Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten für die heterogene Primarstufe. Dabei verfolgt diese Untersuchung drei übergeordnete Ziele.
(1) Erstens möchte die vorliegende Untersuchung eine essentielle Forschungslücke in zweierlei Hinsicht schliessen: Einerseits, indem in dieser Untersuchung ein theorie-basiertes sowie empirisch ergründetes Vorgehen für die Planung und Umsetzung von CLIL-Modulen für die Primarstufe erarbeitet wird; anderseits, indem der Forschungsfokus konsequent auf die Schüler*innen und ihr CLIL-Lernen gerichtet wird. Inwiefern mit diesen beiden Absichten ein wichtiges Forschungsdesiderat adressiert werden kann, wird nachfolgend kurz begründet.
Zum ersteren: Der kompetenzorientierte Lehrplan 21 schlägt vor, vermehrt bilinguale Sequenzen, demnach CLIL, als Ergänzung zum Fremdsprachenunterricht durchzuführen (vgl. D-EDK 2014 Sprachen, Didaktische Hinweise). Wie solche Unterrichtseinheiten mit Primarschüler*innen mit limitierten fremdsprachlichen Kenntnissen und heterogenen Leistungsvoraussetzungen bestmöglich umgesetzt werden können, ist bislang ungeklärt. Hingegen weiss man aus verschiedenen in Deutschland durchgeführten Studien, dass sich der Zeichnungs- und Kunstunterricht besonders für den Einstieg in den CLIL-Unterricht anbietet (vgl. Bechler 2014; Witzigmann 2011; Rymarczyk 2003). Für den Schweizer Primarschulkontext wurde eine solche Ausgangslage von CLIL im Zeitalter von Kompetenz- und Aufgabenorientierung jedoch noch nicht ergründet. Deshalb ist die Erarbeitung eines didaktisch-methodischen Vorgehens für die Planung und Umsetzung von erfolgsversprechenden CLIL-Modulen für die heterogenen Primarstufe unter Berücksichtigung der im Lehrplan 21 gesteckten Ziele unerlässlich.
Zum letzteren: Auch wenn in den letzten Jahren die Forschung im CLIL-Bereich stetig zugenommen hat, und inzwischen auch Studien vermehrt bilinguale Lernsettings auf der Primarstufte adressieren (vgl. Elsner & Kessler 2013, S. 26), fokussieren die meisten Studien immer noch auf lehrerzentrierte Unterrichtssequenzen und Klassengespräche. Dies obwohl man sich mit Blick auf den kompetenzorientierten Lehrplan einig ist, dass der Unterricht – und somit auch die unterrichtliche Forschung – sich mehr an den Lernenden beim Bearbeiten von bedeutungsvollen Aufgaben orientierten sollte (Nikula et al. 2013, S. 73). Die vorliegende Untersuchung blickt deshalb konsequent auf die Interaktionen der Schüler*innen und erforscht folglich ihre Lernhandlungen im aufgabenorientierten CLIL-Unterricht.
Die Bearbeitung dieses Forschungsdesiderats mitsamt den daraus resultierenden Ergebnissen erlaubt es – meines Erachtens erstmalig – empirisch gestützte Aussagen über das bilinguale Lernen von Primarschüler*innen mit unterschiedlichen fremdsprachlichen Ausgangsbedingungen zu machen. Daraus lassen sich dank dem Good Practice-Ansatz konkrete Gelingensbedingungen ableiten, die aus didaktisch-methodischer Sicht aufzeigen, wie den im Lehrplan 21 geäusserten Anforderungen unter den gegebenen unterrichtlichen Bedingungen bestmöglich nachgekommen werden kann.
(2) Als ein weiteres Ziel – und anknüpfend an obiges – soll resultierend aus diesem Dissertationsvorhaben eine praxisorientierte Handreichung entstehen, die anschaulich erläutert, wie aufgabenorientierte und lehrplankonforme CLIL-Sequenzen in der Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten mit heterogenen Lerngruppen auf der Primarschule umgesetzt werden können. Die Thematik der Heterogenität wird dabei ganz bewusst ins Zentrum gerückt, weil CLIL jahrelang hauptsächlich mit Kindern veranstaltet wurde, die dank ihren guten fremdsprachlichen Kenntnissen dem bilingualen Unterricht spielend folgen konnten (Elsner & Kessler 2013, S. 21). Resultierend aus vorliegender Untersuchung sollen in der Handreichung deshalb ebenfalls vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, wie CLIL-Unterricht auf der Primarstufe – somit in Klassen, die naturgemäss sehr heterogen sind – für Lernende mit unterschiedlichen fremdsprachlichen Voraussetzungen gelingen kann. Diese Handreichung soll somit Primarlehrpersonen auf kantonaler und nationaler Ebene ermutigen, vermehrt kürzere oder ausgedehntere CLIL-Sequenzen zusätzlich zum Fremdsprachenunterricht in ihren Klassen umzusetzen.
(3) Als drittes Ziel sollen die empirischen Erkenntnisse aus dieser Untersuchung direkt in die Lehre, somit in die Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen, einfliessen. Angehende oder bereits praktizierende Primarlehrpersonen sollen mit den Hintergründen und den Ergebnissen dieser Untersuchungen vertraut gemacht und dadurch motiviert werden, bilinguales Lernen in ihren Schulalltag mit Einbezug von Bildnerischem Gestalten zu integrieren. Die Erkenntnisse, die sich im Rahmen dieser Untersuchung gewinnen lassen, könnten ebenfalls Anreize schaffen, CLIL in andere musische oder sportliche, sowie geeignete gesellschafts- oder naturwissenschaftliche Fächer auszudehnen. Die vorliegende Arbeit soll dafür hilfreiche Modelle sowie Umsetzungsbeispiele liefern und somit eine Stossrichtung geben, wie das fremdsprachliche Lernen in Zukunft auf der Primarstufe durch Sequenzen des bilingualen Lernens vielfältig angereichert werden kann.
Aus den vorangegangenen Überlegungen ergibt sich der folgende strukturelle Aufbau der Arbeit. Der theoretische Teil 1 der Arbeit, bestehend aus den Hauptkapiteln 2 bis 4, hat zum Ziel den nötigen theoretischen Rahmen für die Planung und Umsetzung CLIL-Module zu konstruieren. In einem ersten Schritt werden deshalb der Terminus CLIL genau definiert, bevor dieses Unterrichtskonzept schrittweise in den für die vorliegenden Studie relevanten Kontext der Primarschule, dann in Bezug auf die Heterogenität und dessen Eignung für die Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten eingebettet wird. Das nachfolgende Hauptkapitel 3 beleuchtet alle relevanten methodisch-didaktischen Aspekte, angefangen mit der Darlegung was eine CLIL-Didaktik ausmacht, über die Wichtigkeit des aufgabenorientierten CLIL-Unterrichts, bis hin zu theoriebasierten Erkenntnissen von geeigneten Lernaufgaben für diese Fächerfusion. Das Hauptkapitel schliesst mit methodisch-didaktischen Überlegungen zum Umgang mit Heterogenität und bespricht verschiedenartige Scaffolding geeignet für den CLIL-Unterricht. Im Hauptkapitel 4 werden das Vorgehen zur Aufgabenentwicklung und Implementierung dargelegt, wichtige forschungsmethodische Voraussetzungen erarbeitet und schliesslich auch die Forschungsfragen hergeleitet. Dieses Hauptkapitel bildet somit den Übergang von der Darlegung der theoretischen Konzepte hin zur Umsetzung der empirischen Untersuchung. Der empirische Teil 2 der Arbeit besteht aus den Hauptkapiteln 5 bis 7. Im Hauptkapitel 5 wird dementsprechend die gesamte empirische Studie vorgestellt. Dort werden alle Forschungsmethoden und Instrumente für die Datensammlung als auch für die Auswertung begründet aufgezeigt. Im umfassenden Hauptkapitel 6 werden die Ergebnisse sortiert nach Forschungsfragen präsentiert. Jede Forschungsfrage wird dabei im Rahmen eines Fazits bereits tentativ beantwortet. Diese dargelegten Erkenntnisse und Ergebnisse werden schliesslich im Hauptkapitel 7 aus verschiedenen Perspektiven diskutiert und in einen grösseren Zusammenhang gestellt. Ebenfalls werden da die Forschungsfragen final beantwortet, bevor die Arbeit auf einige Limitationen dieser Studie aufmerksam macht und mit einem Ausblick sowie einem persönlichen Fazit endet.
Im ersten Teil dieses Kapitels werden die Begrifflichkeiten rund um CLIL für den Rahmen der vorliegenden Arbeit definiert und eingegrenzt. In einem nächsten Schritt werden die Gründe für das Unterrichtskonzept CLIL in Bezug auf das fremdsprachliche, sachfachliche und kulturelle Lernen aus allgemeiner Perspektive beleuchtet, bevor CLIL in den für diese Untersuchung relevanten Kontext der Schweizer Primarschule eingebettet wird. In einem nächsten Kapitel wird CLIL im Zusammenhang mit Heterogenität gebracht, indem Gelingensbedingungen für das differenzierte und individuelle Lernen aufgezeigt werden. Abschliessend wird begründet, wieso sich das Fach Bildnerisches Gestalten besonders für CLIL eignet und welche Symbiosen sich dabei in Bezug auf das duale Lernen ergeben. Ebenfalls ist es Ziel dieses zweiten Hauptkapitels wertvolle Einblicke in den aktuellen Forschungsstand rund um den bilingualen Unterricht im Hinblick auf die spezifischen Rahmenbedingungen des vorliegenden Forschungskontexts zu geben, um dadurch auf wichtige Forschungslücken hinzuweisen. Ein Zwischenfazit mit empirieorientierten Überlegungen beendet dieses Hauptkapitel.
Das Akronym CLIL steht für ‘Content and Language Integrated Learning’ und beschreibt «a dual-focussed educational approach in which an additional language is used for the learning and teaching of both content and language.» (Mehisto et al. 2008, S. 9). Solche Lerneinheiten werden als sehr effektiv eingestuft, da sie dank ihrer doppelten Ausrichtung sowohl den Aufbau von Sachfachwissen als auch fremdsprachlichen Kompetenzen fördern. In dem Sinne wird darunter eine Fusion von Fachbereichen verstanden, die bisweilen völlig getrennt unterrichtet wurden (Mehisto et al. 2008, S. 7; Wolff & Sudhoff 2015, S. 29). Es handelt sich dabei um kein neues Unterrichtskonzept. In verschiedenen Epochen der Vergangenheit, angefangen vor 2000 Jahren im Römischen Reich über die adeligen und später bürgerlichen Familien im 18. Jahrhundert bis hin zur modernen globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts, wurden Sachinhalte in einer fremden Sprache unterrichtet, um den Lernenden auf sozialer und professioneller Ebene Aufstiegsmöglichkeiten zu bieten (Wolff 2016, S. 24; Coyle et al. 2010, S. 2). Das Konzept ist alt, der Terminus CLIL hingegen relativ jung. Er wurde 1994 in Europa geprägt und bezeichnet in diesem Setting «a general term to designate different types of bilingual or immersion education» (European Commission 2012, S. 137). Diese weitgefasste Definition verdeutlicht, dass CLIL als ein Sammelbegriff (umbrella term) mit facettenreichen Ausrichtungen für verschiedene zweisprachige Unterrichtskonzepte verwendet wird. In der Literatur führt dies oft zu einer terminologischen Ungenauigkeit und erschwert den Diskurs. Daher ist es an dieser Stelle wichtig, die für diese Arbeit zentralen Begrifflichkeiten klar zu definieren.
Der in der obigen Definition verwendete Begriff ‘Immersion’ passt für die in dieser Forschungsarbeit untersuchten Unterrichtssettings nicht. Immersiver Unterricht findet vorwiegend in einer Sprache statt, der die Lernenden auch im ausserschulischen Kontext regelmässig begegnen (Lasagabaster & Sierra 2010, S. 370). Dies sind typischerweise Settings, in denen Zweitsprachen weit verbreitet sind, wie zum Beispiel in Kanada (Diehr 2012, S. 16) oder im Schweizer Kontext entlang der Sprachgrenzen. Ebenfalls für fremdsprachige Migrationskinder, die dem Unterricht in der Landessprache folgen, ist es zutreffend, von immersiven Unterricht zu sprechen. Ist diese Voraussetzung gegeben, ist ein eigentliches ‘Eintauchen’ in die Sprache (englisch: immerse) innerhalb als auch ausserhalb des Unterrichts auch wirklich möglich. Zudem wird im Immersionsunterricht die Zielsprache als Medium im Gebrauch gelernt, das Sprachenlernen passiert somit weitgehend ungesteuert und ist nicht eigentlicher Gegenstand des Unterrichts (Wolff & Sudhoff 2015, S. 16; Wolff 2013, S. 20). Entgegen dieser Definition, wird im deutschen Kontext manchmal auch dann von (partieller) Immersion gesprochen, wenn bestimmte Schulfächer während der gesamten Schulzeit zu einem Anteil von mehr als 50 % in der Fremdsprache unterrichtet werden. In diesem Kontext wird CLIL als Oberbegriff für ein Kontinuum von solchen Immersionsprogrammen mit partiellen Eintauchen bis hin zu sporadisch angebotenen CLIL-Modulen verstanden (Massler & Burmeister 2010, S. 7). Der Immersionsbegriff deckt sich in dieser Auslegung mit dem was andere Autoren als ‘hard CLIL’ bezeichnen. Damit ist gemeint, dass die Fremdsprache in einem oder mehreren Fächern vollumfänglich für die Vermittlung von sachfachlichen Inhalten über mehrere Jahre verwendet wird. Im Gegensatz dazu steht ‘soft CLIL’ und verweist auf mehr sporadische, kurzfristigere Lernangebote, in denen für eine bestimmte Zeit die Fremdsprache und das Sachfachlernen kombiniert werden (P. Ball et al. 2015, S. 6).
Während im europäischen Kontext als auch in der Schweiz hauptsächlich der englischsprachige Terminus CLIL verwendet wird, ist in Deutschland mehrheitlich von ‘bilingualer (Sachfach-)Unterricht’ die Rede (Wolff & Sudhoff 2015, S. 14). Die Begrifflichkeit ‘bilingual’ ist etwas irreführend und könnte zu verstehen geben, dass innerhalb eines Faches die Inhalte zu gleichwertigen Anteilen in der Schul- und Fremdsprache unterrichtet werden und innerhalb von Lektionen ein konstantes Code-Switching vorherrscht. Dem ist jedoch nicht so, sondern die Zweisprachigkeit bezieht sich auf die gesamten Unterrichtzeit über mehrere Schuljahre hinweg, in welcher das bestimmte Fach in beiden Sprachen unterrichtet wird (Badertscher & Bieri 2009, S. 11; Diehr 2012, S. 16). Der Begriff ‘bilingual’ passt auch deshalb, weil die Lehrpersonen in diesem Unterrichtssetting eine Lehrbefähigung für das Sach- und Fremdsprachenfach ausweisen. Aufgrund ihrer Sprachkenntnisse sind sie folglich in der Lage, den Unterricht in der Fremd- als auch in der Schulsprache zu erteilen – was über die gesamte Schulzeit hinweg auch geschieht (Diehr 2012, S. 21). Auf den Punkt gebracht meint ‘bilingualem Unterricht’ demnach, dass ein Sachfach «weitgehend einsprachig in der Fremdsprache geführt wird.» (Diehr 2012, S. 18). In diesem Sinne kann bilingualer Unterricht als eine Form von CLIL betrachtet werden, weil auch in ihm, neben weiteren übergeordneten Zielen, das Lernen von fremdsprachlichen und sachfachlichen Inhalten im Vordergrund steht (Bonnet und Breidbach 2013, S. 26).
In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe ‘CLIL’ und ‘bilingualer Unterricht’ somit als Synonyme verwendet – wie es in der Literatur von vielen Experten auch vorgeschlagen wird (vgl. Wolff 2016, S. 22–23). Beide beziehen sich gemäss diesem Verständnis auf eine echte Integration von sachfachlichem und fremdsprachlichem Lernen. Das Unterrichtskonzept ‘Immersion’ wird hingegen in vorliegender Arbeit als nicht gleichbedeutend betrachtet, weil im Immersionsunterricht die Sprache ausschliesslich als Vermittlerin und nicht als eigentlicher Lerngegenstand betrachtet wird (Wolff 2013, S. 20). Der Begriff ‘Immersion’ wird deshalb im Rahmen dieser Arbeit nur dann verwendet, wenn es sich tatsächlich um ein echtes Eintauchen handelt und der Fremdsprache keine explizite Beachtung geschenkt wird. Diese Unterscheidung ist wichtig, da einige der nachfolgend erwähnten Studien in einem immersiven Kontext durchgeführt wurden und so deren Ergebnisse nur mit der nötigen Vorsicht auf den vorliegenden CLIL-Kontext übertragen werden können.
CLIL kann ferner auch im Hinblick auf dessen eher sprachliche oder inhaltliche Ausrichtung eingeteilt werden (vgl. Abbildung 1). Demzufolge bezeichnet die Variante A ‘CLIL im Sachfachunterricht’ jene Unterrichtsform, bei der die Fremdsprache in den Sachfachunterricht exportiert wird. Ausgangspunkt für das Lernen sind die sachfachlichen Ziele. Bei der Variante B ‘CLIL im Fremdsprachenunterricht’ reichern relevante fachübergreifende Inhalte den Englischunterricht an. Die Ziele des Fremdsprachenunterrichts sind Ausgangspunkt des Lernens. Die Variante C ‘CLIL im CLIL-Unterricht’ ist weder ein Export der Fremdsprache in andere Fächer noch ein Import von sachfachlichen Inhalten in den Fremdsprachenunterricht, sondern wird als echte Integration von Inhalt und Fremdsprache verstanden. Infolgedessen müssten Lernziele und -inhalte beider Fächer integrativ bei der Planung und Umsetzung von Unterricht berücksichtigt werden (Massler & Stotz 2013, S. 8–11).
Variante A:
CLIL im Sachfachunterricht
Variante B:
CLIL im Englischunterricht
Variante C:
CLIL im CLIL-Unterricht
Sachunterricht, der in der Fremdsprache geführt wird; die Ziele des Sachfaches sind leitend
Englischunterricht, in dem sachfachliche Inhalte thematisiert werden; die fremdsprachlichen Lehrplan-Ziele sind leitend
Integrierter Unterricht; Lernziele und Lerninhalte beider Fächer sind leitend
Unterschiedliche CLIL-Realisierungsformen (Massler & Stotz 2013, S. 12)
Gemäss obigen Definitionen – und wie nachfolgenden Kapiteln noch genauer begründet wird – stehen in vorliegenden Untersuchung CLIL-Module im Zentrum, in denen während einiger Wochen im Schuljahr die Fächer Englisch und Bildnerisches Gestalten integriert unterrichtet werden mit dem Ziel die fremdsprachlichen als auch die fachspezifischen Kompetenzen der Lernenden weiterzuentwickeln. Diese bilingualen Module können auch als ‘soft CLIL’ bezeichnet werden und streben im Sinne der CLIL-Variante C eine echte Fusion der beiden Fachbereiche an.
Was all die verschiedenen CLIL-Settings trotz ihrer unterschiedlichen Bezeichnungen, Ausprägungen und Anwendungsbereichen verbindet, ist ihre konsequente Betrachtung der Fremdsprache als Lerngegenstand und als Kommunikationsmittel. Ausserdem, weil bilingualer Unterricht oft als Ergänzung zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht angeboten wird, ermöglicht dessen Einsatz für die Lernenden meist eine Erhöhung der Kontaktzeit mit der Zielsprache (Elsner & Kessler 2013, S. 17). Dies führt zu einer Reihe von Vorteilen, die im nächsten Kapitel aufgezeigt werden.
In den letzten zwanzig Jahren hat das Interesse an CLIL stark zugenommen und ist in verschiedensten Ausprägungsformen in den Schulsystemen in ganz Europa anzutreffen. Für die grosse Verbreitung von CLIL in Europa ist mitunter auch die ambitionierte europäische Sprachenpolitik mitverantwortlich, welche sich aufgrund der zugenommenen Mobilität, verstärkter Zusammenarbeit aber auch erhöhter Wettbewerbsfähigkeit die Förderung der individuellen Mehrsprachigkeit zum Ziel steckte. Konkret bedeutet das, dass alle Primarschulkinder in Europa neben der Erstsprache zwei weitere moderne Fremdsprachen lernen sollen (European Union 2008, S. 1). Im Zusammenhang mit dieser Forderung wird CLIL als erfolgsversprechende, innovative Methode genannt, die dem hohen Anspruch gerecht zu werden scheint, um die jungen Lernenden für die globalisierte-multilinguale (Arbeits-)Welt vorzubereiten (Mehisto et al. 2008, S. 10–11; Wolff 2013, S. 18). Obschon das erste ‘L’ in CLIL für irgendeine Sprache stehen könnte, so dominiert in der Realität Englisch als CLIL-Sprache (Dalton-Puffer 2011, S. 183).
Wolff (2013b, S. 96) sieht das Innovationspotential von CLIL auch im Hinblick der «genuinen Funktion von Sprache», die sie im CLIL-Unterricht zugeschrieben bekommt. Er meint damit, dass im CLIL-Unterricht der Fokus auf die Sprache samt ihrer ursprünglichen Funktionalität als Vermittlerin verstärkt wird. Es geht im CLIL-Unterricht also nicht nur um die Fremdsprache als solches, sondern darum Sprache an sich als praktisches, funktionales Kommunikationsmittel zu nutzen. Diese ursprüngliche Rolle von Sprache schlechthin kann weder im traditionellen Fremdsprachen- noch im Sachfachunterricht in diesem Ausmass umgesetzt werden.
CLIL ist jedoch nicht nur eine innovative Methode, sondern auch eine lerneffiziente. Diverse internationale Studien belegen, dass CLIL fürs Fremdsprachenlernen als auch fürs Sachlernen gewinnbringend ist (vgl. Bonnet 2016, S. 40). Die Forschung zeigt, dass Lernende in den verschiedensten CLIL-Unterrichtssettings erhöhte fremdsprachliche Kompetenzen ausweisen, als die Vergleichsgruppe von Schüler*innen, die Englisch im traditionellen Fremdsprachenunterricht erlernen (z. B. Pfenninger & Singleton 2017, S. 190ff; DESI-Konsortium 2008, S. 451ff). Im Rahmen der grossangelegten Studie ‘Deutsch Englisch Schülerleistungen International’ (DESI) konnte zum Beispiel nachgewiesen werden, dass die Schüler*innen der bilingualen Programme der neunten Klasse in den sprachlichen Kompetenzbereichen Lesen, Hören und Schreiben, sowie Sprachbewusstheit für die Grammatik und sprachliches Handeln ein deutlich höheres Niveau ausweisen als die Vergleichsgruppe. Im Bereich Sprechen zeichnen sich ähnliche Ergebnisse ab, jedoch basieren die Forschungsergebnisse auf einer kleineren Population. Im Hörverstehen schliessen die Klassen mit bilingualem Unterricht besonders gut ab. Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass die hohen Erwartungen an die bilingualen Lektionen ergänzend zum herkömmlichen Fremdsprachenunterricht erfüllt werden können und die Schüler*innen dadurch am Ende der obligatorischen Schulzeit ein fremdsprachliches Niveau erreichen, das sonst erst in der Sekundarstufe II erreicht werden kann (DESI-Konsortium 2008, S. 454–56). Ähnliches bestätigt auch die in der Schweiz durchgeführte Untersuchung von Pfenninger und Singleton (2017, S. 191–95). Die Lernenden in CLIL-Programmen schneiden am Ende der Sekundarstufe in Bezug auf fremdsprachliche Kompetenzen wie zum Beispiel Hörverständnis, rezeptiver und produktiver Wortschatz als auch Flüssigkeit deutlich besser ab als Lernende in traditionellen Englisch-Lernsettings. Eine weitere Studie durchgeführt mit Lernenden der 7. Klasse in Österreich zeigt ähnliche Ergebnisse. Beim Erzählen von narrativen Handlungen erzielten die CLIL Schüler*innen sowohl bei der kommunikativ-funktionalen Anwendung der Fremdsprache als auch bei der Berücksichtigung lexikaler und grammatikalischer Korrektheit bessere Ergebnisse als ihre Altersgenossen, die keinem CLIL-Programm beiwohnten. Zudem zeigten die CLIL-Lernenden vermehrt Strategien sich ohne Wechsel in die Schulsprache erfolgreich zu verständigen. (Hüttner & Rieder-Bünemann 2010, S. 77)
Die diesbezügliche Forschung über bilingualen Programmen spezifisch für der Primarstufe steckt hingegen noch in den Anfängen (Heim 2015, S. 46; Piske 2013, S. 40; Massler & Steiert 2010, S. 21). Jedoch zeigen die bereits vorliegenden Ergebnisse, dass der CLIL-Unterricht durchwegs positive Auswirkungen auf die fremdsprachlichen Kompetenzen der Lernenden hat (Botz & Diehr 2016, S. 246). Verschiedene Studien kommen zum Schluss, dass die Primarschüler*innen teilnehmend am bilingualen Unterricht innerhalb kurzer Zeit eine hohe Sprachflüssigkeit entwickeln und bemerkenswerte Fortschritte im Wortschatzerwerb machen (vgl. Piske 2013, S. 39–40). Bei einer über zwei Jahre hinweg durchgeführten Untersuchung mit CLIL-Lehrpersonen an sechs Grundschulen in Deutschland teilten die befragten Lehrpersonen in Interviews mit, dass sich die Lernenden öfters in Mehrwortsätzen ausdrücken als im herkömmlichen Fremdsprachenunterricht. Zudem beobachteten sie in den Bereichen Sprechen, Lesen und Wortschatz bessere Ergebnisse (Massler & Steiert 2010, S. 17). Auch in der Grammatik erzielen die Primarschulkinder in CLIL-Programmen Fortschritte, obwohl sie keine expliziten Instruktionen erhalten haben (Piske 2013, S. 33).
Folgende Gründe werden für all diese positiven Bilanzen im fremdsprachlichen Bereich verantwortlich gemacht. Erstens ermöglicht die Fusion von Sach- und Fremdsprachenfach interdisziplinäres Arbeiten in einem reichen, authentischen Lernsetting, was das kompetenzorientierte Fremdsprachenlernen erleichtert (Wolff 2013b, 104). Zweitens, aufgrund des verlinkten Lernens von Inhalt und Sprache im bilingualen Unterricht, führt dies nicht nur zu einem vertieften Eindringen in beide Fachbereiche, sondern auch zu einem langfristig besseren Behalten der Lerninhalte (Wolff 2007, 19). Dies gilt insbesondere auch für abstraktes Vokabular, das im CLIL-Unterricht durch die hohe inhaltsbezogene Kontextualisierung und den damit verbundenen unmittelbaren Gebrauch des Wortschatzes besser gelingt als im traditionellen Fremdsprachenunterricht. Drittens verlaufen die Interaktionen im bilingualen Unterricht infolgedessen stärker verstehungs- als auch handlungsorientiert und sind somit bedeutsamer. (Elsner & Kessler 2013, S. 22) Die Lernenden erleben eine unmittelbare Anwendung des Gelernten im Sinne von «learn as you use, use as you learn» – und nicht «learn now, use later» (Mehisto et al. 2008, S. 11). In diesem Zusammenhang beobachtet Maillat (2010, S. 52) in CLIL-Settings ein lernunterstützendes Phänomen, das er als ‘mask effect’ bezeichnet. Damit ist gemeint, dass sich Lernende im CLIL-Unterricht hauptsächlich auf den Inhalt konzentrieren und der Verwendung der Zielsprache dabei weniger Beachtung schenken. Anders als im traditionellen Fremdsprachenunterricht, so argumentiert Maillat, ist in CLIL-Lernsituationen der fremdsprachliche Kompetenzaufbau «always a non-focal target» – zumindest aus Sicht der Lernenden. Sie verwenden deshalb im CLIL-Unterricht die Zielsprache unbefangener und vermehrt, was wiederum einen positiven Einfluss auf den Fremdsprachenerwerb hat (Maillat 2010, S. 55). Viertens wirkt sich diese hohe Handlungsorientierung und Unmittelbarkeit von Lerninhalten entsprechend positiv auf die Motivation der Lernenden aus (Pfenninger & Singleton 2017, S. 200; Bonnet 2016, S. 41; Massler & Steiert 2010, S. 13–14; Abendroth-Timmer 2007, S. 181, 189).
Im Hinblick auf die Entwicklung der Sachkompetenz sind die empirischen Befunde im Allgemeinen zurückhaltender sowie etwas ambivalenter. Einerseits schlussfolgern einige Untersuchungen, dass die fachlichen Inhalte im CLIL von den Lehrpersonen vereinfacht dargestellt werden und dies zu einer niedrigen Sachkompetenz führen könnte (Bechler 2014, S. 176; Massler und Steiert 2010, S. 20; Botz und Frisch 2016, S. 248). Anderseits gibt es eine Vielzahl empirischer Erkenntnisse darüber, dass der in der Fremdsprache durchgeführte CLIL-Unterricht – teils auch auf der Primarstufe – keine Nachteile auf das fachliche Lernen hat oder die bilingualen Lernenden sogar bessere Leistungen erbringen als ihre regulär unterrichtenden Mitschüler*innen (z. B. Badertscher & Bieri 2009, S. 105; Osterhage 2007, S. 47; Botz & Frisch 2016, S. 248; Zaunbauer & Möller 2007, S. 149). In Bezug auf das für den vorliegenden Kontext relevante Fach Zeichnungs- und Kunstunterricht zeigen mehrere Untersuchungen aus Deutschland, dass die geplanten inhaltlichen Kompetenzen aus dem Lehrplan im bilingual durchgeführten Unterricht erreicht werden (Bechler 2014, S. 241; Rymarczyk 2003, S. 266; Witzigmann 2011, S. 334).
Die positiven Resultate in Bezug auf das Sachfachlernen können verschiedentlich erklärt werden. Zunächst veranschaulicht das ‘Interdependenz Modell’ (Cummins 1984, S. 143), wie kognitive Konzepte in einem sprachunabhängigen Speicher verortet werden und alle Sprachen darauf zugreifen können (vgl. Abbildung 2). Die Metapher des dualen Eisberges eignet sich, um diese positiven Interdependenzen zu illustrieren. Die sichtbaren Sprachkenntnisse können auf ein solides gemeinsames Fundament an allgemeinem Wissen (common underlying proficiency) zurückgreifen, gleichzeitig wird dieser sprachunabhängige Wissensspeicher beim Lernen in jeglicher Sprache mit neuen Informationen fortlaufend eingespeist. Gemäss diesem Modell werden die Sachfachinhalte durch Auseinandersetzungen mit dem Thema in verschiedenen Sprachen angereichert und auf dieses breiterworbene Gelernte können die Lernenden im CLIL-Unterricht zugreifen.
The dual iceberg of bilingual proficiency (Cummins 1984, S. 143)
Weiter hängt der positive sachfachliche Lernertrag wahrscheinlich auch damit zusammen, dass die im CLIL-Unterricht verlangsamte, überdachte Kommunikation das Verstehen erleichtert (Bechler 2014, S. 194). Zudem werden im CLIL-Unterricht die sachfachlichen Inhalte vermehrt mit visuellen Hilfsmitteln und unterschiedlichen anderen Darstellungsformen dargeboten, welches ein Lernen auf verschiedenen Sinneskanälen ermöglicht (Elsner & Kessler 2013, S. 23). Ausserdem führt die mehrfach sprachliche Kodierung und ein allfälliger Sprachwechsel zu einer grösseren Verarbeitungsdichte sowie zur Vertiefung des Sachfachwissens (Botz & Frisch 2016, S. 248; Wolff 2007, S. 22). In der Literatur findet man in diesem Zusammenhang den Begriff ‘negotiations of meaning’. Darunter wird das Aushandeln von unklaren Begriffen oder Inhalten bezeichnet, die es zu beseitigen gilt, damit die erfolgreiche Weiterführung des Unterrichts gewährleistet werden kann (Badertscher & Bieri 2009, S. 129). Die Lernenden im CLIL-Unterricht müssen demnach vermehrt die Bedeutung der Inhalte aushandeln. In ihrer Studie konnten Bieri und Badertscher (2009, S. 179) aufzeigen, dass negotiations of meaning mehr als doppelt so oft im CLIL-Unterricht vorkommen als im vergleichbaren Fachunterricht in der Schulsprache. Die Forscher nehmen an, dass dies ein Grund dafür sein könnte, dass der Wissensaufbau trotz erschwerender Fremdsprache sorgfältig vollzogen werden kann (Badertscher & Bieri 2009, S. 191–92). Ferner hat sich gezeigt, dass sich Lernende aufgrund des anspruchsvollen Settings des CLIL-Unterrichts besser konzentrieren müssen (Wolff 2007, S. 22) und sie diese Herausforderung als motivierend wahrnehmen (Lamsfuss-Schenk 2015, S. 154). Schliesslich wird vermutet, dass der Unterricht methodisch besser durchdacht und strukturiert ist (Bonnet 2016, S. 42).
Mit Blick auf die Erst- oder Schulsprache wird oft befürchtet, dass sich der vermehrte Gebrauch der Fremdsprache im CLIL- oder immersiven Unterricht negative Effekte auf deren Entwicklung haben könnte (Massler & Steiert 2010, S. 16). Bisher konnte jedoch keine Benachteiligung für die Erst- oder Schulsprache (im Bereich Rechtschreibung und Leseflüssigkeit) bewiesen werden. Die Befunde einer Längsschnitt Studie in Deutschland zeigen zudem, dass die Grundschulkinder im immersiven Unterricht durch den vermehrten Gebrauch der Fremdsprache keine Nachteile auf ihre Deutsch Kenntnisse erfahren hatten (Gebauer et al. 2012, S. 193).
Neben den belegten mehrheitlich positiven Auswirkungen auf das fremdsprachliche und inhaltliche Lernen, sowie die Erkenntnis, dass CLIL die Entwicklung der Schul- und Erstsprache nicht behindert, wird bilingualer Unterricht auch als passend für die Förderung des kulturellen Lernens und den Aufbau von interkulturellen Kompetenzen postuliert (vgl. Bonnet 2016, S. 41). Auch wenn deren Förderung im 21. Jahrhundert als ein allgemeines Bildungsziel angesehen wird (Byram et al. 2001, S. 8), so gelingt das (inter-)kulturelle Lernen in Anwesenheit einer Fremdsprache besonders optimal: «Given the closely nature of culture and language, it is difficult to teach language without an acknowledgement of the cultural context in which it is used.» (Baker 2016, S. 62). Im bilingualen Unterricht wird diese Gegebenheit aufgrund der Anwesenheit von mehr als einer Sprache verstärkt. Daher ist die Begegnung und Auseinandersetzung mit Kultur1 – bewusst oder unbewusst – im CLIL Unterricht unumgänglich. Im Rahmen der DESI-Studie hat sich gezeigt, die Lernenden der Sekundarstufe im CLIL-Setting eine erhöhte interkulturelle Sensibilisierung ausweisen. Das hängt damit zusammen, dass Englisch im bilingualen Unterricht verstärkt als Kommunikationsmedium verwendet wird und sich dadurch früher eine Auseinandersetzung mit interkulturellen Inhalten bewerkstelligen lässt. Dies gelingt zum Beispiel dann, wenn Lernende in authentischen Texten fremden Kulturmerkmalen begegnen und diese mit eigenkulturellen Inhalten vergleichen (DESI-Konsortium 2008, S. 452, 456). Oder überdies, wenn sachfachliche oder sprachliche Lerninhalte aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden und dadurch das vorurteilslose interkulturelle Verstehen gefördert wird (Wolff 2016, S. 31). Oder ferner, wenn Lernende in der fremden Sprache mit limitierten sprachlichen Kenntnissen über relevante Inhalte sprechen und dabei Strategien anwenden müssen, die den Gesprächsfluss aufrecht erhalten (O. Meyer 2010b, S. 20). Fakt ist, dass CLIL und (inter-)kulturelles Lernen eng ineinander verflochten sind, jedoch in diesem Bereich ein Forschungsdesiderat besteht (Coyle 2007b, S. 550). Das hängt damit zusammen, dass der Begriff Kultur und die damit in Verbindung stehenden fachdidaktischen Konzepte sehr unterschiedlich interpretiert sowie zum Teil kontrovers ausgelegt werden (Göbel & Hesse 2004, S. 820). Im Kontext dieser Studie wird das (inter-)kulturelle Lernen durch die Fusion der beiden Fächer Englisch und Bildnerisches Gestalten zusätzlich begünstigt, da in beiden Fächern die Auseinandersetzung mit Kultur ein wichtiger Stellenwert einnimmt (vgl. D-EDK 2014). Wie dies genau gelingen kann, wird in den Kapiteln 2.5.8 und 3.2.4 exemplarisch erläutert.
An dieser Stelle gibt es einige kritische Anmerkungen anzufügen. Zunächst müssen sich die in der Literatur vielfältigen positiven Befunde hinsichtlich der Lernwirksamkeit von CLIL teils mit Vorsicht betrachtet werden, da allenfalls die bei der Zuweisung der Lernenden in die spezifischen bilingualen Unterrichtsprogramme Selektionseffekte mitgespielt haben. Dieser Sachverhalt wird in der Literatur von verschiedenen Experten*innen diskutiert (vgl. Bonnet 2016, S. 48; Paran 2013, S. 325–26). Ausserdem implizieren CLIL-Programme oft auch eine erhöhte Kontaktzeit mit der Zielsprache. Vor allem bei Vergleichsstudien von CLIL zu non-CLIL Lernenden erhalten erstere oft mehr Englischlernzeit als die Vergleichsgruppe, da sie zusätzlich zu den herkömmlichen Englischlektionen noch weitere fremdsprachlich geführte CLIL-Lektionen besuchen. Diese erhöhte Kontaktzeit könnte daher ebenfalls für einen Teil der positiven Befunde verantwortlich sein (Elsner & Kessler 2013, S. 22). Weiter, wie es missverständlich nach dieser Zusammenstellung von vorwiegend positiven Einflüssen den Anschein haben könnte, führt CLIL nicht automatisch und in jedem Fall zum Erfolg. Stattdessen braucht es, wie in jedem wirksamen Lernsetting, ein gutes Zusammenspiel von sorgfältiger Unterrichtsplanung und effektiver Unterrichtsdurchführung (O. Meyer 2010b, S. 13). Solche methodisch-didaktischen Implikationen in Bezug auf die Durchführung des CLIL-Unterrichts werden im Hauptkapitel 3 thematisiert. Schliesslich, wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist CLIL ein sehr umfassender umbrella term, der es schier verunmöglicht die diversen Forschungsresultate in vergleichbarer Weise darzulegen. Wichtig ist es deshalb CLIL in den für die vorliegende Untersuchung relevante Forschungskontext weiter einzugrenzen. Dies geschieht in den nächsten drei Kapiteln, in denen die Eignung von CLIL für die Schweizer Primarschule aufgezeigt, CLIL hinsichtlich des Umgangs mit Heterogenität eingeordnet und im Kontext des Fachbereichs Bildnerisches Gestalten umrissen wird.
Wie bereits angesprochen, geschieht im CLIL-Unterricht das Lernen integral und unmittelbar im Sinne von «learn as you use, use as you learn» und nicht «learn now, use later.» (Mehisto et al. 2008, S. 11). Diese Prämisse der direkten Begegnung mit der Sprache in einem handlungsorientierten Setting ist besonders für die Primarschulstufe von grosser Bedeutung. Kinder lernen Sprache in situativen Kontexten mit bedeutsamer Inhaltsorientierung und hohem Lebensweltbezug (z. B. Piske 2013, S. 30). Im CLIL-Unterricht, in dem das sachfachliche und fremdsprachliche Lernen vereint wird, gelingt diese Verknüpfung von Inhalt und Sprache optimal.
Gemäss dem europäischen Leitgedanken sollen alle Kinder der Primarstufe an den Schweizer Volksschulen zwei Fremdsprachen lernen. Dies erfolgt meist in zwei bis drei isolierten Fremdsprachenlektionen pro Woche. Dieses Setting scheint insgesamt zu wenig erfolgsversprechend (Elsner & Kessler 2013, S. 24). Der Schweizer Lehrerverband (LCH) stellte kürzlich auf Druck aus Politik und Gesellschaft Forderungen auf, welche auf eine Optimierung des Fremdsprachenunterrichts abzielen. Für das Erlernen einer neuen Sprache braucht es genügend Unterrichtszeit, wie auch die Realisierung von vernetztem Sprachenunterricht (LCH 2015, S. 3). Der frühe Fremdsprachenunterricht ist seit geraumer Zeit tatsächlich immer wieder ein viel diskutiertes, politisches Thema in den Schweiz. Diverse kantonale Abstimmungen in den letzten Jahren hatten zum Ziel nur noch eine Fremdsprache auf der Primarstufe als Unterrichtsfach beizubehalten. Die Befürworter dieser Initiativen nennen die Ineffektivität des frühen Fremdsprachenunterrichts als einen der Hauptgründe, um eines der beiden Fremdsprachenfächer auf die Sekundarstufe zu verlegen. In diesem Zusammenhang kann deshalb CLIL als eine mögliche Lösung angesehen werden, mit der man den Fremdsprachenunterricht ungeachtet des Alters oder Schulstufe der Lernenden in der Volksschule effektiv optimieren könnte (Pfenninger & Singleton 2017, S. 207).
CLIL als solches ist an den Schweizer Primarschulen als methodischer Ansatz nicht fremd. Die Primarschüler*innen erlernen teilweise Englisch indem sie Sachwissen aus naturwissenschaftlichen oder musischen Fächern im Englischunterricht thematisieren. Die modernen Englisch-Lehrmittel (z. B. Young World, New World, Explorers) nennen deshalb CLIL als einer ihrer methodischen Ansätze und meinen damit diese themenzentrierten Sequenzen im Fremdsprachenunterricht (vgl. Frank Schmid & Wuthier 2013; Arnet-Clark & Frank Schmid 2018). Auch wenn nicht die gesamte Unterrichtszeit gemäss dieser Art von CLIL verläuft, so sind es doch immer wieder ausgedehntere Unterrichtsblöcke, in denen die Lernenden relevantes fachübergreifendes Sachfachwissen in der Fremdsprache lernen. Diese Ausrichtung von CLIL, bei dem fachübergreifende Inhalte in den Englischunterricht integriert werden, wird wie bereits angesprochen als CLIL-Variante B bezeichnet (vgl. Abbildung 1). Trotz fachübergreifenden Inhalten ist das Erlernen der Fremdsprache das vordergründige Ziel (Massler & Stotz 2013, S. 9).
Andere Formen des bilingualen Unterrichts, im Sinne der CLIL-Variante A (vgl. Abbildung 1), bei der Englisch als Unterrichtssprache ins Sachfach ausgelagert wird (Massler & Stotz 2013, S. 9), bilden in der Schweiz immer noch die Ausnahme (Brohy 2016, S. 227). Eigentlich ist es erstaunlich, dass in der viersprachigen Schweiz bilinguale Unterrichtsmodelle nicht mehr verbreitetet sind. Auf der Primarstufe ist diese CLIL-Variante in der Schweiz hauptsächlich an privaten bilingualen Schulen anzutreffen, die privilegierten oft aus internationalem Umfeld stammenden Familien bilinguale Bildung anbieten. An den öffentlichen Primarschulen gibt es gemäss einer offiziellen Kantonsumfrage nur entlang der Deutsch-Französischen Sprachgrenze einige immersive oder bilinguale Angebote (vgl. EDK 2017). Zum Beispiel werden im zweisprachigen Kanton Fribourg Primarlehrpersonen mit finanziellen Ressourcen unterstützt, die mindestens 10 % des Unterrichts in der jeweiligen Partnersprache immersiv unterrichten (EKSD 2017). An vereinzelten Schulen oder auf individueller Basis werden projektartige CLIL-Unterrichtseinheiten von innovativen Lehrpersonen durchgeführt. Berichte solcher erfolgsversprechenden bilingualen Projekte existieren, sie wurden jedoch nicht oder nur teilweise empirisch ausgewertet. Um einen Einblick zu gewähren, werden im Folgenden zwei solcher experimentellen Projekte erwähnt, beide jedoch in Verbindung mit der Zielsprache Französisch. Zum einen liegt eine Projektdokumentation sogenannter ‘Îlots immersifs’ vor, in welchen Französischlernende der Fremdsprache in verschiedenen Fachbereichen spielerisch und lustvoll begegneten. Die Stimmen der beteiligten Lehrpersonen und Lernenden sind durchwegs positiv. (Departement Bildung, Kultur und Sport 2014) Zum anderen wurden basierend auf den bereits existieren Projekt explore-it (www.explore-it.org) bilinguale Unterrichtssequenzen entwickelt, mit welchen bei Schüler*innen der 5. und 6. Klasse das Verständnis für technische Alltagsobjekte gefördert werden sollen. Mithilfe vorhandenen Materialschachteln mit Alltagsgegenständen zum Experimentieren und mit Arbeitsanweisungen in der Fremdsprache bauen die Schüler*innen technische Objekte. Dabei setzen sie sich sowohl mit der Zielsprache Französisch als auch mit naturwissenschaftlichen Phänomenen auseinander. Erste Auswertungen zeigen, dass das duale Lernen in dieser projektartigen Umsetzung in knapp zwanzig Klassen erfolgreich verläuft: Trotz der fremdsprachlichen Hürde konnten alle Lernenden am Ende der Lerneinheit ein technisches Projekt fertigstellen und erlebten dabei Erfolgserlebnisse beim Fremdsprachenlernen. (Tinner 2018, S. 49–51)
Aufgrund der Tatsache, dass die Umsetzung solcher bilingualen Module in der Volksschule auf individueller Basis von innovativen Lehrpersonen bottom-up getragen wird, gibt es auch keine offizielle Statistik von Primarschulen, die regelmässigen CLIL-Unterricht oder vereinzelte bilinguale Module in den Unterricht integrieren. Deshalb entsteht insgesamt der Eindruck, dass CLIL in dieser Form an Schweizer Primarschulen wenig verbreitet ist. Als Gründe, wieso dieses grosse Potential für das bilinguale Lernen an den öffentlichen Primarschulen nicht mehr ausgeschöpft wird, werden unter anderem finanzielle und administrative Aufwände vorgegeben (Lüdi 2018, S. 17–18).
Indessen hat CLIL im Kanton Zürich eine beachtliche Tradition. Dies hängt mit dem innovativen Schulprojekt 21 zusammen, das neben anderen Themen im Zusammenhang mit der Einführung des frühen Englischunterrichts von 1998 bis 2003 auf der Primarstufe stattfand. In der Anfangsphase noch als ‘embedding’ bezeichnet, wurde in ausgewählten Klassen pioniermässig CLIL-Unterricht durchgeführt, indem fächerübergreifendes Sachwissen auf Englisch unterrichtet wurde. CLIL in dieser Variante A (vgl. Abbildung 1) als Unterrichtskonzept stiess dabei im Schlussbericht auf hohe Akzeptanz (Meuter & Stotz 2001, S. 243–44). Bei der flächendeckenden Einführung von Englisch auf der Primarstufe im Kanton Zürich im Jahr 2005 wurde CLIL jedoch in der Art und Weise des heute verbreiteten inhaltsorientierten Fremdsprachenunterrichts gemäss CLIL-Variante B (vgl. Abbildung 1) vorgezogen. Dies führte zu dem bereits erwähnten Resultat, dass CLIL als ein methodischer Ansatz die nachfolgend entwickelten Englisch-Lehrmittel stark prägte.
Bei beiden CLIL-Varianten A und B (vgl. Abbildung 1) variieren die Gewichtung des Sach- oder Fremdsprachenlernens stark. Insgesamt schaffen es weder die CLIL-Variante A noch Variante B dem Anspruch des Content and Language Integrated Learning zu gleichen Anteilen gerecht zu werden. Hier setzen Massler und Stotz (2013, S. 10–11) mit ihrer CLIL-Variante C an (vgl. Abbildung 1). Diese neue Stossrichtung gewährleistet die echte Fusion von beiden Fächern und fördert den dualen Kompetenzaufbau. Für den CLIL-Unterricht an der Primarstufe würde das bedeuten, dass sich in einer genuinen Fächerverschmelzung die für diese Schulstufe anstrebenswerte Handlungsorientierung besser umsetzen liesse, als im herkömmlichen themenorientierten Fremdsprachenunterricht. In der vorliegenden Untersuchung werden daher CLIL-Lerneinheiten dieses Typs C in Form von Modulen angestrebt.
Module eignen sich deshalb besonders für die Primarstufe, weil sie sich flexibel, situativ thematisch-passend in den Unterricht integrieren und sich mit relativ wenig organisatorischen Aufwand umsetzen lassen (Bechler 2014, S. 84; Elsner & Kessler 2013, S. 20–21). Sie lassen sich phasenweise nach Kapazitäten ohne Verankerung im Stundenplan umsetzen. Letzterer Aspekt wird als grosser Vorteil gegenüber mehr hochfrequentierten bilingualen Settings betrachtet, weil für deren Umsetzung vorgängig die Unterstützung und Zustimmung auf Ebene der Eltern, Schule und Behörden eingeholt werden müsste (Brohy 2017, S. 1). Auch wenn die eingangs geschilderten positiven Auswirkungen auf das fremdsprachliche, inhaltliche und kulturelle Lernen sich in diesen sporadisch angesiedelten Modulen nicht im gleichen Umfang erreichen lassen (Elsner & Kessler 2013, S. 21), so erhöhen sie trotzdem die Kontaktzeit mit und einen neuen Zugang zur Fremdsprache. Ersteres gelingt deshalb, weil CLIL-Module meist zusätzlich zu den herkömmlichen Fremdsprachenlektionen angeboten werden. Insgesamt können solche Module den vom Schweizer Lehrerverband (LCH) geäusserten Forderungen nach mehr Unterrichtszeit und Vernetzung des Unterrichts Rechnung tragen ohne den bereits vollen Stundenplan weiter zu belasten (LCH 2015, S. 3) oder andere Fächer aus dem Stundenplan zu verdrängen (Berthele 2018, S. 63). Die Primarlehrpersonen in der Schweiz bringen zudem, im Vergleich zu anderen Ländern, die idealen Voraussetzungen als CLIL-Lehrpersonen mit, weil sie die Unterrichtsberechtigung sowohl für die Fremdsprache als auch für weitere Fachbereichen ausweisen (Wolff 2013, S. 22; Lo 2020, S. 17, 21). Infolgedessen können sie die CLIL-Variante C der Gleichberechtigung und voller Integration beider Fächer professionell umsetzen. Sie sind zudem mit den verschiedenen Fachdidaktiken sowie dem fachübergreifenden Lehrplan vertraut, verfügen über die nötigen fremdsprachlichen Kenntnisse und kennen die für diese Zielstufe essentiellen didaktisch-methodischen Konzepte. Ferner sind sie es sich gewohnt die verschiedenen Ausgangsbedingungen und Leistungsgruppen in ihren heterogenen Klassen zu berücksichtigen.
Im nachfolgenden Kapitel wird der Schweizer Primarschulkontext unter dem Kontext der dort vorherrschenden Vielfalt genauer beleuchtet und aufgezeigt, wie CLIL diesem hohen Anspruch nach Differenzierung und Individualisierung gerecht werden kann.
Im Bildungskontext beschreibt der Begriff Heterogenität (griechisch ‘hetero’ als Wortbestandteil für ‘anders, verschieden, fremd’) die Vielfalt im Klassenzimmer. Die Lernenden unterscheiden sich nach Intellekt, Verhalten, Alter, Geschlecht, Sprache, Kultur und Interesse (Klippert 2010, S. 300). Gerade im Primarschulalter liegen Kinder mit demselben Jahrgang in ihrem Entwicklungsalter um mehrere Jahre auseinander. Einerseits weil Eigenschaften und Fähigkeiten in jedem Kind unterschiedlich angelegt sind, anderseits weil diese verschieden schnell ausreifen (Largo & Beglinger 2009, S. 19, 22). Die Vielfalt in Bezug auf Begabungen, Verhalten und Interessen sind zu einem grossen Teil anthropologisch bestimmt. «Die Grundgesetzte der Natur sorgen dafür, dass die Menschen unterschiedlich gepolt sind. Verschiedenheit ist die Regel, Ausstattungsgleichheit die Ausnahme.» (Klippert 2010, S. 62). Der produktive Umgang mit der bestehenden Heterogenität in den Schulen ist demnach aus gesellschaftlicher Sicht von Notwendigkeit als auch von Nutzen. Notwendig deshalb, weil sich darin der Respekt gegenüber dem einzelnen Individuum ausdrückt, wie er für eine moderne Demokratie konstitutiv ist. Und nützlich insofern, weil somit die erforderliche Integrations- und Förderarbeit gewährleistet, die den Schüler*innen die Chance eröffnet, den zukünftigen Anforderungen in der Gesellschaft und im Berufsleben zu meistern. Der Umgang mit Heterogenität gehört sozusagen zu den Grundmaximen der Demokratie und ist ein wichtiges Fundament einer funktionierenden Wirtschaft. (Klippert 2010, S. 64)
Jede Klasse ist somit heterogen und die Herausforderung besteht darin, mit dieser Vielfalt im Unterricht konstruktiv umzugehen. Dieser hohe Anspruch wird im Schulalltag generell als belastend und zeitaufwändig wahrgenommen. «Als problematisch werden diese Unterschiede erst dann erlebt, wenn der höchst individuelle Prozess des menschlichen Lernens einer Normierung unterworfen wird. Dies ist beim institutionalisiertem, also auch beim schulischen Lernen, der Fall.» (Hass & Kieweg 2012, S. 14). Eine leistungsorientierte Homogenisierung von Lernenden hat sich jedoch gemäss Auswertung der PISA-Befunde als nicht lernwirksam herausgestellt. Länder, in denen die Kinder ohne Selektion länger gemeinsam, demnach heterogen, unterrichtet werden, schneiden bei den internationalen Leistungstests besser ab. Die positiven Auswirkungen werden damit begründet, dass in heterogenen Lerngruppen die Lehrpersonen gezielter und konsequenter differenzieren müssen und sich dies positiv auf die Unterrichtsqualität auswirkt. Der Umgang mit der Heterogenität und damit verbundenen Anpassungen im Unterricht zur gezielten Förderung und Forderung der verschiedenen Kinder werden dadurch als selbstverständlich wahrgenommen. (Klippert 2010, S. 30)
Anfänglich wurden bilinguale Unterrichtssettings hauptsächlich entweder an privaten Schulen oder als ein selektives Unterrichtsprogramm zum Beispiel an Gymnasien angeboten. Somit konnten nur privilegierte Lernende aufgrund vorgängiger Selektion, einer sogenannten äusseren Differenzierung, von diesen CLIL-Unterrichtssettings profitieren. Solche bilinguale Unterrichtsangebote verfolgten demnach hauptsächlich das Ziel, Kindern aus elitären Kreisen die Fremdsprache, meist Englisch, näher zu bringen. Dank den europaweiten Bestrebungen die Mehrsprachigkeit flächendeckend allen Lernenden zu ermöglichen, ist CLIL-Unterricht in verschiedensten Ausprägungen zunehmend verbreitet und für alle zugänglich an öffentlichen Schulen anzutreffen. (Wolff 2016, S. 27)
Hinsichtlich der Tatsache, dass bilingualer Unterricht zu Beginn vor allem ein Angebot für leistungsstarke Schüler*innen darstellte, könnte man daraus schliessen, dass CLIL lernschwache Kinder überfordert. Diese Tatsache wurde von einigen Lehrpersonen bei der Durchführung von bilingualen Modulen mit Primarschüler*innen bestätigt. Für gewisse leistungsschwächere Lernende stellt der bilinguale Unterricht eine echte Herausforderung dar, der viel an Konzentration und Ausdauer abverlangt. Dabei hängen einige Kinder ab oder verlieren die Lust am Unterricht (Bechler 2014, S. 205).
Dem gegenüber gibt es verschiedene positive Befunde zum Gelingen von CLIL-Unterricht mit heterogenen Lernenden. Zum Beispiel kommt die in Spanien durchgeführte Studie mit über 2000 Primar- und Sekundarschüler*innen zum Schluss, dass CLIL mit allen Lernenden unabhängig ihres Lernstandes, Vorwissens oder sozial-ökonomischen Status gelingt (Cañado 2019, S. 12). Zudem bringt die an einer deutschen Hauptschule realisierte Untersuchung mit lernschwachen Schüler*innen der 5. und 6. Klasse in Erfahrung, dass trotz den eingeschränkten fremdsprachlichen Kompetenzen die Beteiligung der Lernenden hoch und deren Antworten auf offen formulierte Lehrerfragen recht umfangreich sind. Die mündlichen Beiträge werden von den Forschenden als länger eingeschätzt, als sie im traditionellen Fremdsprachenunterricht an Hauptschulen üblicherweise erwartet werden können (Schwab, Kessler & Hollm 2012, S. 8). Weitere Forschungsergebnisse zeigen, dass CLIL-Unterricht auch auf der heterogenen Primarschulstufe mit Sprachanfängern erfolgreich verläuft, nicht zuletzt, weil Lernende die funktionale, vermittelnde Rolle der Sprache bewusster wahrnehmen und dadurch den Unterrichtsgegenstand tiefer verarbeiten. Ausserdem erfahren im CLIL-Unterricht alle Lernende, was es heisst dem Unterricht zu folgen, wenn man die Instruktionssprache noch nicht vollkommen meistert. Eine wichtige Erfahrung, die sonst nur Lernende mit Migrationshintergrund machen. Im CLIL-Unterricht können dadurch alle Lernende für die sprachliche Heterogenität in der Klasse sensibilisiert werden (Thürmann et al. 2010, S. 15). Ferner zeigt Abendroth-Timmer (2007, S. 181–89) in ihrer Studie durchgeführt in heterogenen Lerngruppen mit Sprachanfängern, dass die teils tiefen fremdsprachlichen Anforderungen keine demotivierende Wirkung auf das bilinguale Lernen haben. Stattdessen befindet sie, dass selbst lernschwache Kinder dank der Verbindung von Sprache und Sachfach für den CLIL-Unterricht motiviert sind. Weitere Untersuchungen kommen zum Schluss, dass die Teilnahme am immersiven oder bilingualen Programmen für Lernende mit unterdurchschnittlichen Schulleistungen keine negativen Auswirkungen auf die allgemeine Schulbildung hat (Genesee 2007, S. 659; Cummins 1984, S. 162). Dies gilt in gleicher Weise auch für Kinder mit Lernschwierigkeiten oder einer Sprachentwicklungsstörung, welche ohne negativen Einfluss auf den Erstspracherwerb oder auf andere schulische Leistungen von der immersiven Lernumgebung profitieren konnten. Die Angst einer Überforderung oder unnötigen Belastung durch eine Teilnahme am immersiven Unterricht von Lernenden mit Defiziten ist somit unbegründet (Schmidt 2016, S. 258). Solche Befunde verdeutlichen, dass Immersions-Unterricht oder bilinguale Programme grundsätzlich für alle Schüler*innen geeignet sind.
Jedoch gilt insbesondere für den CLIL-Unterricht an der Primarschule, wo lernschwächere und lernstärkere Schüler*innen ohne vorgängige Selektion integriert miteinander lernen, dass der grossen Heterogenität eine besondere Beachtung geschenkt werden muss. Lehrpersonen, die tagtäglich mit verschiedenen Lernenden arbeiten, wissen, dass das erfolgreiche Unterrichtsprinzip in einer heterogenen Lerngruppe eine Ausgewogenheit von differenzierten, individualisierten und gemeinsamen Unterrichtsphasen ist (Hass & Kieweg 2012, S. 258; Eisenmann 2019, S. 47). Differenzierung und Individualisierung können als «Kehrseiten derselben Medaille» angesehen werden (Ahlring 2006b, S. 5), welche nicht identisch, sondern komplementär zu betrachten sind: Mit Differenzierung meint man die Bereitstellung von verschiedenen Lernanforderungen und -aktivitäten; unter Individualisierung versteht man die optimale Förderung eines jeden Lernenden auf seinem persönlichen Niveau.
Eine möglichst breite Palette von differenzierten Angeboten mit vielseitigen Lerntätigkeiten im kognitiven, sozialen, kommunikativen und motorischen Bereich erhöht die Chancen, dass möglichst viele Lernende entsprechend ihren individuellen Lernvoraussetzungen profitieren können (Klippert 2010, S. 52; Ahlring 2006b, S. 5). Dabei wird ein handlungsorientiertes Arbeiten, bei dem die Lernenden unter Einbezug der verschiedenen Sinne den Lerngegenstand aktiv konstruieren, als besonders wertvoll angesehen (Eisenmann 2019, S. 68). Neben den verschiedenen Sinnen sollen in einem heterogenitätsfreundlichen Unterricht auch unterschiedliche Lerntypen angesprochen werden. Gardner entwickelt in den frühen 1980er Jahren die Theorie der ‘Multiple Intelligences’ und geht davon aus, dass alle Individuen unterschiedliche Talente haben (Gardner 2006, S. 84). Wie die Abbildung 3 verdeutlicht, unterscheidet er zwischen acht Intelligenzbereichen. «As the name indicates, I believe that human cognitive competence is better described in terms of a set of abilities, talents, or mental skills, which I call intelligences.» (2006, S. 13 Hervorhebung im Original). Gemäss Gardner besitzen alle Individuen diese verschiedenen Intelligenzen, jedoch sind sie bei jeder Person unterschiedlich ausgeprägt. Auch wenn seine Theorie empirisch umstritten ist (vgl. Woolfolk 2014, S. 123–24), unterstreicht sie einmal mehr die Tatsache, dass jeglicher Unterricht breit abgestützt und vielgestaltig ausfallen sollte, damit den Lernenden vielfältige Zugänge zu den Lerninhalten geboten werden können (Gardner 2006, S. 145).
Im CLIL-Unterricht in der Fächerkombination Englisch und Bildnerisches Gestalten, wo handelndes, kreatives und räumliches Lernen auf linguistisches, soziales Lernen zusammentreffen, können mehrere dieser acht Intelligenztypen beispielhaft vereint werden: «Gestaltet man Lernangebote so, dass sprachliche oder analytische Talente in einem didaktischen Geflecht mit bewegungsbetonten, visuellen und musischen Dispositionen interagieren können, sind positive Effekte auf das Lehren und Lernen wahrscheinlich.» (Gehring 2017, S. 17). Zudem fördert diese spezifische Fächerfusion das holistische Lernen mit verschiedensten Sinnen. Dadurch dass das Lernen über den auditiven, visuellen und haptischen Sinn passiert, werden erneut verschiedene Schüler*innen samt ihren unterschiedlichen Talenten angesprochen (Klippert 2010, S. 61; Eisenmann 2019, S. 68). Die dabei begleitenden kommunikativen Handlungen, die im CLIL-Unterricht eine hohe Stellung einnehmen, leisten als Versprachlichung des Wahrgenommenen und Gelernten beim gemeinsamen Austausch einen wichtigen Beitrag für die Behaltensleistung. Davon profitieren erneut die lernschwächeren als auch lernstärkeren Schüler*innen (Klippert 2010, S. 68) – vorausgesetzt Lernende mit basaler Sprachkompetenz werden im CLIL-Unterricht mit entsprechendem Scaffolding begleitet (Bonnet 2016, S. 41–42). Da zudem Bilder die fremdsprachliche Rezeption als auch Produktion erleichtern, kann die Heterogenität ohne aufwändige Differenzierung gut berücksichtigt werden (Rymarczyk 2015, S. 194). Schliesslich verspricht gerade der bilinguale Zeichnungs- und Kunstunterricht ein hohes Mass an «Individualität der persönlichen Kreativität» (Rymarczyk 2003, S. 122). Das bedeutet, dass die Lernenden dank der Anwesenheit von Bildernischen Gestalten während längerer Phasen selbstständig und autonom arbeiten können. Dies vereinfacht den Umgang mit der Heterogenität zusätzlich, weil die Lehrpersonen in solchen Phasen die Möglichkeit erhalten Lernende individuell zu fördern und zu begleiten.
Übersicht über die acht Intelligenzen nach Gardner
Nachdem die Passung von CLIL für den Kontext der Schweizer Primarschule mitsamt der dort vorherrschenden Heterogenität dargelegt wurde, wird im folgenden Kapitel aufgezeigt, wieso sich CLIL-Unterricht in Verbindung mit dem Fachbereich Bildnerisches Gestalten – zusätzlich zu den eben aufgezeigten Vorzügen im Zusammenhang mit der Heterogenität – besonders eignet.
Traditionell sind es eher die gesellschafts- und naturwissenschaftlichen Fächer, die für den CLIL-Unterricht oder immersiven Sequenzen auf den verschiedensten Schulstufen eingesetzt wurden. Den musischen und sportlichen Fächern wurden bislang in der Praxis aber auch Forschung relativ wenig Beachtung geschenkt. Erst seit einigen Jahren zeigt sich zunehmend Interesse für die Verwendung des Fachbereichs Bildnerisches Gestalten (fortan BG) für bilinguale Unterrichtsettings (Rymarczyk 2015, S. 183; 2013, S. 265). Dies ist erstaunlich, da die Gründe für dessen Eignung für den CLIL-Unterricht gerade für Sprachanfänger der Primarstufe gegenüber den mehr textbezogenen, wissenschaftlichen Fächern zahlreich sind (Heim 2015, S. 57). Es ist an dieser Stelle anzumerken, dass die Eignung von BG für bilinguale Sequenzen bislang praktisch ausschliesslich von Fremdsprachendidaktiker*innen erforscht wurde und dieses Fach von ihnen – wie nachfolgend aufgezeigt – für die Umsetzung von CLIL sehr wertgeschätzt wird (Rymarczyk 2015, S. 183).
Drei qualitative Untersuchungen (Bechler 2014; Witzigmann 2011; Rymarczyk 2003) und eine gut dokumentierte Unterrichtsreihe (Knorr & Teske 2010), die allesamt in Deutschland den Kunst-/Zeichnungsunterricht in Kombination mit Englisch oder Französisch in Primar- oder Sekundarschulklassen ergründeten, beschreiben die Eignung des Fachbereichs BG für die Umsetzung von CLIL-Unterricht vielperspektivisch.
Bechler (2014) begleitete wissenschaftlich die Durchführung von zwei CLIL-Modulen im Fächerverbund ‘Mensch, Natur und Kultur’, in dem ‘Bildende Kunst’ untergebracht ist. Auch wenn sie Grenzen des bilingualen Lernens für Sprachanfänger der zweiten und dritten Primarschulklasse in Verbindung mit dem Vermitteln von anspruchsvollen Inhalten beschreibt, ergaben sich bei ihrer qualitativen Untersuchung eine Reihe von positiven Erkenntnissen. So konnten die Lernenden dem Unterricht auf Englisch gut folgen und waren motiviert als auch bemüht trotz limitierenden Sprachkompetenzen aktiv am Unterricht teilzunehmen – auch wenn teilweise der Austausch in der Schulsprache passierte. Zudem konnte sie beobachten, dass vielseitiges implizites Sprachlernen stattfand und dass die Lernenden Strategien anwendeten, um Verständnisschwierigkeiten zu umgehen (Bechler 2014, S. 238).
Auch Rymarczyk (2003) kommt zu ähnlichen Resultaten. Sie macht ebenfalls die kontextreiche Lernumgebung frei von Druck dafür verantwortlich, dass Lernende anfänglich zeigend, unterstützt mit minimalen verbalen Äusserungen aktiv am Unterricht teilnehmen und nach kurzer Zeit auch längere Redebeiträge produzieren konnten (Rymarczyk 2003, S. 269–70). Diese Erkenntnis resultiert aus ihrer Untersuchung mit Sprachanfängern der 6. Gymnasiumklasse (entspricht der 6. Primarstufe in der Schweiz), welche erst seit eineinhalb Jahren den Englischunterricht besuchten. Zudem gelingt es im bilingualen Kunstunterricht die Diskrepanz zwischen den sachfachlichen und fremdsprachlichen Kompetenzen der Lernenden zu überwinden. Folglich braucht es bei dieser Art von CLIL-Unterricht weniger explizite Spracharbeit und Rückgriffe auf die Schulsprache können weitgehend vermieden werden. (Rymarczyk 2003, S. 158)
Ferner zeigt die Unterrichtsreihe von Knorr und Teske (2010), dass im bilingualen Kunstunterricht ausgehend von alltagssprachlichen Reaktionen zu einem Kunstwerk ein vertieftes Ergründen des Lerngegenstandes stattfinden und schliesslich ein erweitertes, fachspezifisches Sprachhandlungsrepertoire aufgebaut werden konnte. Die beiden Autorinnen schlussfolgern, dass eine solche Verschmelzung von alltags- und fachsprachlichen Anteilen in geeigneten «sprachkünstlerischen» Lernaufgaben gewinnbringend eingesetzt werden kann. Insgesamt können auf diese Weise im CLIL-Unterricht die rezeptiven als auch produktiven Sprachkompetenzen vielseitig gefördert werden. (Knorr & Teske 2010, S. 153)
Neben den positiven Auswirkungen des bilingualen BG-Unterrichts auf das fremdsprachliche Lernen, dokumentiert die Untersuchung von Witzigmann (2011) den erfolgreichen sachfachlichen Kompetenzaufbau. In ihrer Studie, die Kunst- und Zeichnungsunterricht in französischer Sprache mit Schüler*innen der 5. Realschulklasse (was der 5. Primarschulstufe in der Schweiz entspricht) durchführte, konnten die inhaltlichen Anforderungen aus dem Lehrplan trotz geringen Französisch Kenntnissen der Schüler*innen erfolgreich erreicht werden. Wiederum werden dafür die hohe Anschaulichkeit, Handlungsorientierung und Ganzheitlichkeit der Lerninhalte verantwortlich gemacht (Witzigmann 2011, S. 334). Zudem geben die Lernenden in Interviews bekannt, dass sie aufgrund der fremden Sprache kognitiv mehr gefordert waren, besser zuhören oder auch nachfragen mussten und so auch mehr zum Denken angeregt wurden. Insgesamt erscheint den Lernenden diese Unterrichtsform weniger langweilig, was wiederum zu mehr Lernzuwachs führt. (Witzigmann 2011, S. 148)
Wie die soeben dargelegten empirischen Befunde zeigen, gilt die Anschaulichkeit als ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des am CLIL-Unterrichts beteiligten Sachfaches (Heim 2015, S. 44). BG zeichnet sich naturgemäss durch eine hohe Anschaulichkeit aus. Wie bereits erwähnt, lernen gerade Kinder Sprachen ganzheitlich und multisensorisch, indem sie Lerngegenstände authentisch und lebensnah erfahren können. Dieser Anspruch kann im BG vollumfänglich erfüllt werden. Dank den visuellen Informationen werden lange Beschreibungen überflüssig, stattdessen gelingt eine genuine Kommunikation mit Gestik und zeigend mittels deiktischen Aussagen (This here., I like that one., …)