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Das Geheimnis der Templer. Norwegen, 2015. Eigentlich wollte Gero von Breydenbach zusammen mit Hannah zur Ruhe kommen. Die Geburt ihres ersten Kindes steht unmittelbar bevor. Doch Agent Jack Tanner fahndet noch immer nach den Templern. Nach der Warnung eines alten Freundes können Gero und seine Brüder mithilfe eines neuen Timeservers in letzter Minute ins Jahr 1315 fliehen. Doch dort wartet Geros Bruder auf ihn – und er hat sich mit der Inquisition verbündet, die auf der Jagd nach den Templern ist... Eine hochspannende Zeitreisegeschichte und die atemlose Suche nach dem größten Geheimnis der Templer.
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Seitenzahl: 1028
Martina André wurde 1961 in Bonn geboren. Der französisch klingende Nachname ist ein Pseudonym und stammt von ihrer Urgroßmutter, die hugenottische Wurzeln in die Familiengeschichte miteinbrachte. Sie hat mit »Die Gegenpäpstin« sowie den Romanen »Das Rätsel der Templer«, und »Die Rückkehr der Templer« und »Das Geheimnis des Templers« vier Bestseller vorgelegt. Nun erscheint ihr vierter Templerroman »Das Schicksal der Templer«, die Fortsetzung der Abenteuer von Gero von Breydenbach. Martina André lebt heute mit ihrer Familie in der Nähe von Koblenz sowie in Edinburgh/Schottland, das ihr zur zweiten Heimat geworden ist. Von der Autorin lieferbar sind: »Das Rätsel der Templer«, »Die Rückkehr der Templer«, »der ernst. »Wie haben einigDas Geheimnis des Templers«, »Das Schicksal der Templer«, »Die Gegenpäpstin«, »Schamanenfeuer. Das Geheimnis von Tunguska«, »Die Teufelshure« und »Totentanz«.Mehr Informationen zur Autorin unter www.martinaandre.com und https://www.facebook.com/Autorin.Martina.Andre/
Das Geheimnis der Templer.
Norwegen, 2015. Eigentlich wollte Gero von Breydenbach zusammen mit Hannah zur Ruhe kommen. Die Geburt ihres ersten Kindes steht unmittelbar bevor. Doch Agent Jack Tanner fahndet noch immer nach den Templern. Nach der Warnung eines alten Freundes können Gero und seine Brüder mithilfe eines neuen Timeservers in letzter Minute ins Jahr 1315 fliehen. Doch dort wartet Geros Bruder auf ihn – und er hat sich mit der Inquisition verbündet, die auf der Jagd nach den Templern ist.
Eine hochspannende Zeitreisegeschichte und die atemlose Suche nach dem größten Geheimnis der Templer
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Martina André
Das Erbe der Templer
Roman
Inhaltsübersicht
Über Martina André
Informationen zum Buch
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Prolog: Vertrauen ist gut
Kapitel 1: Niemals allein
Kapitel 2: Schatten der Vergangenheit
Kapitel 3: Artusrunde
Kapitel 4: Tischlein deck dich
Kapitel 5: Verlorene Söhne
Kapitel 6: Verlorene Töchter
Kapitel 7 : Neue Besen
Kapitel 8: Späte Einsichten
Kapitel 9: Schatten der Vergangenheit
Kapitel 10: Teufelswerk
Kapitel 11: Vaterlos
Kapitel 12: Reise ins Ungewisse
Kapitel 13: Wer zu spät kommt …
Kapitel 14: Verbündete
Kapitel 15: Aufklärungsarbeit
Kapitel 16: Parzival
Kapitel 17: Legenden
Kapitel 18: Vermächtnisse
Kapitel 19: Gottes Geheimnisse
Kapitel 20: Unbequeme Wahrheiten
Kapitel 21: Tafelrunde
Kapitel 22: Machtspiele
Kapitel 23: Gottes Wille
Kapitel 24: Sprung ins Nichts
Kapitel 25: Gefährliche Liebschaften
Kapitel 26: Pakt mit dem Teufel
Kapitel 27: Schlechte Karten
Kapitel 28: Hungerloch
Kapitel 29: Kain und Abel
Kapitel 30: Brutale Realität
Kapitel 31: Heilige Inquisition
Kapitel 32: Nichts als die Wahrheit
Kapitel 33: Alte Rechnungen
Kapitel 34: Alte Freunde
Kapitel 35: Unerwarteter Besuch
Kapitel 36: Geheime Bruderschaften
Kapitel 37: Späte Rache
Kapitel 38: Ein zweifelhafter Plan
Kapitel 39: Späte Reue
Kapitel 40: Unverhoffte Freuden
Kapitel 41: Brüder im Herzen
Kapitel 42: Leute des Königs
Kapitel 43: Kriegsberichterstatter
Kapitel 44: Der Name der Weisheit
Kapitel 45: Freud und Leid
Kapitel 46: Gralshüter
Kapitel 47: Ohne Netz und doppelten Boden
Epilog: Gottes Wege
Namensliste
Nachwort und Danksagung
Impressum
In liebevoller Erinnerung an Maria Mühlbauer, die mich mit ihrer Begeisterung für historische Romane zum Schreiben inspiriert hat…
Jesus sprach: »Ich werde euch auswählen, einen aus tausend und zwei aus zehntausend, und sie werden als ein einziger dastehen.«
(Thomasevangelium 23)
Januar 2156 – Area 51, Neue Welt (ehemalige USA)
Vertrauen ist gut
Vom gleißenden Neonlicht irritiert, schärfte Rona nach dem Transfer ihre genetisch optimierten Sinne, um in der schummrigen Umgebung jenen Mann zu erkennen, der nur wenige Meter entfernt stand und sie anstarrte, als ob sie eine Außerirdische wäre.
Im Zeitraffer scannten ihre Augen die kahlen Wände, die bläulich illuminierten Holo -Tische und das flackernde Licht.
Verdammt! War sie versehentlich in der falschen Zeit gelandet? Schließlich war ihr und ihren beiden Geschwistern schon einmal ein solcher Fehler unterlaufen. Anstatt im Jahr 1119 waren sie im Jahr 1148 gelandet. Mitten in den Kreuzzügen. Die Klinge eines Fatimiden hatte Makos Kopf unmittelbar nach ihrer Ankunft vom Körper getrennt. Immer noch hatte sie das Bild vor Augen, wie sein Hals zur Seite geknickt war wie ein gekappter Blütenstängel.
»Lion?« Es war mehr ein Flüstern, mit dem sie sich vergewissern wollte, ob es sich bei dem schlanken, weißhaarigen Mann tatsächlich um Lion Ho Chang handelte. Ihren Lehrmeister, der sie vor fünf Jahren zusammen mit den anderen in eine tausend Jahre zurückliegende Vergangenheit transferiert hatte. Die markanten Gesichtszüge, die ihn nicht einmal halb so alt aussehen ließen, wie er tatsächlich war, wirkten müde und angespannt.
»Rona?« Offenbar war auch er sich nicht sicher, ob sie diejenige war, die er erwartet hatte.
»Ja, ich bin’s«, antwortete sie tonlos. Obwohl sie bei seinem Anblick eine Reihe ungewohnter Emotionen empfand, hielt ihre anerzogene Disziplin sie davon ab, sie zu zeigen. Als sie und ihre Geschwister vor fünf Jahren aufgebrochen waren, stolz darauf, seinen Auftrag erfüllen zu dürfen, hatte Rona nicht damit gerechnet, eines Tages ohne die beiden zu ihm zurückzukehren.
»Du bist es wirklich«, murmelte er vollkommen überwältigt und kam zögernd näher, um sie dann ungefragt heftig in die Arme zu schließen. Für einen Moment war ihr, als ob seine Schultern bebten. Weinte er etwa? Der meistgesuchte Rebellenführer der Neuen Welt hatte seine Gefühle normalerweise so fest unter Kontrolle wie seine Anhänger, die ohne Widerspruch seinen Befehlen folgten.
Doch als er kurz darauf ihr Gesicht musterte, offenbar weil er sicherstellen wollte, dass sie keine Erscheinung war, sah sie einen verdächtigen Glanz in seinen schmalen Augen.
»Du siehst wunderschön aus«, stammelte er und betrachtete gerührt ihre mittelalterliche Kleidung. Ein seidenes Untergewand in leuchtendem Violett und ein dunkelblauer Überwurf aus fein gesponnener Wolle. Dazu ein passender Umhang mit Kapuze und handgearbeitete Stiefel aus Ziegenleder, ebenfalls blau eingefärbt. Das alles hatte für damalige Verhältnisse ein kleines Vermögen gekostet. Arnaud hatte ihr die Sachen im Herbst 1315 in Brügge gekauft, kurz bevor sie nach Schottland übergesetzt waren. Als Templer entstammte er einer provenzalischen Adelsfamilie und hatte keine Kosten und Mühen gescheut, sie nach ihrer Heirat zu seiner Prinzessin zu erheben.
»Du siehst noch umwerfender aus als zum Zeitpunkt eures letzten Transfers«, fuhr Lion mit brüchiger Stimme fort. »Ich erinnere mich genau, wie ich dir und den anderen die passende Kleidung für das zwölfte Jahrhundert beschafft habe. Es war verdammt schwierig, jemanden zu finden, der all das Zeug anfertigen konnte. Wenn ich darüber nachdenke, kommt es mir vor, als ob es gestern gewesen wäre.« Eine einzelne Träne rann nun doch an seiner Wange entlang und tropfte zu Boden.
»Hey.« Rona berührte mit einer federleichten Geste sein noch immer glattes Gesicht. »So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Ich lebe noch, und wie du siehst, habe ich mich erwartungsgemäß nicht sehr verändert. Zumindest körperlich«, fügte sie mit einem angedeuteten Lächeln hinzu. Sie würde ihm nicht preisgeben, wie sehr dieser Trip sie im Innersten aufgewühlt hatte.
»Es tut gut, dich wiederzusehen«, krächzte er heiser und strich ihr eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht, die ihr glatt und bläulich glänzend bis zur Kinnlinie reichte. »Ich habe mich in den letzten fünf Jahren jeden einzelnen Tag gefragt, ob auch nur einer von euch eines Tages wieder vor mir stehen wird. Seit du mir bei unserem letzten Austausch von Makos Tod berichtet hast, konnte ich kaum noch schlafen. Immerzu habe ich mich gefragt, ob ich an seinem grausamen Schicksal mitschuldig bin. Erst recht nachdem der Kontakt zu Lyn und dir abgebrochen war. Ich habe versucht, Makos DNA noch vor eurem Transfer zu erfassen und ihn damit zurückzuholen, um seinen Tod ungeschehen zu machen, aber es hat nicht funktioniert. Umso glücklicher bin ich, dass wenigstens du es am Ende zurück nach Hause geschafft hast. Obwohl ich mir vorstellen kann, welche Strapazen du durchmachen musstest«, erklärte er leise.
»Ja, es war nicht leicht«, gab Rona tonlos zurück. »Wobei ich nicht über die Umstände klagen möchte. Das Leben in vergangenen Zeiten ist in mancher Hinsicht besser als hier. Wir hatten genug zu essen, und die politische Lage war überschaubarer als in unserer Zeit. Die Überwachung durch die Herrschenden war im Vergleich zu heute geradezu lächerlich. Allerdings benötigt man auch dort verlässliche Verbündete, um zu erreichen, was man will.«
»Und wo ist Lyn?«, fragte er und kräuselte besorgt die Stirn. »Sag bitte nicht, dass sie auch getötet wurde.«
»Soweit ich weiß, geht es ihr gut«, antwortete Rona und fuhr abwesend mit einer Hand über die bläulich schimmernden Holo-Tische. »Als ich sie zuletzt sah, hatte sie sich verliebt. Das ist der Grund, warum sie nicht bei mir ist.«
»Verliebt?« Lion starrte sie ungläubig an. »Ich dachte immer, euch sei eine solche Empfindung nicht möglich?«
»Du hast uns doch selbst den Chip entfernt, der unsere Emotionen unterdrücken sollte. Also warum sollten wir uns nicht in andere Menschen verlieben können, wenn alle anderen Emotionen normal funktionieren?« Rona war versucht, über ihre Beziehung zu Arnaud zu sprechen, doch ihre innere Stimme riet ihr, es besser zu lassen. Lion würde nur unnötige Fragen stellen, und das wollte sie nicht.
»Was ist denn das für ein Mann, für den Lyn ihre Pflichten vergisst?«, fragte er mit leicht verwirrtem Blick.
»Es wird dir nicht gefallen, Lion, weil ich weiß, du stehst auf der Seite der Templer …« Sie hielt einen Moment inne und schaute ihn durchdringend an. »Aber der Mann, für den sie sich entschieden hat, ist Assassine. Und ich vermute, sie ist glücklich mit ihm, sonst wäre sie ihm nicht gefolgt.«
»Ein …« Lion schaute sie fassungslos an. »Assassine?«, wiederholte er mechanisch und machte ein Gesicht wie ein Vater, der erfährt, dass seine Tochter soeben mit einem Terroristen durchgebrannt ist. »Und das hast du zugelassen?«
»Sie ist erwachsen, und du warst nicht da. Fünf lange Jahre haben wir in Jerusalem auf ein Zeichen von dir gewartet. Nichts.«
Während er um eine Antwort verlegen war, sah sie sich gründlich in der fast leeren Laborhalle um, deren Böden und Wände im Gegensatz zum futuristischen Equipment ziemlich heruntergekommen wirkten. »Und wie steht es um das Ergebnis unserer Mission?« Rona wagte kaum, ihm in die Augen zu schauen, weil sie glaubte, die Antwort zu kennen. »Ist immer noch alles beim Alten? Oder gab es wenigstens ein paar Veränderungen?« Ihre Stimme klang fest, aber die Anspannung, die sie empfand, war gewaltig. Immerhin ging es um nichts Geringeres als darum, einen verheerenden Krieg zu verhindern und eine humane Gesellschaft zu ermöglichen, in der es weder Mord noch Totschlag gab, geschweige denn eine Weltherrschaft, bestehend aus internationalen Handelskonsortien, die den Planeten wie eine Horde Heuschrecken unter sich aufgeteilt hatten.
Lions versteinerte Miene bedurfte keiner weiteren Worte, und doch rang er sich zu einer ernüchternden Erklärung durch. »Die Welt wird noch immer von den gleichen machthungrigen Konzernen beherrscht wie vor eurer Abreise. Weder den Dritten Weltkrieg noch die dafür verantwortlichen Konflikte zwischen den USA und deren Gegenspieler konnten verhindert werden. Es ist, als ob Gott selbst sich gegen uns verschworen hat. Wobei ich mich frage, warum hat er uns eine solch phantastische Erfindung in die Hände gespielt, wenn man nichts damit anfangen kann?«
»Wenigstens wurdet ihr in der Zwischenzeit nicht von den Wächtern der Neuen Welt erwischt.« Rona kniff resigniert die Lippen zusammen. »Wo sind wir hier eigentlich? Zum Zeitpunkt unserer Abreise waren wir an einen geografisch festgelegten Radius von dreißig Yards gebunden. Aber wie in den schottischen Highlands sieht es hier nicht gerade aus.«
»Ich habe die Programmierung verändern können«, antwortete er unaufgeregt. »Wir sind inzwischen unabhängig von geografischen Parametern und können von jedem Punkt der Erde aus transferieren und im Gegenzug überall hin. Aktuell befinden wir uns in Nevada«, klärte er sie beinahe enthusiastisch auf. »Area 51 – zurück zu den Wurzeln sozusagen. Dieser Rückzug in die Wüste war nach unserem Desaster in Israel die einzige Möglichkeit, den Regierungstruppen zu entkommen.«
Rona war erstaunt über seine Erläuterungen, doch sie zeigte es nicht. »Wie hast du es damals geschafft, in der Wüste von Jerusalem den Angriff der Drohnen zu überleben? Lyn und ich hatten Sorge, du wärst tot.«
»Dan hat mich mit einer Rettungskapsel evakuiert, nachdem ich mich in einer Erdspalte verstecken und von dort aus Kontakt zu ihm aufnehmen konnte. Meine Verfolger dachten wohl, ich wäre in dem explodierten Hypergleiter verbrannt. Unter dem schützenden Felsen haben mich die Scanner der Drohnen nicht erfasst. Aber die Geschichte hat auf die Geheimdienste gewirkt, als hätten wir in ein Wespennest gestochen. Wir wurden überall gejagt. Unser Unterschlupf in Corpus Christi war nicht mehr sicher, und auch unsere geheimen Rebellenquartiere in den Slums von Chicago und Detroit waren nicht mehr zu halten. Unsere Anwesenheit hätte die dort lebenden Menschen gefährdet. Danach haben wir eine Weile gelebt wie Kellerasseln und uns unter jedem zur Verfügung stehenden Stein versteckt. Deshalb sind wir nach einigen Vorbereitungen hierher zurückgekehrt, wo alles so zerstört und verstrahlt ist, dass sich niemand an diesen Ort verirrt, der noch bei klarem Verstand ist. Uns ist es gelungen, einen der ehemaligen Bunker zu einer dekontaminierten Zone umzubauen. Und dort leben wir jetzt. Zu fünft. Mehr sind wir nicht mehr. Abgesehen davon, dass man unser Dasein niemandem zumuten kann, ist es zu gefährlich, mit uns hier zu leben. Wir können jederzeit entdeckt werden, und ich kann niemandem vertrauen, außer meinem engsten Stab.«
»Und wie beschafft ihr euch Lebensmittel und Trinkwasser?« Rona schaute sich noch einmal ungläubig um. »Ich meine, von irgendwas müsst ihr euch doch ernähren.«
»Wir versorgen uns über die verbliebenen Server.« Lion zuckte ungerührt mit den Schultern, als ob er sich für sein durchaus gefahrvolles Beschaffungssystem entschuldigen müsste. »Obwohl es ein ziemliches Risiko ist, transferiere ich Dan regelmäßig in einen Supermarkt der 1980er Jahre in Ohio, wo es die besten Bratwürste und deutsches Bier gibt, was den Jungs die Einöde hier ein wenig erträglicher macht.«
»Ihr klaut Bratwürste und Bier in den Achtzigern des vorletzten Jahrhunderts?« Rona schaute ihn erstaunt an. »Wenn der Transfer so einfach geworden ist, warum greifst du auf diese Weise nicht in politische Abläufe ein? Ich meine, warum mussten wir achthundert Jahre zurück ins Heilige Land und dazu noch mitten in die Kreuzzüge, wenn ihr euch direkt an den Mittagstisch des amerikanischen Präsidenten transferieren könntet? Hättest du nicht Dan oder Greg in die Zeit kurz vor dem Krieg schicken können, und den Kerl, der den Befehl zum Angriff auf den Iran gegeben hat, einfach zu Staub blasen können? Damit hätten sich doch alle unsere Probleme von ganz alleine erledigt.«
Lion schaute Rona einen Moment lang nachdenklich an. Dann seufzte er schwer. »Ob du es glaubst oder nicht, das haben wir versucht, nachdem ich die neue Programmierung zum ersten Mal eingesetzt hatte. Aber was wir auch angestellt haben, es hat nicht funktioniert. Sämtliche Versuche liefen ähnlich erfolglos ab wie die Attentate auf Diktatoren in früheren Jahren, die anscheinend alle mit dem Teufel im Bund standen, der seine Hand über sie hielt. Entweder hatten die vor Ort organisierten Waffen eine Ladehemmung, oder die ins Visier genommenen Zielobjekte konnten sich in letzter Sekunde entziehen. Im Mittelalter hätte man wahrscheinlich gesagt, es ist wie verhext. Selbst wenn uns kleinere Veränderungen in der Vergangenheit gelungen waren – wenn wir zurückkehrten, war alles beim Alten. Frag mich nicht warum, ich habe bis heute nicht herausfinden können, ob und – wenn ja – welches System dahinter steckt. Ich habe verschiedene komplexe Berechnungen angestellt, doch sie liefen alle ins Leere«, erklärte er matt. »Auch wenn ich den Mechanismus des Timeservers technisch verstanden habe, heißt das noch lange nicht, dass ich begreife, was metaphysisch dahintersteckt.«
Rona hob eine Braue und legte ihren bodenlangen Kapuzenmantel über einem Stuhl ab, weil ihr warm geworden war. »Vielleicht hat es etwas mit unserem persönlichen Ereignishorizont zu tun«, sinnierte sie leise. »In der Quantenphysik nimmt der Beobachter automatisch Einfluss auf die Geschehnisse um ihn herum. Möglicherweise lässt sich einmal erlebte Geschichte nicht ändern. Es sei denn, die Erinnerungen werden komplett gelöscht, bevor man an seinen Ausgangsort zurückkehrt. Vielleicht konntest du nichts verändern, weil es nicht Teil deiner eigenen Wirklichkeit war. Es ist, als ob ein Stück in einer Kette fehlt und sie deshalb nicht zum geschlossenen Ganzen werden kann. Hast du daran schon einmal gedacht?«
»Das würde bestätigen, dass unsere Realität von uns selbst gesteuert wird, ohne dass wir es bemerken. Daran will ich nicht glauben«, fügte er beinahe trotzig hinzu. »Denn das würde bedeuten, dass wir in unserer eigenen Simulation gefangen sind.«
»Was meine Theorie erhärten würde, dass alles vorherbestimmt ist und sich nichts ändern lässt«, bemerkte Rona vorsichtig. »Nach allem, was ich erlebt habe, glaube ich inzwischen an ein holographisches Universum, in dem alles, aber auch wirklich alles berechnet werden kann. Und im Übrigen denke ich, dass auch die Templer sich darüber bewusst waren, dass ein solches Universum ihr Schicksal bestimmt. Es gibt da diese Graffitis in den Kerkern von Chinon. Sie wurden von gefangenen Templern angefertigt. Ich bin sicher, du hast sie bei deinen Recherchen gesehen. Eigenartige Dreieckszeichnungen in einer Gitterform, die für mich eindeutig einen dreidimensionalen Raum beschreiben, der mit den passenden Berechnungen auf eine zweidimensionale Ebene heruntergebrochen werden kann. Außerdem wird in den Graffitis das Rad des Schicksals – oder auch der Zeit – dargestellt. Die Templer, die dort einsaßen, wussten anscheinend um die vorhandenen Möglichkeiten und auch, dass sie ihnen nicht helfen würden, etwas zu ändern, sonst hätten sie es längst getan.« Rona schaute ihn mit undurchsichtiger Miene an, selbst nicht mehr sicher, ob ihre Mission je Aussicht auf Erfolg gehabt hatte. »Wenn man es genau betrachtet, hätten wir uns unsere Anstrengungen sparen können. Und auch Makos Tod war vollkommen umsonst.«
»Wenn deine Überlegungen zuträfen, wäre sein Tod vorherbestimmt gewesen«, erwiderte Lion verstimmt. »Aber das glaube ich nicht. Ich bin noch immer davon überzeugt, dass es einen Weg gibt, den Ablauf der Geschichte zu ändern. Ich habe noch mal in verschütteten Archiven gewühlt«, erklärte er und schaute sie eindringlich an. »Überall findet man Hinweise, dass die Templer etwas besessen haben, das nicht von dieser Welt stammte. Ihr müsst doch irgendetwas von ihren geheimen Riten mitbekommen haben.« Lion schaute sie aus zusammengekniffenen Augen an, als ob er spürte, dass sie ihm etwas verschwieg.
»Ja«, erwiderte sie geistesgegenwärtig. »Sie hatten den CAPUT 58 Server, und zwar von uns. Und wenn man es kritisch betrachtet, wurden sie allein deshalb verfolgt und am Ende vernichtet, weil sie durch uns Einblicke in die Zukunft erhalten hatten. Ohne das Ding würde der Orden vielleicht noch existieren.«
»Das vermag ich mir nicht vorzustellen.« Lion runzelte kritisch die Stirn. »Und was war mit der Bundeslade? Du warst doch direkt auf dem Tempelberg? Im Herzen des Ordens? Hat niemand mit euch darüber geredet?«
»Die Bundeslade war auf dem Tempelberg kein Thema«, log sie eiskalt, um sich gar nicht erst in die Gefahr zu begeben, dass Lion vom eigentlichen Geheimnis des Ordens erfuhr. »Das sind alles Legenden von irgendwelchen Leuten, die sich die Entwicklung des Ordens nicht erklären konnten. Wir allein waren es, die mit unserem Wissen deren Fortschritt ermöglicht haben. Aber das auch nur für Eingeweihte, weil wir sonst unweigerlich auf einem Scheiterhaufen für Ketzer gelandet wären.«
»Ich bin sicher, die sogenannten eingeweihten Ordensbrüder haben dir etwas verschwiegen«, antwortete er skeptisch. Allem Anschein nach wollte er sich nicht der Hoffnung berauben lassen, dass trotz aller unbestrittenen Niederlagen, die er in der Ausführung seiner ehrgeizigen Pläne erlitten hatte, noch Hoffnung bestand und seine Einschätzungen am Ende zur ersehnten letzten Wahrheit über die Zusammenhänge des Universums führten.
Plötzlich hielt er inne. »Wie bist du eigentlich ins vierzehnte Jahrhundert und nach Schottland gekommen, und wer war der Mann, mit dem ich durch den Server gesprochen habe?«
Rona war bewusst, dass sie höllisch aufpassen musste, wie viel von ihren Informationen sie preisgeben konnte, ohne das eigentliche Geheimnis der Templer zu verraten. In wenigen Worten erzählte sie Lion die Geschichte ihrer Rettung im Jahr 1153.
»Nachdem der Kontakt zu dir abgebrochen war, haben wir eine Botschaft über die Funktionsweise des Servers zusammen mit der Bauanleitung eines Fusionsreaktors in eine metallische Plombe gesteckt und heimlich in das Grab eines Templers auf dem Tempelberg gelegt. Achthundert Jahre später wurde die Plombe von einem libanesischen Architekten entdeckt und an einen deutschen Quantenphysiker weitergeleitet, der die Formeln verstanden hat. Die Energie des Steins hat er – wie vorgesehen – durch die Energie des Fusionsreaktors ersetzt. Mit den entsprechenden Koordinaten, die Lyn ihren Geschichtsdateien entnommen hatte, war er in der Lage, einen Templer zu transferieren, der mehr zufällig den Radius seines Forschungsfelds gekreuzt hat. Was meine Theorie untermauern würde, dass es keine Zufälle gibt. Denn dieser Templer wusste auch, wo der Orden unseren Server versteckt hielt, und hat die Amerikaner dorthin geführt. Danach haben sie Spezialisten ins Jahr 1153 geschickt, um uns zu evakuieren. Das Ganze fand unter Leitung eines jungen dänischen Quantenphysikers statt. Die Evakuierung ging schief, weil beim Transfer versehentlich eine Handgranate explodiert ist und der Server zum Teil dadurch zerstört wurde. Der Däne hatte zwischenzeitlich einen zweiten Prototypen des 58er Servers angefertigt, dem aber der fragliche Frequenzquarz fehlte, um ihn in Betrieb nehmen zu können. Daraufhin hat er den Quarz des 58er Servers geteilt und die zweite Hälfte in den Prototypen verbaut, um uns unter seiner Leitung erneut zu evakuieren. Bei dem Versuch, uns zurückzuholen, sind wir zu einer Gruppe von mehreren Leuten, darunter auch der Templer, von dem ich sprach, ungeplant im Jahr 1315 gelandet. In der Zwischenzeit war der Orden vernichtet worden, und wir mussten auf der Flucht vor Vertretern der Heiligen Inquisition bis nach Schottland fliehen. Von dort aus konnte der Däne schließlich mit dem zweiten Server Kontakt zu dir aufnehmen.«
»Er hat den Quarz zerstört? Kein Wunder, dass nichts mehr funktioniert. War dieser Däne für die Ursprungskonstruktion des Servers verantwortlich?«
Lion schien sich ausschließlich für die technischen Details zu interessieren, was Rona gelegen kam, weil sie einiges in der Geschichte verdreht hatte.
»Nein«, sagte sie knapp. »Er war intelligent genug, den aufgefundenen Server zu bedienen und mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen einen Nachbau anzufertigen.«
»Das bedeutet, das Quarzgestein, das ich hier gefunden habe, muss von jemand anderem stammen«, überlegte Lion nachdenklich.
»Das ist die logische Konsequenz«, bestätigte ihm Rona und vermied es tunlichst, Lion einzuweihen, wo das Gestein darüber hinaus zu finden war.
»Das heißt, wir wissen immer noch nicht, wer die Serie von Timeservern in der Area 51 versteckt, geschweige denn konstruiert hat«, stellte Lion nüchtern fest. »Aber wir wissen nun, dass die amerikanische Regierung genaustens darüber im Bilde war, was in der Zukunft geschehen würde. Und dass sie ebenso wenig dagegen unternommen haben wie die Templer.«
»Vielleicht hatten sie das gleiche Problem wie wir oder die Ordensbrüder, weil ein noch unbekannter universeller Mechanismus einen Eingriff in die Geschichte nicht zulässt.«
»Moses konnte auch das Meer teilen«, bemerkte Lion stur, »weil er von Gott die notwendige Unterstützung erhielt. Und wir können es auch schaffen, wenn wir endlich einen göttlichen Hinweis finden.«
Mit seinem Vergleich von Moses und dem Berg Horeb kam Lion besagter metaphysischer Wahrheit gefährlich nahe. Zu nahe für Ronas Geschmack. Sie dachte an die alptraumhafte Vision, die sie in der Höhle unterhalb des Berges gehabt hatte, in der Lion ihr als machthungriger Diktator erschienen war, der über Leichen ging, nachdem er mithilfe von Tanner hinter das eigentliche Geheimnis des Ordens gekommen war.
»Alle meine Berechnungen deuten darauf hin, dass es da etwas gibt, das es uns ermöglicht, nicht nur vergangene Abläufe, sondern auch die Zukunft zu verändern«, versicherte Lion ihr hartnäckig. »Mir fehlt nur noch die eine allumfassende Formel, die alles erklärt und mir die Macht verleiht, selbst in diese Abläufe eingreifen zu können. Nach allem, was ich weiß, bin ich fast sicher, dass die Templer den Schlüssel dazu in der Hand halten«, behauptete er fest. »Und ich will diesen Schlüssel haben, der allem, was existiert, zugrunde liegt«, fügte er unnachgiebig hinzu. »Er ist das Bindeglied zwischen Information und Materie. Früher nannte man es den Heiligen Gral, heute nennt man es Quantenphysik. Ich bin sicher, dass eine dazu passende Formel existiert. Nicht in Gestalt eines Kelchs, sondern in einer mathematisch berechenbaren Frequenz, die vermutlich weitaus stärker ist als die Frequenz in den Quarzen, die unseren Server antreiben. Deshalb musst du zurück zu den Templern und diesen Schlüssel finden.«
»Warum ich?«
»Ich kenne niemanden sonst, dem ich in dieser Angelegenheit vertrauen kann. Die Jungs in unserem Labor halte ich für nicht fähig genug, die historischen Zusammenhänge zu begreifen, und außerdem benötigt man einen besonders gefestigten Charakter für den Fall, dass das, was wir suchen, tatsächlich zutage tritt.«
»Ich hatte ohnehin vor, dich um einen Gefallen zu bitten«, sagte Rona, wobei sie versuchte, möglichst unaufgeregt zu klingen. »Ich möchte meine Freunde, die sich noch im Jahr 1315 in Schottland befinden, an einen sicheren Ort evakuieren. Dabei bin ich auf der Suche nach einem Platz, der uns genügend Schutz bietet, um erneute Missionen planen zu können und an dem die Inquisition keine Rolle mehr spielt. Der dänische Quantenphysiker hat sich als äußerst verlässlich erwiesen. Er könnte mich bei neuen Missionen unterstützen. Gleichzeitig bin ich sicher, dass ich ihm vertrauen kann, falls wir dem von dir erwähnten Geheimnis tatsächlich auf die Spur kommen. Deshalb würde ich gerne deine neuste Errungenschaft nutzen, um herauszufinden, ob die Kontakte des Dänen im einundzwanzigsten Jahrhundert noch bestehen. Soweit ich weiß, ist sogar ein Historiker und Waffenexperte dabei, der uns helfen könnte, das richtige Equipment zu beschaffen, das man für solche Missionen benötigt.« Rona dachte an Anselm, den sie ohnehin kontaktieren wollte. »Er war im Jahr 2005 Berater der Amerikaner.«
»Wenn du mir sagst, wo und in welcher Zeit ich diesen Mann aufspüren soll, könnte ich ihn vielleicht finden. Aber dafür benötige ich seine DNA.«
»Ich weiß nicht genau, wo er sich aufhält. Aber ich habe seine DNA in meinem Zentralspeicher gesichert, nachdem der Däne mir seine Daten zusammen mit anderen Daten von seinem Server auf mein Armband überspielt hat. Ich könnte sie auf einen deiner Server überspielen.«
Lion nickte, offenbar erfreut darüber, dass sie weiter für ihn arbeiten würde, und überließ ihr den Server, den sie kraft ihrer Gedanken bedienen konnte. Sie übertrug Anselm Steins Daten, die sie in Wahrheit nach einer persönlichen Begegnung mit ihm gespeichert hatte, in die Suchfunktion und aktivierte das von Lion erwähnte Programm. Wobei sie nicht sicher wusste, wo und wann sie Anselm genau suchen sollte. Sicherlich hatten er und Stephano bei ihrem Transfer in der geheimen Höhle auf dem Sinai garantiert eine Zeit und einen Ort gewählt, wo sie mit ihrer Homosexualität keiner Verfolgung ausgesetzt waren. Da sie sich zuletzt im Frühjahr 2005 aufgehalten hatten und nicht irgendwohin transferiert werden konnten, wo sie bereits existiert hatten, mussten sie irgendwann danach in die Zukunft zurückgekehrt sein. Rona scannte, ohne Lion um Erlaubnis zu fragen, verschiedene Zeitzonen von 2005 an aufsteigend.
»Match«, erklärte die Serverstimme, die ihrer eigenen so ähnlich war, als schließlich das Jahr 2015 auf der beleuchteten Scala auftauchte, das dem Server offenbar als geeignet erschien. »Und nun?«, fragte Rona beiläufig an Lion gerichtet, ohne sich ihre plötzliche Erregung über diesen Erfolg anmerken zu lassen.
»Du musst abwarten, bis das Programm dir die dazu passenden Geodaten liefert.«
Es dauerte einen quälenden Moment lang, bis ihr die Computerstimme, die nur in ihrem Kopf zu hören war, »Kirkenes, Norwegen, Oktober 2015« verriet. »Zeitlich letzte relevante Registrierung Oktober 2015.«
»Was bedeutet das?«, fragte Rona an Lion gewandt.
Er beugte sich dicht neben ihr über den Bildschirm. »In jedem Fall heißt es, dass der Mann, den du suchst, sich in dieser Zeit überwiegend an diesem Ort aufgehalten hat«, erklärte ihr Lion. »Aber es bedeutet auch, dass du selbst genau genommen bereits dort bist. Schau hier, siehst du die gelb leuchtende Markierung?«
Rona hob eine Braue und scrollte die Satellitenbilder näher heran. Dabei sah sie, dass Anselm sich in jener Zeit unweit der russischen Grenze niedergelassen hatte. Und wenn sie weiter in die Zukunft ging, erschienen ihre eigenen DNA-Daten auf der Liste.
»Heißt das nicht, dass ich mit mir selbst kollidiere, wenn ich mich dorthin transferiere?«, fragte sie zweifelnd.
»Nicht, wenn es sich um einen Anschlusstransfer handelt. Das neue Programm kann vorab feststellen, ob es sich um eine fortlaufende Weiterführung der Simulation deiner Materie nach dem Transfer handelt oder eine Dopplung, die für einen von euch beiden tödlich ausgehen würde. Das Sicherheitsprogramm, das uns dabei helfen soll, einen Crash mit einem Doppelgänger zu vermeiden, arbeitet schon immer nach diesem Prinzip. Mit dem Unterschied, dass wir es nun sichtbar machen können.«
»Wow!«, entfuhr es Rona, die ansonsten nicht leicht zu beeindrucken war. »Kannst du mir das Programm auf meinen Server spielen, bevor ich in die Vergangenheit zurückkehre?«
»Selbstverständlich«, murmelte Lion, der sich darauf konzentrierte, Ronas Transfer vorzubereiten. »Aber bevor du gehst, werde ich dich noch mit einem zusätzlichen Server ausstatten, damit du nicht irgendwo stecken bleibst, nur weil die Technik versagt.«
»Das ist sehr großzügig von dir«, gab ihm Rona zur Antwort, die ihr Glück kaum fassen konnte. Nun würde es ihr möglich sein, Lyn und Khaled zu finden, um sie am Ende vielleicht sogar in ihre Zeit zurückholen zu können.
Dezember 2015 – Norwegen/Kirkenes/Anselms Ranch
Niemals allein
Es war dunkel in dem alten Gemäuer, und nur eine spärlich brennende Fackel beleuchtete das Dienstzimmer des Templer-Komturs von Bar-sur-Aube, als Gero von Breydenbach die eiskalte Stube betrat. Bruder Claudius, der ihn sonst immer aufgehalten hatte, weil er sich erst bei ihm anmelden musste, bevor er das Amtszimmer seines Kommandeurs betreten durfte, war tot, so viel wusste er noch.
Henri d’Our, der von dort aus mehr als dreißig Ordensritter und gut einhundert Bedienstete kommandierte, saß mit dem Rücken zur Tür vor einer Feuerstelle, in der nur noch kalte Asche an die ehemals lodernden Flammen erinnerte. Er stand nicht auf und wandte sich auch nicht um, als Gero wie üblich salutierte. Er saß einfach da und rührte sich nicht.
Gero dämmerte, dass er sich nicht zu ihm umdrehen konnte. Er war genauso tot wie Claudius und die übrigen Brüder, die einst diese stolze Kommandantur der Templer inmitten der Champagne bevölkert hatten. Aber Gero war nicht bereit, Henri d’Our so einfach ins Paradies ziehen zu lassen. Er wollte Antworten. Jetzt und hier. Schließlich war er sein Kommandeur gewesen, der als Mitglied des Hohen Rates der Templer mit dazu beigetragen hatte, dass es überhaupt so weit hatte kommen können.
»Und nun Beau Seigneur, wie soll es nun weitergehen?«, fragte er die stumme Silhouette des einst fast sieben Fuß großen Riesen. Dabei gab er sich keine Mühe, die Schärfe in seiner Stimme zu mildern. »Was habt Ihr Euch dabei gedacht, uns mit einer solchen Mission zu betrauen und uns dann allein damit zurückzulassen? Nichts, einfach gar nichts konnten wir erreichen. Unsere Brüder sind tot, der Orden ist vernichtet, und wenn unser Geheimnis in die falschen Hände gerät, ist die Menschheit verloren. Noch liegt der einzig wahrhafte Gral der Templer verborgen an einem sicheren Ort, aber niemand weiß, ob er nicht doch eines Tages entdeckt werden wird. Noch viel weniger, ob es nicht weitere Orte gibt, die es zu schützen gilt. Wer sind wir, dass wir uns anmaßen, über Zeit und Raum zu bestimmen, Beau Seigneur? Welcher Antichrist hat uns mit einer solchen Bürde bestraft?«
Gero wartete nicht auf eine Antwort, sondern umrundete den Stuhl, auf dem der Komtur saß. Doch als er in das fahle Gesicht seines Gegenübers blickte, überlief ihn ein kalter Schauer des Grauens. Die einst so lebhaften Augen d’Ours waren seltsam leer und glichen zwei schwarzen Höhlen, in denen das Licht längst verloschen war. Erschrocken wich Gero zurück, als sein Vorgesetzter unvermittelt zu sprechen begann.
»Gehe hin und sorge mit deinen verbliebenen Brüdern dafür, dass die Welt nicht aus den Fugen gerät. Du warst es, der für diese Aufgabe auserwählt wurde. Und du wirst es sein, der die Mission zu Ende bringt, mein Sohn. Enttäusche mich nicht.«
Schweißgebadet schreckte Gero aus einem ohnehin leichten Schlaf hoch. Während er noch mit den Geistern der Vergangenheit kämpfte, fuhr seine Hand wie von selbst zu Hannah hinüber, um sich zu vergewissern, dass seine hochschwangere Frau wie üblich neben ihm lag und es ihr und dem Kind, das sie erwartete, gutging. Sie schlief tief und fest, und er lauschte ihrer regelmäßigen Atmung. So kurz vor der Niederkunft war das nicht selbstverständlich, wie er von seiner ersten Frau wusste, die ständig über Schlaflosigkeit geklagt hatte und am Ende zusammen mit dem Kind während der Geburt verstorben war.
Noch so ein Alptraum, der ihn ständig verfolgte. Was wäre, wenn es Hannah genauso erging? Und als ob diese Sorge nicht genug wäre, plagte ihn nun auch noch Henri d’Our, der vor mehr als siebenhundert Jahren durch die Hand seines ärgsten Feindes getötet worden war und eigentlich schon längst zur Rechten des Heiligen Petrus sitzen müsste, um das Paradies zu genießen. Stattdessen fiel ihm offenbar nichts Besseres ein, als durch Geros Träume zu geistern und ihm abermals die Verantwortung für das größte Geheimnis des Ordens aufzuerlegen.
Gero atmete tief durch und schaute im Dunkeln auf die merkwürdige Uhr mit dem rot leuchtenden Zifferblatt, die ihm zu jeder Tages- und Nachtzeit versicherte, dass nichts jemals wieder so sein würde wie früher. Gedankenverloren ließ er den Blick zu dem vor sich hin knisternden Kaminfeuer schweifen. Eines der wenigen Dinge, die ihn hier in diesem eisigen Niemandsland an die Burg seiner Eltern erinnerte. Wie alles andere, was Anselm ihnen an Althergebrachtem zur Verfügung gestellt hatte, war auch das Feuer nur eine Attrappe. Anselm, dem das Anwesen gehörte, wo sie sich so gut es ging vor der Außenwelt versteckt hielten, hatte sich bei der Ausstattung der Wohnräume alle Mühe gegeben, um Gero und seine Kameraden vergessen zu lassen, dass sie im Jahr 2015 lebten – und damit siebenhundert Jahre später als in der ihnen von Gott zugedachten Zeit. Es waren Kleinigkeiten wie diese Uhr oder das elektrische Licht an der Decke, die nicht darüber hinwegtäuschen konnten, dass sie in dieser Welt nichts verloren hatten. Ob es möglich wäre, jemals wieder nach Hause zurückzukehren, war so unsicher wie das Heilige Land nach der Eroberung durch die Mamelucken. Es blieb die Frage, ob der Allmächtige überhaupt auf ihrer Seite stand und ihnen eines Tages zurückgeben würde, was sie so schmerzlich vermissten.
Mit einem leisen Seufzer erhob sich Gero von seiner durchaus bequemen Matratze und kniete sich nackt vor einen kleinen improvisierten Altar, vor dem er seine morgendliche Andacht verrichtete, wie er es als Ordensritter gewohnt war. Es war schon nach sieben, und draußen war es immer noch dunkel. »Das wird zu dieser Jahreszeit auch bis Mittag so bleiben«, hatte Anselm ihnen versichert, als sie nach einem waghalsigen Zeittransfer und einem Flug mit einem stählernen Vogel im Winter der Nordmänner gestrandet waren.
Anselm und Stephano hatten sich damals vor rund achthundert Jahren im Heiligen Land in der geheimen Höhle der Templer für das Jahr 2006 entschieden, nachdem die Wächter des Hohen Rates sie gefragt hatten, wohin sie sich wünschen würden. Nach ihrer überraschenden Ankunft in der gewünschten Zeit waren sie gemeinsam in den unwirtlichsten Teil von Norwegen gezogen, um General Lafours Schergen zu entgehen. Was bedeutete, dass Gero und seine Gefolgsleute hier erst einmal sicher waren. Niemand von ihnen konnte es sich leisten, ausgerechnet der NSA in die Hände zu fallen, wie Anselm den Geheimdienst eines der momentan mächtigsten Herrscher bezeichnete. Wie Paul ihnen berichtet hatte, war auch Jack Tanner mithilfe der geheimen Höhle der Templer in dieser Zeitebene gelandet und hatte offenbar nichts Eiligeres zu tun gehabt, als eines der größten Geheimnisse des Ordens an seinen amerikanischen Auftraggeber zu verraten. Woraufhin General Lafour, den Gero als ihren Erzfeind zu bezeichnen pflegte, eine Expedition auf den Sinai angeordnet hatte, um die geheime Höhle mit den allmächtigen Steinen zu finden. Aber allem Anschein nach war die Suche erfolglos geblieben.
Paul, der früher ebenfalls für die Amerikaner gearbeitet hatte und nun, nach seiner Suspendierung, Anselm laufend mit geheimen Informationen versorgte, war sicher, dass Lafour und Tanner Freudentänze aufführen würden, wenn sie von Gero und seinen Kameraden erfuhren, die nun ebenfalls in deren Zeit aufgetaucht waren. Allein schon, weil sie sich bei ihrer Suche nach der mystisch anmutenden Höhle auf dem Sinai ungeahnte Vorteile von deren Wissen versprachen. Aber auch, weil Tom und Rona einen funktionierenden Timeserver besaßen, der Tanner und die Templer locker ins Jahr 1153 hätte zurück transferieren können, um dort dem Geheimnis der besagten Höhle im Auftrag der amerikanischen Regierung besser auf den Grund gehen zu können.
Gero hätte am liebsten sämtliche Räder zurückgedreht. Er hasste alles, was mit diesem verteufelten CAPUT 58 in Zusammenhang stand. Das Ding hatte sein Leben zerstört, wenn man von Hannah und dem Kind einmal absah. Aber was sollte er verdammt noch mal in dieser Welt anfangen? Nichts von dem, was er beherrschte, war hier von Bedeutung. Obwohl Anselm ihnen bereits bei ihrer Ankunft versichert hatte, dass er genug Mittel besaß, um sie bis zu ihrem Lebensende mit allem zu versorgen, was ihr Herz begehrte.
Aber das war es nicht, wofür Gero angetreten war. Und es war auch nichts, womit er seiner Frau und seiner zukünftigen Tochter imponieren konnte. Wie sollte er sich je vor seiner Familie Respekt verschaffen, wenn er zeit seines Lebens auf die Almosen eines anderen Mannes angewiesen war? Ganz abgesehen davon, dass sie wahrscheinlich niemals mehr dieses Haus verlassen konnten, weil ein geheimnisvolles, weltumspannendes Netz dafür sorgte, dass sie jederzeit und überall überwacht und erkannt werden konnten, selbst wenn sie scheinbar unbeobachtet waren. Anselm wurde nicht müde, Gero und seine Leute zu ermahnen, niemals ohne Abmeldung das Haus zu verlassen. Zumal er noch auf gefälschte Urkunden aus Russland wartete, die ihnen eine neue Identität versprachen.
Im spärlichen Licht des Feuers fixierte Gero mit stummer Verzweiflung die Heilige Mutter Gottes, die Anselm vor Kurzem im Zehnerpack an jenem seltsamen Ort bestellt hatte, den er Internet nannte. Danach hatte er sie an alle im Haus lebenden Templer verteilt, weil sie der Madonna von Bar-sur-Aube so ähnlich sah. Das Besondere an ihr war, dass sie – im Gegensatz zu den üblichen Madonnen – kein Kind auf dem Arm trug, sondern mit ausgestreckten Armen auf einer Mondsichel balancierte. Eine typische Madonna, wie sie bei den Zisterziensern und auch bei den Templern verehrt worden war. Ihr wahres Geheimnis lag darin, dass sie nicht die Mutter von Jesus darstellte, sondern seine erste und einzige Apostelin, Maria Magdalena. Jene Frau, die Christus als Erste nach der Auferstehung gesehen hatte und die um die Geheimnisse des Glaubens besser Bescheid wusste als jeder Mann. Wahrscheinlich hätte sie mit dem Wissen um die geheime Höhle auf dem Sinai und dem dort vorkommenden Gestein mit der phänomenalen Wirkung weitaus besser umgehen können als all die tapferen Männer, denen dieser Ort nur Tod und Verderben gebracht hatte.
»Heilige Maria, ich bitte dich«, murmelte Gero kaum hörbar, »zeig mir den richtigen Weg, damit ich mich meinem Auftrag würdig erweise und ihn erfolgreich zu Ende bringen kann. Hilf mir, die Zeit zurückzudrehen und die Welt in eine gerechtere zu verwandeln. Nicht nur für mich und den Orden, auch für meine Frau, die ich über alles liebe, aber besonders für unser gemeinsames Kind, das noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt hat. Amen.« Gero bekreuzigte sich hastig und erhob sich langsam wie ein alter Mann, obwohl er noch keine dreißig war. Bevor er sich ankleidete, kehrte er noch einmal zu Hannah zurück und kroch zu ihr unter die Decke. Vorsichtig suchte er ihre Nähe und schmiegte sich an sie. Sie war sein Halt, sein Anker. Für sie wollte er leben, und für sie würde er sterben, wenn es denn nötig war. Sie schnurrte wie ein Kätzchen und kuschelte sich in seine Arme.
»Ich liebe dich«, murmelte sie kaum hörbar und legte eine Hand an seine bärtige Wange.
Gero schluckte hart, bevor sie ihm einen langen, intensiven Kuss abverlangte. Nicht zu wissen, welche Zukunft er ihr und dem Kind bieten konnte, war das Schwerste überhaupt. Aber darum allein ging es nicht. Da waren auch noch seine Ehre als Edelfreier und das Erbe seiner Tante, das er nun niemals würde antreten können. Sie und seine Eltern sorgten sich bestimmt um ihn. Was wohl aus ihnen geworden war, nachdem er sie schutzlos in einer siebenhundert Jahre entfernten Vergangenheit zurückgelassen hatte? Unerträglich. Geschweige denn, nicht zu wissen, welches Schicksal seinen Bruder ereilt hatte, von dem er annehmen musste, dass er durch die Hand seines ärgsten Feindes gestorben war. Gero stieß einen harten Seufzer aus.
»Was ist?«, flüsterte Hannah in die Dunkelheit hinein und drängte sich hingebungsvoll an seinen harten, muskulösen Körper. Sie war überglücklich, Gero unversehrt bei sich zu haben. Offenbar hatte er sich von den zurückliegenden Strapazen erholt. Keine Spur mehr davon, dass er auf Oak Island mit seinen Kameraden verschüttet worden und um Haaresbreite gestorben war. Seither empfand sie ihr Zusammensein als ein noch größeres Geschenk, obwohl auch zuvor schon unzählige Dinge passiert waren, die ihr die Einzigartigkeit ihrer Liebe und das große Glück, das sie mit ihm gefunden hatte, vor Augen geführt hatte.
»Nichts«, flüsterte er mit seiner tiefen, sanften Stimme, die sie so sehr beruhigte und im gleichen Atemzug so intensiv auf sie wirkte, dass ihr Körper erschauerte. »Es ist nichts. Schlaf noch ein wenig.«
»Belüg mich nicht«, murmelte sie, und Gero ärgerte sich beinahe darüber, welche Hartnäckigkeit sie an den Tag legen konnte, wenn sie spürte, dass er etwas vor ihr verbergen wollte. Hannah war keine willfährige Ehefrau wie seine Mutter, die seinem Vater auf ewig Gehorsam geschworen hatte. Er hatte es vom ersten Augenblick an in ihren rebellischen grünen Augen gelesen. Und es hatte ihm gefallen, wenn er ehrlich zu sich selbst war. Wie alles an ihr. Sie sah seiner ersten, verstorbenen Frau sehr ähnlich, aber ihr gelassener, überlegter Charakter, gepaart mit wilder Entschlossenheit und einer bestechenden Intelligenz, vermittelte ihm nicht das Gefühl, Lissy gegenüberzustehen, wenn er sie umarmte. Sie hatte zwar die gleichen kastanienroten Locken, aber Lissys Augen waren dunkler gewesen. Eigentlich war es unfair, die beiden miteinander zu vergleichen, nur weil sie sich optisch ähnlich waren. Schließlich war Hannah zehn Jahre älter, als Lissy gewesen war, und stammte aus einer völlig anderen Zeit.
»Ich musste an meine Eltern und meinen Bruder denken«, gestand er ihr in die Dunkelheit hinein. »Ich mache mir Sorgen um sie. Anselm hat versucht, über sämtliche noch vorhandenen Quellen herauszufinden, was ihnen nach unserem Aufbruch widerfahren sein könnte.« Er schwieg abrupt und schluckte hörbar, was Hannah auf der Stelle alarmierte. Er brach nicht leicht in Tränen aus, nur wenn ihm etwas sehr naheging.
»Warum hast du mir nichts davon erzählt?«, wollte sie nun beinahe vorwurfsvoll wissen und ergriff seine Hand, um ihm zu versichern, dass er sich jederzeit auf sie verlassen konnte.
»Ich dachte, es sei nicht so wichtig«, redete er sich heraus und legte seine Hand auf ihren hochschwangeren Bauch. »Außerdem wollte ich dich nicht unnötig aufregen.«
»Hör zu«, meinte sie und legte ihre Rechte auf seine bärtige Wange, »denkst du etwa, ich würde nicht darüber nachdenken, und das alles wäre mir vollkommen egal? Immerhin handelt es sich um meine Schwiegereltern. Ich vermisse sie genauso wie du.«
Er räusperte sich verlegen und streichelte weiter ihren Bauch. »Es bewegt sich«, sagte er und lächelte sanft, um das Thema zu wechseln.
»Das tut sie die ganze Zeit«, antwortete Hannah, wobei sie versuchte, nicht allzu ungeduldig zu klingen. Anscheinend hatte die Kleine noch immer reichlich Platz, denn sie strampelte mal wieder wie verrückt, als ob sie ahnen würde, dass ihre Eltern in Schwierigkeiten steckten. »Möchtest du mir nicht verraten, was bei Anselms erneuten Nachforschungen herausgekommen ist?«, hakte sie vorsichtig nach und küsste ihn sanft auf die breite Narbe, die seine rechte Schulter zeichnete. Eine ewige Erinnerung an den Schwertstreich eines Mamelucken, der ihn im Jahr 1302 bei einem nächtlichen Zweikampf auf der Insel Antarados beinahe das Leben gekostet hätte.
»Er …« Gero stockte und räusperte sich erneut. »Die Breidenburg wurde offenbar von den Truppen des Erzbischofs von Trier zerstört, nachdem die Bewohner enteignet und vertrieben worden waren.«
»Wann soll das gewesen sein?«, fragte Hannah tonlos und spürte, wie ihr Herz schneller schlug.
»Anselm wusste es nicht genau. Es gibt anscheinend keine Aufzeichnungen darüber. Nur eine Urkunde aus dem Jahr1317, die besagt, dass die Burg sich nicht mehr im Besitz der Breydenbacher befindet und an Kurtrier übergeben wurde.«
»Oh Gott«, stöhnte Hannah. »Das ist ja nur zwei Jahre nach unserer Abreise. Und was tun wir jetzt? Ich meine, Rona könnte doch vielleicht helfen. Immerhin hat sie unseren Transfer von 1315 in die heutige Zeit organsiert, und mit Toms Server konnten wir euch sogar aus dem Untergrund in Oak Island herausholen. Dann müssten wir genauso gut deine Eltern hierher evakuieren können, bevor ihnen etwas zustößt.«
»Und dann?« Geros fatalistischer Blick sprach Bände. »Kannst du dir meinen Vater vorstellen, wie er hier vor dem Fernseher hockt und die Abendnachrichten sieht? Wahrscheinlich würde ihn auf der Stelle der Schlag treffen.«
»Nicht, wenn Rona ihm vorher eine von ihren Nanokapseln gäbe.«
»Und selbst wenn ihn das retten würde«, widersprach Gero ihr, »wie geht es dann weiter? Soll er mit meiner Mutter hier sitzen und Händchen halten? Er hat dreißig Jahre lang als Edelfreier und Lehnsherr gelebt. Er war das gesetzliche Oberhaupt von mehr als einhundert Familien.« Gero schüttelte energisch den Kopf. »Dann kannst du ihn auch gleich in die Hölle schicken. Glaub mir, er würde eine solche Veränderung nicht überleben. Selbst Nanokapseln könnten da nichts ausrichten.«
»Den meisten alten Leuten in dieser Zeit geht es auch nicht viel besser, aber sie leben wenigstens noch, haben eine gute medizinische Versorgung und können sich an kleinen Dingen des Daseins erfreuen«, versuchte Hannah, ihn zu beschwichtigen. »Immerhin hätten die beiden hier eine Chance, älter zu werden als in eurer Zeit.«
»Hannah!«, ereiferte er sich mit gedämpfter Stimme. »Bei allem Respekt, den ich dir und deiner Weisheit entgegenbringe, so etwas kann und will ich mir für die beiden nicht vorstellen. Außerdem gibt es auch hier Menschen, die bereits mit fünfzig sterben. Mein Vater ist fast sechzig. Und außerdem wäre damit noch immer nicht das Problem mit meinem Bruder gelöst. Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt, und falls ja, warum er unser Lehen gegenüber dem Erzbischof von Trier nicht verteidigt hat. Tante Margaretha und Roland von Briey wären ihm bestimmt starke Verbündete gewesen. Und überhaupt – was ist mit den beiden? Willst du sie etwa auch hierherholen? Warum dann nicht gleich das ganze Mittealter in die Neuzeit transferieren? Am besten auch noch alle Templerbrüder, damit sie gegen die heutigen Sarazenen erneut ums Heilige Land kämpfen können. Das ist eine total verrückte Idee. Abgesehen davon, dass nicht einmal wir wissen, wie wir uns am besten vor Lafour und seinen Bluthunden verstecken können.«
»Findest du das nicht ein bisschen übertrieben?« Hannah hob eine Braue. »So habe ich es doch gar nicht gemeint. Es geht mir hauptsächlich um deine Eltern. Deine Mutter hätte bestimmt keine Probleme damit, hier zu leben. Hauptsache sie hat ihre Familie um sich. Darüber hinaus könnte sie sich mit ihrer Enkelin beschäftigen. Ich weiß doch, wie sehr sie sich auf das Kind gefreut hat.«
»Ja doch, du meinst es nur gut«, brummte Gero und stieß einen weiteren missmutigen Seufzer aus. »Tom meinte, ich könne jederzeit zu meinen Leuten zurückkehren und nach dem Rechten sehen. Aber wie du weißt, fällt es mir schwer, ihm zu vertrauen. Unsere Erfahrung zeigt, dass es keinerlei Gewissheit gibt, tatsächlich in der gewünschten Zeit zu landen. Es könnte durchaus sein, dass einem die Rückkehr verweigert wird. Bisher hatten wir wahrscheinlich mehr Glück als Verstand, dass wir alle zusammen hierher fliehen konnten. Und jetzt, wo das Kind bald zur Welt kommt, werde ich euch beide nicht in der Ungewissheit zurücklassen, ob ich jemals zu euch zurückkehren kann.«
»Und was willst du stattdessen tun?«, fragte sie zaghaft in die Dämmerung hinein. »Ich kann deine Sorgen spüren und frage mich auch andauernd, wie deine Eltern damit zurechtkommen, dass sie kein Lebenszeichen von uns erhalten. Und nicht zu vergessen, dieser verdammte Hugo d’Empures, der mit Sicherheit gelogen hat, als er behauptete, deinen Bruder getötet zu haben. Ich kann verstehen, wenn du zurückgehen möchtest, um Gewissheit zu haben, dass es ihm und deinen Eltern gut geht.«
»Erst mal möchte ich, dass wir unser Kind heil auf die Welt bringen«, bestimmte er mit fester Stimme und legte sein Ohr demonstrativ auf die harte Wölbung. »Die Kleine soll wissen, wem sie andauernd gegen die Wange getreten hat und dass ihr Vater nichts weiter als ein verrückter Templer ist, der ihre Welt wahrscheinlich nie vollkommen verstehen wird«, murmelte er und küsste Hannahs gewölbten Bauchnabel. »Vielleicht wäre es besser«, sinnierte er mit einem schmerzlichen Lächeln, »wenn das arme Kind gar nicht erfährt, woher ich stamme und wer ich in Wahrheit bin. Womöglich verliert sie den Verstand, wenn sie eines Tages herausfindet, wer ihre Vorfahren sind.«
Hannah machte ein spöttisches Geräusch. »Edelfreie und die Tochter eines Templers zu sein, ist in meinen Augen besser, als die Enkelin einer namenlosen Großmutter zu sein, die mit einem Pizzabäcker nach Australien durchgebrannt ist«, fügte sie mit einer leichten Ironie in der Stimme hinzu, während sie an ihre eigene Mutter dachte. »Ich würde mir wünschen, unsere Tochter könnte auf der Breidenburg aufwachsen, als kleines Burgfräulein, dem die Troubadoure der Umgebung zu Füßen liegen«, schwärmte sie versonnen. »Und irgendwann kommt ein blendend aussehender Ritter auf einem weißen Pferd, wie bei ihrer Mutter, und hält mit einem romantischen Antrag um ihre Hand an.«
»Der müsste mich erst mal im Turnier besiegen, ansonsten wäre er die Hand meiner Tochter nicht wert«, murmelte Gero mit einem breiten Grinsen. »Und wenn sie nach dir kommt, will sie wahrscheinlich selbst das Schwert schwingen. Kann mir kaum vorstellen, dass sie sich in Näharbeiten ergibt.«
»Ich würde weiß Gott was dafür geben, wenn wir zurückkehren könnten«, flüsterte Hannah mit erstickter Stimme.
Gero schaute sie nachdenklich an. »Selbst, wenn nicht alles so fortschrittlich ist wie hier und Hugos Verbündete darauf lauern, uns endlich einen Kopf kürzer zu machen?«
»Der Fortschritt ist mir egal. Dafür stammt bei euch alles aus biologischem Anbau, und es gibt so gut wie keine Umweltverschmutzung. Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr Heimweh bekomme ich«, bekannte sie mit einem zweifelnden Blick. »Wenn ich all die friedlichen Orte vor mir sehe, die es in der Breidenburg und außerhalb zu erkunden gibt. Und allein die Burg mit ihren Erkern und Türmchen, die mich an ein Dornröschenschloss erinnert. Von unseren gemeinsamen Abenden in einem hölzernen Badebottich mal ganz abgesehen. Und dann erst das Essen … frisch gebackenes Brot, handgeschöpfter Käse und nicht zu vergessen der leichte Moselwein von den hauseigenen Weinbergen aus mundgeblasenen Glasbechern, und das alles vor knisterndem Kaminfeuer. Einfach märchenhaft.«
»Danke«, murmelte er, »dass du es so wohlwollend beschreibst und die weniger schönen Tatsachen gnädiger Weise unter den Tisch fallen lässt.« Er lachte leise und küsste sie auf den Mund.
Sie vergrub ihre Hände in Geros halblangem sandblonden Haar, das seit ihrer Rückkehr aus Schottland schon wieder ein Stückchen gewachsen war und ihm nun fast bis auf die Schultern reichte. Er summte leise mit geschlossenen Augen einen gregorianischen Choral, und sie spürte, wie er sich vollends entspannte, als sie seinen hellblonden Dreitagebart kraulte. Nichts an seinem sanften Gesichtsausdruck erinnerte an den Furcht einflößenden Templerkommandeur, der er in seiner Zeit gewesen war.
»Solange ich bei dir liegen darf«, flüsterte er sanft, »ist meine Seele im Paradies, und am liebsten wäre mir, es könnte ewig so bleiben.«
Hannah wusste, was er meinte. Aber bisher war ihnen das Schicksal nicht gnädig gewesen, und es war fraglich, ob es sich in Zukunft gerechter verhalten würde. Wobei auch sie sich die Frage stellte, was eine Truppe von zehn initiierten Templern aus einer siebenhundert Jahre entfernten Vergangenheit in dieser Welt anfangen sollte. Den Heiligen Gral bewachen? Der bewachte sich im besten Fall selbst. Sie an das Internet und die Zeiten der schnellen Datenübertagung zu gewöhnen und sie zugleich vor dem Zugriff der NSA zu bewahren, würde eine schwierige Aufgabe werden und garantiert für alle Seiten frustrierend sein. Je länger sie darüber nachdachte, umso weniger war eine Lösung in Sicht. Gedanken, die ihr nicht guttaten, und sich auf das Ungeborene übertrugen.
»Gott der Herr wird uns schützen«, flüsterte Gero, der allem Anschein nach eine direkte Verbindung zu ihrem Bewusstsein hatte. »Das hat er immer getan.«
Dezember 2015 – Norwegen/Kirkenes/Anselms Ranch
Schatten der Vergangenheit
»Manchmal wünschte ich, ich wäre noch in Bar-sur-Aube und ein gewöhnlicher Ordensritter«, schnaubte Arnaud, als er auf dem Flur Struan MacDhughaill begegnete, der allem Anschein nach genauso wenig schlafen konnte wie er selbst.
»Wem sagst du das«, knurrte der schwarzgelockte Schotte, der mit seinem Bart und den kohlschwarzen Augen, bei denen man die Pupille kaum von der Iris unterscheiden konnte, entsprechend finster wirkte. »Ich bin auf dem Weg zur Kapelle, kommst du mit?«
»Nichts lieber als das«, antwortete Arnaud und marschierte entschlossen neben dem sechs Fuß vier großen Hünen her, der ihn mehr als einen Kopf überragte. »Wie geht es Amelie?«, fragte er ihn beiläufig, während sie auf eine vollautomatisch öffnende Tür zuhielten, an die sie sich, genau wie an das Neonlicht an der Decke, inzwischen gewöhnt hatten.
»Sie ist guter Hoffnung«, sagte Struan so leise, dass Arnaud im ersten Moment glaubte, sich verhört zu haben.
»Wirklich? Sie erwartet ein Kind? Das ist ja wunderbar!«, rief er und strahlte übers ganze Gesicht, bevor sie den Andachtsraum betraten, den Anselm extra für sie eingerichtet hatte, und der, was die Ausstattung betraf, der Kapelle der Templer in Bar-sur-Aube in nichts nachstand.
Der Schotte blieb einen Moment lang vor der Tür stehen und schaute mit seinen glänzenden Kohleaugen bedeutungsvoll auf Arnaud herab, eher bekümmert als begeistert. »Wir haben so lange für ein weiteres Kind gebetet, nachdem sie das erste verloren hat, und nun hat Gott der Herr uns erhört, und ich weiß noch nicht einmal, ob ich mich freuen soll.«
»Warum denn nicht?« Arnaud warf ihm einen verständnislosen Blick zu. »Rona und ich werden nie Kinder haben, weil sie keine bekommen kann«, erklärte er mit einer leichten Verbitterung in der Stimme. »Aber im Grunde muss man als initiierter Templer schon dankbar sein, überhaupt mit der Frau, die man liebt, zusammenleben zu dürfen«, erinnerte er Struan und hob eine Braue. »Für zweit- und drittgeborene Söhne des Adels ist ein solches Glück eigentlich gar nicht vorgesehen. Also was soll’s. Nimm dein Glück in die Hand und vertrau auf Gott.«
Struan seufzte gut hörbar, als sich die Tür zur Kapelle wie von Geisterhand öffnete. Acht weitere Templer hatten sich zu den Laudes eingefunden, das erste Stundengebet am Morgen. Seit sie nach ihrer Errettung auf Oak Island in der sogenannten Zukunft gelandet waren, nahmen sie ihre Pflichten nicht mehr so ernst wie in früheren Zeiten. Trotzdem gaben ihnen die Stundengebete eine gewisse Sicherheit im Alltag, und die Kapelle war ein willkommener Treffpunkt, um über Sorgen und Nöte zu sprechen.
Drinnen spiegelte sich gedämpftes Kerzenlicht in sechs kunstvoll gearbeiteten Glasfenstern wider. Zu dritt reihten sie sich rechts und links an den Wänden des ansonsten einfach gehaltenen Kapellenbaus. Anselm hatte die kunstvoll in Blei gefassten Bildnisse der Schutzheiligen der Templer, darunter der heilige Georg und der heilige Andreas, extra aus Italien einführen lassen. Deren wahre Pracht erstrahlte erst bei Tag, wenn die Sonne hereinschien und die Farben leuchtend intensivierte. Doch so früh am Morgen herrschte draußen noch Dunkelheit, und Arnaud fragte sich an manchen Tagen, ob es in dieser abgelegenen Gegend überhaupt je richtig hell wurde.
Er begrüßte Johan van Elk, den rothaarigen Ritterbruder vom Niederrhein, dessen ehemals ebenmäßiges Gesicht von grausamen Brandnarben gezeichnet war, mit dem überkreuzten Handschlag der Templer und mit dem Bruderkuss auf den Mund, der das Vertrauen zwischen ihnen besiegeln sollte.
Wie die anderen Männer trug Johan, den sie Jo nannten, eine Jeans und ein dunkelblaues Wams, das Anselm als Sweatshirt bezeichnete und das keinerlei Aufschluss über seine gräfliche Herkunft gab.
Neben ihm stand Jacob von Sassenberg, ein dunkel gelockter deutscher Ritterbruder. Sein schmales Gesicht mit dem kurz getrimmten Bart wirkte ebenso angespannt wie die Mienen der übrigen Brüder. Wie die meisten hier schien er mit der Tatsache, in dieser Einöde gefangen zu sein und seine Umgebung nicht erkunden zu können, alles andere als glücklich zu sein. Er war nicht ängstlich, doch Oak Island hatte auch ihn verändert. Die einzige Person, die ihm regelmäßig ein Lächeln auf die Lippen zaubern konnte, war Hannah von Breydenbach. Was Gero, der überraschenderweise nicht zur Andacht erschienen war, geflissentlich ignorierte.
Arnaud begrüßte Jacob in der Tradition der Templer und klopfte ihm verständnisvoll auf den Rücken, bevor er sich Ralph, Totty und Brian zuwandte.
»Der Herr sei mit dir«, sagte er leise, als Totty sich aufgrund seiner hünenhaften Größe ein wenig zu ihm herunterbeugte und in seine dargebotene Rechte einschlug.
»Und mit dir«, erwiderte der englische Templer mit dem kurzgeschorenen rotbraunen Haar, der eigentlich Thomas of Toraldeby hieß und seine Wikingervorfahren schon allein aufgrund seiner hochgewachsenen Gestalt nicht verleugnen konnte. Vor seiner Verhaftung im Jahr 1309 war er Commander von Garway in Südengland gewesen. Danach hatte man ihn offiziell zur Buße in ein Kloster in Winchester geschickt. Von dort aus hatte er sich den Einsiedlern um Walter of Clifton angeschlossen und war aber offenbar noch bis 1338 in den Personallisten von Winchester geführt worden, wie Anselm erst kürzlich in alten Dokumenten herausgefunden hatte. Eigentlich war er ein unerschrockener Mann, doch nun wirkte er genauso verhalten und abwartend wie Ralph und Brian.
»Schwör mir bei der Seele deiner Mutter, dass der Teufel bei dieser Angelegenheit nicht mit im Bunde ist«, hatte Totty Gero abgefordert, gleich nachdem sie in ein Flugzeug gestiegen waren, das sie von Kanada nach Norwegen gebracht hatte. Arnaud hatte ihm und den beiden anderen Brüdern mehrmals zu erklären versucht, dass sie nach ihrer Ankunft nicht in der Hölle gelandet waren, sondern im Paradies, was Komfort und Verpflegung betraf, aber er war nicht sicher, ob sie ihm glaubten.
Malcolm MacDhughaill, der fast genauso aussah wie Struan, nur jünger, und Stephano de Sapin, ein schlanker, hochgewachsener, blassblonder Kerl mit wasserblauen Augen, drängten sich ebenfalls in die Kapelle. Sie alle trugen moderne Kleidung, die nichts über ihre wahre Herkunft verriet.
Stephano begrüßte Arnaud mit einem Handschlag und einem entspannten Lächeln. Er schien der Einzige von ihnen zu sein, der ihre Zweifel nicht teilte. Was vielleicht daran lag, dass er hier seine sodomitische Natur ohne Furcht ausleben konnte und sein Glück mit Anselm gefunden hatte. Seltsamerweise störte sich in dieser Zeit niemand daran, dass die beiden als Ehepaar zusammenlebten und in Sünde verkehrten, dachte Arnaud. In ihrer Zeit hätte sie das leicht den Kopf kosten können.
Malcolm schien sich über all das keine Gedanken zu machen. Der junge hünenhafte Schotte war mit knapp neunzehn während ihres Aufenthalts im Jahr 1315 in Schottland von Sir Walter of Clifton zum Templer ernannt worden. Mit der Kirche hatte der junge schwarzhaarige Wilde, wie Arnaud ihn unausgesprochen bezeichnete, ohnehin wenig zu tun. Dafür umso mehr mit den heidnischen Traditionen seiner Vorfahren. Deshalb weigerte er sich im Gegensatz zu Struan Hosen anzuziehen und bestand trotz dem draußen herrschenden Schneetreiben auf einen Kilt. Was nichts anderes war als eine fest gewebte karierte Decke, die er mit einem breiten Ledergürtel geschickt zu einem Rock und zugleich zu einem Umhang drapierte.
Struan, der seinen Bruder mit Handschlag und einem Kuss begrüßte, war nicht so traditionell wie sein Bruder. Was vielleicht daran lag, dass er in den Jahren zuvor den Habit eines Templers getragen hatte. Außerdem hatte er, wenn auch nicht freiwillig und unter Beobachtung des amerikanischen Militärs, bereits einige Zeit in den Jahren 2004 und 2005 verbracht. Somit war ihm die Lebensart in dieser Zeit zumindest ansatzweise vertraut. Obwohl Amelie es nicht besonders schätzte, trug er meistens verwaschene blaue Baumwollhosen, die eng saßen wie eine zweite Haut und ihm irgendwie praktisch erschienen.
In früheren Zeiten hätte man sie als die Beinkleider eines verlausten Schäfers bezeichnet, der sich nichts anderes leisten konnte.
Arnaud selbst lief meistens in einem sogenannten Jogginganzug herum. Ein Kleidungstück, das ihn an die Gewänder seiner orientalischen Vorfahren erinnerte, die allerdings um einiges prachtvoller gewesen waren.
Stephano, der nicht nur ein Templer, sondern zudem ein geweihter Priester war, hatte sich schon am Altar platziert und mit dem Verlesen der Psalmen begonnen, als die Tür leise aufging und Matthäus von Bruch mit hochrotem Kopf hereinhuschte und sich pflichtschuldigst neben Malcolm niederließ, der ihm inzwischen nicht nur ein Bruder, sondern auch ein guter Freund geworden war. »Tut mir leid«, flüsterte er und ging neben dem jungen Schotten auf die Knie, um für seine Verspätung vor der Mutter Gottes Abbitte zu leisten.