Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Charisma kann man erlernen Es gibt sie, diese Ausstrahlung, die Menschen zu etwas ganz Besonderem macht, und die ihnen eine magnetische Aura verleiht, der sich niemand entziehen kann. Aber: Charisma ist keine naturgegebene Eigenschaft, über die nur ein paar Auserwählte verfügen. Man kann es sich aneignen wie andere Fähigkeiten auch und damit sein Leben von Grund auf verändern. Olivia Fox Cabane erläutert im Detail, wie man sich mit Worten, Gesten und Mimik präsentiert, um seine Wirkung auf andere Menschen zu optimieren und nachhaltig Eindruck zu hinterlassen. Seit vielen Jahren analysiert sie Methoden aus der Verhaltensforschung und testet sie für ihr Coaching. Das Resultat ist ihr effektives Training, in dem sie unter anderem erklärt: -wie man im Gespräch Selbstsicherheit signalisiert, - wie man besonders intelligent und aufmerksam wirkt, - wie man souverän in ein konfliktbeladenes Gespräch geht. Charisma verleiht einem Menschen das gewisse Etwas, durch das er aus der Masse heraussticht. Seien Sie mehr als einer von Vielen – seien Sie etwas ganz Besonderes!
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 407
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
3. Auflage 2018
© 2013 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
© der Originalausgabe Olivia Fox Cabane, 2012
Die englische Originalausgabe erschien 2012 bei Portfolio / Penguin unter dem TitelThe Charisma Myth.
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.
This edition published by arrangement with Portfolio, a member of Penguin Group (USA).
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Martin Bauer, Anke Kreutzer
Redaktion: Palma Müller-Scherf, Berlin
Umschlaggestaltung: Maria Wittek, München
Umschlagabbildung: iStockphoto
E-Book-Umsetzung: Georg Stadler, München
ISBN Print 978-3-86882-477-3
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-515-4
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86415-516-1
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
www.mvg-verlag.de
Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unterwww.m-vg.de
Marilyn Monroe wollte etwas beweisen:
Es war an einem strahlenden Sommertag 1955 in New York. Den Herausgeber einer Zeitschrift und einen Fotografen im Schlepptau lief Marilyn zielstrebig zur Grand Central Station. Sie gelangten auf den Bahnsteig, wo sie inmitten der dicht gedrängten Menschenmenge an diesem hektischen Wochentag niemand erkannte, als sie auf die U-Bahn wartete. Als die Kamera des Fotografen klickte, stieg sie ein und setzte sich in eine Ecke des Wagons, wo sie während der ganzen Fahrt unbehelligt blieb. Niemand bemerkte den Star.
Marilyn wollte damit demonstrieren, dass es ganz bei ihr lag, ob sie die bezaubernde Marilyn Monroe war oder die schlichte Norma Jean Baker. In der U-Bahn war sie Norma Jean. Doch als sie die gewünschte Station erreichte und auf den belebten New Yorker Bürgersteig trat, beschloss sie, sich wieder in Marilyn zu verwandeln. Sie sah sich um und fragte halb im Scherz ihren Fotografen: »Willst du jetzt sie sehen?« Sie machte keine großen Gesten – sie »schüttelte ihr Haar und setzte sich in Pose«.
Mit dieser kleinen Veränderung war die magische Anziehungskraft plötzlich wieder da. Wie Wellenkräusel breitete sich eine Aura um sie aus, die alles in ihren Bann zog. So wie die Menschen in ihrer Umgebung, die sich die Augen rieben, als sie die glamouröse Schauspielerin zum Greifen nahe vor sich hatten, schien auch die Zeit stillzustehen. In wenigen Sekunden war Marilyn von Fans umringt, und der Fotograf brauchte »mehrere beängstigende Minuten«, um die Diva aus dem Gedränge zu befreien.[1]
Charisma ist von jeher ein faszinierendes Phänomen, über das es die unterschiedlichsten Auffassungen gibt. Wenn ich bei Konferenzen oder auf Cocktailpartys erzähle, dass ich »Charisma lehre«, spitzt augenblicklich alles die Ohren, und fast jedes Mal bekomme ich Dinge zu hören wie: »Aber ich dachte, das ist etwas, das man entweder hat oder nicht.« Manche sehen darin eine von der Natur ungerecht verteilte Gabe, während andere brennend an einer Methode interessiert sind, sie zu erlernen. Jeder ist von dem Thema fasziniert. Und zu Recht. Charismatische Menschen drücken der Welt ihren Stempel auf, ob sie neue Projekte ins Leben rufen, Firmen gründen oder Weltreiche schaffen.
Haben Sie sich jemals gefragt, wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie die Anziehungskraft eines Bill Clinton oder Steve Jobs besäßen? Ob Sie sich nun ein gewisses Maß an Charisma zuschreiben, das Sie weiter kultivieren wollen, oder der Meinung sind, bei null anzufangen, und davon träumen, ein wenig von dieser Ausstrahlung zu entfalten, dann habe ich gute Neuigkeiten für Sie: Charisma ist etwas, das Sie erlernen und einüben können.
Stellen Sie sich vor, wie Ihr Leben aussähe, wenn Sie wüssten, dass Sie nur einen Raum zu betreten bräuchten, und alle drehten sich sofort um, hingen Ihnen an den Lippen und hofften auf Ihre Anerkennung.
Für charismatische Menschen ist das ganz normal. Jeder ist von ihrer Präsenz beeindruckt. Andere fühlen sich unwiderstehlich zu ihnen hingezogen und auf unerklärliche Weise dazu inspiriert, ihnen nach Kräften zu helfen. Charismatische Menschen scheinen ein interessanteres, erfüllteres Leben zu führen: Im Privatleben fehlt es ihnen nie an Partnerangeboten, im Beruf verdienen sie meist mehr Geld und sie haben weniger Stress.
Charisma bringt Ihnen die Zuneigung und das Vertrauen anderer Menschen ein, die sich gern von Ihnen führen lassen. Es kann darüber entscheiden, ob Sie als Gefolgschaft oder Führungspersönlichkeit herüberkommen, ob Ihre Ideen auf Interesse stoßen und wie erfolgreich Ihre Projekte verwirklicht werden. Ob Sie wollen oder nicht, Charisma regiert die Welt – es motiviert die Menschen, aus eigenem Antrieb zu tun, was Sie von ihnen verlangen.
Selbstverständlich ist Charisma im Geschäftsleben von entscheidender Bedeutung. Ob Sie sich auf einen neuen Job bewerben oder innerhalb Ihres Betriebs aufsteigen wollen, hilft es Ihnen dabei, Ihr Ziel zu erreichen. Zahlreiche Studien kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass charismatische Menschen bessere Leistungsbewertungen erzielen und von ihren Vorgesetzten wie von ihren Mitarbeitern für besonders tüchtig gehalten werden.[2]
Wenn Sie eine leitende Stellung innehaben oder anstreben, brauchen Sie Charisma. Es verschafft Ihnen im Konkurrenzkampf einen entscheidenden Vorteil, wenn es darum geht, die besten Talente für sich zu gewinnen und zu halten. Die Menschen werden es als Privileg empfinden, für Sie, in Ihrem Team und in Ihrem Betrieb zu arbeiten. Überdies haben Studien gezeigt, dass unter der Leitung charismatischer Persönlichkeiten bessere Leistungen erzielt werden, eine größere Zahl von Mitarbeitern ihre Arbeit als sinnvoll betrachtet und in Ihre Firmen- oder Organisationsleitung mehr Vertrauen setzt als dies bei denjenigen der Fall ist, die unter tüchtigen Führungskräften ohne Charisma arbeiten.[3]
Um es mit den Worten von Robert House, Professor für Betriebswirtschaft an der Wharton School, zu sagen, »motivieren [charismatische Führungspersönlichkeiten] ihre Gefolgschaft dazu, sich ihrer Mission mit großem Engagement zu verschreiben sowie unter beträchtlichen persönlichen Opfern und weit über den Rahmen ihrer Pflichten hinaus hervorragende Leistungen zu erbringen«.[4]
Es liegt am Charisma, wenn ein erfolgreicher Handelsvertreter in derselben Branche fünfmal mehr verkauft als seine Kollegen. Charisma entscheidet darüber, ob einem Unternehmer die Investoren die Tür einrennen oder ob er bei der Bank um ein Darlehen betteln muss.
Doch auch außerhalb des Geschäftsbereichs ist Charisma von unschätzbarem Wert. Es hilft einer Mutter bei der Erziehung ihrer Kinder, im Umgang mit deren Lehrern, im alltäglichen Austausch mit den Menschen in ihrem Umfeld. Für Schüler und Studenten, die bei Bewerbungsgesprächen punkten wollen oder in einer Schüler- beziehungsweise Studentenvertretung eine Führungsrolle anstreben, kann es sehr hilfreich sein. Es trägt entscheidend zur Beliebtheit unter Gleichaltrigen bei und verleiht Selbstvertrauen in den unterschiedlichsten zwischenmenschlichen Situationen. Charismatische Ärzte sind bei Patienten beliebter und haben vollere Wartezimmer; ihre Patienten halten sich im Durchschnitt gewissenhafter an die verordnete Therapie. Auch werden sie, wenn etwas schiefläuft, seltener juristisch belangt. Selbst in der Forschung und im akademischen Bereich ist Charisma von Bedeutung: Schriften charismatischer Menschen werden eher veröffentlicht, sie ziehen müheloser Forschungsgelder, insbesondere Zuschüsse der Industrie, an Land und halten die beliebtesten Vorlesungen und Seminare. Der Professor, der nach der Vorlesung stets von einer Schar bewundernder Studenten umringt ist, hat – Charisma.
Anders als die meisten von uns glauben, kommt man nicht einfach mit Charisma auf die Welt – sozusagen mit einer angeborenen unwiderstehlichen Anziehungskraft. Wäre uns Charisma in die Wiege gelegt, müssten charismatische Menschen stets und ständig andere in ihren Bann ziehen, was aber schlicht und einfach nicht der Fall ist. Selbst beim glamourösesten Superstar kann das Charisma einmal präsent sein, ein andermal nicht. Marilyn Monroe konnte ihr Charisma »abschalten« und in der Menge untergehen. Um es wieder einzuschalten, änderte sie einfach nur ihre Körpersprache.
Wie zahlreiche Studien der letzten Jahre zeigen, hat Charisma in erster Linie mit bestimmten nonverbalen Verhaltensweisen zu tun[5] und keineswegs mit einer angeborenen magischen Persönlichkeitsstruktur. Nur so lassen sich die Schwankungen in der charismatischen Wirkung erklären: Es macht sich nur dann bemerkbar, wenn jemand diese Verhaltensweisen an den Tag legt.
Kennen Sie das Gefühl, eine Situation mit vollkommenem Selbstvertrauen zu meistern? Kennen Sie diesen Moment, wenn die Menschen von Ihnen beeindruckt sind und Sie Ihren Zuhörern ein »Wow!« entlocken? Da wir irrtümlicherweise glauben, charismatische Menschen verbreiteten ihre Aura tagtäglich, führen wir unsere eigenen kleinen Triumphe dieser Art nicht auf Charisma zurück. Doch wie wir bereits sahen, senden auch andere nicht fortwährend entsprechende Signale aus.
Der Irrtum, Charisma für einen festen Charakterzug zu halten, geht unter anderem darauf zurück, dass wir charismatische Verhaltensweisen genau wie andere soziale Kompetenzen normalerweise in jungen Jahren erlernen. Tatsächlich wird den meisten nicht einmal bewusst, dass sie sich solche Fähigkeiten aneignen. Sie probieren einfach neue Verhaltensmuster aus, sehen das Resultat und entwickeln ihre Kompetenzen weiter. So werden diese Muster irgendwann zur zweiten Natur.
Viele bekannte charismatische Persönlichkeiten mussten erst einmal hart daran arbeiten, Charisma zu entwickeln, und erkennen, dass sie sich auf einen langen Prozess einzustellen haben, der nicht von heute auf morgen abgeschlossen ist. Da wir diese Menschen aber erst am Zenit ihrer charismatischen Wirkung kennenlernen, können wir kaum glauben, dass sie nicht schon immer so beeindruckend waren.
So war beispielsweise Steve Jobs, der frühere Firmenleiter von Apple, der als einer der charismatischsten Unternehmerfiguren des Jahrzehnts gilt, nicht von Anfang an erfolgsverwöhnt. Man braucht nur an seine frühesten Präsentationen zu denken und hat einen schüchternen, linkisch wirkenden Mann vor Augen, der in seinem Vortragsstil ständig zwischen übertrieben dramatischen Anwandlungen und dem introvertierten Habitus eines eingefleischten Nerds hin- und herspringt. Jobs kultivierte jedoch über Jahre sein Charisma und seine öffentlichen Auftritte wurden damit immer besser.
Charisma hat das Interesse von Soziologen, Psychologen, Kognitionswissenschaftlern und Verhaltensforschern geweckt. Es wurde mit den unterschiedlichsten Methoden untersucht, von klinischen Experimenten unter Laborbedingungen, in Quer- und Längsschnittstudien bis hin zur qualitativ-interpretierenden Analyse. Eine Reihe dieser Studien befasst sich mit Präsidenten, militärischen Führungskräften, Studenten aller Altersstufen sowie Firmenleitern, vom niederen Management bis zu den Bossen. Dank dieser gründlichen Forschungsarbeit verstehen wir nunmehr Charisma als eine Kombination aus Verhaltensweisen.
Wenn wir jemandem zum ersten Mal begegnen, nehmen wir instinktiv eine Einschätzung vor – ob derjenige ein potenzieller Freund oder Feind und ob er fähig ist, seine entsprechenden Absichten umzusetzen. Unsere Einschätzung richtet sich also auf Macht und Intentionen. »Könntest du für mich Berge versetzen? Und wenn ja, würdest du es tun?« Um uns in der ersten Frage Klarheit zu verschaffen, versuchen wir abzuschätzen, wie viel Macht oder persönliche Energie dieser Mensch besitzt. Um die zweite Frage zu beantworten, versuchen wir herauszufinden, ob und in welchem Maße wir demjenigen sympathisch sind. Begegnen wir einer charismatischen Person, gewinnen wir den Eindruck, dass sie sehr viel Energie und Macht besitzt und uns spontan ins Herz geschlossen hat.
Im Grunde genommen geht es bei Charisma um recht einfache Dinge. Wir müssen lernen, anderen den Eindruck zu vermitteln, dass wir gleichermaßen über persönliche Macht und Einfluss verfügen wie über einen hohen Grad an menschlicher Wärme, denn genau diese Kombination vermitteln wir mit Charisma. »Kampf oder Flucht?« lautet die Machtfrage. »Freund oder Feind?« lautet die Frage nach der menschlichen Wärme oder Empathie.
Diese beiden Merkmale sind eng mit einer dritten Qualität verbunden – der Präsenz. Wenn Menschen ihre Begegnung mit charismatischen Persönlichkeiten beschreiben, ob es sich nun um Colin Powell, Condoleezza Rice oder den Dalai-Lama handelt, so sprechen sie sehr häufig von der außergewöhnlichen »Präsenz« dieses Menschen.
In meinen Seminaren für Führungskräfte geht es den Teilnehmern an allererster Stelle um Präsenz. Sie möchten ihre Präsenz in der Bewältigung von Führungsaufgaben wie auch ihre Präsenz im Konferenzraum verbessern. Und zu Recht: Präsenz erweist sich bei näherer Betrachtung als wichtigste Komponente von Charisma, das Fundament, auf dem alles andere ruht. Begegnet man einem Meister in der Kunst des Charismas – etwa Bill Clinton –, so spürt man nicht nur seine Macht, seine Offenheit und menschliche Wärme, sondern vor allem, dass er in diesem Augenblick ganz bei Ihnen ist. Gegenwärtig.
Charisma ist inzwischen zu einer Art angewandter Wissenschaft geworden. In diesem Buch leiten wir aus den Forschungserkenntnissen praktische, sofort umsetzbare Methoden ab, deren Nutzen am jeweiligen Ergebnis gemessen wird. Sie erlernen Charisma in einer systematischen, methodischen Vorgehensweise, mit praktischen Übungen, die Sie in Ihrem Alltag anwenden können, um selbst herauszufinden, ob und wie sie Ihnen nützen. Und im Unterschied zu den meisten von uns, die sich jene sozialen Kompetenzen auf dem mühseligen Weg von Trial and Error angeeignet haben, verschwenden Sie keine Zeit damit herauszufinden, was funktioniert und was nicht. Sie können direkt zu den erprobten Mitteln greifen, die erwiesenermaßen Ihr Charisma verbessern.
Natürlich müssen Sie daran arbeiten, charismatischer zu werden – diese Arbeit kann hart, unbequem und zuweilen entmutigend sein. Doch sie ist überaus lohnend: Nicht nur die Reaktion anderer auf Sie wird sich spürbar verändern, sondern Sie bekommen auch ein anderes Verhältnis zu sich selbst. Es geht gewissermaßen um Ihren Umgang mit Ihrem mentalen Ökosystem. Sie lernen, Ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zufriedenzustellen; zugleich finden Sie heraus, mit welchem Verhalten Sie Ihren Mitmenschen als charismatisch erscheinen, und entwickeln die entsprechenden Techniken.
Mit diesem Buch eignen Sie sich Schritt für Schritt die Hilfsmittel und Verhaltensweisen an, um die drei entscheidenden Merkmale von Charisma auszustrahlen: Präsenz, Macht und Wärme. Wenn Sie diese Qualitäten in Ihrem Alltag in die Praxis umsetzen, merken Sie selbst, wie Sie in zunehmendem Maße auf Ihre Mitmenschen anziehend wirken – waren Sie schon vorher mit einer starken Präsenz gesegnet, so lernen Sie, Ihre charismatische Ausstrahlung noch bewusster einzusetzen. Sie lernen, diese Fähigkeit in unterschiedlichen Situationen abzurufen und gekonnt zu nutzen. Schließlich lernen Sie, Ihr Charisma auf Ihre Persönlichkeit, Ihre Ziele und die wechselnden Situationen abzustimmen.
Sie erfahren, was bei charismatischen Menschen mental, aber auch physisch vorgeht. Dabei gewinnen Sie Einblicke in die Konflikte und internen Kämpfe von Männern und Frauen auf den Chefetagen, die sich hinter verschlossenen Türen abspielen.
Sie werden feststellen, dass eine charismatische Ausstrahlung nichts mit Zauberformeln, sondern etwas mit nüchternem Pragmatismus zu tun hat: Mehrere Wissenschaftssparten haben uns Kenntnisse an die Hand gegeben, mit deren Hilfe wir erfahren, was hinter Charisma steckt und wie es wirkt. Das Buch stellt Ihnen sowohl die Erkenntnisse als auch die Techniken vor, mit deren Hilfe Sie dieses Wissen praktisch anwenden können. Machen Sie Ihre Umwelt zum Versuchslabor und nutzen Sie jede Begegnung als Gelegenheit zu experimentieren. Haben Sie sich erst einmal die wichtigsten Grundlagen zu eigen gemacht, werden Sie lernen, auch in schwierigen Situationen charismatisch zu bleiben, etwa in Gesprächen, die über Karriereschritte entscheiden, oder im Umgang mit einem anstrengenden Menschen, oder wenn Sie vor Publikum sprechen. Sobald Sie über die Fähigkeit verfügen, Ihr Charisma jederzeit einzusetzen, kennen Sie die Geheimnisse der Persönlichkeiten, die ein charismatisches Leben führen.
Sie lernen, mehr Einfluss auszuüben, besser zu überzeugen und stärker zu inspirieren. Sie werden lernen, Charisma zu verströmen: Wenn Sie durch einen Raum gehen, werden die dort Anwesenden sich fragen: »Wow, wer ist das denn?«
In den glühend heißen Sommermonaten des Jahres 1886 trat William Gladstone in der Wahl zum Premierminister des Vereinigten Königreichs gegen Benjamin Disraeli an. Wir befinden uns im Viktorianischen Zeitalter, was damals bedeutete: Wer die Wahl gewann, herrschte über die halbe Welt. In der Woche vor dem Urnengang führten zufälligerweise beide Männer dieselbe junge Frau zum Abendessen aus. Natürlich fragte die Presse diese Frau, welchen Eindruck sie von den beiden Rivalen gewonnen habe. Sie sagte: »Nach dem Abendessen mit Mr. Gladstone hatte ich das Gefühl, dem klügsten Menschen in ganz England begegnet zu sein. Aber nach dem Essen mit Mr Disraeli hatte ich das Gefühl, ich sei der klügste Mensch in ganz England.«
Dreimal dürfen Sie raten, wer die Wahl gewonnen hat. Es war der Mann, der anderen das Gefühl vermittelte, intelligent, beeindruckend und faszinierend zu sein: Benjamin Disraeli.
Ob bewusst oder unbewusst charismatische Menschen legen Verhaltensweisen an den Tag, mit denen sie bei ihrem Gegenüber bestimmte Gefühle auslösen und Eindrücke erwecken. Jeder von uns kann diese Verhaltensweisen erlernen und kultivieren. Tatsächlich haben Forscher unter kontrollierten Laborbedingungen bei Versuchspersonen den Grad ihres Charismas willentlich beeinflussen können, so wie man an einer Wählscheibe »Laut« und »Leise« einstellt.[1] Entgegen der gängigen Vorstellung muss man nicht von Natur aus kontaktfreudig und physisch attraktiv sein, um Charisma zu besitzen, vor allem aber braucht man nicht seine Persönlichkeit zu verbiegen. Egal, wo Sie stehen, können Sie von diesem Ausgangspunkt aus Ihr persönliches Charisma deutlich verbessern und sowohl im Beruf als auch im Privatleben die Früchte ernten.
Zu den bekanntesten Charisma-Mythen gehört die Vorstellung, man müsse von Natur aus lebhaft und temperamentvoll sein, um Charisma zu besitzen. Interessanterweise haben aber Forschungsergebnisse erbracht, dass es sehr wohl auch charismatische introvertierte Menschen gibt. In der westlichen Gesellschaft herrscht eine solche Überbetonung auf soziale Kompetenzen, die für extravertierte Persönlichkeiten typisch sind, dass introvertierte Menschen sich als minderwertig und uncool empfinden. Dabei ist eine introvertierte Disposition keineswegs ein unentrinnbares Handicap. Wir werden noch sehen, dass sie für bestimmte Formen von Charisma sogar von großem Vorteil ist.
Ebenso ist es ein Mythos, dass Charisma von physischer Attraktivität abhängt. Zahllose charismatische Persönlichkeiten waren alles andere als im klassischen Sinne schön. So galt Churchill im Allgemeinen sicherlich nicht als gut aussehend und war schon gar nicht für sein Sex-Appeal bekannt. Dennoch gehört er zu den einflussreichsten und mächtigsten Politikern der Geschichte.
Zweifellos bringt gutes Aussehen Vorteile. Trotzdem ist es sehr wohl möglich, eine charismatische Ausstrahlung zu besitzen, ohne ein ausgesprochen hübsches Gesicht oder eine tolle Figur zu haben. Umgekehrt hebt Charisma Ihre Attraktivität. Als die Teilnehmer an einer Versuchsreihe aufgefordert wurden, bestimmte charismatische Verhaltensweisen an den Tag zu legen, stiegen ihre Attraktivitätswerte in signifikanter Weise.[2]
Und last but not least: Sie brauchen Ihre Persönlichkeit nicht zu verändern. Charismatischer zu werden bedeutet nicht, einem bestimmten Persönlichkeitstyp zu entsprechen oder etwas zu tun, das nicht in Ihrem Wesen liegt.
Vielmehr werden Sie Ihre Persönlichkeit um einige neue Kompetenzen und Verhaltensweisen bereichern.
Durch Charisma-Training werden Sie etwas über charismatische Körpersprache lernen, über Blickkontakt und wie Sie mit den Augen freundliche Signale aussenden; darüber hinaus werden Sie sich damit beschäftigen, Ihre Sprechweise so zu modulieren, dass die Menschen Ihnen Aufmerksamkeit schenken. Vorweg schon einmal drei Tipps für den ersten Charisma-Schub in einer Gesprächssituation.
• Senken Sie am Ende Ihrer Sätze die Stimme.• Achten Sie darauf, nicht zu schnell und nicht so oft mit dem Kopf zu nicken.• Halten Sie zwei Sekunden lang inne, bevor Sie das Wort erheben.Wie Sie sehen, sind das einfache Kniffe und kein tief greifender Wandel. Sie bleiben Ihrer Persönlichkeit treu und ändern daran nur etwas, wenn Sie es selber wollen.
Kommt man sich mit diesen neuen Tricks und Verhaltensweisen nicht erst einmal komisch vor? Schon möglich. Aber natürlich war das auch der Fall, als Sie sich zum ersten Mal die Zähne geputzt haben, was Ihnen nach kurzer Zeit zur Gewohnheit wurde. Wie andere neue Fertigkeiten mögen Ihnen auch charismatische Verhaltensweisen zunächst fremd erscheinen, doch mit der Übung werden sie Ihnen zur zweiten Natur, und Sie beherrschen sie so unwillkürlich wie Laufen, Reden oder Autofahren. Dieses Buch hilft Ihnen Schritt für Schritt, diese Kniffe zu erlernen und sich zu eigen zu machen.
Wir nehmen es für selbstverständlich, dass es der bewussten Übung bedarf, um gut Schach zu spielen, zu singen oder im Baseball zu glänzen. Ganz ähnlich können wir durch bewusste Übungen Charisma erlernen, und da wir tagtäglich mit Menschen umgehen, studieren wir sie automatisch ein.
Da ich selbst zahlreichen Klienten dabei geholfen habe, ihr Charisma zu kultivieren, weiß ich aus langjähriger Erfahrung, dass man diese Ausstrahlung durch bewusste Übung verstärken kann. Viele Menschen im unmittelbaren Umfeld meiner Klienten haben mir bestätigt, dass diese Klienten nach unserer gemeinsamen Arbeit anders wahrgenommen wurden als davor. Nachdem die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Berkeley mich darum gebeten hatte, einen Lehrplan für Charisma und Führungskompetenzen zu entwickeln, habe ich Studenten aller Semester beigebracht, wie man Charisma entwickelt.
Wenn Sie die Instruktionen in diesem Buch befolgen, werden Sie mit Sicherheit Ihr Charisma verbessern. Sind Ihnen diese Verhaltensweisen erst zur zweiten Natur geworden, kommen sie im Umgang mit Menschen ganz von selbst zum Tragen, ohne dass Sie bewusst darauf achten müssen – und von da an werden Sie für Ihre Mühen belohnt.
Bei meiner Beschäftigung mit dem Thema Charisma habe ich das Pferd von hinten aufgezäumt, weil ich erst im Nachhinein die wissenschaftlichen Grundlagen erforscht habe, um so die praktischen Hilfsmittel und Techniken zu untermauern. Dieses Buch hilft Ihnen dabei, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen und Ihre Erfolgskurve zu beschleunigen.
Ich gebe Ihnen Mittel an die Hand, die Ihnen für die investierte Zeit und Mühe die beste Rendite garantieren – die wirkungsvollsten Techniken aus einer Vielzahl wissenschaftlicher Disziplinen: von der Verhaltens- über die Kognitionsforschung und Neurowissenschaft bis hin zur Meditation; vom Höchstleistungssporttraining bis zum MethodActing, wie es in Hollywood praktiziert wird.
Mit den wissenschaftlichen Aspekten mache ich Sie immer dann vertraut, wenn sie für die Praxis wichtig (oder amüsant oder faszinierend) sind, in erster Linie aber bringe ich Ihnen die Methoden bei. Mir geht es in diesem Buch darum, Sie in Techniken einzuführen, die Sie sofort in die Praxis umsetzen können, um Ihr Verhalten und Ihr Selbstvertrauen so zu verbessern, dass Erfolge sich automatisch einstellen.
Auf die Frage, wie lange es dauert, bis mein Training konkrete Ergebnisse zeitigt, antworte ich: Bereits nach einer Sitzung werden Sie den Unterschied merken. Nach zwei Sitzungen werden andere den Unterschied bemerken. Nach drei Sitzungen haben Sie eine völlig neue Präsenz.
Allerdings genügt es nicht, einfach nur dieses Buch zu lesen. Wenn Sie sich darum drücken, die Übungen durchzuführen, egal wie lächerlich oder unbehaglich Sie sich zuweilen dabei fühlen mögen, betrügen Sie sich nur um den eigenen Erfolg. Wenn Sie die Früchte ernten wollen, müssen Sie bereit sein, das Erlernte einzuüben. Wenn eine Übung etwa von Ihnen verlangt, die Augen zu schließen und sich eine Szene vorzustellen, dann schließen Sie bitte die Augen und stellen sich die Szene vor. Oder wenn ich Sie bitte, ein Szenario zu skizzieren, dann bringen Sie es bitte zu Papier. Das ist die Herausforderung, die ich für jeden Manager im Gepäck habe, der mich als Coach anheuert. Die praktischen Übungen sind unerlässlich. Weder reicht es aus, diese Anweisungen zu »überfliegen«, um sie »bei Gelegenheit« auszuprobieren, noch werden Sie erfolgreich sein, wenn Sie sich auf die Übungen beschränken, die Ihnen leicht oder interessant erscheinen. Wenn ich Sie bitte, etwas Bestimmtes zu tun, dann aus gutem Grund, denn jede Übung wird sich nachhaltig auf Ihr Charisma auswirken.
Manche der hier vorgestellten Techniken bewähren sich sofort, etwa wenn Sie lernen, wie man vor kleinem oder großem Publikum charismatisch spricht. Andere werden erst nach Wochen ihre volle Wirkung entfalten. Einige Übungen werden Sie überraschen, etwa wenn Sie lernen, wie Ihre Zehen dabei helfen, Ihr Charisma-Potenzial zu optimieren.
Meine Frage an einen Klienten, was er anderen raten würde, die gerade erst mit dieser Arbeit beginnen, beantwortete er so: »Erklären Sie ihnen: Auch wenn Sie anfangs Bedenken haben, wie Sie das alles meistern sollen, und Sie gezwungen sind, aus Ihrem Trott herauszukommen – es lohnt sich.« Treffen Sie eine klare Entscheidung und machen Sie sich an die Arbeit.
Charismatisches Verhalten lässt sich in drei zentrale Bestandteile untergliedern: Präsenz, Macht und Wärme. Diese Elemente hängen einerseits von unseren bewussten Verhaltensweisen ab und andererseits von Faktoren, die sich unserer bewussten Kontrolle entziehen. Andere Menschen fangen Botschaften auf, die wir nicht einmal bewusst, sondern durch kleine Veränderungen in unserer Körpersprache aussenden. In diesem Kapitel werden wir uns damit beschäftigen, wie wir diese Signale willentlich beeinflussen können. Eine charismatische Ausstrahlung hängt immer von einem bestimmten Geisteszustand ab, der unsere Körpersprache, unsere Wortwahl und unser übriges Verhalten zu einer Einheit verschmelzt und die wesentlichen Elemente von Charisma zum Ausdruck bringt. Da Präsenz die Kernkompetenz ist, von der alles andere abhängt, fangen wir mit ihr an.
Ist Ihnen das auch schon einmal passiert? Sie sind mitten in einer Unterhaltung und plötzlich wird Ihnen bewusst, dass Sie mit Ihrer halben Aufmerksamkeit ganz woanders sind. Glauben Sie, dass Ihr Gesprächspartner das registriert?
Wenn Sie in einer Interaktion nicht völlig präsent sind, ist dies meist an verräterischen Zeichen zu erkennen, etwa an einem abwesenden Blick oder an einer leicht verzögerten Reaktion in Ihrer Mimik. Da wir in der Lage sind, den Gesichtsausdruck anderer Menschen in gerade einmal 17 Millisekunden zu lesen[1], wird Ihr Gesprächspartner höchstwahrscheinlich selbst geringfügige Verzögerungen in Ihren Reaktionen registrieren.
Vielleicht hoffen wir, dem anderen vortäuschen zu können, wir wären bei der Sache. Vielleicht glauben wir, dass wir erfolgreich vortäuschen, aufmerksam zuzuhören. Solange wir den Schein aufrechterhalten, glauben wir, es sei nichts dabei, die Gedanken schweifen zu lassen. Doch das ist ein Irrtum. Wenn wir in einer Interaktion nicht mit voller Aufmerksamkeit dabei sind, wird das von den anderen registriert. Unsere Körpersprache sendet ein deutliches Signal aus, das sie auffangen und auf das sie, zumindest unterbewusst, reagieren.
Ganz bestimmt haben Sie schon mal mit jemandem gesprochen, der Ihnen nicht zugehört hat. Vielleicht hat derjenige nur so getan, als folgte er Ihren Überlegungen mit Interesse, um Sie nicht zu kränken. Dennoch ist Ihnen nicht entgangen, dass Ihr Gegenüber nicht bei der Sache war. Wie haben Sie sich dabei gefühlt? Zurückgewiesen? Verärgert? Einfach nur mies? Vielleicht so, wie es mir kürzlich ein Student nach meiner Vorlesung an der Harvard Universität beschrieben hat: »Ich habe neulich so etwas erlebt. Ich war mit jemandem im Gespräch und hatte das Gefühl, dass sie mit den Gedanken woanders ist. Ich war sauer – offenbar zählte ich weniger als das, woran sie gerade dachte und was ihr wichtiger war als unser Gespräch.«
Der Mangel an Präsenz kann nicht nur für jedermann sichtbar sein, er kann auch als Unaufrichtigkeit gedeutet werden, was noch negativere emotionale Reaktionen auslöst. Wenn Ihr Gesprächspartner bei Ihnen eine Diskrepanz zwischen Ihrem Verhalten und Ihrem Geisteszustand wahrnimmt, ist es praktisch unmöglich, in eine Verbindung zu treten und Vertrauen oder Loyalität zu erzeugen. Und es ist unmöglich, charismatisch zu sein.
Präsenz ist eine Fähigkeit, die man erlernen kann. Wie andere Fähigkeiten (sei es Malerei oder Klavierspiel), wird man auch darin durch geduldiges Üben besser. Präsent zu sein, heißt schlicht und ergreifend, bewusst wahrzunehmen, was im Hier und Jetzt geschieht. Es bedeutet, dass man seine Aufmerksamkeit auf das unmittelbare Geschehen richtet, statt sich in seinen eigenen Gedanken zu verlieren.
Nachdem Ihnen nun klar ist, welchen Preis Sie für einen Mangel an Präsenz zahlen, probieren Sie doch einmal die folgende Übung aus, um im Selbstversuch zu erfahren, wie präsent Sie sein können, und um drei einfache Techniken zu erlernen, mit denen Sie in Ihren persönlichen Interaktionen augenblicklich Ihr Charisma verbessern.
Praktische Umsetzung: Präsenz
Im Folgenden stelle ich Ihnen ein paar Techniken vor, die aus dem Übungsrepertoire der Achtsamkeits-Praxis stammen. Sie brauchen nichts weiter als eine einigermaßen ruhige Umgebung, in der Sie (ob im Stehen oder Sitzen) nur eine Minute lang die Augen schließen; und Sie brauchen eine Stoppuhr.
Stellen Sie die Zeitschaltuhr auf eine Minute ein. Schließen Sie die Augen und versuchen Sie, sich auf eins der drei folgenden Dinge zu konzentrieren: die Geräusche in Ihrer Umgebung, Ihren Atem oder das Gefühl in Ihren Zehen.
Geräusche: Lauschen Sie auf jedes Geräusch in Ihrer Umgebung. Oder mit den Worten eines Meditationslehrers: »Stellen Sie sich vor, Ihre Ohren seien Satellitenschüsseln, die passiv und objektiv sämtliche Geräusche einfangen.« Ihr Atem: Konzentrieren Sie sich auf die Empfindungen, die er in Ihren Nasenlöchern oder im Bauch auslöst, und zwar sowohl beim Ein- als auch beim Ausatmen. Konzentrieren Sie sich jeweils nur auf einen Atemzug, versuchen Sie jedoch, alles an diesem einen Atemzug wahrzunehmen. Stellen Sie sich vor, dieser Atemzug sei jemand, dem Sie Ihre volle Aufmerksamkeit schenken wollen. Ihre Zehen: Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Empfindungen in Ihren Zehen. Diese Übung zwingt Sie, mit Ihrer Aufmerksamkeit durch den ganzen Körper zu wandern, was Ihnen dabei hilft, mit Ihrer Körperwahrnehmung im Hier und Jetzt zu sein.Und, wie ist es gelaufen? Sind Ihre Gedanken dauernd abgedriftet, obwohl Sie Ihr Bestes getan haben, präsent zu sein? Wie Sie wohl festgestellt haben, ist es gar nicht so leicht, vollkommen präsent zu bleiben. Dafür gibt es zwei Gründe:
Erstens ist unser Gehirn so gepolt, dass es auf neue Reize anspricht, seien es visuelle Eindrücke, Gerüche oder Geräusche. Demnach sind wir so angelegt, dass wir uns leicht ablenken lassen und mit unserer Aufmerksamkeit neuen Reizen folgen, denn: Das könnte wichtig sein! Es könnte uns auffressen! Für unsere Vorfahren war diese Reaktion eine zentrale Überlebensstrategie. Stellen Sie sich nur einmal zwei Stammesangehörige vor, die auf der Jagd die Steppe durchstreifen und den Horizont nach der Antilope absuchen, mit der sie ihre Familie satt bekommen. In der Ferne blitzt etwas auf. Der Stammesangehörige, dessen Aufmerksamkeit nicht augenblicklich davon angezogen wird – ist nicht unser Vorfahre.
Die zweite Ursache für mangelnde Aufmerksamkeit rührt daher, dass unsere Gesellschaft permanent dazu verführt, uns ablenken zu lassen. Die unablässige Reizüberflutung, der wir ausgesetzt sind, schwächt unsere natürliche Konzentrationsfähigkeit. Dies kann uns so beeinträchtigen, dass uns der Zustand geteilter Aufmerksamkeit zur zweiten Natur wird und wir nicht mehr in der Lage sind, unsere ganze Konzentration auf einen Gegenstand zu richten. Die Zerstreuung wird zum Normalzustand.
Wenn es Ihnen also häufig schwerfällt, vollkommen präsent zu sein, gehen Sie nicht zu hart mit sich ins Gericht. Das ist normal. Für die meisten von uns ist Präsenz schwierig. Eine groß angelegte Studie mit 2250 Versuchspersonen, die der Harvard-Psychologe Daniel Gilbert zusammen mit anderen Kollegen durchgeführt hat, kam zu dem Ergebnis, dass wir im Durchschnitt fast die Hälfte der Zeit unsere Gedanken ziellos umherschweifen lassen.[2] Selbst Meditationsmeister stellen fest, dass ihre Gedanken während ihrer Übungen abschweifen. Bei intensiven Meditationssitzungen gibt dies stets auch Anlass zu Witzen.
Die gute Nachricht ist, dass selbst eine geringfügige Verbesserung Ihrer Konzentrationsfähigkeit oder Präsenz auf Ihre Umgebung schon eine große Wirkung erzielen kann. Wenn Sie lernen, immer wieder eine Weile völlig präsent zu sein, dann wird das von der Mehrzahl, die praktisch auch nie vollkommen konzentriert ist, wahrgenommen.
Versuchen Sie, wenn Sie sich das nächste Mal mit jemandem unterhalten, in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, ob Sie mit ganzer Aufmerksamkeit dabei sind oder sich ablenken lassen (und sei es auch nur, dass Sie sich Ihren nächsten Satz überlegen). Versuchen Sie, so oft Sie können, sich wieder zu sammeln, indem Sie für eine Sekunde Ihren Atem oder Ihre Zehen spüren, und sich dann wieder der anderen Person zuwenden.
Eine meiner Klientinnen berichtete, nachdem sie diese Übung zum ersten Mal ausprobiert hatte: »Ich stellte fest, dass ich entspannt war und lächelte, dass andere plötzlich auf mich aufmerksam wurden und, ohne dass ich ein Wort gesagt hatte, mein Lächeln erwiderten.«
Falls Sie sich bei einer der oben beschriebenen Übungen keine komplette Minute konzentrieren konnten, ist das kein Grund, sich entmutigen zu lassen. Allein schon damit, dass Sie diese Übung durchgeführt haben, sind Sie Ihrem Ziel, Ihr Charisma zu verbessern, einen Schritt nähergekommen. Und da Sie sich etwas Wichtiges bewusst gemacht haben (die Bedeutung von Präsenz und die Nachteile von Zerstreuung), sind Sie der Konkurrenz schon jetzt ein Stück voraus. Selbst wenn Sie das Buch an dieser Stelle beiseitelegen, hätten Sie bereits davon profitiert.
In einer praktischen Alltagssituation könnten sich Ihre neu gewonnenen Erkenntnisse etwa folgendermaßen auszahlen: Sagen wir, ein Kollege kommt in Ihr Büro und will Sie in einer bestimmten Angelegenheit um Ihre Meinung bitten. Sie müssen in wenigen Minuten in die nächste Besprechung und sind besorgt, dass die kleine Unterredung zu lange dauern könnte.
Falls Sie mit Ihren Gedanken woanders sind, während der Mann mit Ihnen spricht, werden Sie nicht nur nervös sein und sich noch schwerer konzentrieren können, sondern dem Kollegen oder Mitarbeiter auch den Eindruck von Rastlosigkeit und mangelnder Präsenz vermitteln. Er könnte daraus den Schluss ziehen, dass er oder sein Problem Ihnen nicht wichtig genug ist, um ihm Ihre volle Aufmerksamkeit zu widmen.
Wenn Sie sich stattdessen an einen unserer kleinen Tricks erinnern – und sich beispielsweise für eine Sekunde auf Ihren Atem oder Ihre Zehen konzentrieren –, sind Sie augenblicklich wieder bei der Sache. Die volle Konzentration werden Sie mit den Augen und Ihrer Mimik signalisieren, und Ihr Gegenüber nimmt diese Signale auf. Indem Sie ihm nur wenige Minuten Ihrer Zeit, aber Ihre ganze Aufmerksamkeit schenken, verbessern Sie Ihre Körpersprache und steigern damit unwillkürlich Ihr Charisma.
Charismatisch zu sein hängt weniger davon ab, wie viel Zeit Sie haben, sondern wie präsent Sie bei jeder Interaktion sind. Ihre Fähigkeit, vollkommen konzentriert zu sein, hebt Sie aus der Masse hervor; Sie hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Wenn Sie ganz und gar präsent sind, kann sogar ein fünfminütiger Gedankenaustausch Ihren Gesprächspartner in Staunen versetzen und eine emotionale Schwingung zwischen Ihnen erzeugen. Die Menschen, mit denen Sie gerade zusammen sind, spüren, dass sie Ihre volle Aufmerksamkeit bekommen und dass sie in diesem Augenblick für Sie wichtiger sind als alles andere auf der Welt.
Ein Klient klagte darüber, er würde ständig Leute verärgern, wenn er unter Druck sei oder mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen habe. Wenn in einer solchen Situation jemand zu ihm käme, ertappte er sich dabei, an die Arbeit zu denken, bei der er gerade unterbrochen wurde, statt dem anderen zuzuhören; am Ende fühlte sich der ungebetene Besucher zurückgewiesen und nicht ernst genommen.
Nachdem er die Konzentrationsübungen ausprobiert und die oben beschriebenen Techniken im Büro angewandt hatte, berichtete er: »Ich habe gelernt, wie wertvoll es ist, selbst für wenige Minuten meine volle Aufmerksamkeit zu schenken, und die Techniken haben mir dabei geholfen, in dieser kurzen Zeit ganz bei der Sache zu sein. Auf einmal verließen die Leute mein Büro zufrieden, weil sie das Gefühl hatten, mir wichtig zu sein.« Er bekräftigte, dies sei für ihn bei unserer gemeinsamen Arbeit eine der wertvollsten Lektionen gewesen.
Eine verbesserte Konzentration und Präsenz wirken sich nicht nur günstig auf Ihre Körpersprache, auf Ihre Fähigkeit zuzuhören und ganz allgemein auf Ihren Fokus aus, sondern vermehren vielleicht sogar Ihre Lebensfreude. Allzu oft passiert es uns, dass wir einen besonderen Moment achtlos vorübergehen lassen – etwa eine Feier oder auch nur ein paar wertvolle Minuten mit einem geliebten Menschen, weil unsere Gedanken in sechs verschiedene Richtungen gehen.
Die Meditationslehrerin Tara Brach hat ihr Leben der Praxis verschrieben, präsent zu sein beziehungsweise in der Gegenwart zu leben. Um es in ihren Worten zu sagen: »Die meiste Zeit kreisen wir um einen endlosen inneren Kommentar zu dem, was gerade geschieht, oder dem, was wir vorhaben. Selbst wenn wir gerade einen Freund umarmen, leidet die Herzlichkeit unserer Begrüßung darunter, dass wir mehr oder weniger bewusst abschätzen, wann wir uns aus der Umarmung lösen und was wir danach sagen sollen. Wir tauschen diese Gesten aus, ohne ganz mit dem Herzen dabei zu sein.« Die Gewohnheit, präsent zu sein, versetzt einen in die Lage, die glücklichen Momente mit ungeteilter Aufmerksamkeit wahrzunehmen und in vollen Zügen auszukosten.
Soeben haben Sie drei Hilfsmittel an die Hand bekommen, mit denen Sie Ihre Interaktionen mit anderen Menschen verbessern können; durch Übung werden sie Ihnen zur zweiten Natur. Und vergessen Sie nicht: Für jeden Moment, in dem Sie sich wieder in die Gegenwart zurückholen, werden Sie reichlich belohnt – Sie gewinnen an Einfluss, hinterlassen einen nachhaltigen Eindruck und Ihre Umgebung spürt Ihre »Bodenhaftung«. Sie legen den Grundstein für eine charismatische Präsenz.
Nachdem Sie nun wissen, was Präsenz bedeutet, weshalb sie für das Charisma so wichtig ist und wie man sie sich zur Gewohnheit machen kann, werfen wir einen Blick auf die beiden anderen Qualitäten, die für Charisma unverzichtbar sind: Macht und Wärme.
Wer als mächtig wahrgenommen wird, dem traut man zu, etwas zu bewirken, sei es durch seinen Einfluss oder durch seine Autorität über andere, durch große Vermögenswerte, Sachverstand, Intelligenz, schiere physische Kraft oder einen hohen Gesellschaftsstatus. Wenn wir Menschen begegnen, halten wir instinktiv nach Anzeichen von Macht Ausschau – in ihrer Erscheinung, in den Reaktionen anderer auf sie und vor allem in ihrer Körpersprache.
Wärme ist, einfach gesagt, Wohlwollen gegenüber anderen. Wer Wärme auf uns ausstrahlt, wird seine Macht gerne zu unseren Gunsten einsetzen. Einen warmherzigen Menschen verbindet man mit folgenden Eigenschaften: wohlwollend, altruistisch, fürsorglich, engagiert, bereit, unser Dasein positiv zu beeinflussen. Wärme wird fast ausschließlich über die Körpersprache und das Verhalten einer Person wahrgenommen. Unser Eindruck von der Wärme eines anderen ist spontaner als der von Macht.
Woran messen wir Macht und Wärme? Stellen Sie sich vor, Sie begegnen jemandem zum ersten Mal. In den wenigsten Fällen können wir zunächst etwas über diesen Menschen in Erfahrung bringen, Verwandte und Freunde über ihn ausfragen oder auch nur eine Weile sein Verhalten beobachten. In den meisten Fällen werden wir ihn daher spontan taxieren.
Bei allen unseren Interaktionen achten wir auf Zeichen, die auf Wärme und Macht deuten, und modifizieren unseren ersten Eindruck entsprechend. Aus teurer Kleidung schließen wir auf Reichtum, aus einer freundlichen Körpersprache auf redliche Absichten, aus einer selbstbewussten Körperhaltung schließen wir, dass derjenige Grund zu Selbstvertrauen hat. In der Regel wird von anderen akzeptiert, was wir mit unserem Auftreten vermitteln.
Wenn Sie mehr Macht oder mehr Wärme vermitteln, steigern Sie Ihr Charisma. Gelingt es Ihnen, beides, Macht und Wärme, zu vermitteln, maximieren Sie Ihr persönliches Charisma-Potenzial.
In unserer heutigen Zivilisation gibt es viele Möglichkeiten, als mächtig wahrgenommen zu werden – ob Sie vor allem Intelligenz an den Tag legen (wie Bill Gates) oder Güte ausstrahlen (wie der Dalai-Lama). Doch in früheren Jahrhunderten war eine Form von Macht absolut vorherrschend: brutale Gewalt. Sicher, Intelligenz hat noch nie geschadet, doch sie war damals nicht annähernd so entwickelt wie heute – man kann sich einen Bill Gates mit der Machete in der Hand, wie er den Gefahren des Dschungels trotzt, ja auch nicht so recht vorstellen. Unter den Mächtigen der Frühzeit, die sich ihre Position mit Körperkraft und Aggression erkämpften, wird Wärme ein sehr seltenes Gut gewesen sein: Eine mächtige Persönlichkeit, die uns auch noch Wohlwollen entgegenbringt, konnte, wenn es darauf ankam, über Leben und Tod entscheiden. Von Anbeginn an war es überlebensnotwendig zu erkennen, wer möglicherweise bereit ist, uns zu beschützen, und in wessen Macht es steht, es auch zu tun.
So ist es nicht verwunderlich, dass unsere Reaktion auf Macht tief in uns verankert ist. Wir reagieren auf sie ähnlich instinktiv wie auf Fett und Zucker. Unsere Vorfahren überlebten dank ihrer Vorliebe für Fett und Zucker. Sie waren für das Überleben unverzichtbar und rare Güter in der damaligen Umwelt. Obwohl sie uns heute im Übermaß zur Verfügung stehen, hat sich an unserem Instinkt nichts geändert. Dasselbe gilt für Charisma: Die Verbindung von Wärme und Macht ist heute viel häufiger anzutreffen und spielt auf der instinktiven Ebene für uns nach wie vor eine zentrale Rolle. Von der Verhaltensforschung bis zum Einsatz bildgebender Verfahren bei der Erforschung des Zentralnervensystems ist immer wieder belegt worden, dass wir bei der Einschätzung von Menschen ausnahmslos zuerst auf diese beiden Aspekte achten. [3]
Macht und Wärme sind Voraussetzungen für Charisma.
Jemand, der Macht ausstrahlt, aber keine Wärme, kann beeindruckend sein, wird aber deswegen noch lange nicht als charismatisch wahrgenommen, sondern wirkt vielleicht eher arrogant, kalt und abgehoben. Umgekehrt kann jemand mit einem warmherzigen Wesen ohne Macht sympathisch wirken, aber nicht charismatisch, sondern möglicherweise übereifrig, unterwürfig und allzu gefällig.
In der Wahl von 1886 vermittelte William Gladstone den Eindruck von Macht. Eine hochrangige Persönlichkeit, ein politisches Schwergewicht mit den richtigen Kontakten. Er beeindruckte die junge Frau beim Abendessen mit seiner Macht, vermittelte aber nicht die Wärme, die ihr das Gefühl gegeben hätte, etwas Besonderes zu sein.
Auch Disraeli strahlte Macht aus, auch er hatte eine steile politische Karriere vorzuweisen, war geistreich und von scharfem Verstand. Doch darüber hinaus hatte er die Gabe, seinem Gegenüber zu signalisieren, er oder sie sei intelligent und faszinierend.
Natürlich kann man sich dem Phänomen von Charisma auch anders nähern, doch Präsenz, Macht und Wärme sind Kriterien, mit denen man hervorragend arbeiten kann, um sein volles Charisma-Potenzial auszuschöpfen.
Nach umfangreichen Studien wagte das MIT Media Lab die Prognose, mit einer Treffsicherheit von 87 Prozent den Ausgang von Verhandlungen, Telefon-Akquise und Geschäftsgesprächen voraussagen zu können, ohne ein einziges Wort des Inhalts zu verstehen, allein durch die Analyse der Körpersprache.[4] So unwahrscheinlich das klingen mag – wie kann es sein, dass Worte im Vergleich zur Körpersprache so wenig Gewicht haben? –, leuchtet die Behauptung durchaus ein. Wenn man die menschliche Evolution als Ganzes betrachtet, ist die Sprache eine relativ junge Erfindung,* wir haben uns also schon viel früher durch nonverbale Kommunikation verständigt. So ist diese Ausdrucksform tief in unserem Gehirn verankert, viel tiefer als die jüngere Fähigkeit der Sprachverarbeitung. Aus diesem Grund hat die nonverbale Kommunikation eine stärkere Wirkung auf uns.
Hinsichtlich Ihres Charismas ist Ihre Körpersprache von weit größerer Bedeutung, als es Ihre Worte sind. Auch bei messerscharfer Argumentation und brillanter Formulierung sind Sie nicht charismatisch – wenn Ihre Körpersprache nicht stimmt. Umgekehrt können Sie charismatisch sein, ohne ein Wort zu sagen. Oft genügt es, mit Ihrer Körpersprache Präsenz, Macht und Wärme auszustrahlen, um charismatisch zu erscheinen.
Charisma entsteht im Kopf
Waren Sie sich bei Lektüre des letzten Abschnitts eigentlich bewusst, dass Sie permanent geblinzelt haben?
Nein? Dabei haben Sie Ihre Lider in regelmäßigen Abständen bewegt.
War Ihnen das Gewicht Ihrer Zunge im Mund bewusst?
Oder die Stellung Ihrer Zehen?
Haben Sie Ihre Augenlider schon wieder vergessen?
Ohne dass wir es merken, sendet unser Körper jede Minute Tausende Signale aus. Wie Atem und Herzschlag gehören diese Signale zu den unzähligen Körperfunktionen, die nicht unserer bewussten Kontrolle unterliegen, sondern vom Unterbewusstsein gesteuert werden. Wir wären vollkommen überfordert, wenn wir unsere gesamte Körpersprache bewusst einsetzen sollten.
Das hat zweierlei Konsequenzen: Zum einen können wir nicht einfach willentlich eine charismatische Körpersprache nach Belieben aussenden, da sie zu einem guten Teil nicht unserer bewussten Kontrolle unterliegt. Um sämtliche Signale wunschgemäß zu gestalten, müssten wir gleichzeitig Tausende von kleinen Aktivitäten kontrollieren, von den feinsten Tonlagenwechseln bis hin zur präzisen Anspannung der Muskeln rings um die Augen. Das ist faktisch unmöglich. Somit ist es auch unmöglich, eine charismatische Körpersprache bis ins Letzte willentlich zu steuern. Andererseits findet durchaus eine Steuerung statt, wenn auch seitens unseres Unterbewusstseins, und so wäre das Problem unserer nonverbalen Signale gelöst, wenn wir unser Unterbewusstsein in gewünschte Bahnen lenken könnten. (Schon einmal vorweg: Das geht, und Sie werden es lernen.)
Die zweite Konsequenz ist die Tatsache, dass unsere Körpersprache, ob wir es wollen oder nicht, unsere mentale Befindlichkeit ausdrückt. Unser Gesichtsausdruck, unsere Stimme, unsere Körperhaltung und viele andere Aspekte unserer körperlichen Artikulation geben jede Sekunde Aufschluss über unsere geistige und emotionale Verfassung. Da wir diesen Informationsfluss nicht bewusst steuern können, spiegeln sich alle Vorgänge in unserem Kopf in unserer Mimik und Gestik wider.
Selbst wenn der beherrschende Gesichtsausdruck bis zu einem gewissen Grad der Willensentscheidung unterliegt und wir auch in der Lage sind, die Haltung unserer Arme und Beine oder des Kopfs bewusst zu kontrollieren, wird Ihnen das nicht viel nützen, wenn der Eindruck, den Sie vermitteln wollen, nicht Ihrer inneren Verfassung entspricht, denn in diesem Fall werden Sie sich früher oder später durch die Mikromimik – durch mimische Veränderungen, die in Bruchteilen von Sekunden ablaufen – verraten. Diese mikromimischen Veränderungen, die tatsächlich äußerst flüchtig sind, werden von aufmerksamen Beobachtern wahrgenommen (erinnern wir uns daran, dass Menschen in der Lage sind, in 17 Millisekunden einen Gesichtsausdruck zu deuten). Jede Diskrepanz zwischen unserem Gesamtausdruck und jener Mikromimik wird vom Beobachter unbewusst registriert: Ein vages Bauchgefühl sagt ihm, dass hier irgendetwas nicht stimmt.**[5]
Haben Sie schon einmal den Unterschied zwischen einem echten und einem aufgesetzten Lächeln bemerkt? Der Unterschied zwischen einem »sozialen Lächeln« und einem »echten Lächeln« ist deutlich sichtbar. An einem echten Lächeln sind zwei Gesichtsmuskel-Gruppen beteiligt – die eine sorgt dafür, dass Sie die Mundwinkel nach oben ziehen, und die andere spiegelt Ihr Lächeln in der Augenpartie. Bei einem echten Lächeln entspannen sich die Augenbrauen, sodass sie sich über der Nasenwurzel ein wenig senken. Bei einem aufgesetzten Lächeln sind nur die Muskeln an den Mundwinkeln (der Zygomaticus major) beteiligt. In diesem Fall bezieht das Lächeln nicht die Augen mit ein, zumindest nicht auf die gleiche Weise wie bei einem echten Lächeln [6], und der Beobachter nimmt den Unterschied wahr.
Da somit unser Körper unsere Gedanken und Gefühle preisgibt und unsere Mitmenschen für die kleinsten Mikroexpressionen empfänglich sind, müssen charismatische Verhaltensweisen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, im Kopf entstehen.
Sind Sie innerlich in einer anti-charismatischen Stimmung, werden Sie das nicht kaschieren können. Früher oder später werden Ihre unterschwelligen Gedanken und Gefühle zutage treten. Wenn Sie umgekehrt innerlich in einer charismatischen Stimmung oder Verfassung sind, wird sie sich auch in Ihrer Körpersprache manifestieren. Daher fängt die Kunst des Charismas damit an, die verschiedenen Mentalzustände einzuüben, die zu charismatischen Verhaltensweisen und der entsprechenden Körpersprache führen. Diesem Thema ist der erste Teil des Buchs gewidmet.
Beginnen wir damit, uns einen Eindruck von verschiedenen charismatischen Gemütszuständen zu verschaffen – worin sie bestehen, wie man sie am besten erlangt, und schließlich, wie man sie sich so zu eigen macht, dass sie einem in Fleisch und Blut übergehen. Erst danach werden wir uns der praktischen Einübung charismatischer Verhaltensweisen zuwenden. Der Versuch, den Lernprozess umzukehren, könnte zu Peinlichkeiten führen. Stellen Sie sich nur einmal vor, Sie hätten einen wichtigen Vortrag zu halten. Sie schlagen sich gut, indem Sie all die tollen neuen Kniffe zum Einsatz bringen, die Sie so unglaublich charismatisch erscheinen lassen. Und dann kommt diese unerwartete Zwischenbemerkung aus dem Publikum, die Sie verwirrt, völlig aus dem Konzept bringt und Ihr Selbstvertrauen untergräbt. Ihre Konfusion ist für jeden sichtbar und Ihre erlernten Tricks sind für die Katz.
Wer versucht, äußere Charisma-Kompetenzen zu erlernen, und sich um die Arbeit an Geist und Psyche drückt, verschönert vielleicht die Fassade eines Hauses um ein paar Balkone, das Fundament jedoch bleibt schwach. Was auf den ersten Blick einen guten Eindruck macht, fällt beim ersten Beben in sich zusammen. Wenn Sie innerlich aufgewühlt sind, ist es sogar schwer, sich an die neu erlernten Verhaltensmuster zu erinnern, geschweige denn, sie richtig einzusetzen. Die inneren oder geistigen Charisma-Kompetenzen, die Ihnen dabei helfen, Ihre Gemütsverfassung in den Griff zu bekommen, sind das unverzichtbare Fundament, auf dem Sie Ihre charismatischen Verhaltensweisen aufbauen können.
Wenn mich Firmen beauftragen, um mit meiner Hilfe ihre Leistung zu verbessern – indem ihre Mitarbeiter überzeugender, einflussreicher und inspirierter werden –, bekomme ich oft zu hören, ihre Leute verfügten über solides technisches