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Die Vergänglichkeit der Schönt und der Wunsch nach ewiger Jugend: Der schöne junge Dorian bezaubert den Maler Basil Hallward. Als Basil ein Porträt von Dorian anfertigt, wünscht dieser sich selbstverliebt, dass nicht er, sondern das Porträt altern soll. Sein Wunsch wird erfüllt. Dorian führt ein zügelloses Leben, stürzt Menschen in Abgründe und lebt selber alterslos und unbeschadet weiter - zumindest eine Zeit lang...-
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Seitenzahl: 378
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Oscar Wilde
Aus dem Englischen übertragen von D. Mitzky
Saga
Das Bildnis des Dorian Gray ÜbersetztGustav Landauer, Hedwig Lachmann OriginalThe picture of Dorian GrayCoverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 2005, 2020 Oscar Wilde und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726619256
1. Ebook-Auflage, 2020
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk
– a part of Egmont www.egmont.com
Der Künstler ist der Schöpfer schöner Dinge.
Kunst zu offenbaren und den Künstler zu ververbergen ist Ziel der Kunst.
Kritiker ist, wer seine Eindrücke von schönen Dingen in einen anderen Stil oder ein neues Ausdrucksmittel zu übersetzen vermag.
Die höchste wie die niedrigste Form der Kritik ist eine Art Selbstbiographie.
Wer in schönen Dingen hässliche Bedeutungen findet, ist verdorben, ohne reizend zu sein. Das ist ein Fehler.
Wer in schönen Dingen schöne Bedeutungen findet, hat Kultur. Für ihn ist Hoffnung.
Auserwählt ist, wem schöne Dinge nur Schönheit bedeuten.
Es gibt kein moralisches oder unmoralisches Buch. Es gibt schlecht geschriebene oder gut geschriebene Bücher. Das ist alles.
Die Abneigung des neunzehnten Jahrhunderts gegen Realismus ist die Wut Calibans, der sein Gesicht im Spiegel sieht.
Die Abneigung des neunzehnten Jahrhunderts gegen Romantik ist die Wut Calibans, der sein Gesicht nicht im Spiegel sieht.
Das moralische Leben des Menschen kann Stoff für den Künstler sein, aber die Moral der Kunst besteht im vollkommenen Gebrauch eines unvollkommenen Mittels.
Kein Künstler will etwas beweisen. Selbst wahre Dinge können bewiesen werden.
Kein Künstler hat sittliche Neigungen. Sittliche Neigung in einem Künstler ist eine unverzeihliche Maniriertheit des Stils.
Kein Künstler ist je krankhaft. Der Künstler kann alles ausdrücken.
Gedanke und Sprache sind für den Künstler Werkzeuge einer Kunst.
Tugend und Laster sind für den Künstler Baustoffe zu einer Kunst.
Von der Form aus gesehen, ist der Typus aller Künste die Kunst des Musikers. Vom Gefühl aus gesehen, ist es die Kunst des Schauspielers.
Alle Kunst ist zugleich Oberfläche und Symbol.
Wer unter die Oberfläche taucht, tut es auf eigene Gefahr.
Wer das Symbol deutet, tut so auf eigene Gefahr.
Was die Kunst wirklich spiegelt, ist der Zuschauer und nicht das Leben.
Meinungsverschiedenheit über ein Kunstwerk zeigt, dass das Werk neu, vielfältig und lebensstark ist.
Wenn die Kritiker nicht übereinstimmen, ist der Künstler im Einklang mit sich selbst.
Dass einer etwas Nützliches gemacht hat, kann man ihm verzeihen, solange er es nicht bewundert. Die einzige Entschuldigung dafür, etwas Nutzloses gemacht zu haben, ist, dass man es grenzenlos bewundert.
Alls Kunst ist ganz nutzlos.
Oscar Wilde.
Das Atelier war erfüllt von dem üppigen Duft der
Rosen, und wenn der leichte Sommerwind durch die Bäume des Gartens fuhr, so kam durch die offne Tür der schwere Geruch des Flieders oder der zartere Duft des blühenden Rotdorns.
Von der Ecke des Diwans aus persischen Satteltaschen, auf dem er lag und seiner Gewohnheit nach unzählige Zigaretten rauchte, konnte Lord Henry Wotton eben noch den Schimmer der honigsüssen und honigfarbenen Blüten eines Goldregens sehen, dessen schwanke Zweige kaum imstande schienen, die Last einer so flammenden Schönheit zu tragen; hie und da flirrten die phantastischen Schatten von Vögeln im Flug über die langen Rohseidenvorhänge vor dem riesigen Fenster und riefen eine Art japanischen Momenteffektes hervor, die ihn an die blassen Maler Tokios mit den Jadegesichtern denken liessen, welche mit den Mitteln einer notwendig unbeweglichen Kunst den Eindruck von raschester Bewegung zu geben suchen. Das eintönige Summen der Bienen, die durch das lange ungemähte Gras schwirrten oder mit ermüdender Hartnäckigkeit um die goldstaubbeladenen Griffel eines losen Geissblattes kreisten, schien die Stille noch drückender zu machen. Das undeutliche Getöse Londons war wie der Basston einer fernen Orgel.
Mitten im Zimmer stand auf einer aufgerichteten Staffelei das Vollbild eines jungen Mannes von ausserordentlicher Schönheit, und davor sass in geringer Entfernung der Künstler selbst, Basil Hallward, dessen plötzliches Verschwinden vor einigen Jahren solches Aufsehen hervorrief und so sonderbare Vermutungen entstehen liess.
Während der Maler die anmutige und reizende Gestalt betrachtete, die er so glücklich in den Spiegel seiner Kunst eingefangen hatte, glitt ein freudiges Lächeln über sein Gesicht und schien dort verweilen zu wollen. Aber auf einmal fuhr er zusammen und schloss die Augen und drückte die Finger gegen die Lider, als suche er in seinem Hirn einen seltsamen Traum festzuhalten, aus dem er zu erwachen fürchtete.
„Es ist dein bestes Werk, Basil, das Beste, was du je gemacht hast“, sagte Lord Henry träge. „Du musst es unbedingt nächstes Jahr in die Grosvenorausstellung schicken. Die Akademie ist zu gross und zu gewöhnlich. So oft ich dort war, waren entweder so viel Menschen da, dass ich die Bilder nicht sehen konnte, was schrecklich war, oder so viele Bilder, dass ich die Menschen nicht sehen konnte, und das war noch ärger. Grosvenor ist wirklich das einzig mögliche.
„Ich glaube, ich werde es nirgends hinschicken“, antwortete der Maler mit jenem für ihn charakteristischen Zurückwerfen des Kopfes, über das seine Freunde schon in Oxford zu lachen pflegten. „Nein; ich werde es nirgends hinschicken.“
Lord Henry zog die Brauen hoch, und blickte ihn durch die dünnen blauen Rauchwolken, die in phantastischen Ringen von seiner schweren, opiumhaltigen Zigarette stiegen, verwundert an. „Es nirgends hinschicken? Mein lieber Junge, warum nicht? Hast du einen Grund dafür? Was für wunderliche Kerle seid ihr Maler doch! Erst tut ihr alles in der Welt, um euch einen Namen zu machen. Und kaum habt ihr ihn, so bemüht ihr euch nur, ihn loszuwerden. Es ist dumm von euch, denn schliesslich gibt es in der Welt nur eines, was ärger ist, als besprochen zu werden, nämlich, nicht besprochen zu werden. Ein Bildnis wie dieses würde dich hoch über alle jungen Künstler in England stellen und die alten ganz neidisch machen, wenn alte Leute überhaupt noch einer Gemütsbewegung fähig, sind.“
„Ich weiss, dass du mich auslachen wirst,“ antwortete Hallward, „aber ich kann es wirklich nicht ausstellen. Ich habe zu viel von mir selbst hineingelegt.“
Lord Henry streckte sich auf dem Diwan aus und lachte.
„Siehst du, ich habe gewusst, dass du Lachen würdest; aber wahr ist es trotzdem.“
„Zu viel von dir selbst hineingelegt! Auf mein Wort, Basil, ich habe nicht gewusst, dass du so eitel bist; und ich kann wirklich nicht die mindeste Ahnlichkeit zwischen dir mit deinem rauhen Athletengesicht und deinem kohlschwarzen Haar und diesem jungen Adonis finden, der aussieht, als ob er aus Elfenbein und Rosenblättern gemacht wäre. Schau, mein lieber Basil, er ist ein Narziss, und du — nun, natürlich hast du einen vergeistigten Ausdruck und was so dazu gehört. Aber Schönheit, wirkliche Schönheit hört auf, wo ein geistiger Ausdruck beginnt. Geist ist an sich schon eine Übertreibung und zerstört die Harmonie jedes Gesichts. Im Augenblick, wo man sich niedersetzt, um zu denken, wird man ganz Nase oder ganz Stirn oder sonst so was Greuliches. Sieh dir nur die erfolgreichen Leute in den gelehrten Berufen an. Wie abscheulich sie alle sind! Ausgenommen natürlich die Geistlichen. Aber in ihrem Beruf denkt man nicht. Ein Bischof wird noch mit achtzig Jahren sagen, was man ihm als achtzehnjährigem Burschen beigebracht hat, und die natürliche Folge ist, das er immer entzückend aussieht. Dein geheimnisvoller junger Freund, dessen Namen du mir nie verraten hast, dessen Bild mich aber wirklich bezaubert, denkt nie. Ich spüre das. Er ist irgendein hirnloses, schönes Geschöpf, und er sollte immer im Winter hier sein, wenn wir keine Blumen zum Anschauen haben, und immer im Sommer, wenn wir etwas brauchen, um unseren Geist abzukühlen. Bilde dir nichts ein, Basil: du siehst ihm ganz und gar nicht ähnlich.“
„Harry, du verstehst mich nicht“, antwortete der Künstler. „Natürlich sehe ich ihm nicht ähnlich. Ich weiss das sehr gut. Ich würde mir nicht einmal wünschen, so auszusehen wie er. Du zuckst die Achseln? Ich sage dir die Wahrheit. Es waltet ein Verhängnis über allem körperlich und geistig Auserlesenen, dasselbe Verhängnis, das in der Geschichte die schwanken Schritte der Könige zu verfolgen scheint. Besser nicht von seinen Mitmenschen verschieden sein. Die Hässlichen und Dummen haben es in dieser Welt am besten. Sie können ruhig dasitzen und das Spiel anstaunen. Wenn sie nie erfahren, was Sieg bedeutet, so lernen sie wenigstens das Gefühl der Niederlage nicht kennen. Sie leben, wie wir alle leben sollten, ungestört, gleichmütig und ohne Aufregungen. Sie stürzen niemals andere ins Verderben und sind niemals die Opfer fremder Schicksale. Dein Rang und Reichtum, Harry; mein Talent, wie es nun einmal ist — meine Kunst, was immer sie wert sein mag; Dorian Grays Schönheit — wir werden alle leiden müssen für das, was die Götter uns gegeben haben, schrecklich leiden.“
„Dorian Gray? Heisst er so?“ fragte Lord Henry und ging durch das Atelier auf Basil Hallward zu.
„Ja, so heisst er. Ich hatte nicht die Absicht, es dir zu sagen.“
„Warum denn nicht?“
„Oh, das kann ich nicht erklären. Wenn ich einen Menschen ungewöhnlich gern habe, so verrate ich niemandem seinen Namen. Das hiesse einen Teil von ihm ausliefern. Ich habe das Geheimnis lieben gelernt. Es scheint mir das Einzige, was unser heutiges Leben noch rätselhaft oder wunderbar machen kann. Das Allergewöhnlichste wird entzückend, wenn man es nur verbirgt. Wenn ich fortfahre, sage ich meinen Leuten nie mehr, wohin ich gehe. Das würde mir die ganze Freude verderben. Es mag eine dumme Gewohnheit sein, aber irgendwie bringt es einen Schuss Romantik in unser Leben. Du hältst mich wahrscheinlich für recht töricht, dass ich auf solche Dinge etwas gebe?“
„Ganz und gar nicht,“ antwortete Lord. Henry, „ganz und gar nicht, mein lieber Basil. Du scheinst zu vergessen, dass ich verheiratet bin. Der einzige Reiz der Ehe besteht darin, dass sie ein Leben der Verstellung zu einer unumgänglichen Notwendigkeit für beide Teile macht. Ich weiss nie, wo meine Frau ist, und meine Frau weiss nie, was ich tue. Wenn wir uns treffen — wir treffen uns gelegentlich, wenn wir zusammen auswärts speisen oder beim Herzog eingeladen sind — so erzählen wir einander die unsinnigsten Geschichten mit den ernstesten Gesichtern von der Welt. Meine Frau trifft das ausgezeichnet — tatsächlich viel besser als ich. Sie verwirrt sich nie bei ihren Zeitangaben, wie ich es immer tue. Aber wenn sie mich dabei ertappt, macht sie durchaus keine Szene. Ich wollte manchmal, sie täte es; aber sie lacht mich bloss aus.“
„Ich hasse die Art, wie du von deinem Eheleben sprichst, Harry“, sagte Basil Hallward, während er gegen die Gartentür schlenderte. „Ich glaube, du bist im Grunde ein vortrefflicher Ehemann, aber du schämst dich deiner eigenen Tugenden. Du bist ein sonderbarer Mensch. Du sagst nie etwas Moralisches und tust nie etwas Verwerfliches. Dein Zynismus ist ganz einfach Pose.“
„Natürlichsein ist einfach Pose, und die aufreizendste, die ich kenne“, rief Lord Henry lachend; und die beiden jungen Leute gingen zusammen in den Garten hinaus und liessen sich auf einer langen Bambusbank nieder, die im Schatten eines hohen Lorbeerstrauches stand. Das Sonnenlicht huschte über die glatten Blätter. Im Grase zitterten weisse Gänseblümchen.
Nach einer Pause zog Lord Henry seine Uhr. „Ich muss nun gehen, Basil,“ murmelte er, „und bevor ich gehe, bestehe ich darauf, dass du mir eine Frage beantwortest, die ich dir heute schon einmal gestellt habe.“
„Das wäre?“ sagte der Maler, ohne den Blick zu heben.
„Du weisst sehr gut.“
„Nein, Henry.“
„Nun, dann will ich es dir sagen. Ich möchte, dass du mir erklärst, warum du Dorian Grays Bild nicht ausstellen willst. Ich möchte den wirklichen Grund wissen.“
„Ich habe ihn dir gesagt.“
„Das hast du nicht. Du hast gesagt, es sei zu viel von dir selbst darin. Das ist kindisch.“
„Harry,“ sagte Basil Hallward und sah ihm gerade in die Augen, „jedes Bildnis, das mit Gefühl gemalt ist, ist das Bildnis des Künstlers, nicht des Modells. Das Modell ist nur der zufällige Anlass. Aber nicht dieses wird durch den Maler offenbart, sondern der Maler selbst ist es, der sich auf der farbigen Leinwand enthüllt. Der Grund, warum ich dieses Bild nicht ausstellen will, ist der, dass ich fürchte, darin, das Geheimnis meiner eigenen Seele gezeigt zu haben.
Lord Henry lachte. „Und was ist das?“ fragte er.
„Ich will es dir sagen“, antwortete Hallward, aber ein ratloser Ausdruck trat in sein Gesicht.
„Ich bin ganz Erwartung, Basil“, fuhr sein Freund mit einem Blick auf ihn fort.
„Oh, es ist eigentlich recht wenig zu sagen, Harry, und ich fürchte beinahe, du wirst es nicht verstehen. Vielleicht nicht einmal glauben.“
Lord Henry lächelte und bückte sich nach einem rosablättrigen Gänseblümchen im Gras. Er pflückte es und betrachtete es sorgsam. „Ich bin ganz sicher, dass ich es verstehen werde,“ antwortete er und blickte aufmerksam auf die kleine goldene, weissbefiederte Scheibe, „und was das Glauben anbelangt, so kann ich alles glauben, vorausgesetzt, dass es ganz unglaublich ist.“
Der Wind schüttelte ein paar Blüten von den Zweigen, und die schweren Fliederdolden mit ihren geballten Sternen schwankten hin und her in der weichen Luft. Eine Heuschrecke begann an der Mauer zu zirpen, und eine grosse schlanke Libelle schwebte wie ein blauer Faden auf ihren durchsichtigen braunen Flügeln vorüber. Lord Henry war, als könne er Basil Hallwards Herz schlagen hören, und er wartete gespannt, was kommen würde.
„Die Sache ist einfach die“, sagte der Maler nach einer Weile. „Vor zwei Monaten ging ich zu einer grossen Gesellschaft bei Lady Brandon. Du weisst, wir armen Künstler müssen uns von Zeit zu Zeit in Gesellschaft zeigen, um das Publikum daran zu erinnern, dass wir keine Wilden sind. Im schwarzen Anzug und weisser Krawatte, hast du einmal behauptet, kann sogar ein Börsenmakler in den Ruf eines zivilisierten Menschen gelangen. Nun, nachdem ich etwa zehn Minuten im Zimmer gewesen war, im Gespräch mit dicken, aufgeputzten Matronen und langweiligen Akademikern, spürte ich plötzlich, dass jemand mich anschaute. Ich drehte mich halb um und sah Dorian Gray zum erstenmal. Als unsere Blicke sich trafen, fühlte ich, dass ich blass wurde. Eine sonderbare Empfindung des Schreckens kam über mich. Ich wusste, dass ich Aug’ in Auge einem Menschen gegenüberstand, dessen blosse Persönlichkeit so faszinierend war, dass sie, wenn ich’s gestattete, meine ganze Natur, meine ganze Seele, ja meine Kunst selbst absorbieren würde. Ich wollte keinen Einfluss von aussen in meinem Leben. Du weisst, Harry, wie unabhängig ich von Natur bin. Ich bin immer mein eigener Herr gewesen; wenigstens bis zu dem Augenblick, wo ich Dorian Gray traf. Da — aber ich weiss nicht, wie ich es dir erklären soll. Etwas schien mir zu sagen, dass ich am Rande einer furchtbaren Krise in meinem Leben stehe. Ich hatte ein seltsames Gefühl, das Schicksal halte auserlesene Freuden und auserlesene Schmerzen für mich bereit. Mir schauderte, und ich wandte mich, um das Zimmer zu verlassen. Es war nicht das Gewissen, was mich so handeln liess: es war eine Art Feigheit. Ich rechne mir’s selbst nicht als Verdienst an, dass ich zu entfliehen suchte.“
„Gewissen und Feigheit sind in Wirklichkeit dasselbe, Basil. Gewissen ist der Handelsname der Firma. Das ist alles.“
„Ich glaube das nicht, Harry, und ich glaube nicht einmal, dass du es tust. Aber was auch mein Beweggrund gewesen sein mochte — vielleicht war es Stolz, denn ich pflegte sehr stolz zu sein — sicher ist, dass ich zur Türe strebte. Dort stiess ich natürlich mit Lady Brandon zusammen. ,Sie wollen doch nicht so früh schon fort, Herr Hallward? schrie sie. Du kennst doch ihre sonderbar schrille Stimme?“
„Ja; sie ist ein Pfau in allem, die Schönheit ausgenommen“, sagte Lord Henry, indes seine schlanken, nervösen Finger das Gänseblümchen zerpflückten.
„Ich konnte sie nicht los werden. Sie schleppte mich zu Fürstlichkeiten und Leuten mit hohen und höchsten Orden und ältlichen Damen mit riesigen Diademen und Papageiennasen. Sie stellte mich als ihren besten Freund vor. Ich hatte sie nur ein einziges. Mal vorher getroffen, aber sie setzte sich’s in den Kopf, mich zu lancieren. Ich glaube, eins meiner Bilder hatte damals gerade grossen Erfolg gehabt, wenigstens hatte die Tagespresse sich darüber verbreitet, und das ist ja des neunzehnten Jahrhunderts Massstab für Unsterblichkeit. Plötzlich fand ich mich dem jungen Mann gegenüber, dessen Persönlichkeit mich so seltsam aufgewühlt hatte. Wir waren ganz nahe, berührten uns fast. Unsere Blicke begegneten sich wieder. Es war verwegen von mir, aber ich bat Lady Brandon um seine Bekanntschaft. Vielleicht war es im Grunde doch nicht ganz so verwegen. Es war einfach unvermeidlich. Wir hätten auch ohne Vorstellung miteinander gesprochen. Dessen bin ich gewiss. Dorian hat mir später dasselbe gesagt. Er fühlte auch, dass es uns bestimmt war, einander zu kennen.“
„Und wie hat Lady Brandon diesen wundervollen jungen Mann beschrieben?“ fragte Lord Henry. „Ich weiss, sie hat die Gewohnheit, einen kurzen Abriss aller ihrer Gäste zu geben. Ich erinnere mich, dass sie mich einmal zu einem über und über mit Orden und Bändern bedeckten alten Herrn mit jähzornigem, rotem Gesicht brachte und mir dabei in einem tragischen Flüsterton, der jedem Menschen im Zimmer vollkommen vernehmlich gewesen sein muss, die verblüffendsten Einzelheiten ins Ohr zischte. Ich bin einfach geflohen. Es macht mir Spass, Menschen selbst zu entdecken. Aber Lady Brandon geht mit ihren Gästen geradeso um wie ein Auktionator mit seinen Waren. Entweder sie preist sie so an, dass man nichts mehr von ihnen wissen will, oder sie erzählt einem alles von ihnen mit Ausnahme dessen, was man gerade erfahren möchte.“
„Arme Lady Brandon! Du bist hart gegen sie, Harry“, sagte Hallward zerstreut.
„Mein lieber Freund, sie hat versucht, einen Salon zu gründen, und nur fertig gebracht, ein Restaurant zu eröffnen. Wie könnte ich sie bewundern? Aber sag’ mir, was hat sie über Dorian Gray zum besten gegeben?“
„Oh, etwas wie ,reizender Junge — seine liebe Mutter und ich ganz unzertrennlich. — Vergesse, was er treibt — ich fürchte — gar nichts — o ja, spielt Klavier — oder ist’s die Geige, lieber Herr Gray?‘ Keiner von uns konnte sich des Lachens enthalten, und so wurden wir gleich Freunde.“
„Lachen ist kein schlechter Anfang für eine Freundschaft und weitaus das beste Ende“, sagte der junge Lord und pflückte noch ein Gänseblümchen.
Hallward schüttelte den Kopf. „Du verstehst nicht, was Freundschaft ist, Harry,“ murmelte er — „übrigens ebensowenig, was Feindschaft ist. Du hast jeden gern, das heisst, es ist dir jeder gleichgültig.“
„Wie abscheulich ungerecht von dir!“ rief Lord Henry und warf seinen Hut zurück, indes seine Augen den kleinen Wolken folgten, die wie verwirrte Strähnen glänzender weisser Seide über das Türkisblau des Sommerhimmels glitten. „Ja; abscheulich ungerecht von dir. Ich mache einen grossen Unterschied zwischen Menschen. Ich wähle meine Freunde nach ihrer Schönheit, meine Bekannten nach ihrem Charakter und meine Feinde nach ihrem Verstand. Man kann nicht vorsichtig genug in der Wahl seiner Feinde sein. Ich habe nicht einen Dummkopf darunter. Es sind lauter Männer von einigem geistigen Vermögen, und daher schätzen sie mich alle. Ist das sehr eitel von mir? Ich glaube fast, es ist hübsch eitel.“
„Ich sollte meinen, Harry. Aber deiner Einteilung nach müsste ich ein blosser Bekannter sein.“
„Mein lieber alter Basil, du bist viel mehr als ein Bekannter.“
„Und viel weniger als ein Freund. Wohl eine Art Bruder?“
„Ach, Brüder! Ich mache mir nichts aus Brüdern. Mein älterer Bruder will durchaus nicht sterben, und meine jüngeren Brüder tun anscheinend nie etwas anderes.“
„Harry!“ rief Hallward stirnrunzelnd.
„Mein lieber Junge, ich scherze ja. Aber ich kann nichts dafür, dass ich meine Verwandten nicht ausstehen kann. Ich vermute, es kommt daher, dass keiner von uns es erträgt, wenn andere Leute dieselben Fehler haben wie wir. Ich hege vollste Sympathie für die Empörung der englischen Demokratie gegen das, was sie die Laster der Oberklassen nennt. Die Massen fühlen, dass Trunkenheit, Dummheit und Unmoral etwas sind, was ihnen allein vorbehalten sein sollte, und dass jeder von uns, der sich wie ein Esel aufführt, auf ihren Jagdgründen wildert. Als der arme Southwark seinen Scheidungsskandal hatte, war ihre Entrüstung geradezu grossartig. Und doch glaube ich nicht, dass auch nur zehn Prozent von den Proletariern einen sittlichen Lebenswandel führen.“
„Ich unterschreibe nicht ein Wort von dem, was du gesagt hast, Harry, und ich wette, du tust es auch nicht.“
Lord Henry streichelte seinen kleinen, braunen Spitzbart und klopfte mit seinem Ebenholzstock auf die Spitzen seiner Lackschuhe. „Wie englisch du bist, Basil! Das ist glücklich das zweitemal, dass du diese Bemerkung machst. Unterbreitet man einem echten Engländer einen Gedanken — immer eine gewagte Sache — so fällt es ihm gar nicht ein, zu prüfen, ob der Gedanke falsch oder richtig ist. Das einzige, worauf es ihm ankommt, ist, ob man selbst an ihn glaubt. Nun hat aber der Wert eines Gedankens nicht das mindeste zu tun mit der Aufrichtigkeit des Mannes, der ihm Ausdruck verleiht. Wahrscheinlich wird sogar der Gedanke um so geistig reiner sein, je unaufrichtiger der Mann ist, da er in diesem Fall weder von seinen Wünschen, noch von seinen Begierden, noch von seinen Vorurteilen gefärbt sein wird. Jedoch habe ich nicht vor, Politik, Soziologie oder Metaphysik mit dir zu erörtern. Ich habe Menschen lieber als Grundsätze, und am liebsten habe ich Menschen ohne Grundsätze. Erzähle mir mehr von Herrn Dorian Gray. Wie oft siehst du ihn?“
„Jeden Tag. Ich kann es nicht aushalten, wenn ich ihn nicht täglich sehe. Er ist mir einfach unentbehrlich.“
„Wie merkwürdig! Ich dachte, du würdest dich nie um etwas anderes als deine Kunst kümmern.“
„Er ist mir meine ganze Kunst,“ sagte der Maler ernst. „Ich denke manchmal, Harry, es gibt nur zwei wichtige Epochen in der Weltgeschichte. Die erste ist das Auftreten eines neuen Kunstmittels und die zweite das Auftreten einer neuen künstlerischen Persönlichkeit. Was die Erfindung der Ölmalerei für die Venezianer bedeutete, das bedeutete das Antlitz des Antinous der spätgriechischen Skulptur, und das wird mir das Antlitz Dorian Grays einmal bedeuten. Es ist nicht das allein, dass ich ihn male, zeichne, skizziere. Das habe ich natürlich alles getan. Aber er ist mir mehr als ein Modell. Nicht, dass ich unzufrieden wäre mit den Darstellungen, die ich von ihm gemacht habe, oder dass seine Schönheit solcher Art ist, dass die Kunst sie nicht auszudrücken vermag. Es gibt nichts, was die Kunst nicht auszudrücken vermöchte, und ich weiss, dass die Arbeiten, die ich seit meiner Begegnung mit Dorian Gray gemacht habe, gute Arbeiten sind, die besten Arbeiten meines Lebens. Aber auf irgendeine unerklärliche Weise — ich frage mich, ob du das verstehen wirst — hat mir seine Persönlichkeit eine ganz neue Kunstweise vermittelt, eine vollständig neue Art des Stils. Ich sehe die Dinge anders, ich denke anders über sie. Ich kann jetzt das Leben in einer Weise neu schaffen, die mir früher verschlossen war. ,A dream of form in days of thought‘, wer hat das gesagt? Ich habe es vergessen; aber es ist genau das, was Dorian Gray mir gewesen ist. Die blosse sichtbare Gegenwart dieses Knaben — denn er scheint mir kaum mehr als ein Knabe, obwohl er in Wirklichkeit über zwanzig ist — seine blosse sichtbare Gegenwart — ah! ist es möglich, dass du ganz begreifft, was das bedeutet? Unbewusst offenbart er mir die Linien einer neuen Schule, einer Schule, die in sich alle Leidenschaft des romantischen Geistes und alle Vollkommenheit des Griechischen fassen und vereinigen soll. Harmonie von Seele und Leib — wie viel ist das! Wir in unserem Wahnsinn haben die beiden getrennt, wir haben einen Realismus erfunden, der gemein, und eine Idealität, die leer ist. Harry! wenn du nur wüsstest, was Dorian Gray mir bedeutet! Erinnerst du dich an die Landschaft, für die Agnew mir einen so hohen Preis bot, und die ich trotzdem nicht hergeben wollte? Sie ist eine meiner besten Arbeiten. Und warum? Weil Dorian Gray neben mir gesessen hat, während ich sie malte. Irgendeine ungreifbare Kraft ist von ihm zu mir übergegangen, und zum erstenmal in meinem Leben sah ich in dem einfachen Waldstück das Wunder, das ich immer gesucht und nie gefunden habe.“
„Basil, das ist ausserordentlich! Ich muss Dorian Gray sehen!“
Hallward stand auf und ging im Garten auf und ab. Nach einiger Zeit kam er zurück. „Harry,“ sagte er, „Dorian Gray ist für mich einfach ein Kunstmotiv. Du würdest vielleicht nichts in ihm sehen. Ich sehe in ihm alles. Er ist in meinem Werk nie gegenwärtiger, als wenn kein Bild von ihm da ist. Er ist, wie ich schon sagte, der Vermittler einer neuen Kunstweise. Ich finde ihn in den Kurven gewisser Linien, in dem Zauber und den Feinheiten gewisser Farben. Das ist alles.“
„Warum willst du dann sein Bild nicht ausstellen?“ fragte Lord Henry.
„Weil ich, ohne es zu wollen, etwas von dieser künstlerischen Idolatrie hineingelegt habe, von der ich ihm natürlich nie habe sprechen mögen. Er weiss nichts davon, soll nie etwas davon erfahren. Aber die Welt könnte es erraten; und ich will meine Seele nicht vor ihren oberflächlichen, gierigen Blicken entblössen. Mein Herz soll nie unter ihr Mikroskop kommen. Es ist zu viel von mir selbst in dem Bild, Harry — zu viel von mir selbst!“
„Dichter sind nicht so bedenklich wie du. Sie wissen, dass Leidenschaft beim Publikum zieht. Heutzutage bringt ein gebrochenes Herz eine ganze Reihe von Auflagen ein.“
„Ich hasse sie dafür,“ rief Hallward. „Ein Künstler solte schöne Dinge schaffen, aber nichts von seinem eigenen Leben hineinlegen. Wir leben in einer Zeit, wo die Menschen Kunst behandeln, als wäre sie eine Art Selbstbiographie. Wir haben das Gefühl für Schönheit an sich verloren. Ich hoffe, noch einmal der Welt zu zeigen, was das ist; und darum soll die Welt niemals mein Bildnis Dorian Grays sehen.“
„Ich glaube, dass du unrecht hast, Basil, aber ich will nicht mit dir streiten. Nur die geistig Verlorenen streiten immer. Sag’ mir, hat dich Dorian Gray sehr gern?“
Der Maler dachte ein paar Augenblicke lang nach. „Er mag mich,“ antwortete er nach einer Pause; „ich weiss, dass er mich mag. Natürlich schmeichle ich ihm entsetzlich. Ich finde ein sonderbares Vergnügen darin, ihm Dinge zu sagen, von denen ich weiss, dass ich sie später bedauern werde. Gewöhnlich ist er reizend zu mir, und wir sitzen im Atelier und reden über tausend Dinge. Mandmal aber ist er schrecklich gedankenlos, und es scheint ihm eine Wonne zu sein, mir Schmerz zu bereiten. Dann fühle ich, dass ich meine ganze Seele an einen Knaben verschenkt habe, der sie behandelt, als wäre sie eine Blume für sein Knopfloch, ein buntes Bändchen für seine Eitelkeit, ein Schmuck für einen Sommertag.“
„Sommertage, Basil, vergehen nicht so schnell“, murmelte Lord Henry. „Vielleicht wirst du seiner eher überdrüssig werden. Es ist traurig, daran zu denken, aber es ist kein Zweifel, dass Genie länger dauert als Schönheit. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum wir uns alle solche Mühe geben, uns zu überbilden. In dem wilden Kampf ums Dasein wollen wir etwas haben, das dauert, und so füllen wir unseren Geist mit Nichtigkeiten und Tatsachen in der törichten Hoffnung, unseren Platz zu behaupten. Der allseits unterrichtete Mann — das ist das moderne Ideal. Und der Geist des allseits unterrichteten Mannes ist etwas Furchtbares. Er ist wie ein Krämerladen, mit lauter verstaubten Ladenhütern, wo jede Ware über ihrem Wert im Preise steht. Aber ich glaube trotzdem, du wirst zuerst seiner überbrüssig werden. Eines Tages wirst du deinen Freund anschauen, und es wird dir vorkommen, als ob in die Harmonie seiner Züge ein Misston gekommen sei, oder seine Haarfarbe wird dir nicht gefallen oder sonst etwas. Du wirst ihm in deinem Herzen bittere Vorwürfe machen und ernstlich denken, dass er sich sehr schlecht gegen dich benommen hat. Wenn er dich das nächstemal besucht, wirst du völlig kalt und gleichgültig sein. Und das wird sehr schade sein, denn es wird dich verwandeln. Was du mir gesagt hast, ist richtige Romantik, Kunstromantik könnte man sagen, und das Schlimmste an Romantik jeder Art ist, dass sie einen so unromantisch zurücklässt.“
„Harry, sprich nicht so. Solang’ ich lebe, wird die Persönlichkeit Dorian Grays mich beherrschen. Du kannst nicht fühlen, was ich fühle. Du änderst dich zu oft.“
„Ach, mein lieber Basil, gerade darum kann ich es fühlen. Wer treu ist, kennt nur die triviale Seite der Liebe; nur der Untreue kennt ihre Tragödien.“ Und Lord Henry zündete an einer zierlichen Silberbüchse eine Zigarette an und begann sie mit so selbstbewusstem und zufriedenem Ausdruck zu rauchen, als ob er die Welt in einem Satz zusammengefasst hätte. Man hörte das Schwirren von zwitschernden Spatzen in den lackgrünen Efeublättern, indes die blauen Wolkenschatten einander wie Schwalben über das Gras jagten. Wie hübsch war es im Garten! Und wie angenehm waren anderer Leute Gefühle! — viel angenehmer als ihre Gedanken, schien es ihm. Die eigene Seele und die Leidenschaften von Freunden — das waren die wirklich anregenden Dinge im Leben. Er malte sich mit stillem Vergnügen das langweilige Mittagessen aus, das er versäumt hatte, weil er so lange bei Basil Hallward geblieben war. Wenn er zu seiner Tante gegangen wäre, so hätte er dort sicher Lord Goodbody getroffen, und das ganze Gespräch hätte sich um Armenpflege und um die Notwendigkeit mustergültiger Arbeiterhäuser gedreht. Jede anwesende Klasse hätte die Bedeutung jener Tugenden gepredigt, die auszuüben in ihrem eigenen Leben kein Anlass bestand. Die Reichen wurden von dem Wert der Sparsamkeit gesprochen haben, und die Müssigen waren beredt geworden über die Würde der Arbeit. Es war herrlich, all dem entgangen zu sein! Als er sich an seine Tante erinnerte, kam ihm plötzlich ein Gedanke. Er wandte sich Hallward zu und sagte:
„Mein lieber Junge, eben fällt mir ein“ —
„Was, Harry?“
„Wo ich den Namen Dorian Gray gehört habe.“
„Wo war es?“ fragte Hallward mit leichtem Stirnrunzeln.
„Schau nicht so böse drein, Basil. Es war bei meiner Tante Lady Agatha. Sie erzählte mir, dass sie einen prächtigen jungen Mann entdeckt habe, der ihr bei ihrer Arbeit im Gast End helfen wolle, und dass er Dorian Gray heisse: Ich bin verpflichtet festzustellen, dass sie nie erwähnte, er sei schön. Frauen haben kein Verständnis für Schönheit, wenigstens gute Frauen haben es nicht. Sie sagte, er sei sehr ernst und habe einen vortrefflichen Charakter. Ich stellte mir sogleich ein bebrilltes Wesen vor mit strähnigem Haar und Sommersprossen und riesigen Füssen. Ich wollte, ich hätte gewusst, dass es dein Freund war.“
„Ich bin sehr froh, dass du es nicht gewusst hast, Harry!“
„Warum?“
„Ich möchte nicht, dass du mit ihm zusammenkommst.“
„Du möchtest nicht, dass ich mit ihm zusammenkomme?“
„Nein.“
„Herr Dorian Gray ist im Atelier, gnädiger Herr“, sagte der Diener, der im Garten erschien.
„Jetzt musst du mich vorstellen“, rief Lord Henrr lachend.
Der Maler wandte sich an seinen Diener, der im Sonnenlicht blinzelnd dastand. „Bitten Sie Herrn Gray, einen Augenblick zu warten, Parker, ich komme sofort.“ Der Mann verbeugte sich und verschwand.
Dann blickte er Lord Henry an. „Dorian Gray ist mein teuerster Freund“, sagte er. „Er ist ein einfacher und wundervoller Mensch. Deine Tante hatte ganz recht mit dem, was sie über ihn sagte. Verdirb ihn nicht. Versuche nicht, ihn zu beeinflussen. Dein Einfluss würde schlecht sein. Die Welt ist gross, und es gibt viele wundervolle Leute darin. Nimm mir nicht den einzigen Menschen, der meiner Kunst den ganzen Zauber gibt, den sie überhaupt besitzt; mein Leben als Künstler hängt an ihm. Denk’ daran, Harry, dass ich dir vertraue.“ Er sprach sehr langsam und schien sich die Worte fast widerwillig abzuringen.
„Was für einen Unsinn du sprichst!“ sagte Lord Henry lächelnd, nahm Hallward beim Arm und führte ihn beinahe ins Haus.
Als sie eintraten, sahen sie Dorian Gray. Er sass am Klavier mit dem Rücken zu ihnen und blätterte in einem Band von Schumanns „Waldszenen“. „Die musst du mir leihen, Basil“, rief er. „Ich möchte sie lernen. Sie sind einfach entzückend.“
„Das hängt ganz davon ab, wie du heute Modell stehst, Dorian.“
„Oh, ich habe das Modellstehen satt, und ich brauche kein Bildnis in Lebensgrosse von mir“, antwortete der Jüngling und drehte sich auf dem Musikstuhl in einer eigenwilligen, übermütigen Weise um. Als er Lord Henrys ansichtig wurde, glitt ein leichtes Erröten einen Augenblick lang über seine Wangen, und er sprang auf. „Ich bitte um Verzeihung, Basil, aber ich wusste nicht, dass du Besuch hattest.“
„Das ist Lord Henry Wotton, Dorian, ein alter Oxforder Studienfreund. Ich habe ihm gerade erzählt, was für ein glänzendes Modell du bist, und jetzt hast du alles verdorben.“
„Aber nicht mein Vergnügen, Ihnen zu begegnen, Herr Gray“, sagte Lord Henry mit einem Schritt auf ihn zu und reichte ihm die Hand. „Meine Tante hat zu mir oft von Ihnen gesprochen, Sie gehören zu ihren Bevorzugten und, ich, fürchte, auch zu ihren Opfern.“
„Ich stehe jetzt in Lady Agathes schwarzem Buch“, antwortete Dorian mit komisch zerknirschtem Ausdruck. „Ich versprach, letzten Dienstag mit ihr in einen Klub in Whitechapel zu gehen, und ich habe es wirklich ganz vergessen. Wir hätten ein Duett miteinander spielen sollen — drei Duette, glaube ich. Ich weiss nicht, was sie mir sagen wird. Ich habe viel zu viel Angst, um hinzugehen.“
„Oh, ich werde sie mit meiner Tante versöhnen. Sie ist ganz entzückt von Ihnen. Und ich glaube, es war wirklich nicht schlimm, dass Sie nicht dort waren. Das Publikum hat wahrscheinlich gedacht, es sei ein Duett. Wenn Tante Agatha sich ans Klavier setzt, macht sie genug Lärm für zwei.“
„Das ist abscheulich gegen sie und nicht sehr nett gegen mich“, antwortete Dorian lachend.
Lord Henry sah ihn an. Ja, er war sicherlich wunderbar schön, mit seinen feingeschwungenen Scharlachlippen, seinen kühnen, blauen Augen und seinem goldblonden Kraushaar. In seinem Gesicht war etwas, was einem sofort Vertrauen einflösste. Die ganze Offenheit der Jugend lag darin und ihre ganze leidenschaftliche Reinheit. Man fühlte, dass er sich von der Welt unbefleckt bewahrt hatte. Kein Wunder, dass Basil Hallward ihn vergötterte.
„Sie sind zu reizend, um sich mit Philanthropie zu befassen, Herr Gray, viel zu reizend.“ Und Lord Henry warf sich auf den Diwan und öffnete seine Zigarettendose.
Der Maler hatte inzwischen eifrig seine Farben gemischt und seine Pinsel vorbereitet. Er sah gequält aus, und als er Lord Henrys letzte Bemerkung hörte, warf er ihm einen Blick zu, zögerte ein wenig und sagte dann: „Harry, ich möchte dieses Bild heute fertig malen. Würdest du es arg unhöflich von mir finden, wenn ich dich bäte, zu gehen?“
Lord Henry lächelte und blickte Dorian Gray an. „Soll ich gehen, Herr Gray?“ fragte er.
„Oh, bitte nicht, Lord Henry. Ich sehe, dass Basil wieder mal brummiger Laune ist; und ich kann ihn nicht ertragen, wenn er brummt. Ausserdem möchte ich, dass Sie mir sagen, warum ich mich nicht mit Philanthropie befassen soll.“
„Ich weiss nicht, ob ich Ihnen das sagen werde, Herr Gray. Es ist ein so langweiliger Gegenstand, dass man unbedingt ernsthaft darüber sprechen müsste. Aber ich werde sicher nicht fortlaufen, jetzt, wo Sie mich gebeten haben, zu bleiben. Du hast doch ernstlich nichts dagegen, Basil, nicht wahr? Du hast mir oft gesagt, es sei dir lieb, wenn deine Modelle jemanden zum Plaudern haben.“
Hallward biss sich auf die Lippen. „Wenn Dorian es wünscht, musst du natürlich bleiben. Dorians Launen find Befehle für jedermann, ausser für ihn selbst.“
Lord Henry griff nach Hut und Handschuhen. „Du drängst mich zwar sehr, Basil, aber ich fürchte, ich muss gehen. Ich habe einem Bekannten versprochen, ihn im Orleans zu treffen. Leben Sie wohl, Herr Gray. Besuchen Sie mich einmal nachmittags in der Eurzon Street. Um fünf Uhr finden Sie mich fast immer zu Hause. Schreiben Sie mir, wann Sie kommen. Es täte mir leid, Sie zu verfehlen.“
„Basil,“ rief Dorian Gray, „wenn Lord Henry Wotton geht, werde ich auch gehen. Du machst nie den Mund auf, während du malst, und es ist entsetzlich langweilig, auf einem Podium zu stehen und ein liebenswürdiges Gesicht zu schneiden. Bitte ihn zu bleiben. Ich bestehe darauf.“
„Bleib, Harry, Dorian zuliebe und mir zuliebe“, sagte Hallward, ohne den Blick von der Leinwand zu wenden. „Es ist ganz richtig, ich spreche nie während der Arbeit und höre nicht einmal zu, und es muss schrecklich eintönig für meine unglücklichen Modelle sein. Ich bitte dich zu bleiben.“
„Aber was wird aus meinem Bekannten im Orleans?“
Der Maler lachte. „Ich glaube nicht, dass dies Schwierigkeiten machen wird. Setz’ dich wieder, Harry. Und jetzt, Dorian, stell’ dich auf das Podium und mach’ nicht zu viel Bewegungen und achte nicht auf das, was Lord Henry sagt. Er hat einen sehr schlechten Einfluss auf alle seine Freunde, mich allein ausgenommen.“
Dorian Gray bestieg die Estrade mit der Miene eines jungen griechischen Märtyrers und machte ein Schmollgesicht gegen Lord Henry, für den er geradezu eine Vorliebe gefasst hatte. Er war so ganz anders als Basil. Sie bildeten einen wundervollen Gegensatz. Und er hatte eine so schöne Stimme. Nach einer kleinen Weile sagte er zu ihm: „Haben Sie wirklich einen schlechten Einfluss, Lord Henry? So schlecht, wie Basil sagt?“
„Es gibt keinen guten Einfluss, Herr Gray. Jeder Einfluss ist unmoralisch — unmoralisch vom wissenschaftlichen Gesichtspunkte aus.“
„Warum?“
„Weil einen Menschen beeinflussen so viel ist, wie ihm die eigene Seele geben. Er denkt nicht mehr seine natürlichen Gedanken, er glüht nicht mehr in seinen natürlichen Leidenschaften. Seine Tugenden haben für ihn keine Wirklichkeit. Seine Sünden, wenn es so etwas wie Sünden gibt, sind geliehen. Er wird Echo einer fremden Musik, Darsteller einer Rolle, die nicht für ihn geschrieben wurde. Ziel des Lebens ist Entwicklung des Selbst. Die eigene Natur vollkommen zu verwirklichen — das ist es, wofür jeder von uns geboren wurde. Aber heutzutage haben die Menschen Angst vor sich. Sie haben die höchsten aller Pflichten, die Pflicht gegen das eigene Selbst, vergessen. Natürlich sind sie wohltätig. Sie füttern den Hungrigen und kleiden den Bettler. Aber ihre eigenen Seelen hungern und frieren. Es ist kein Mut mehr in unserer Rasse. Vielleicht war er nie wirklich darin. Furcht vor der Gesellschaft, der Grundlage der Moral — Furcht vor Gott, dem Geheimnis der Religion —, das sind die zwei Dinge, die uns beherrschen. Und doch —“
„Dreh’ deinen Kopf ein wenig mehr nach rechts, Dorian, wie ein braver Bub“, sagte der Maler, ganz in die Arbeit vertieft und nichts bemerkend, als dass ein Ausdruck in des Jünglings Gesicht getreten war, den er dort noch nie gesehen hatte.
„Und doch,“ fuhr Lord Henry fort mit seiner leisen, melodischen Stimme und jener anmutigen Handbewegung, die so bezeichnend für ihn war und die ihm schon als Schulknaben eigen gewesen war, „ich glaube, wenn ein Mensch sein Leben voll und ganz auslebte, jedem Gefühl Gestalt, jedem Gedanken Ausdruck, jedem Traum Verwirklichung gebend — ich glaube, die Welt würde einen solchen frischen Antrieb von Freude gewinnen, dass wir alle Krankheiten des Mittelalters vergessen und zum hellenischen Ideal zurückkehren würden — ja vielleicht zu etwas Schönerem und Reinerem als selbst das hellenische Ideal gewesen ist. Aber auch der Tapferste unter uns hat Angst vor sich. Die Selbstverstümmelung der Wilden lebt tragisch fort in der Selbstverleugnung, die unser Leben entstellt. Wir werden gestraft für unsere Entsagungen. Jeder Trieb, den wir zu ersticken suchen, brütet in unserer Seele und vergiftet uns. Der Leib sündigt einmal und ist dann mit seiner Sünde fertig, denn Tun ist eine Art Reinigung. Nichts bleibt zurück als die Erinnerung an eine Lust oder der Luxus eines Bedauerns. Das einzige Mittel, eine Versuchung loszuwerden, ist, ihr nachzugeben. Widerstehe ihr, und deine Seele wird krank vor Sehnsucht nach den Dingen, die sie sich versagt hat, vor Verlangen nach allem, was ihre ungeheuerlichen Gesetze ungeheuer und ungesetzlich gemacht haben. Man hat gesagt, die grossen Ereignisse der Welt gingen im Gehirn vor sich. Aber es ist im Gehirn, und nur im Gehirn, wo die grossen Sünden der Welt Ereignis werden. Sie, Herr Gray, Sie selbst mit Ihrem rosenroten Mund und Ihrer rosenweissen Jugend, Sie haben Leidenschaften empfunden, die Sie mit Furcht erfüllt haben, Gedanken, die Sie erschrecken liessen, Träume in Schlaf und Wachen, deren blosse Erinnerung Ihre Wangen mit Erröten färben würde —“
„Hören Sie auf!“ stammelte Dorian Gray, „hören Sie auf! Sie verwirren mich. Ich weiss nicht, was ich sagen soll. Es gibt eine Antwort auf all das, aber ich kann sie nicht finden. Sprechen Sie nicht. Lassen Sie mich nachdenken. Oder besser, laffen Sie mich versuchen, nicht nachzudenken.“
Fast zehn Minuten lang stand er so, unbeweglich, mit geöffneten Lippen und einem seltsamen Glanz in den Augen. Er war sich dunkel bewusst, dass ganz neue Einflüsse in ihm arbeiteten. Und doch war ihm, als gingen sie im Grunde aus ihm selbst hervor. Die wenigen Worte, die Basils Freund zu ihm gesprochen hatte — zufällige Worte, kein Zweifel, und keck parador — hatten eine geheime Saite berührt, die nie vorher berührt worden war, die er aber jetzt in rätselhaften Schlägen schwingen und zittern fühlte.
Musik hatte ihn so erregt. Musik hatte ihn oft verwirrt. Aber Musik war Dumpfheit des Gefühls. Was sie in uns schuf war nicht etwa eine neue Welt, sondern ein zweites Chaos. Worte! Nichts als Worte! Wie furchtbar waren sie! Wie klar, wie lebendig, wie grausam! Man konnte ihnen nicht entrinnen. Und doch, welche feine Magie lag in ihnen! War es nicht, als vermochten sie dem Gestaltlosen Gestalt zu geben und ihre Melodie in sich selbst zu tragen, süss wie die der Viola oder der Laute. Nichts als Worte! Was war wirklicher als Worte?
Ja; es hatte Dinge in seiner Kindheit gegeben, die er nicht verstanden hatte. Jetzt verstand er sie. Das ganze Leben wurde plötzlich feuerfarben. Es schien ihm, er sei durch Feuer gegangen. Warum hatte er es nicht gewusst?
Mit seinem feinen Lächeln beobachtete Lord Henry ihn. Er kannte genau den psychologischen Moment, wann er schweigen musste. Er war ganz Aufmerksamkeit. Der plötzliche Eindruck, den seine Worte hervorgerufen hatten, überraschte ihn. Ein Buch fiel ihm ein, das er mit sechzehn Jahren gelesen, das ihm damals viel enthüllt hatte, was er nicht wusste, und er fragte sich, ob Dorian etwas Ahnliches erlebe. Er hatte lediglich einen Pfeil ins Blaue geschossen. Hatte er ins Schwarze getroffen? Wie faszinierend der Junge war!
Hallward malte und malte mit seinem wunderbar kühnen Strich, der jene echte Feinheit und vollendete Zartheit hatte, die, in der Kunst wenigstens, nur aus der Stärke kommt. Er hatte das Schweigen nicht einmal bemerkt.
„Basil, ich bin müde“, rief Dorian Gray auf einmal. „Ich muss hinaus und im Garten sitzen. Die Luft ist drükkend hier.“
„Mein lieber Junge, das tut mir leid. Wenn ich male, kann ich an nichts andres denken. Aber du bist nie besser Modell gestanden. Du warst vollkommen still. Und ich habe den Zug eingefangen, den ich brauchte — die halbgeöffneten Lippen und den Glanz in den Augen. Ich weiss nicht, was dir Harry vorerzählt hat, aber er hat jedenfalls den wunderbarsten Ausdruck in dein Gesicht gebracht. Wahrscheinlich hat er dir Komplimente gemacht. Du darfst ihm nicht ein Wort glauben.“
„Er hat mir alles andere als Komplimente gemacht. Vielleicht ist das der Grund, warum ich ihm kein Wort glaube.“
„Sie wissen, dass Sie jedes Wort glauben“, sagte Lord Henry und sah ihn mit seinen verträumten, schmachtenden Augen an. „Ich will mit Ihnen in den Garten hinausgehen. Es ist schrecklich heiss im Atelier. Basil, lass uns irgendein eisgekühltes Getränk bringen, etwas mit Erdbeeren darin.“
„Gewiss, Harry. Klingle nur, bitte, und wenn Parker kommt, werde ich ihm sagen, was du möchtest. Ich muss noch diesen Hintergrund fertig malen, ich komme euch dann nach. Halte Dorian nicht zu lange zurück. Ich war nie in besserer Verfassung zum Malen als heute. Dieses Bild wird mein Meisterwerk. Es ist es schon, so wie es jetzt dasteht.“
Lord Henry ging in den Garten hinaus und fand Dorian Gray mit dem Gesicht in die grossen, kühlen Fliederblüten vergraben und ihren Duft wie Wein fieberisch einsaugend. Er ging ganz nahe an ihn heran und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Sie haben recht, das zu tun“, murmelte er. „Nichts vermag die Seele zu heilen als die Sinne, sowie nichts die Sinne heilen kann als die Seele.“
Der Jüngling schrak zusammen und trat einen Schritt zurück. Er war barhäuptig, und die Blätter hatten seine rebellischen Locken durcheinandergebracht und ihre goldenen Fäden verwirrt. Ein Ausdruck von Furcht war in seinen Augen, wie ihn Menschen haben, die unversehens geweckt werden. Seine fein geschwungenen Nasenflügel bebten, und ein verborgener Nerv erschütterte den Scharlach seiner Lippen und liess ein Zittern darauf zurück.
„Ja,“ fuhr Lord Henry fort, „das ist eines der grossen Geheimnisse des Lebens — die Seele durch die Sinne zu heilen und die Sinne durch die Seele. Sie sind ein wunderbares Wesen. Sie wissen mehr, als Sie ahnen, gerade wie Sie weniger wissen, als Sie möchten.“
Dorian Gray runzelte die Stirne und wandte den Kopf ab. Er konnte nicht anders, als sich zu dem schlanken, anmutigen jungen Manne hingezogen fühlen, der neben ihm stand. Sein romantisches Gesicht mit der Olivenhaut und dem müden Ausdruck fesselte ihn. Es war etwas in seiner leisen, wohlklingenden Stimme, dem man einfach nicht widerstehen konnte. Selbst seine kühlen, weissen, blumenhaften Hände hatten einen eigenen Zauber. Sie bewegten sich, während er redete, wie Musik und schienen eine besondere Sprache zu haben. Aber er fürchtete sich vor ihm und schämte sich doch dieser Furcht. Warum war es einem Fremden überlassen geblieben, ihn sich selbst zu enthüllen? Er kannte Basil Hallward seit Monaten, aber diese Freundschaft hatte nichts in ihm verändert. Und nun war auf einmal jemand in sein Leben getreten, der ihm das Geheimnis des Lebens offenbart zu haben schien. Und doch, wovor sich fürchten? Er war kein Schulknabe und kein Mädchen. Es war sinnlos, Furcht zu haben.
„Setzen wir uns doch in den Schatten“, sagte Lord Henry. Parker hat die Getränke gebracht, und wenn Sie noch länger in dieser prallen Sonne bleiben, so werden Sie sich den Teint verderben, und Basil wird Sie nie mehr malen. Sie dürfen sich wirklich keinen Sonnenbrand holen. Es stünde Ihnen nicht.“
„Was läge daran?“ rief Dorian Gray lachend, indem er sich auf die Bank am Gartenende niederliess.
„Es sollte Ihnen alles daran liegen, Herr Gray.
„Warum?“