Das fünfte Mädchen - Gillian Philip - E-Book

Das fünfte Mädchen E-Book

Gillian Philip

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Beschreibung

Sie fanden das fünfte Mädchen, als der Schnee schmolz …

Ruby und Jinn halten zusammen wie Pech und Schwefel. Kein Wunder, sind sie doch ganz allein auf der Welt in ihrem englischen Dorf. Jinn, die charismatische ältere Schwester, beschützt die schüchterne Ruby wo sie nur kann. Das ändert sich, als plötzlich Nathan auftaucht, Jinns alte Flamme aus Schulzeiten, der nach Meinung der Dorfbewohner »nichts Gutes« im Schilde führt. Langsam aber sicher verfällt Jinn Nathan, und Ruby muss hilflos mitansehen, wie Nathan ihre Schwester in sein zwielichtiges Milieu zieht. Zur gleichen Zeit wird in den lokalen Nachrichten über Morde an jungen Frauen berichtet – das Gerücht vom Serienkiller geht um. Ruby und Jinn ignorieren diese Nachrichten, schließlich geht es sie nichts an. Doch dann wird Jinn vermisst…

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Seitenzahl: 359

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Gillian Philip • Das fünfte Mädchen

DIE AUTORIN

Foto: © Bloomsbury

Gillian Philip wurde in Glasgow geboren, verbrachte zwölf Jahre ihres Leben auf Barbados und lebt heute mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Elgin im Norden Schottlands. Ihre Bücher standen auf der Auswahlliste des Angus Book Award, der Carnegie Medal und des David Gemmell Legend Award.

Von der Autorin ist außerdem bei cbt erschienen:

Road of no Return (30710)

Gillian Philip

Das fünfte Mädchen

Aus dem Englischen

von Antoinette Gittinger

cbt ist der Jugendbuchverlag in der

Verlagsgruppe Random House

1. Auflage

Erstmals als cbt Taschenbuch April 2013

Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform

© 2011 Gillian Philip

Die englische Originalausgabe erschien unter dem Titel »The Opposite of Amber« bei Bloomsbury Publishing, London

© 2013 für die deutschsprachige Ausgabe

cbt Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Übersetzung: Antoinette Gittinger

Lektorat: Ulrike Hauswaldt

Umschlaggestaltung: init.büro für

Gestaltung, Bielefeld

Umschlagfoto: © GettyImages

he · Herstellung: kw

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-08402-8

www.cbt-jugendbuch.de

Für Sarah Molloy

(und wie immer für Jamie & Lucy)

Zahlenspiele

Sie fanden das fünfte Mädchen, direkt nachdem der Schnee geschmolzen war.

Eine Weile lang hatte es keine Leiche gegeben und es hatte zuvor auch nie zwei Leichen an ein und demselben Ort gegeben. Bis dahin hatte er sie überall im Land zurückgelassen. Überall im Land und über die Jahre verteilt.

Das fünfte Mädchen war gefangen unter dem Wasser, unter der Böschung, wo die Strömung schnell war und alles weggewaschen wurde, all die Spuren. Warum sie mit Sicherheit sagen konnten, dass es derselbe Mann war? Weil es dieselbe Gegend war wie damals beim vierten Mädchen und weil sie auch im Wasser lag.

Das vierte Mädchen hatten sie im Meer gefunden. Nicht weit draußen. Sie stieß immer wieder sanft gegen die Felsen, taumelte in den Untiefen, das Haar voll grünem Zeug, wie eine Meerjungfrau. Ein Kind hätte vielleicht gedacht, sie sei eine Meerjungfrau mit ihrer blassgrünen Haut, die sich im wässrigen Sonnenlicht kräuselte, aber es war noch nicht Sommer, sodass es kein Kind war, das sie fand. Alle sagten, zumindest das sei ein Segen, und es hätte schlimmer kommen können. Der Hund, der dort stand und bellte und hin und her rannte, dem sich das Fell sträubte und der sich weigerte, seinen Stock zu holen – er gehörte wenigstens einer pensionierten Ärztin, die sicherlich ein bisschen vom Leben und auch vom Sterben gesehen hatte. Und das war ein Segen.

Von Segen ließ sich nicht mehr sprechen, als sie feststellten, wer sie war, als sie sahen, dass ihre Meerjungfrau selbst noch ein Kind war oder beinahe noch ein Kind. Und später, eine ganze Weile später, sagten sie, sie sei ein Fehler. Als sie es alles klarer sahen, sagten sie, ihm sei ein großer Fehler unterlaufen mit dem vierten Mädchen: Es war doppelt tragisch, weil sie ein normales Mädchen war – sie war nicht wie die anderen, sie war nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Und das schien ihn für eine Weile wieder zur Vernunft gebracht zu haben, denn lange Zeit tötete er niemanden mehr, jedenfalls nicht, soweit sie wussten.

Schließlich schien er es jedoch nicht lassen zu können. Tatsächlich fragten sie sich, ob er es wieder hatte tun müssen, um seinen Fehler zu korrigieren, es diesmal richtig zu tun und mit der richtigen Person. Und ob es deswegen ein fünftes Mädchen in derselben Stadt gab.

Weil er es beim fünften Mal richtig gemacht hat – das hörte ich eine Frau sagen, als ich letzte Woche hinter ihr im Bus saß. Er hat es richtig gemacht und ist wieder zu seinem Muster zurückgekehrt, und das fünfte Mädchen war wieder eine Prostituierte. Und damit alles richtig und genau so wie beim letzten Mal war, hat er auch sie ins Wasser gelegt.

Nicht dasselbe Wasser, das stimmt; aber es ist eine gute Idee, ein Mädchen ins Wasser zu legen, wenn man keine Spuren hinterlassen will – das Gegenteil von Bernstein.

Nicht dass das fünfte Mädchen nicht gut erhalten war, denn er ließ sie im Winterwasser zurück, bedeckt mit Raureif und Schnee. Die Spuren an ihrem Körper waren verschwunden, jene, die seinen Namen verrieten, aber sie hatte eine extra Haut aus Eis, die sie schützte. Die Oberfläche des Wassers war ein eisiger Sargdeckel, wie der, der Schneewittchen bedeckte, und sie sah perfekt aus, wie Schneewittchen, oder fast wie Schneewittchen.

Nicht ganz und gar natürlich. Man kann nicht so perfekt aussehen, und niemandes Kuss brachte sie ins Leben zurück, aber sie sah so gut aus, wie es ihr nur möglich war. Ihr blondes Haar war voller Eis, und es glitzerte, als sie sie hinaus in die Sonne zogen. Und um ehrlich zu sein, der Mann, der sie fand, sah so blass und erschöpft und schockiert aus, dass sie fast besser aussah als er.

Sommer

Eins

»Niemand hat ihn geschubst«, sagte Jinn. »Es ist allein seine Schuld. Dieser Armleuchter.«

Selbst gemessen am Standard meiner großen Schwester, war diese Erklärung allzu einfach, aber ich sagte nichts.

Mir war überhaupt nicht danach, viel zu sagen – egal, worum es ging. Der Alex-Jerrold-Vorfall hatte die Richtigkeit dieser Taktik nur bestätigt. Öffne den Mund – ich weiß, das ist kein schönes Bild – und du öffnest eine Dose mit Würmern. Halt den Mund, und die Wahrscheinlichkeit, dass du irgendeinen Wichser dazu bringst, sich von einem Dach zu stürzen, wird geringer.

Aber die Sache mit Alex Jerrold ist die, dass er vielleicht sowieso gesprungen wäre.

Die Sache mit mir ist die, dass ich es nie wissen werde.

Weil ich ihn nämlich nie fragen werde. Ich könnte ihn fragen, denn selbst das Springen vom Dach hat er nicht richtig hingekriegt. Er liegt im Haus seiner Eltern wie eine kaputte Puppe und wartet darauf, dass ich ihn frage. Aber mir würde seine Antwort nicht gefallen.

Ich wollte nicht über Alex Jerrold und seinen stümperhaften Selbstmordversuch reden, und ich weiß nicht, warum Jinn davon anfing, ausgerechnet an einem Tag wie diesem. Wir beobachteten die Flut, die flussaufwärts strömte, aber es gab keine freien Bänke im Dot Cumming Memorial Park, sodass wir auf dem Rücken im Gras lagen. Es machte uns nichts aus, denn das Gras war trocken, und die schwarz gestrichenen Bänke sahen in der Hitze beinahe klebrig aus. Auf einer von ihnen, direkt rechts von uns, hatte sich das geblümte Hinterteil einer Frau so breitgemacht, dass man meinte, es habe zu schmelzen begonnen. Die Chancen standen gut, dass sie an der Bank festkleben und nie wieder aufstehen würde. So dick war sie. So heiß war es.

Jinn hatte uns Eis gekauft und eine eisgekühlte Flasche Cidre, die schon lauwarm zu werden begann. In meiner Eistüte steckte ein Schokoladenriegel. Ich wollte ihn eigentlich nicht, konnte ihn aber schlecht in den Fluss werfen, da Jinn es doch gesehen hätte und extra Geld dafür ausgegeben hatte, um mich glücklich zu machen. Sie hatte das spitze Ende der Eistüte abgebissen, so wie sie es immer tat, und schaufelte damit Eis von oben ab. Ich beobachtete, wie sie die Mini-Eistüte ganz in den Mund steckte und sie mit geschlossenen Augen knirschend zerkaute. Ich liebte es, ihr dabei zuzusehen; es war das Beste am Eisessen. Das machte mich glücklich, nicht der Schokoladenriegel. Jinn hatte vergessen, dass ich kein kleines Kind mehr war. Irgendwie vergaß sie auch immer, dass ich zu alt für Eis war. Was super war.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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