Das gemiedene Haus - H. P. Lovecraft - E-Book

Das gemiedene Haus E-Book

H. P. Lovecraft

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Beschreibung

In H.P. Lovecrafts "The Shunned House" tauchen Sie ein in die düstere Atmosphäre eines verlassenen Anwesens, das von unheimlichen Geheimnissen und übernatürlichen Kräften durchdrungen ist. Der Erzähler, von Neugier angetrieben, erforscht die unheimliche Geschichte des Hauses, das einst von einer unglückseligen Familie bewohnt war. Während er in die schattenhafte Vergangenheit eintaucht, stößt er auf grausame Enthüllungen, die den schmalen Grat zwischen Realität und Wahnsinn ausloten. Lassen Sie sich von Lovecrafts meisterhaftem Erzählstil in die Welt des Unheimlichen entführen und erleben Sie eine Spannung, die mit jedem Satz zunimmt!

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Das gemiedene Haus

The Shunned House

von H. P. Lovecraft (1924)

Übersetzung: Stefan Gresse (2024)

I.

Selbst in dem größten Grauen ist die Ironie nur selten gänzlich abwesend. Manchmal fließt sie direkt in die Gestaltung der Geschehnisse ein, manchmal bezieht sie sich nur auf Orte und Personen. Die letztere Art wird durch einen Fall in der alten Stadt Providence wunderbar veranschaulicht, wo sich Edgar Allan Poe in den späten Vierzigerjahren während seines erfolglosen Werbens um die begabte Dichterin Mrs. Whitman häufig aufhielt. Poe verkehrte in der Regel im Mansion House in der Benefit Street – dem umbenannten Golden Ball Inn, dessen behagliche Gemütlichkeit schon Washington, Jefferson und Lafayette beherbergte -, und sein Lieblingsspaziergang führte ihn entlang derselben Straße in nördlicher Richtung zu Mrs. Whitmans Haus und zu dem auf einem Hügel gelegenen, benachbarten Friedhof von St. John, dessen endlose Ansammlung von Grabsteinen aus dem 18. Jahrhundert ihn in sonderbarer Weise faszinierte.

Die Ironie ist nun die Folgende. Bei diesem so oft wiederholten Spaziergang musste der weltgrößte Meister des Grauenhaften und Bizarren auf der östlichen Seite der Straße ein bestimmtes Haus passieren, ein schmuddeliges, veraltetes Bauwerk auf einem steil ansteigenden Hügel mit einem großen, ungepflegten Hof aus einer Zeit, als die Gegend noch nicht zum Stadtgebiet gehörte. Es scheint, als hätte er niemals darüber geschrieben oder gesprochen, und es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass er das Haus überhaupt jemals wahrgenommen hat. Und doch übertrifft der Schauder dieses Gebäudes für die beiden Personen, die sich im Besitz bestimmter Informationen befinden, selbst die wildesten Fantasien dieses Horror-Genies, das so oft unwissend daran vorüberging, und steht gewissermaßen exemplarisch für das unsagbar Abscheuliche.

Das Haus war – und ist es im Übrigen noch immer – von einer Art, welche die Aufmerksamkeit der Neugierigen auf sich zieht. Ursprünglich war es ein Farmhaus, das dem durchschnittlichen Kolonialstil Neuenglands aus der Mitte des 18. Jahrhunderts entsprach – ein prächtig anzusehendes Spitzdachhaus mit zwei Stockwerken und einem Dach ohne Gauben, mit einer georgianischen Eingangstür und einer Innenvertäfelung, die dem Geschmack der damaligen Zeit entsprach. Es war nach Süden ausgerichtet, wobei sich die unteren Fenster auf der Giebelseite in den nach Osten ansteigenden Hügel eingruben, während auf der zur Straße orientierten anderen Seite des Hauses die Fassade frei lag. Die Benefit Street – zunächst Back Street genannt – war ursprünglich als Gasse angelegt worden, die sich zwischen den Friedhöfen der ersten Siedler hindurchschlängelte, und wurde erst begradigt, als die Verlegung der Leichname auf den North Burial Ground es ermöglichte, eine Bresche durch die alten Familiengräber zu schlagen.

Anfänglich betrug der Abstand zwischen der westlichen Hausfassade und der Fahrbahn etwa zwanzig Fuß und wurde durch eine steil abfallende Rasenfläche ausgefüllt; aber eine Verbreiterung der Straße in den Tagen der Revolution schnitt den größten Teil dieses Zwischenraumes ab und legte die Fundamente frei, sodass eine Kellerwand aus Ziegelsteinen errichtet werden musste, die dem tiefen Keller in unmittelbarer Nähe der erneuerten Verkehrsader, eine Straßenfront mit Tür und zwei Fenstern über der Erde verpasste. Mit der Errichtung des Bürgersteigs vor einem Jahrhundert, wurde der letzte Teil des Zwischenraums entfernt, und Poe dürfte bei seinen Spaziergängen kaum mehr als eine Wand aus mattgrauem Ziegelstein gesehen haben, die bündig mit dem Bürgersteig abschloss und oberhalb von etwa zehn Fuß von dem eigentlichen Haus, mit seiner altertümlichen Schindelbedachung überragt wurde.

Das einem Bauernhof nicht unähnliche Areal erstreckte sich sehr weit den Hügel hinauf, fast bis zur Wheaton Street. Die Fläche südlich des Hauses, die an die Benefit Street grenzte, erhob sich ganz natürlich weit über das bestehende Gehwegniveau und bildete eine Terrasse, die von einer hohen Dammmauer aus feuchtem, moosbewachsenem Stein begrenzt und von einer steilen Treppe aus schmalen Stufen durchbrochen wurde, die zwischen den schluchtartigen Flächen nach innen in die oberen Bereiche des Anwesens mit dem ungepflegten Rasen, rötlichen Ziegelsteinwänden und vernachlässigten Gärten führte, wo kaputte Zementurnen, verrostende Blumenkübel, die von Dreibeinen, die aus knorrigen Stöcken bestanden, heruntergefallen waren, und ähnlicher Krimskrams die verwitterte Eingangstür mit ihrem zerbrochenen Oberlicht, den verrottenden ionischen Pilastern und dem wurmstichigen Dreiecksgiebel flankierten.

Was ich in meiner Jugend über das gemiedene Haus gehört hatte, war lediglich, dass dort erschreckend viele Menschen starben. Das, so sagte man mir, sei der Grund, warum die ursprünglichen Besitzer etwa zwanzig Jahre nach dem Bau des Hauses fortgezogen waren. Es war schlichtweg ungesund, vielleicht wegen der Feuchtigkeit und dem Schimmelpilzbefalls im Keller, dem allgemein üblen Geruch, der Zugluft in den Fluren oder wegen der minderen Qualität des Brunnen- und Pumpenwassers. Diese Dinge waren ohnehin schon schlimm genug, und die Menschen in meinem Umfeld, schienen sie daher auch als plausible Erklärungen für die merkwürdigen Vorkommnisse im Haus anzusehen. Lediglich die Notizbücher meines Onkels, dem Lokalhistoriker Dr. Elihu Whipple, enthüllten mir allmählich die düsteren, wenngleich vagen Mutmaßungen, die bei den alten Bediensteten und einfachen Leuten ein wiederkehrendes Element ihres Tratsches waren; Mutmaßungen, die sich nie weit herumsprachen und die weitgehend in Vergessenheit gerieten, als sich Providence zu einer Metropole großstädtischen Zuschnitts entwickelte.

Tatsache ist, dass das Haus von einem Großteil der Bevölkerung nie als wirklich „verhext“ angesehen wurde. Es existierten keinerlei allseits bekannte Erzählungen über rasselnde Ketten, kalte Luftströme, erloschene Lichter oder Gesichter am Fenster. Besonders Wagemutige behaupten manchmal, das Haus habe schlichtweg „Pech“ gehabt, aber viel weiter wollten auch sie sich nicht vorwagen. Unstrittig ist, dass erschreckend viele Menschen dort sterben oder besser gesagt, gestorben sind, denn seit einigen höchst merkwürdigen Ereignissen vor mehr als sechzig Jahren steht das Gebäude leer, weil es seitdem einfach nicht mehr vermietet werden konnte. All diese Personen verstarben weder urplötzlich noch aus irgendeinem bestimmten Grund; vielmehr schien es, dass ihre Lebenskraft schleichend abnahm, sodass jeder von ihnen umso schneller dahinsiechte, je mehr er von Natur aus zu Schwäche neigte. Die Bewohner des Hauses, die nicht mit der Zeit umkamen, zeigten zumindest in unterschiedlichen Ausprägungen eine Art von Anämie oder Schwindsucht und manchmal stellte sich bei ihnen auch ein rapider Verfall ihrer geistigen Leistungsfähigkeit ein, was als ein Beleg für die „Unbekömmlichkeit“ des Hauses angesehen werden kann. Die benachbarten Häuser schienen jedoch vollkommen frei von dieser schädlichen Qualität zu sein.