Confessiones. Bekenntnisse - Augustinus - E-Book

Confessiones. Bekenntnisse E-Book

Augustinus

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Beschreibung

Aurelius Augustinus (354-430) gilt vielen als der größte Autor der lateinischen Christenheit, und seine autobiographischen Confessiones sind ohne Zweifel sein bedeutendstes Werk. Diese Auswahl stellt aus den insgesamt 13 Büchern die wichtigsten Abschnitte zusammen, die den Werdegang des Autors und seine Haltung zu den großen philosophischen und religiösen Themen beleuchten: Irrtum und Wahrheit, Schöpfung, Zeit und Ewigkeit sowie das Wesen Gottes. So entsteht ein repräsentativer Eindruck von der Struktur und dem Duktus des Werkes. Texte in der Originalsprache, mit Übersetzungen schwieriger Wörter, Nachwort und Literaturhinweisen.

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Seitenzahl: 180

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Aurelius Augustinus

Confessiones

Bekenntnisse

Ausgewählt und herausgegeben von Frank Oborski

Reclam

2011 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Made in Germany 2017

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-960486-2

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019822-3

www.reclam.de

Inhalt

Einleitung

Zur Benutzung dieser Ausgabe

Autor und Werk

Augustinus – ein Baumeister der katholischen Kirche

Die Confessiones

Gattung und Funktion der Confessiones

Übersicht: Die Bücher der Confessiones

Confessiones (Auswahl)

1. Buch: Ursprünge; von der Kindheit bis zur frühen Jugend

2. Buch: Früchte des Bösen; Verirrungen der Jugend; trügerische Lust

3. Buch: Verlockungen städtischer Kultur und Lockruf der Philosophie

4. Buch: Irrtum und Wahrheit; 19.–28. Lebensjahr

5. Buch: Abkehr von den Manichäern; von Faustus zu Ambrosius

6. Buch: Freundschaft im Vorhof der Kirche; 30. Lebensjahr

7. Buch: Platon als Vorstufe der wahren Erkenntnis und Pauluslektüre

8. Buch: Begegnungen zur Bekehrung

9. Buch: Abkehr von der Welt und Tod der Mutter

10. Buch: Ich, Augustinus – eine psychologische Bestandsaufnahme unter Brüdern

11. Buch: Schöpfung, Zeit und Ewigkeit im Spiegelbild der Liebe

13. Buch: Unwandelbare Weisheit, Wesen und Güte Gottes

Anhang

Abkürzungen und Symbole

Lernwortschatz

Verzeichnis der Eigennamen

Verzeichnis der Bibelzitate

Stil und Stilmittel

Besonderheiten des Vokabulars und der Syntax

Literaturhinweise

Hinweise zur E-Book-Ausgabe

Einleitung

Zur Benutzung dieser Ausgabe

Der Text dieser Auswahl basiert auf den Ausgaben von Verheijen und O’Donnell (→Literaturhinweise). Auslassungen wurden mit einem Lückenzeichen kenntlich gemacht, gleichwohl wurde versucht, die konzeptuelle Einheit des Werkes erfahrbar zu machen und zugleich ein ungehindert fortschreitendes Leseverständnis zu ermöglichen. Bibelzitate im lateinischen Text sind durch Kursivdruck kenntlich gemacht. An Ende der Einleitung gibt eine Kapitelübersicht mit Jahreszuweisung Aufschluss über den Inhalt der gesamten Confessiones.

Der Kommentarteil erläutert die einzelnen Textstellen vor allem sprachlich mit dem Ziel des morphologischen, syntaktischen und semantischen Verständnisses. Die traditionelle Gliederung (Kapitel- und Paragraphenzählung) des lateinischen Textes wurde beibehalten; auf sie bezieht sich der Kommentar.

Vorausgesetzt wird die Kenntnis der in Reclams Standardwortschatz Latein (Universal-Bibliothek Nr. 19780) enthaltenen Vokabeln; diese werden nicht angegeben, es sei denn, sie erscheinen in einer Spezialbedeutung. Nicht vorausgesetzte Vokabeln werden im Kommentar entweder angegeben oder mit einem Herleitungshinweis versehen, wo sich dies anbietet (das Symbol »~« bedeutet ›entspricht‹, »<« bedeutet ›abzuleiten von‹, »↔« bedeutet ›ist das Gegenteil von‹).

Vokabeln, die auf engem Raum mehrfach vorkommen, werden nur bei ihrem ersten Auftreten angegeben. Der Verweis »→V« bedeutet, dass das Wort zu dem Vokabular gehört, welches im Anhang dieser Ausgabe im Lernwortschatz aufgeführt ist; dieser Lernwortschatz enthält alle in der Ausgabe häufiger vorkommenden Vokabeln, die sich nicht im Standardwortschatz finden. Da im Kommentar die Angaben nur dem Textverständnis, nicht aber der weiterführenden Wortschatzarbeit dienen sollen, wird dort auf alle nicht unbedingt notwendigen Angaben (z. B. sämtliche Stammformen von Verben, die im Text nur im Präsensstamm auftauchen) verzichtet. Dasselbe gilt für die Kennzeichnung von langen Vokalen. Im Gegenzug finden sich die vollständigen Angaben bei den Wörtern im Lernwortschatz des Anhangs, da mit Hilfe dieses Verzeichnisses aktive Wortschatzarbeit betrieben werden kann und soll.

Gleichfalls im Anhang findet sich ein Verzeichnis der im Text vorkommenden Eigennamen (auf welches im Kommentar aus Platzgründen nicht jedes Mal einzeln verwiesen wird), ebenso eine Liste rhetorischer Stilmittel. Auch ist ein Stellenverzeichnis der Bibelzitate beigegeben.

Autor und Werk

Augustinus – ein Baumeister der katholischen Kirche

Die Entwicklung der katholischen Kirche bis in die Zeit des Augustinus lässt sich vereinfacht in fünf Stufen darstellen. Jede hatte im Kampf mit Krisen und Konflikten der jeweiligen Zeit ihre eigenen »Bauaufgaben und Baumeister«.

1. Das »Fundament«: Jesu Lehre (1 Kor 3,11) und die Apostel, besonders Paulus durch seine Theologie der Gnade, begründeten die Urgemeinde (30–70 n. Chr.; etwa 49 Gemeinden).

2. Die »Basis« der Märtyrer: ihr Zeugnis gegenüber der Autorität des Kaiserkults erwies die Wirklichkeit des Glaubens (vorkatholische Stufe: 70–140).

3. Die »Säulen« der Apologeten: die Verteidiger des Christentums setzten sich argumentativ gegen die Angriffe auf die Christen zur Wehr und propagierten die Überlegenheit des Christentums (frühkatholische Kirche: 160–180; Ausbau der kirchlichen Hierarchie, Zunahme der bischöflichen Gewalt: ab 180; Entscheidungskampf zwischen Christentum und heidnischem Glauben: 305–311).

4. Die »Mauern« der Reichskirche: Konstantin erklärte im Jahr 313 zu Mailand, allen Religionen sei Toleranz zu gewähren (konstantinische Wende; etwa 422 Gemeinden).

5. »Stützwerk, Dach und Fenster« der Staatskirche: Theodosius I. (347–395), der bereits von Konstantinopel aus regierte, machte das Christentum im Jahr 380 zur Staatsreligion.

Die Zeit des institutionalisierten Traditionswechsels vom Heidentum zum Christentum erzwang eine gegen Abspaltungen starke, einheitliche Kirche. So hatte sich z. B. in den nordafrikanischen Provinzen um Karthago herum unter dem Druck der letzten Christenverfolgung (305) die extremistische Splittergruppe der sogenannten Donatisten (Anhänger des Donatus, Bischofs von Karthago) herausgebildet. Weder der Staat, der sein Schicksal an das Wohlergehen des Christentums geknüpft hatte, noch die Vertreter der allgemeinen (= katholischen) Kirche duldeten extremistisches Sektierertum. Der Kampf gegen die Gegner der Einheitskirche ging einher mit ihrer Ausgestaltung und Festigung: In Rom wurde Hieronymus 383 mit der Übersetzung der Bibel ins Lateinische beauftragt. Der autoritäre Bischof Ambrosius stärkte 386 in Mailand die Bedeutung des katholischen Gottesdienstes durch das gemeinsame Singen eigens gedichteter Hymnen mit neuer metrischer Form (vgl. Confessiones 9,7,15). Die Ästhetisierung des liturgischen Kultus, die Ausbildung einer christlichen Dichtung durch Prudentius (348–405) zeigen ein kulturell starkes und selbstbewusstes Christentum, das sich hauptsächlich mit den Mitteln der Sprache in der heidnischen Welt behauptet.

Augustinus (354–430) war auf eher unbedeutendem Posten als Bischof des nordafrikanischen Küstenortes Hippo Regius (heute Annaba in Algerien) der produktivste aller »Baumeister« der Kirche. In zahlreichen Streitschriften widerlegte er in zeitlicher Abfolge die Lehren der Manichäer (388–498), der Donatisten (400–412) und der Pelagianer (412–430). Um sein Werk und besonders seine Confessiones einordnen zu können, muss man verstehen, dass er von der Substanz her nichts an dem Grund verändert hat, der Jahrhunderte zuvor in der Zeit der Urgemeinde gelegt worden war. Inspiriert von dem »römischen« Juden Paulus und der hymnischen Aura der Psalmen bestand seine Leistung darin, die tradierte Glaubenswahrheit vom Evangelium der Gnade zu verfeinern, zu vertiefen und ihre Anwendungsbereiche auszudehnen. Augustinus, römischer Nichtjude, ist gleichsam ein gereifter, modernerer Paulus. Durch seine Interpretation des Völkerapostels kommt die Heidenmission, deren Grund der zum Christentum bekehrte Jude gelegt hatte, zu einem ersten Abschluss und folgerichtigen Höhepunkt.

In Auseinandersetzung mit abweichenden Positionen schuf Augustinus weitreichende Grundlagen. So entwickelte er die Gnadenlehre, die er bei Paulus entdeckt hatte (Gal 2,16; Eph 2,8; Röm 3,24; 2 Kor 12,9), erst in Gegnerschaft zu Pelagius (um 350–416), der Erbsünde und Prädestination leugnete und die Bedeutung der Gnade für die Erlösung durch den Vorrang guter Werke ersetzte.

Sein Erfolg hat mehrere Voraussetzungen. Er war ein begnadeter Redner und vielseitig interessierter Autor, der sentenzenreich schrieb, sich schwierigsten Themen widmete (Sprachentwicklung, Gedächtnis, Zeit) und komplizierte Sachverhalte in zugespitzter Form auf den Punkt brachte. Er erarbeitete einen Fundus, aus dem die Kirche in einem zerfallenden Reich Begründungs- und Legitimationskraft schöpfen konnte, um ihre innere Einheit zu wahren. Wissensdurst und Streben nach Wahrheit förderten seine Studien und ließen ihn das Erbe der heidnischen Antike zu einem großen Teil überschauen.

Die Wechselwirkung von klassischer Bildung vor und christlichen Studien nach seiner Bekehrung ist in diesem Zusammenhang von größter Bedeutung. Ohne erstere hätte er nicht zur literarischen Größe gefunden, die etwa aus seinem Alterswerk De civitate dei spricht, ohne die Begegnung mit der Heiligen Schrift hätte er keinen Anlass gehabt, das kreative Potential seines sprachlichen Könnens, mit dem er zur Literaturfähigkeit des Christentums beitrug, auszuschöpfen. Anders gesagt: ohne das »Tolle, lege!«, Gipfelpunkt seiner Bekehrung (Confessiones8,12,29), hätte sein Genie nicht die formal und inhaltlich neuartigen Confessiones hervorgebracht, hätte er nicht den literarischen Formwandel von der Klassik zum christlichen Latein durchlaufen und sich nicht vom klassischen Rhetor zu einem der fruchtbarsten Prediger des Christentums entwickelt. Augustinus’ Offenheit und Empfänglichkeit machten ihn zu einem Kaleidoskop seiner Zeit – Sammelpunkt und Prüfstein der wichtigsten zeitgenössischen Kultur- und Glaubenspositionen. Bedingt durch diese Vielheit ideologischer Ausrichtungen hegte er einen ruhelosen, existentiell verspürten Zweifel, der sich vielerorts in den Confessiones ausdrückt. Die Fähigkeit zu zweifeln war bei Augustinus mit einem kreativ-reformerischen Potential verbunden, vielleicht auch aufgrund seiner eigenen negativen Bildungserfahrungen.

Seine enorme Produktivität führte dazu, dass schon bald nach seinem Tod aus seinem Werk Passagen exzerpiert und in neuem Zusammenhang präsentiert wurden. So entstanden Augustinus-Florilegien, die nachfolgenden Generationen über Jahrhunderte in einer ersten katholischen Universaltheologie Orientierungspunkte boten. Bis heute dient Augustinus der Kirche als Korrektiv und Christen wie Nichtchristen als Inspirationsquelle. Ob Theologe (Meister Eckhart, Benedikt XVI.), Dichter (Petrarca, Rilke) oder Philosoph (Pascal, Heidegger) – wo immer ein schöpferischer Geist auf Augustinus trifft, findet fruchtbare Auseinandersetzung mit seinem Denken statt. Doch auch jenseits der Fachdisziplinen kann er Anstoß zu Selbstbegegnung und Auseinandersetzung mit dem eigenen Denken sein – man denke nur an Sophie Scholl.

Die Confessiones

Als Augustinus mit 43 Jahren, im zweiten Jahr nach seiner Weihe zum Bischof von Hippo Regius (395), die Arbeit an den Confessiones aufnahm, trennten ihn etwa zwei Generationen von der konstantinischen Wende. Die Schrift macht deutlich, wie sehr Erstarken und Fortbestand der Kirche an persönliche Schicksale geknüpft sind. Umgekehrt dokumentiert sie aus nächster Nähe, wie die Lebensgeschichte eines Mannes in die Entscheidung für ein Leben im christlichen Glauben mündet. Die von Augustinus entfalteten Glaubensinhalte werden als gelebte Theologie in ein literarisches Kunstwerk gefügt, das autobiographischen Charakter trägt und sich als Handbuch zum Verständnis seines Autors lesen lässt.

Die Bücher 1 bis 7 haben seinen Lebenslauf bis 386 zum Gegenstand. Auf der Suche nach Halt und Orientierung schöpfte Augustinus die Kultur- und Bildungsangebote seiner Zeit aus. Dabei näherte er sich mit zunehmendem Grad der Erkenntnis immer mehr den Schriften, die die christliche Glaubenstradition begründen. Auf das nächstliegende Orientierungsangebot seiner Zeit, den Manichäismus, verfällt er bei der ersten Gelegenheit und bleibt ihm lange verhaftet. Es folgt die Auseinandersetzung mit Aristoteles, mit Platon in der Vermittlung durch den Neuplatonismus und schließlich mit Paulus und dem Alten Testament.

Im Gartenerlebnis (Buch 8) – es gehört wie das Damaskuserlebnis des Paulus zum Kanon literarischer Bekehrungsgeschichten – und im letzten Gespräch mit Monnica (Buch 9) findet seine innere Entwicklung Höhepunkt und Abschluss. Es folgt die Status-quo-Analyse des Bekehrten (Buch 10), die Erforschung einiger Probleme, die mit dem Wesen der Schöpfung zu tun haben (Buch 11), die Exegese der ersten Verse der Schöpfungsgeschichte (Buch 12) und die abschließende Betrachtung des Wesens Gottes im Verhältnis zur Schöpfung (Buch 13).

So gliedern sich die Confessiones in einen biographischen (Buch 1 bis 9) und einen ontologisch-exegetischen Teil (Buch 10 bis 13), doch so, dass die Bücher 8 und 9 für sich getrennt betrachtet werden müssen. Die Bücher 1 bis 7 und die Bücher 10 bis 13 haben in etwa den gleichen Umfang, die Bücher 8 und 9 einrahmend. Das Gartenerlebnis steht in der Mitte des gesamten Werkes. Augustinus spricht also genauso viel über sein bis zur Bekehrung gelebtes Leben wie über die gefundene Wahrheit. Der biographische Teil steht im Zeichen der Zeitlichkeit, bestimmt von Unruhe und unsteter Suche eines auf die Erkenntnis Gottes hin programmierten Lebens. Dieses Leben verläuft wie eine kontinuierliche Verkettung von Katastrophen. Die Spannung erreicht gegen Ende von Buch 8 in der unerträglichen Zerrissenheit, die Augustinus im Garten der Mailänder Herberge erlebt, ihren Höhepunkt. In Buch 9 beendet das erlösende und auf die Ewigkeit weisende Gespräch mit der Mutter einen Reigen von Tod, Verlust und Trauer.

Dieses Gespräch mit der Mutter, einer kompositorischen Hauptfigur der Confessiones, markiert die Schaltstelle zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit. Hier fällt wie durch die zarte Membran der Liebe das Licht der Ewigkeit auf den von Tod und Not zersetzten Raum der Vergänglichkeit. Im ontologisch-exegetischen Teil (Buch 11 bis 13) wird im Zeichen von Ruhe und Ewigkeit und in gläubiger Verwunderung über Zeit und Schöpfung nachgedacht. Nicht länger vergeht Augustinus als Teil der Schöpfung in der Zeit, nicht länger wird er von rastloser Hektik verzehrt, sondern die im Wort Gottes Gestalt gewordene Ruhe ergreift Besitz vom Autor.

Buch 10 bereitet mit der memoria-Theorie die Betrachtung von Schöpfung und Ewigkeit. Es ist, als wolle Augustinus in diesem Abschnitt, dem längsten Buch der Confessiones, Anlauf nehmen und Kraft schöpfen, um in den folgenden drei etwa gleich langen Büchern das Wesen Gottes zu erforschen. Man muss kein Zahlenmystiker sein, um in der ganzen Komposition eine Absicht zu erkennen: hier der in unterschiedlich umfangreiche Einzelbilder zergliederte Lebenslauf, dort die ebenmäßige Einteilung, in der die Trinität Gottes gefeiert wird.

So erklärt sich auch, dass der biographische Teil mit dem Tod der Mutter endet. Der Bekehrte hat sein Ziel erreicht. Ihm ging es nicht darum, eine Biographie zu schreiben. Der Tod von Sohn und Mutter erscheint ihm wie eine Erleichterung, mit ihnen begräbt er seine Vergangenheit. Während vorher alles Provisorium war, ist nun alles ein und dasselbe Ereignis im Licht der Ewigkeit. Einen Hinweis darauf, dass Augustinus die zurückliegenden Jahre als abgeschlossenes Kapitel betrachtet, gibt sein literarisches Selbstverständnis: An den Verbleib und Umfang seiner »vorchristlichen« Schrift De pulchro et apto will er sich nicht mehr erinnern können. Sein Œuvre, sein Leben beginnt in Cassiciacum. Aber die Abwendung von der Welt und dem an der heidnischen Klassik orientierten Bildungsbetrieb bedeutet nicht Weltflucht, die Sympathie für eine mönchische Lebensweise ist nicht mit Eskapismus zu verwechseln. Die Confessiones sind selbst Teil und Ausdruck eines neu entdeckten Lebens voll kindlicher Neugier, authentisches Zeugnis und Produkt des durch die Bekehrung freigesetzten Tatendrangs. Dabei geht es ihm nicht um eine große Karriere, die er auch als kaiserlicher Beamter hätte machen können. Es ist ein bemerkenswerter Umstand seiner Biographie, dass er nach dem geistlichen Lebenshöhepunkt in die Bescheidenheit seiner provinziellen Herkunft zurückkehrt, wo er, unversiegliche Kraft aus der Entdeckung der Liebe schöpfend, bis zu seinem Lebensende in Hippo Regius am 28. August 430 mit wachsender Produktivität arbeitet.

Gattung und Funktion der Confessiones

Vielseitig wie ihr Autor, mehrdeutig wie der Begriff confessio (Bußbekenntnis, Glaubensbekenntnis, Lobpreis), tragen die Confessiones als Kaleidoskop christlichen Glaubens Merkmale mehrerer Gattungen und erfüllen unterschiedliche Funktionen.

1. Autobiographie mit narrativen Elementen eines Entwicklungsromans. Aufschlussreich sind Vergleiche zu Rousseaus Confessions (1765–70), Flauberts L´Éducation sentimentale (1869), Musils Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906) und Hesses Demian (1919) und Siddhartha – Eine indische Dichtung (1922).

2. Bekenntnis-, Buß- und Läuterungsschrift mit missionarischem Charakter. Augustinus ist selbstbewusst genug, das eigene Leben als Paradigma erlebter Gotteswirksamkeit zu verstehen. Auch anderen weist er somit den Weg zur Entwicklung eines persönlichen Verhältnisses zur inneren Wahrheit (10,3,3; 10,8,15). Die Individualisierung des Gottesverhältnisses durch Selbstprüfung kennen wir schon aus dem Alten Testament. Auch dass das Böse im Menschen von Geburt an verwurzelt sei, ist keine Erfindung von Augustinus (1 Mos 8,21). Neu ist, dass er mit Forschergeist psychologisierend bereits im Wesen des kleinen Jungen nach der Wurzel des Bösen gräbt.

3. Theologisches Manifest, dessen Kerngedanken (Gnadenlehre, Erbsünde, Prädestination, Trinität) am Prüfstein des Lebens entwickelt und im kritischen Moment der theologischen Selbstbesinnung festgeschrieben werden. Wie im Alterswerk De civitate dei, dem Gipfel der Apologetik, das Imperium Romanum als heilsgeschichtliches Instrument interpretiert wird, so erweist sich in den Confessiones in kleinen individualgeschichtlichen Bezügen jedes Detail als Instrument des göttlichen Willens, der seinerseits die Wiedergeburt des Menschen erwirkt. Diese wiederum gewinnt Gestalt im Sakrament der Taufe, deren Bedeutung in den Confessiones mehrfach bekenntnishaft als Prüfstein und Waagschale zwischen Tod und Leben, Verfall und Beständigkeit herausgestellt wird. Diese Anschauungen werden als Ergebnis tiefer Erfahrung in einem existentiellen Kontext beschrieben, nicht als bloßes Dogma vermittelt.

4. Predigt, Gebet und Lobpreis Gottes, eine hostia iubilationis (4,1,1) mit hymnisch-liturgischen Zügen, getragen von den von Anfang bis Ende eingeflochtenen Bibelzitaten (über 500, davon 293 aus den Psalmen). Sie werden durchgängig auch stilbildend als Ausdrucksmittel eingesetzt und rücken die wirkungsvolle rhetorische Instrumentierung der Confessiones als euphorisches Dankopfer des ehemaligen Rhetorikprofessors ins rechte Licht. Augustinus hat das Wort Gottes der Heiligen Schrift, hierunter besonders die Psalmenzitate, als glaubenswirksames Zeugnis einer lebendigen Religion entdeckt. Eingebunden in die Syntax des Lebens erfüllen sie darüber hinaus als Mittel der Bibelexegese den didaktischen Zweck, den Leser an Gottes Wort heranzuführen und die Wahrheit seiner Botschaft nachvollziehbar zu machen. Es handelt sich um Fortschreibung und Tradierung der Psalmen im Gewand modernster lateinischer, das heißt christlicher Prosa. In den Büchern 11 bis 13 wandeln sich die Confessiones gänzlich zu einer Exegese des göttlichen Wortes, und es wird klar, warum die Auslegung die ersten Verse der Schöpfungsgeschichte (Gen 1,1–2) zum Gegenstand hat: Die Lektüre eines Buches beginnt nun einmal am Anfang. Tatsächlich wird man durch die Lektüre der Confessiones auf die Begegnung mit wesentlichen Aussagen des Alten und Neuen Testaments vorbereitet. So kann in der didaktisch durchdachten Heranführung eines breiteren Publikums an Schrift und Kirche die Fortführung der Bischofstätigkeit mit literarischen Mitteln gesehen werden.

5. Unterrichtsmonolog mit protreptischem Charakter: Etwa 700 oft rhetorische Fragesituationen schaffen die Atmosphäre einer lebhaften Auseinandersetzung, an der Augustinus den Leser teilhaben lässt. Kernproblem des Unterrichts: die vita beata.

6. Ratgeber in Fragen der Lebensführung: so behandelt Augustinus im zehnten Buch Bereiche des menschlichen Lebens (Essen, Trinken, Musik, Sexualität) mit dem Hinweis auf das jeweils angemessene Verhalten. Andernorts lotet er zu allen Zeiten drohende Gefahren aus (Gruppenzwang, Gewohnheiten mit Suchtpotential, Verrohung, Sektenzugehörigkeit). Augustinus mahnt zur Besinnung, zur Selbstprüfung und kritischen Auseinandersetzung mit allem. Ernst, Tiefe, Offenheit und literarische Qualität seiner [16] Lebensbeichte empfehlen ihre Lektüre nicht nur Bücherfreunden, schon gar nicht nur Christen, sondern allen, die auf der Suche sind.

Übersicht: Die Bücher der Confessiones

Buch 1: Kindheit, traumatische Erfahrungen in Elementar- und höherer Schule, frühe Jugend (1.–15. Lebensjahr / 354–369)

Buch 2: Pubertätswirren, Birnendiebstahl (16. Lebensjahr / 370)

Buch 3: Studentenleben in Karthago, Hortensiuslektüre, Manichäer (17.–19. Lebensjahr / 371–373)

Buch 4: Lehrtätigkeit in Thagaste, Tod des Freundes, Flucht nach Karthago (19.–28. Lebensjahr / 373–382)

Buch 5: Rom, Faustus, Zweifel an Manichäern (29. Lebensjahr / 383)

Buch 6: Mailand, Ambrosius (30.–31. Lebensjahr / 384–385)

Buch 7: Neuplatonische Studien (32. Lebensjahr / 386)

Buch 8: Seelsorge durch Simplicianus, Besuch des Ponticianus, Gartenerlebnis, Bekehrung (32. Lebensjahr / 386)

Buch 9: Abkehr von der Welt, Aufgabe des Berufs, Cassiciacum, Taufe durch Ambrosius (387), Tod der Mutter, des Sohnes Adeodatus und des Freundes Nebridius (32.–36. Lebensjahr / 386–390)

Buch 10: Zweck der Lebensbeichte, kritische Selbstbetrachtung, Memoria-Theorie, ethische Erwägungen

Buch 11: Gottes Schöpfung in Zeit und Ewigkeit, Wesen der Zeit

Bücher 12 und 13: Auslegung von Gen 1,1–2 – Wesen Gottes, Trinität, Wesen der Schöpfung als Abbild der Kirchengründung

[17]Confessiones

Auswahl

[19]1. Buch: Ursprünge; von der Kindheit bis zur frühen Jugend

1 (1) Magnus es, domine, etlaudabilis valde. Magna virtus tua et sapientiae tuae non est numerus. Et laudare te vult homo, aliquaportiocreaturae tuae, et homo circumferens mortalitatem suam, circumferens testimonium peccati sui et testimonium, quiasuperbis resistis. Et tamen laudare te vult homo, aliqua portio creaturae tuae. Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te; et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te. Da mihi, domine, scire et intellegere, utrum sit prius invocare te an laudare te, et scire te prius sit an invocare te. Sed quis te invocat nesciens te? Aliud enim pro alio potest invocare nesciens. An potius invocaris, ut sciaris? Quomodo autem invocabunt, in quem non crediderunt? Aut quomodo credent sine praedicante[20]? Et laudabunt dominum, qui requirunt eum. Quaerentes enim inveniunt eum et invenientes laudabunt eum. Quaeram te, domine, invocans te et invocem te credens in te. Praedicatus enim es nobis. Invocat te, domine, fides mea, quam dedisti mihi, quam inspirasti mihi per humanitatem filii tui, per ministeriumpraedicatoris tui. […] 5 (5) Quis mihi dabitadquiescere in te? Quis dabit mihi, ut venias in cor meum et inebries illud, ut obliviscar mala mea et unum bonum meum amplectar, te? Quid mihi es? Miserere, ut loquar. Quid tibi sum ipse, ut amari te iubeas a me et, nisi faciam, irascaris mihi et mineris ingentes miserias? Parvaneipsa est, si non amem te? Ei mihi! Dic mihi per miserationes tuas, domine deus meus, quid sis mihi! Dic animae meae: Salus tua ego sum. Sic dic, ut audiam! Ecce aures cordis mei ante te, domine. Aperi eas et dic animae meae: Salus tua ego sum.Curram post vocem hanc et apprehendam te. Noli abscondere a me faciem tuam! Moriar, ne moriar, ut eam videam. 5 (6) Angusta est domus animae meae, quo venias ad eam: dilatetur abs te. [21]Ruinosa est: refice eam! […] 6 (7) Sed tamen sine me loqui apud misericordiam tuam, me terram et cinerem, sine tamen loqui! Quoniam ecce misericordia tua est, non homo, inrisor meus, cui loquor. Et tu fortasse inrides me, sed conversusmisereberis mei. Quid enim est, quod volo dicere, domine, nisi quia nescio, unde venerim huc, in istam, dico, vitam mortalem an mortem vitalem? Nescio. Et susceperunt me consolationesmiserationum tuarum. […] Ex tequippebona omnia, deus, et ex deo meo salus mihi universa. Quod animadvertipostmodum, clamante te mihi per haec ipsa, quae tribuis intus et foris. Nam tunc sugerenoram et adquiesceredelectationibus, flere autem offensionescarnis meae, nihil amplius. 6 (8) Post et ridere coepi, dormiens primo, deinde vigilans. Hoc enim de me mihi indicatum est et credidi, quoniam sic videmus alios infantes: nam ista mea non memini. Et eccepaulatim sentiebam, ubi essem, et voluntates meas volebam ostendere eis, per quos [22] implerentur, etnon poteram, quia illaeintus erant, foris autem illi, nec ullo suo sensuvalebantintroire in animam meam. Itaque iactabammembra et voces, signa similia voluntatibus meis – pauca, quae poteram, qualia poteram. Non enim erant vere similia. Et cum mihi non obtemperabatur, vel non intellectovel, ne obesset, indignabar non subditismaioribus et liberis non servientibus, et me de illis flendo vindicabam. Tales esse infantes didici, quos discere potui, et me talem fuisse magis mihi ipsi indicaverunt nescientes quam scientes nutritores mei. 6 (9) Et ecce infantia mea olim mortua est et ego vivo. […] 8 (13) Nonne ab infantia huc pergens veni in pueritiam? Vel potius ipsa in me venit et successit infantiae? Nec discessit illa. Quo enim abiit? Et tamen iam non erat. Non enim eram infans, qui non farer, sed iam puer loquens eram.

Et memini hoc et, unde loqui didiceram, post adverti. Non enim docebant me maiores homines, praebentes mihi [23]