Cymbeline - William Shakespeare - E-Book

Cymbeline E-Book

William Shakespeare

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Beschreibung

Prinzessin Imogen lehnt sich aus Liebe gegen ihren Vater, König Cymbeline, auf: heimlich heiratet sie Posthumus, einen Mann bürgerlichen Standes. Der wütende Cymbeline verbannt Posthumus daraufhin kurzerhand aus seinem Reich. Gleichzeitig schmieden Imogens Stiefmutter sowie der hinterlistige Iachimo finstere Pläne gegen die einsame Königstochter: Sie beschließt, vom Hof ihres Vaters zu fliehen und ihren geliebten Posthumus zu finden. Es kommt zu überraschenden Wendungen, blutigen Konfrontationen und folgenreichen Begegnungen – kann das Drama ein versöhnliches Ende nehmen? -

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William Shakespeare

Cymbeline

Übersezt von Dorothea Tieck

Saga

Cymbeline

 

Übersezt von Dorothea Tieck

 

Titel der Originalausgabe: Cymbeline

 

Originalsprache: dem Englischen

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1833, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726886016

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Personen

Cymbeline, König von Britannien Cloten, Sohn der Königin, von ihrem ersten Gemahl Posthumus Leonatus, ein Edelmann, Imogens Gemahl Bellarius, ein verbannter Lord, unter dem Namen Morgan Guiderius und Arviragus, Cymbelines Söhne, unter dem Namen Polydor und Cadwal; für [Bellarius'] Morgans Söhne gehalten Philario, Italiener, Posthumus' Freund Jachimo, Italiener, Philarios Freund Ein Französischer Edelmann, Philarios Freund Cajus Lucius, römischer Feldherr Ein römischer Hauptmann, zwei britische Hauptleute Pisanio, Posthumus' Diener Cornelius, ein Arzt Zwei Lords an Cymbelines Hof Zwei Edelleute an Cymbelines Hof Zwei KerkermeisterDie Königin, Cymbelines Gemahlin Imogen, Cymbelines Tochter, von der vorigen Königin Helena, eine Kammerfrau Imogens [Zwei Kammerfrauen Imogens Jupiter und die Geister von des Posthumus Vater Sicilius, von seiner Mutter und seinen zwei Brüdern] Lords, Hofdamen, römische Senatoren, Tribunen, ein Wahrsager, ein Holländer, ein Spanier, Musiker, Anführer, Hauptleute, Soldaten, Boten, und anderes Gefolge Erscheinungen

Szene: abwechselnd in Britannien und Rom

Erster Akt

Erste Szene

Britannien. Garten in Cymbelines Palast

[Zwei Edelleute treten auf.]

Erster Edelmann

Ja, hier schaut jeder finster: unser Blut

Folgt minder nicht dem Himmel, als der Höfling

Stets wie der König scheinen will.

Zweiter Edelmann

Der Grund?

Erster Edelmann

Die Erbin dieses Reiches, seine Tochter,

Bestimmt' er seiner Frauen einzgem Sohn,

Die er als Witwe kürzlich sich vermählt.

Die Tochter wählte nun den Gatten selbst,

Der arm, doch edel ist; sie sind vermählt,

Der Mann verbannt, verhaftet sie; und alles

Ist äußrer Schmerz; obwohl der König, mein ich,

Wahrhaft bekümmert ist.

Zweiter Edelmann

Der König nur?

Erster Edelmann

Auch er, der sie verlor; die Königin gleichfalls,

Die jenes Bündnis wünschte. Doch kein Höfling,

Wenn alle auch ihr Antlitz stimmen nach

Des Königs Blick, des Herz sich nicht erfreut

Ob dem, weshalb sie grollen.

Zweiter Edelmann

Und warum?

Erster Edelmann

Der die Prinzeß verlor, ist ein Geschöpf,

Zu schlecht, ihn schlecht zu nennen; der sie hat

– Das heißt, dem sie vermählt, der Ärmste, ach,

Deshalb verbannt –, ist solch vollendet Wesen,

Daß, wenn man auch den Erdkreis rings durchsuchte

Nach einem, so wie er, stets blieb ein Mangel

Dem, der sich ihm vergleicht; denn ich vermeine,

Mit so viel innerm Wert und äußrer Schönheit

Sei niemand sonst begabt.

Zweiter Edelmann

Ihr übertreibt.

Erster Edelmann

Ich meß ihn nur weit unter seiner Größe,

Drück ihn zusammen, statt ihn zu entfalten

In voller Macht.

Zweiter Edelmann

Wie ist sein Nam und Ursprung?

Erster Edelmann

Ich kenne seinen Stammbaum nicht. Sicilius,

So hieß sein Vater, kämpft' einst ruhmbekränzt

Gegen die Römer, mit Cassibelan;

Doch dem Tenantius dankt er seine Würden,

Dem er mit Glanz und seltnem Glück gedient;

So ward er Leonatus zubenannt.

Er hatte, außer jenem edlen Sohn,

Zwei andre noch, die in dem Krieg der Zeit,

Das Schwert in Händen, fielen, was des Greises

Zu heftge Vaterliebe so erschüttert,

Daß er sich tot gehärmt; sein edles Weib,

Schwanger mit dem, von dem wir sprechen, starb

Bei der Geburt. Da nimmt das Kind der König

In seinen Schutz und nennt ihn Posthumus Leonatus,

Läßt ihn erziehn, macht ihn zu seinem Pagen,

Zu jeder Wissenschaft ihm Zugang bahnend,

Für die sein Alter reif. Das sog er ein,

Wie wir die Luft, es augenblicks begreifend;

Sein Frühling ward schon Ernt; er lebt' am Hofe

– Ein seltner Fall – in Lieb und Lob der Erste,

Dem Jüngsten Musterbild, dem Reiteren

Ein Spiegel für des Schmucks Vollendung, und

Ein Kind, das Greise führt, den Ernsteren;

Der Frau, für die er jetzt verbannt – da zeigt

Ihr Wert, wie sie ihn schätzt' und seine Tugend;

In ihrer Wahl könnt Ihr am besten lesen,

Was für ein Mann er ist.

Zweiter Edelmann

Ich ehr ihn schon

In Eurer Schildrung. Doch, ich bitt Euch, sagt mir,

Ist sie des Königs einzges Kind?

Erster Edelmann

Sein einzges.

Zwei Söhne hatt er – dünkts Euch merkenswert,

So hört mir zu: der älteste drei Jahr,

Der zweit in Windeln, wurden sie gestohlen

Aus ihrer Ammenstub, und niemand ahnet

Bis diese Stunde, was aus ihnen ward.

Zweiter Edelmann

Wann fiel das vor?

Erster Edelmann

Vor etwa zwanzig Jahren.

Zweiter Edelmann

Daß Königskinder so entwendet wurden!

So schlecht bewacht, so schläfrig aufgesucht,

Daß keine Spur sich fand!

Erster Edelmann

Mags seltsam sein,

Und fast zum Lachen solche Lässigkeit,

So ist es dennoch wahr.

Zweiter Edelmann

Ich glaub es Euch.

Erster Edelmann

Wir müssen uns zurückziehn, denn hier kommt

Der edle Herr, die Königin und Prinzessin.

Sie gehn ab.

[Zweite Szene

Daselbst]

Es treten auf die Königin, Imogen und Posthumus.

Königin

Nein, Tochter, sei gewiß, nie findst du mich,

Nach der Stiefmütter allgemeinem Ruf,

Scheeläugig gegen dich. Zwar als Gefangne

Bewahr ich dich; doch gibt dein Wächter selbst

Den Kerkerschlüssel dir. Und, Posthumus,

Sobald ich kann den grimmen König sänftigen,

Sollt Ihr in mir den Anwalt sehn; doch jetzt

Entflammt ihn noch der Zorn; drum ist es besser,

Ihr neigt Euch seinem Spruch, und so geduldig,

Wie Euch die eigne Weisheit lehrt.

Posthumus

Ja, Hoheit,

Ich reise heut.

Königin

Wohl kennt ihr die Gefahr –

Nur durch den Garten geh ich, denn mich jammert

Die Qual gehemmter Lieb; obwohl der König

Befahl, ihr sollt nicht miteinander sprechen.

Sie geht ab.

Imogen

O heuchlerische Güte! Schmeichelnd kitzelt

Die Schlange, wo sie sticht! – Geliebter Mann,

Wohl fürcht ich etwas meines Vaters Zorn,

Doch nicht – mein heilig Bündnis ausgenommen –,

Was seine Wut mir tun kann. Du mußt fort;

Ich bleibe hier zurück, ein stündlich Ziel

Erzürnten Blicks. Nichts tröstet mich im Leben,

Als daß die Welt mein Kleinod noch bewahrt,

Damit ichs wiederseh.

Posthumus

O meine Königin,

Herrin, Geliebte, weint nicht mehr, daß mich

Verdacht nicht treffe weichrer Zärtlichkeit,

Als sie dem Manne ziemt! Ich bleib auf ewig

Der treuste Gatte, der je Treu gelobte.

In Rom nun wohn ich, bei Philario dort,

Der meines Vaters Freund war, doch mit mir

Durch Briefe nur verbunden. Dorthin schreib,

Und mit den Augen trink ich deine Worte,

Ist Galle gleich die Tinte.

Die Königin kommt zurück.

Königin

Eilt, ich bitte!

Denn wenn der König kommt, so fällt auf mich,

Wer weiß wieviel von seinem Zorn.

Beiseit.

Doch führ ich

Ihn dieses Wegs; so oft ich ihn auch kränke,

Mein Unrecht kauft er, Frieden zu bewahren;

Zahlt mein Versündigen schwer.

Geht ab.

Posthumus

Nähmen wir Abschied

So lange Zeit, als wir noch leben sollen,

Der Schmerz der Trennung wüchse stets. Leb wohl!

Imogen

Oh, nicht so rasch!

Rittst du nur aus, um frische Luft zu schöpfen,

Zu kurz wär solch ein Abschied. Sieh, Geliebter,

Der Demant ist von meiner Mutter: nimm ihn,

Bewahr ihn, bis ein andres Weib du freist,

Wenn Imogen gestorben.

Posthumus

Wie, ein andres?

Ihr Götter, laßt mir die nur, die ich habe,

Und wehrt mir die Umarmung einer andern

Mit Todesbanden! – Bleib, o bleibe hier,

Er steckt den Ring an.

Solang hier Leben wohnt!

[Er steckt den Ring an.]

Und, Süße, Holde,

Wie ich mein armes Selbst für dich vertauschte

Zu deinem schlimmsten Nachteil, so gewinn ich

Sogar bei diesem Tand; dies trag von mir,

's ist eine Liebesfessel, die ich um

Die holdeste Gefangne lege.

Er legt ihr ein Armband an.

Imogen

Götter!

Ach, wann sehn wir uns wieder!

Cymbeline und Lords treten auf [tritt auf mit Gefolge].

Posthumus

Weh, der König!

Cymbeline

Elender du! Weg und mir aus den Augen!

Belästigst du den Hof nach diesem Wort

Mit deinem Unwert noch, so stirbst du; fort!

Gift bist du meinem Blut.

Posthumus

Der Götter Schutz Euch

Und Segen allen Guten, die hier bleiben!

Ich gehe.

Er geht ab.

Imogen

Keine Marter hat der Tod

So scharf wie diese.

Cymbeline

Pflichtvergeßnes Ding,

Du sollst die Jugend mir erneun und häufst

Mir nur der Jahre Last.

Imogen

Ich bitt Eur Hoheit,

Kränkt Euch nicht selbst mit Eurem Grimm; ich bin

Gefühllos Eurem Zorn. Ein tiefres Leid

Tilgt Furcht und Angst.

Cymbeline

Lieblos und ungehorsam!

Imogen

Ach, hoffnungslos, und das heißt: ohne Liebe.

Cymbeline

Den einzgen Sohn der Königin auszuschlagen!

Imogen

O wohl mir, daß ichs tat! Den Adler wählt ich

Und jagt den Raben fort.

Cymbeline

Den Bettler nahmst du, hättest meinen Thron

Zum Sitz der Niedrigkeit gemacht.

Imogen

O nein,

Ich gäb ihm neuen Glanz!

Cymbeline

Verworfne!

Imogen

Vater,

Nur Ihr seid schuld, lieb ich den Posthumus;

Ihr zogt ihn auf als meinen Spielgefährten.

Ein Mann, wert einer jeden Frau, bezahlt

Er mich fast um den ganzen Preis zu hoch.

Cymbeline

Was, bist du toll?

Imogen

Beinah, der Himmel steh mir bei! – O wär ich

Doch eines Schäfers Tochter, mein Leonatus

Des Nachbarhirten Sohn!

Die Königin tritt auf.

Cymbeline

Du töricht Mädchen!

Beisammen waren wieder sie; Ihr tatet

Nicht, wie Wir Euch befahlen. Fort mit ihr,

Und schließt sie ein!

Königin

Ich bitt Euch, ruhig! – Still,

Prinzessin Tochter, still! – Geliebter Herr,

Laßt uns allein und sucht Euch zu erheitern,

Wie Ihrs am besten könnt.

Cymbeline

Mag sie verschmachten

Täglich um einen Tropfen Bluts und alt

An dieser Torheit sterben!

[Er geht ab.] Cymbeline und die Lords gehen ab. Pisanio tritt auf.

Königin

Pfui! – Gebt nach! –

Hier ist Eur Diener. – Nun, was bringst du Neues?

Pisanio

Der Prinz, Eur Sohn, zog gegen meinen Herrn.

Königin

Kein Leid ist doch geschehn?

Pisanio

Es konnte treffen,

Nur spielte mehr mein Herr, anstatt zu fechten,

Und war durch Zorn nicht angereizt; es trennten

Sie einige Herren in der Näh.

Königin

Das freut mich.

Imogen

Ja, meines Vaters Freund ist Euer Sohn,

Er nimmt sich seiner an. –

Auf den Verbannten ziehn! O tapfrer Held!

Ich wünschte sie in Afrika beisammen

Und mich mit Nadeln dort, um den zu stechen,

Der rückwärts geht. – Was ließest du den Herrn?

Pisanio

Weil ers befahl. Zum Hafen ihn zu bringen,

Erlaubt' er nicht; er gab mir dies Verzeichnis

Von Diensten, die ich Euch zu leisten hätte,

Gefiels Euch, mich zu brauchen.

Königin

Dieser war

Dein treuer Diener stets; mein Wort verpfänd ich,

Daß ers auch bleiben wird.

Pisanio

Ich dank Eur Hoheit.

Königin

Laß uns spazierengehn.

Imogen

Frag bei mir an

In einer halben Stunde; meinen Herrn

Mußt du an Bord noch sehn. Für jetzt verlaß mich.

Alle ab.

[Dritte] Zweite Szene

Daselbst. Freier Platz

Cloten tritt auf mit zwei Lords [Edelleuten].

Erster Lord [Edelmann]

Prinz, ich möchte Euch doch raten, das Hemd zu wechseln; die Heftigkeit der Bewegung macht, daß Ihr wie ein Opfer raucht; wo Luft ausströmt, zieht auch Luft ein, und keine äußere Luft ist so gesund, als die Ihr ausströmt.

Cloten

Wenn mein Hemd blutig wäre, wollte ichs wechseln. – Hab ich ihn verwundet?

Zweiter Lord [Edelmann]für sich.

Nein, wahrhaftig; nicht einmal seine Geduld.

Erster Lord [Edelmann]

Ihn verwundet? Sein Körper ist ein durchdringliches Beingerippe, wenn er nicht verwundet ist – er ist eine Durchfahrt für Stahl, wenn er nicht verwundet ist.

Zweiter Lord [Edelmann]für sich.

Sein Degen hatte Schulden und versteckte sich hinterwärts.

Cloten

Der Schurke wollte mir nicht stehn.

Zweiter Lord [Edelmann]für sich.

Nein, er floh immer vorwärts, auf dein Gesicht zu.

Erster Lord [Edelmann]

Euch stehn! Ihr habt selbst schon Land genug, aber er vergrößerte Euern Besitz: er gab Euch noch etwas Boden zu.

Zweiter Lord [Edelmann]für sich.

Ja, so viel Zoll, als du Weltmeere hast. Ihr Laffen!

Cloten

Ich wollte, sie wären nicht zwischen uns gekommen.

Zweiter Lord [Edelmann]für sich.

Das wollte ich auch; bis du gemessen hättest, wie lang ein Narr ist, wenn er auf der Erde liegt.

Cloten

Und daß sie diesen Kerl lieben muß, und mich abweisen!

Zweiter Lord [Edelmann]für sich.

Wenn es Sünde ist, eine richtige Wahl zu treffen, so ist sie verdammt.

Erster Lord [Edelmann]

Prinz, ich sagte es Euch immer, ihre Schönheit und ihr Verstand halten nicht gleichen Schritt; sie ist ein treffliches Gemälde, aber ich habe wenig Reflexe ihres Geistes gesehen.

Zweiter Lord [Edelmann]für sich.

Sie scheint nicht auf Narren; der Reflex möchte ihr schaden.

Cloten

Kommt auf mein Zimmer; ich wollte, es wäre irgendein Unglück geschehen.

Zweiter Lord [Edelmann]für sich.

Das wollte ich nicht; es wäre denn der Fall eines Esels, was kein großes Unglück ist.

Cloten

Wollt Ihr mit uns gehn?

Erster Lord [Edelmann]

Ich folge Euch, gnädiger Herr.

Cloten

Nein, kommt, gehn wir zusammen.

Zweiter Lord [Edelmann]

Wohl, mein Prinz.

Alle ab.

[Vierte] Dritte Szene

Zimmer im Palast

Imogen und Pisanio treten auf.

Imogen

Ich wollt, am Hafen ständst du eingewurzelt

Und fragtest jedes Schiff. Wenn er mir schriebe

Und ich bekäms nicht, solch ein Brief verloren

Wär wie Verlust des Heils. Was war das Letzte,

Was er sprach?

Pisanio

Es war: O meine Königin!

Imogen

Dann winkt' er mit dem Tuch?

Pisanio

Und küßt' es, Fürstin.

Imogen

Fühllose Leinwand, glücklicher als ich!

Und das war alles?

Pisanio

Nein, Prinzessin, denn

Solang ers machen konnte, daß ihn Auge

Und Ohr von andern unterschied, blieb er

Auf dem Verdeck, mit Handschuh, Tuch und Hut

Stets winkend, wie der Sturm und Drang der Seele

Ausdrücken konnt am besten, wie so langsam

Sein Herz von hinnen zieh, wie schnell sein Schiff.

Imogen

Er mußte klein wie eine Kräh dir werden

Und kleiner, eh du aufgabst, nachzuschaun.

Pisanio

Das tat ich, gnädge Frau.

Imogen

Zerrissen hätt ich mir die Augennerven,

Nur um nach ihm zu sehn, bis die Verkleinrung

Des Raums ihn zugespitzt wie meine Nadel.

Ihm schaut ich nach, bis er verschmolzen wäre

Von Kleinheit einer Mück in Luft; und dann

Hätt ich mich abgewendet und geweint. –

Pisanio, sprich, wann hören wir von ihm?

Pisanio

Gewiß mit nächster Schiffsgelegenheit.

Imogen

Wir nahmen Abschied nicht, und noch viel Liebes

Wollt ich ihm sagen, zu erzählen wünscht ich,

Wie ich sein dächt in der und jener Stunde,

Gedenken dies und das; und schwören sollt er,

Italiens Liebchen möchten nicht verlocken

Mein Recht und seine Ehr. Ich wollt ihn nötigen,

Um sechs Uhr morgens, Mitternacht und Mittag

Mir betend zu begegnen, weil ich dann

Für ihn im Himmel bin. Ich wollt ihm geben

Den Abschiedskuß, den in zwei Zauberworte

Ich eingefaßt – da kommt mein Vater her,

Und wie der grimme Hauch des Nordens schüttelt

Er unsre Knospen ab, eh sie erblüht.

Eine Hofdame tritt auf.

Hofdame

Die Königin wünscht Eur Hoheit Gegenwart.

Imogen

Was ich dir aufgetragen, das besorge! –

Der Königin wart ich auf.

Pisanio

Wie Ihr befehlt.

Alle ab.

[Fünfte] Vierte Szene

Rom, in Philarios Hause

Es treten auf Philario, Jachimo, ein Franzose, ein Holländer und ein Spanier.

Jachimo

Glaubt mir, Herr, ich kannte ihn in Britannien: sein Ansehn war damals im Wachsen, und man erwartete die Vortrefflichkeit von ihm, die ihm später auch ausdrücklich zugestanden wurde; aber ich hätte ihn damals ohne die Nachhülfe der Bewunderung ansehn können, wenn auch das Verzeichnis aller seiner Gaben neben ihm aufgestellt gewesen wäre und ich ihn so artikelweise durchgelesen hätte.

Philario

Ihr sprecht von einer Zeit, da er noch weniger ausgestattet war, als er jetzt ist, mit allen den Gaben, die ihn geistig und leiblich so auszeichnen.

Franzose

Ich sah ihn in Frankreich, und dort hatten wir viele, die mit ebenso festem Auge als er in die Sonne blicken konnten.

Jachimo

Der Umstand, daß er seines Königs Tochter geheiratet hat, wobei er mehr nach ihrem als nach seinem eigenen Werte gewogen werden muß, ist gewiß ein Hauptgrund, daß man ihn weit über die Wahrheit hinaus preist.

Franzose

Und dann seine Verbannung. –

Jachimo

Ja, und die Billigung derer, die diese klägliche Scheidung beweinen und der Fürstin zugetan sind; alle diese erheben ihn wunderbar über sein Maß; geschähe es auch nur, um der Prinzessin Urteil zu befestigen, welches sonst ein schwaches Geschütz niederschmettern würde, wenn sie einen Bettler genommen hätte, den nicht die höchsten Gaben schmückten. Aber wie kommt es, daß er bei Euch wohnen wird? Woher schreibt sich diese Bekanntschaft?

Philario

Sein Vater und ich waren Kriegskameraden, und ich hatte diesem oft nichts Geringeres als mein Leben zu danken.

Posthumus tritt auf.