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Ulysses Paxton (ein ehemaliger Captain der U.S.-Army und langjähriger Bewunderer von John Carter) gerät in die Hände des außergewöhnlichen Wissenschaftler-Chirurgen Ras Thavas von Barsoom. Der in Vad Varo umbenannte Paxton wird von Ras Thavas zum Assistenten bei den Operationen zur Übertragung von Leben ausgebildet, für die der geniale Wissenschaftler berühmt ist.
Vad Varo wird schließlich Zeuge eines Transfers des bösen alten Geistes von Xaxa, Jeddara von Phundahl, in den jungen und lieblichen Körper eines namenlosen Opfers, während der Geist von Opfer Nummer 4296-E-263-H nun im Körper eines alten Weibes gefangen ist...
Der Roman Das Genie des Mars erschien erstmals im Juli 1927 (unter dem Titel The Master Mind Of Mars) im Amazing Stories Annual.
Der Apex-Verlag veröffentlicht Das Genie des Mars als deutsche Erstveröffentlichung in der Übersetzung von Gabriele C. Woiwode.
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EDGAR RICE BURROUGHS
Das Genie des Mars
Sechster Band des MARS-Zyklus
Roman
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
Der Autor
DAS GENIE DES MARS
Kapitel 1: Ein Brief
Kapitel 2: Das Haus der Toten
Kapitel 3: Beförderung
Kapitel 4: Valla Dia
Kapitel 5: Der Pakt
Kapitel 6: Gefahr
Kapitel 7: Verdächtigungen
Kapitel 8: Flucht
Kapitel 9: Hände hoch!
Kapitel 10: Der Palast von Mu Tel
Kapitel 11: Phundahl
Kapitel 12: Xaxa
Kapitel 13: Der Große Tur
Kapitel 14: Zurück in Thavas
Kapitel 15: John Carter
Ulysses Paxton (ein ehemaliger Captain der U.S.-Army und langjähriger Bewunderer von John Carter) gerät in die Hände des außergewöhnlichen Wissenschaftler-Chirurgen Ras Thavas von Barsoom. Der in Vad Varo umbenannte Paxton wird von Ras Thavas zum Assistenten bei den Operationen zur Übertragung von Leben ausgebildet, für die der geniale Wissenschaftler berühmt ist.
Vad Varo wird schließlich Zeuge eines Transfers des bösen alten Geistes von Xaxa, Jeddara von Phundahl, in den jungen und lieblichen Körper eines namenlosen Opfers, während der Geist von Opfer Nummer 4296-E-263-H nun im Körper eines alten Weibes gefangen ist...
Der Roman Das Genie des Mars erschien erstmals im Juli 1927 (unter dem Titel The Master Mind Of Mars) im Amazing Stories Annual.
Der Apex-Verlag veröffentlicht Das Genie des Mars als deutsche Erstveröffentlichung in der Übersetzung von Gabriele C. Woiwode.
Edgar Rice Burroughs - * 01. September 1875, † 19. März 1950.
Edgar Rice Burroughs war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der bekannt wurde als Erzähler diverser Abenteuergeschichten, die sich vor allem dem frühen Fantasy- und Science-Fiction-Genre zuordnen lassen. Die bekanntesten von ihm eingeführten - und in der Folge von anderen in zahlreichen Filmen und Comics etablierten - Heldencharaktere sind Tarzan, John Carter, Carson Napier.
Der Sohn des Fabrikanten und Bürgerkriegsveteranen Major George Tyler Burroughs (1833–1913) und der Lehrerin Mary Evaline Zieger (1840–1920) verlebte nach dem Besuch mehrerer Privatschulen den Großteil seiner Jugend auf der Ranch seiner Brüder in Idaho.
Nach seinem Abschluss auf der Michigan Military Academy im Jahr 1895 trat Burroughs in die 7. US-Kavallerie ein. Als ein Armeearzt bei ihm einen Herzfehler diagnostizierte und er deshalb nicht Offizier werden konnte, verließ Burroughs die Armee vorzeitig im Jahr 1897 und arbeitete bis 1899 wieder auf der Ranch seines Bruders. Danach ging er zurück nach Chicago und arbeitete in der Firma seines Vaters.
Am 1. Januar 1900 heiratete Burroughs seine Jugendliebe Emma Centennia Hulbert. Das Paar bekam drei Kinder: Joan Burroughs Pierce (1908–1972), Hulbert Burroughs (1909–1991) und John Coleman Burroughs (1913–1979). Da die tägliche Routine in der Fabrik seines Vaters Burroughs nicht zufriedenstellte, verließ das Ehepaar 1904 Chicago, um abermals in Idaho zu leben. Mit seinen Brüdern, die inzwischen ihre Ranch aufgegeben hatten, versuchte er sich erfolglos als Goldgräber. Kurze Zeit später arbeitete er als Eisenbahnpolizist in Salt Lake City. Auch diesen Job gab Burroughs auf und zog mit seiner Frau wieder zurück nach Chicago, wo er eine Reihe Jobs annahm, unter anderem als Vertreter. 1911 investierte er sein letztes Geld in einer Handelsagentur für Bleistiftanspitzer und scheiterte.
Burroughs, der zu dieser Zeit an schweren Depressionen litt und, nach einigen seiner Biographen, an Selbstmord dachte, kam auf die Idee, eine Geschichte für ein Magazin zu schreiben, in dem er zuvor Anzeigen für seine Bleistiftanspitzer geschaltet hatte. Seine erste Erzählung Dejah Thoris, Princess of Mars (unter dem Pseudonym Normal Bean für das All-Story-Magazin von Thomas Metcalf geschrieben) wurde zwischen Februar und Juli 1912 als Fortsetzung veröffentlicht.
Metcalf hatte sein Pseudonym in Norman Bean geändert, und auch der Titel seiner Geschichte wurde zu Under the Moon of Mars abgewandelt. Auf Burroughs Beschwerde bezüglich der Änderungen, lenkte Metcalf ein und bot an, Burroughs nächste Geschichte unter seinem richtigen Namen zu drucken. Eine weitere Beschwerde Burroughs betraf den Zusatz For all Rights auf seinem Honorarscheck. Nach längerem Briefwechsel erreichte er, dass die 400 Dollar nur für den Erstabdruck galten.
Burroughs zweite Geschichte, The Outlaw of Torn, wurde jedoch von All-Story abgelehnt. Der große Erfolg kam mit Burroughs drittem Anlauf, Tarzan of the Apes.
Die Geschichte von Tarzan wurde ebenfalls 1912 von All-Story veröffentlicht. Burroughs schrieb in der Folgezeit immer wieder neue Tarzan-Geschichten und konnte sich - kaum zehn Jahre nach der Veröffentlichung von Tarzan of the Apes - ein riesiges Stück Land in der Nähe von Los Angeles kaufen. Selbst nach Burroughs Tod im Jahr 1950 erschienen weitere Tarzan-Geschichten. Das Landstück bei Los Angeles ist heute die Gemeinde Tarzana.
In den frühen 1930er Jahren wurde sein schriftstellerischer Erfolg allerdings immer mehr von privaten Problemen überschattet. 1934 ließ er sich scheiden und heiratete ein Jahr später Florence Dearholt. Doch schon 1942 wurde auch diese Ehe geschieden. Nach der Bombardierung von Pearl Harbor begab sich Burroughs 1941 als Kriegsreporter nach Hawaii. Nach dem Krieg kehrte er nach Kalifornien zurück, wo er, nach vielen gesundheitlichen Problemen, 1950 einem Herzanfall erlag.
In Burroughs Werk vermischen sich Science Fiction und Fantasy. Er etablierte Geschichten vor einem planetarischen Hintergrund in der Science Fiction. Dabei war Burroughs bewusst, dass seine Literatur bei den Kritikern nicht ankam. Er machte auch nie ein Hehl daraus, dass er schrieb, um Geld zu verdienen.
Die Helden seiner Romane und Erzählungen haben keine Alltagsprobleme. Bei den Charakterzeichnungen schwach, sprudeln Burroughs Geschichten über vor Ideen und Action. Die Helden seiner Romane haben verschiedene Merkmale gemeinsam, beispielsweise das Geheimnis um ihre Herkunft. Entweder haben die Helden nie eine Kindheit erlebt, oder können sich nicht daran erinnern, oder aber sie sind wie Tarzan und The Cave Girl Waisen. Ein weiteres Merkmal von Burroughs Geschichten ist der, wie Brian W. Aldiss es nennt, ausgeprägte sexuelle Dimorphismus. Das jeweils dominante Geschlecht ist hässlich.
Obwohl es in den Romanen und Geschichten Burroughs von schönen, nackten Frauen nur so wimmelt, werden sexuelle Beziehungen weder angedeutet noch erwähnt. Burroughs Welt scheint eine präpubertäre zu sein. Doch ist die Jungfräulichkeit immer in Gefahr (vgl. Aldiss). Fast schon zwanghaft mutet an, dass es in den Geschichten Burroughs, die zwischen 1911 und 1915 geschrieben wurden, nicht weniger als 76 Mal zu Vergewaltigungsdrohungen kommt, die natürlich alle abgewendet werden können. Zu den Bedrohern der weiblichen Unschuld gehören verschiedene Marsianer, Sultane, Höhlenmenschen, japanische Kopfjäger und Affen.
E. F. Bleiler schreibt über Burroughs, seine Texte seien „Fantasien von Erotik und Macht.“
Der Apex-Verlag veröffentlicht Burroughs' Venus-Romane (in der deutschen Übersetzung von Thomas Schlück), Neu-Übersetzungen des Tarzan- und des John Carter-Zyklus sowie als deutsche Erstveröffentlichung die Pellucidar-Serie.
Helium, den 8. Juni 1925
Sehr verehrter Herr Burroughs,
Es war im Herbst des Jahres neunzehnhundertsiebzehn, während eines Übungsmanövers der Offiziere, als ich in den Seiten Ihres Romans »Eine Prinzessin vom Mars«, zum ersten Mal John Carter, dem Kriegsherrn des Barsoom, begegnete.
Die Geschichte hinterließ einen tiefen Eindruck bei mir, aber obwohl mir mein gesunder Menschenverstand sagte, dass es sich nur um eine sehr phantasievolle Fiktion handelt, setzte sich in meinem Unterbewusstsein die Vorstellung fest, dass sie auch wahr sein könnte – so ausgeprägt, dass ich begann, vom Mars und John Carter, von Dejah Thoris, von Tars Tarkas und von Woola so realistisch zu träumen, als wären sie meinen eigenen Erlebnissen entsprungen und nicht lediglich Produkte Ihrer Phantasie.
Tatsächlich ließen die Tage der anstrengenden Vorbereitungen nur wenig Zeit zum Träumen; dennoch gab es kurz bevor mich abends der Schlaf übermannte, diese gewissen Momente, in denen ich diese Träume hatte. Und was für Träume! Und immer vom Mars! Während der Stunden, in denen ich nachts wach lag, waren meine Augen stets auf der Suche nach dem Roten Planeten, wenn er über dem Horizont stand, und ich versuchte das unergründliche Rätsel zu lösen, das er für die Erdenmenschen seit vielen Zeitaltern darstellt.
Vielleicht wurde diese Sache irgendwann zur Obsession. Während der gesamten Dauer meines Übungsmanövers ließ sie mich nicht mehr los, und nachts lag ich an Deck des Transporters auf dem Rücken und starrte in das Rote Auge des Gott des Kampfes – meines Gottes – und wünschte mir, dass ich wie John Carter, über die große Weite in den Himmel meiner Sehnsucht gezogen werden würde.
Dann kamen diese furchtbaren Tage und Nächte in den Schützengräben – die Ratten, das Ungeziefer, der Dreck – in ihrer Monotonie nur gelegentlich unterbrochen, wenn wir zum Verlassen der Gräben befohlen wurden. Damals liebte ich es: die explodierenden Granaten, das wilde Durcheinander der feuernden Gewehre... Aber die Ratten, das Ungeziefer und der Dreck – meine Güte, wie ich das verabscheute! Ich weiß, ich klinge wie ein Aufschneider, und das bedaure ich auch, aber ich wollte Ihnen lediglich die volle Wahrheit über mich schreiben. Ich denke, Sie werden es verstehen können. Und es könnte viel zu dem beitragen, was danach geschah.
Schließlich ereilte mich das, was auch so vielen anderen auf diesen blutigen Feldern beschieden war. Es geschah in der gleichen Woche, in der ich meine erste Beförderung und die Ernennung zum Captain erhielt. Ich war ausnehmend stolz darauf, war aber trotz meiner Jugend dennoch bescheiden genug, auch die große Verantwortung zu erkennen, die damit verbunden war - aber auch die Möglichkeiten, die sich dadurch boten, nicht nur meinem Land zu dienen, sondern auf der persönlicheren Ebene auch den Männern meines Kommandos.
Wir hatten uns bis auf zwei Kilometer angenähert, und ich hielt mit einer kleinen Abteilung eine der vordersten Stellungen, als ich den Befehl erhielt, mich auf eine neue Linie zurückzuziehen. Das ist das Letzte, an das ich mich erinnere, bis ich nach Einbruch der Dunkelheit das Bewusstsein wieder erlangte. Eine Granate musste zwischen uns explodiert sein. Was aus meinen Männern geworden war, habe ich nie erfahren. Als ich wach wurde, war es kalt und sehr dunkel, und zunächst fühlte ich mich einen Augenblick lang ganz gut – ich denke, das war der kurze Moment, bevor ich das Bewusstsein vollständig wieder erlangt hatte – aber dann begann ich den Schmerz zu fühlen. Er wurde stetig stärker und steigerte sich bis ins Unerträgliche, und er kam von meinen Beinen.
Ich tastete nach unten, aber meine Hand zuckte vor dem zurück, was sie gefunden hatte, und als ich versuchte, meine Beine zu bewegen, stellte ich fest, dass von der Hüfte abwärts alles völlig tot war. Dann trat der Mond hinter einer Wolke hervor und ich sah, dass ich im Inneren eines Granatenkraters lag. Und dass ich nicht alleine war: überall um mich herum lagen Tote.
Es dauerte lange, bis ich sowohl den Mut als auch die körperliche Kraft fand, mich auf einem Ellbogen aufzustützen konnte. So konnte ich besser sehen, welche Verwüstung mich ereilt hatte. Ein Blick genügte, und ich sank in seelischem und körperlichem Schmerz zurück – meine Beine waren zwischen Hüfte und Knien mittig abgerissen worden.
Aus unerfindlichen Gründen blutete es nicht sehr stark, aber dennoch wusste ich, dass ich eine Menge Blut verloren hatte und beständig weiter immer noch so viel Blut verlor, dass meine Misere binnen kürzester Zeit beendet sein würde, sollte ich nicht bald gefunden werden. Während ich, gequält von Schmerzen, auf dem Rücken lag, betete ich, dass sie nicht rechtzeitig kommen würden - denn die Vorstellung verkrüppelt durchs Lebens laufen zu müssen, schreckte mich sehr viel mehr als der Gedanke an den Tod.
Dann wurden meine Augen plötzlich vom Roten Auge des Mars gefesselt, und eine Welle plötzlicher Hoffnung wallte in mir auf. Ich streckte meine Arme nach dem Mars aus: für einen Moment schien ich keine Fragen oder Zweifel mehr zu haben, während ich zum Gott meiner Berufung betete, dass zu mir kommen und mir beistehen möge. Mein Glaube daran, dass er es tun würde, war sehr tief. Und doch war die mentale Anstrengung die ich leisten musste, um die Bindung an mein so abscheulich verstümmeltes Fleisch abwerfen zu können, so übergroß, dass ich einen kurzen Anflug von Übelkeit verspürte.
Dann hörte ich ein lautes Klicken, das wie scharfes Einschnappen von Stahldraht klang - und plötzlich stand ich nackt auf zwei gesunden Beinen und sah auf das blutige zerstörte Etwas hinunter, das ich gewesen war. Nur für einen kurzen Moment stand ich so, bis ich meine Augen erneut nach oben zu meinem Schicksalsstern hob und mit ausgestreckten Armen dort in der Kälte dieser französischen Nacht stand – und wartete.
Plötzlich spürte ich, wie ich mit der Geschwindigkeit der Gedanken durch die endlosen Weiten des interplanetaren Raumes gezogen wurde. Ein kurzer Augenblick von extremer Kälte und äußerster Finsternis und dann ...
Der Rest findet sich in dem Manuskript, für das ich mit Hilfe von jemandem, der größer und bedeutender ist, als wir beide es sind, einen Weg gefunden habe, es Ihnen über diesen Brief zukommen zu lassen. Sie und ein paar wenige weitere Auserwählte werden dem Manuskript Glauben schenken – für den Rest wird es jetzt noch keine Rolle spielen.
Irgendwann wird die Zeit dafür reif sein – aber was erzähle ich Ihnen von Dingen, um die Sie längst wissen?
Ich übersende Ihnen meine Grüße und Glückwünsche – letztere für Ihr großes Glück, als Medium auserwählt worden zu sein, durch das sich die Erdenmenschen mit den Gegebenheiten und Bräuchen auf Barsoom besser vertraut machen können – als Vorbereitung auf die Zeit, wenn auch sie so leicht wie John Carter durch den Weltraum reisen und all die Szenen besuchen können, die ihnen durch Sie, und auch durch mich, bereits beschrieben wurden.
Ihr ergebenster Freund,
Ulysses Paxton
verstorbener Captain der Infanterie der U.S. Armee
Während des Übergangs musste ich unwillkürlich meine Augen geschlossen haben, denn als ich sie öffnete, lag ich flach auf dem Rücken und sah direkt in einen leuchtenden, sonnenhellen Himmel, während ein paar Fuß von mir entfernt, das seltsamst aussehende Individuum, das meine Augen jemals erblickt hatten, mit höchst verwirrtem Gesichtsausdruck auf mich herabsah.
Es schien ein reichlich alter Mann zu sein, denn er sah unbeschreiblich faltig und verwelkt aus. Seine Extremitäten waren ausgemergelt und unter seiner schrumpeligen Haut waren die Rippen zu sehen. Sein großer und gut ausgebildeter Schädel auf den verbrauchten Gliedmaßen und dem Torso verlieh ihm den Eindruck von absoluter Kopflastigkeit, so als wäre sein Kopf völlig außerhalb der Proportionen seines Körpers – was aber eigentlich nicht der Fall war, dessen bin ich mir sicher.
Während er durch eine gigantische Brille mit zahlreichen Linsen auf mich hinunterstarrte, bekam ich die Gelegenheit, ihn im Gegenzug ebenso ausführlich zu betrachten. Er war vielleicht fünf Fuß groß, obwohl er in seiner Jugend zweifellos größer gewesen sein dürfte, denn er stand leicht gebeugt. Er war völlig nackt - bis auf einen schlichten und abgetragenen Leder-Harnisch, an dem er seine Waffen und Beutel trug sowie ein einziges großes Schmuckstück, ein juwelenbesetztes Collier, das er um seinen hageren Hals trug. Für ein derartiges Collier hätte jede Witwe eines Immobilienmaklers oder Schweinezüchters ihre Seele gegeben – hätte sie eine. Seine Haut war rot, seine spärlichen Locken grau.
Während er mich mit wachsender Verblüffung ansah, klemmte er sein Kinn zwischen Daumen und die Finger seiner linken Hand, hob langsam seine rechte Hand und kratze sich bedächtig den Kopf. Dann sprach mich an - in einer Sprache, die ich nicht verstand.
Bei seinen ersten Worten setzte ich mich auf und schüttelte den Kopf; dann sah ich mich um. Ich saß innerhalb einer hoch ummauerten Anlage auf einem scharlachroten Rasen. Mindestens zwei, eigentlich sogar drei ihrer Seiten bestanden aus den Außenmauern eines Gebäudes, das in mancherlei Hinsicht eher einem der feudalen Schlösser in Europa ähnelte als jeglicher Art vertrauter Architektur, die mir sonst einfällt. Die Fassade mir gegenüber war mit reichlichen Schnitzereien verziert und sehr uneinheitlich gebaut. Die Dachlinie war so oft unterbrochen, dass sie schon fast einer Ruine ähnelte – und doch wirkte alles sehr harmonisch und war nicht ohne Schönheit.
Innerhalb der Anlage wuchs eine große Anzahl Bäume und Büsche, alle merkwürdig fremd, und alle, oder fast alle, üppig blühend. Um sie herum waren Wege mit farbigen Kieseln angelegt, unter denen etwas glitzerte, das wie seltene und herrliche Juwelen aussah – so wunderschön waren die merkwürdigen, so gar nicht erdengleichen Strahlen, die im Sonnenschein herumsprangen und spielten.
Erneut sprach der alte Mann, dieses Mal bestimmter, so als würde er einen Befehl wiederholen, der ignoriert worden war. Und wieder schüttelte ich meinen Kopf. Dann legte er eine Hand auf eines seiner beiden Schwerter, aber als er die Waffe zog, sprang ich auf meine Füße – mit einem so bemerkenswerten Resultat, dass ich nicht einmal jetzt sagen könnte, wer von uns beiden überraschter gewesen war.
Ich musste von dort wo ich gesessen hatte, zehn Fuß hoch in die Luft und zwanzig Fuß wieder zurück gesegelt sein. Da erst war ich mir sicher, dass ich auf dem Mars war - nicht, dass ich es auch nur für einen einzigen Augenblick bezweifelt hätte. Denn die Auswirkungen der geringeren Schwerkraft, die Farbe des Rasens und der Hautton der roten Marsianer, hatte ich in den Manuskripten von John Carter bereits beschrieben gefunden - diese wundervollen und doch immer noch viel zu wenig geschätzten Beiträge zur wissenschaftlichen Literatur einer Welt. Es konnte überhaupt kein Zweifel daran bestehen: ich stand auf dem Boden des Roten Planeten, ich war in der Welt meiner Träume angekommen – auf dem Barsoom.
Der alte Mann war über meine Beweglichkeit so verblüfft, dass er selbst ein wenig herumsprang, und obwohl es zweifellos gar nicht beabsichtigt gewesen war, sogar mit beeindruckenden Erfolgen.
Seine Brille fiel von seiner Nase auf den Rasen und bei dieser Gelegenheit entdeckte ich, dass der arme alte Kerl praktisch blind war. Denn als er seiner künstlichen Sehhilfe beraubt war, ging er hinunter auf die Knie und begann panisch nach seiner verlorenen Brille herum zu tappen, so als würde sein nacktes Leben davon abhängen, sie umgehend wieder zu finden. Womöglich dachte er, dass ich seine Hilflosigkeit ausnutzen und ihn töten würde.
Obwohl die Brille riesig war und nur wenige Fuß von ihm entfernt lag, konnte er sie nicht finden. Seine Hände, offensichtlich von diesem seltsamen Phänomen betroffen, dass manchmal selbst die einfachsten Tätigkeiten nicht zustande gebracht werden können, streiften auf ihrer Suche direkt über dem verlorenen Gegenstand, aber ohne auch nur einmal in Kontakt damit zu kommen.
Während ich dastand, seine erfolglosen Bemühungen beobachtete und die Zweckmäßigkeit abwog, ihm das Mittel zurückzugeben, das ihn unmittelbar in die Lage versetzen würde, mein Herz mit seiner Schwertspitze erreichen zu können, hatte ich bemerkt, dass noch jemand in die Anlage gekommen hatte.
In Richtung des Gebäudes blickend sah ich einen großen roten Mann, der rasch auf den kleinen alten Mann mit der Brille zulief. Der Neuankömmling war komplett nackt, trug nur einen Knüppel in einer Hand, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck der unzweifelhaft nichts Gutes für die hilflose Hülle Mensch verhieß, die maulwurfsgleich nach der verlorene Brille suchend herumkroch.
Mein erster Impuls war es neutral zu bleiben, in dieser Angelegenheit, die offensichtlich nichts mit mir zu tun hatte und über die ich nicht annähernd genug wusste, um für eine der beiden Beteiligten Partei ergreifen zu können. Aber ein zweiter Blick in das Gesicht des Knüppelträgers brachte die Frage auf, ob es mich am Ende nicht doch betreffen könnte. Im Gesicht des Mannes lag ein Ausdruck, der entweder auf eine angeborene aggressive Veranlagung hindeutete oder auf eine Tendenz seines Geistes zum Wahnsinn. Damit könnte sich seine, offensichtlich mörderische Absicht, am Ende womöglich auch gegen mich richten, wenn er sein älteres Opfer erst getötet hätte, während, zumindest dem äußeren Anschein nach, letzterer ein gesunder und relativ harmloser Mensch zu sein schien. Zwar stimmt es schon, dass sein Vorhaben, sein Schwert gegen mich zu richten, nicht gerade für eine freundliche Absicht mir gegenüber sprach. Aber zumindest schien er das Geringere der beiden Übel zu sein, wenn ich überhaupt eine Wahl hatte.
Er tappte noch immer nach seiner Brille und der nackte Mann war schon fast bei ihm, als ich die Entscheidung traf, mein Schicksal in die Hände des alten Mannes zu legen. Ich war zwanzig Fuß entfernt, nackt und unbewaffnet, aber diese Entfernung mit meinen Erdenmuskeln zu überwinden, dauerte nur einen kurzen Moment. Ein nacktes Schwert lag an der Seite des alten Mannes, wo er es abgelegt hatte, um besser nach seiner Brille suchen zu können. So stand ich dem Angreifer im gleichen Augenblick gegenüber, in dem er in Schlagweite seines Opfers gekommen war - und der Schlag, der für jemand anderen bestimmt war, richtete sich gegen mich.
Ich wich zur Seite hin aus und machte dabei die Erfahrung, dass die größere Beweglichkeit meiner Erdenmuskeln sowohl ihre Vor- als auch Nachteile hatte. Denn tatsächlich musste ich im selben Moment erst lernen zu laufen und gleichzeitig auch, mit einer neuen Waffe gegen einen mit einem Prügel bewaffneten Wahnsinnigen zu kämpfen. Zumindest glaubte ich, dass ich es tun sollte, und in Anbetracht seiner furchterregenden Demonstration von Wut und dem grauenhaften Ausdruck auf seinem Gesicht war das nicht weiter verwunderlich.
Während ich herumstolperte und darum bemüht war, mich an die neuen Bedingungen zu gewöhnen, musste ich feststellen, dass ich, anstatt meinem Gegner ernsthaft die Stirn zu bieten, heftige Probleme hatte, dem Tod aus seinen Händen entkommen zu können, so oft wie ich stolperte und der Länge nach auf den scharlachroten Rasen fiel. So war das Duell von Anfang an von seiner Seite aus lediglich eine Aneinanderreihung von Bemühungen, mich erwischen und mit seinem großen Knüppel schlagen zu können, und von meiner Seite aus, mich ihm entziehen und auszuweichen zu können.
Es war demütigend, aber es ist die reine Wahrheit. Allerdings ging das nicht ewig so weiter, denn unter dem Druck der Situation lernte ich schnell, meine Muskeln unter Kontrolle zu bekommen und mich zu behaupten. Als er mit seinem Schlag auf mich zielte und ich ihm ausgewichen war, berührte ich ihn mit meiner Schwertspitze – Blut und ein wilder Schmerzensschrei waren das Ergebnis. Danach wurde er vorsichtiger; ich nutzte die Gunst des Augenblicks und setzte ihm so zu, dass er zurückwich. Dies hatte eine geradezu magische Wirkung auf mich und gab mir neue Zuversicht, so dass ich ihn jetzt ernsthaft angriff, zuschlug und Hieb um Hieb setzte, bis er aus einem halben Dutzend Wunden blutete. Trotzdem achtete ich sorgsam darauf, seinen mächtigen Schwüngen auszuweichen, von denen jeder einzelne einen Ochsen hätte umhauen können.
Bei meinen Versuchen, ihm zu Beginn des Duells auszuweichen, hatten wir die gesamte Anlage durchquert und kämpften mittlerweile deutlich entfernt vom Ort unseres ersten Zusammentreffens. So kam es, dass ich dieser Stelle genau gegenüberstand, in dem Moment, als der alte Mann seine Brille wiederfand. Er setzte sie rasch wieder auf und blickte sich sofort um, bis er uns entdeckte. Daraufhin begann er aufgeregt zu schreien, rannte gleichzeitig auf uns zu und zog im Laufen sein Kurzschwert.
Der rote Mann setzte mir hart zu, aber ich hatte mittlerweile fast wieder die ganze Kontrolle über meine Muskeln zurück, und da ich befürchtete, dass ich es gleich mit zweien anstatt nur einem Gegner zu tun haben würde, stürze ich mich mit doppelter Energie auf ihn. Er verpasste mich nur um Haaresbreite, der Luftzug seines Prügels wehte um meinen Kopf, aber er ließ eine Lücke in seiner Verteidigung, die ich nutzte und mein Schwert durch sein Herz stieß.
Zumindest dachte ich, ich hätte sein Herz getroffen, aber ich hatte vergessen, was ich in einem der Manuskripte von John Carter gelesen hatte, dass nämlich alle inneren Organe der Marsianer nicht genauso positioniert sind, wie die der Erdenmenschen. Das unmittelbare Ergebnis war aber ebenso effektiv, als hätte ich tatsächlich sein Herz getroffen, denn die Wunde war ausreichend ernst genug, um ihn außer Gefecht zu setzen. Im gleichen Moment erreichte uns der alte Mann.
Ich war bereit für ihn, aber ich hatte seine Absichten falsch gedeutet. Er machte keinerlei unfreundliche Gesten mit seiner Waffe, sondern schien bemüht, mich davon zu überzeugen, dass er keine Absicht hatte, mich zu verletzen. Er war sehr aufgeregt und anscheinend überaus verärgert und auch verblüfft darüber, dass ich ihn nicht verstehen konnte. Er sprang herum und schrie mir merkwürdige Sätze zu, die den Tonfall gebieterischer Befehle, wütender Schmähungen und ohnmächtiger Wut hatten. Aber die Tatsache, dass er sein Schwert zurück in die Scheide steckte, hatte weit mehr Bedeutung, als sein ganzes Gelaber, und als er aufhörte, mich anzuschreien und damit begann, in einer Art Pantomime zu sprechen, begriff ich, dass er Annäherungsversuche in friedlicher,, womöglich sogar freundschaftlicher Absicht machte. Also senkte ich meine Schwertspitze verbeugte mich. Mehr konnte ich nicht tun, um ihm zu versichern, dass ich keine bösen Absichten gegen ihn hegte.
Er schien zufrieden und wandte seine Aufmerksamkeit dem gefallenen Mann zu. Er untersuchte seine Pulse und kontrollierte seinen Herzschlag. Dann nickte er, stand auf, nahm eine Pfeife aus einem seiner Beutel und ließ einen einzigen lauten Pfiff ertönen.
Sofort kamen aus einem der umgebenden Gebäude gut zwanzig nackte rote Männer und rannten auf uns zu. Keiner von ihnen war bewaffnet. Er gab ihnen ein paar knappe Befehle, woraufhin sie den Gefallenen auf ihre Arme nahmen und wegtrugen. Dann steuerte der alte Mann auf eines der Gebäude zu und bedeutete mir, ihn zu begleiten.
Anscheinend hatte ich keine Wahl, als ihm zu folgen. Wo auch immer ich auf dem Mars war, die Chancen standen eine Million zu eins, dass ich unter Feinden war, und so war ich hier genauso gut oder schlecht dran, als an jedem anderen Ort. Ich konnte mich nur auf meinen eigenen Einfallsreichtum, meine Fähigkeiten und Flexibilität verlassen, um mich auf dem roten Planeten durchzuschlagen.
Der alte Mann führte mich in eine kleine Kammer, von der zahlreiche Türen abgingen; durch eine davon trugen sie gerade meinen toten Angreifer. Wir folgten in eine große, hell erleuchtete Kammer, wo sich meinen erstaunten Augen die grausigste Szene bot, die ich je gesehen hatte.
Der gesamte Raum war mit parallelen Reihen von Tischen gefüllt, und von ein paar wenigen Ausnahmen abgesehen, trug jeder Tisch eine ähnlich grauenvolle Last: eine zum Teil zerteilte oder anderweitig verstümmelte Leiche. Über jedem der Tische war ein Regal angebracht, auf dem Gefäße unterschiedlicher Größen und Formen standen, während unter dem Boden des Regals, zahlreiche chirurgische Instrumente hingen. Es schien, als würde ich den Barsoom durch eine gigantische medizinische Hochschule betreten. Auf Befehl des alten Mannes an diejenigen, die den Barsoomer getragen hatten, den ich verletzt hatte, legten sie ihn auf einen leeren Tisch und verließen den Raum. Dann erst ließ mein Gastgeber mich eintreten - wenn ich ihn so nennen darf, denn er hatte mich schließlich nicht gefangen genommen.
Während er in normalem Tonfall sprach, machte er zwei Schnitte in den Körper meines toten Angreifers. Einen in eine große Vene und einen in eine Arterie, wie ich annahm, an die er mit geübten Griffen die Enden zweier Schläuche anschloss. Von diesen wurde einer mit einem leeren Glasgefäß, der andere mit einem ähnlichen Gefäß verbunden wurde, das eine farblose, durchsichtige Flüssigkeit enthielt, ähnlich wie Wasser, enthielt.
Nachdem er diese Verbindungen hergestellt hatte, drückte der alte Mann auf den Knopf, der einen kleinen Motor kontrollierte, woraufhin das Blut des Opfers in das leere Gefäß, und der Inhalt des anderen Gefäßes in die sich leerenden Venen und Arterien gepumpt wurde.
Der Tonfall und die Gestik des alten Mannes, als er mich während seiner Arbeiten ansprach, bestanden meiner Überzeugung nach aus detaillierten Erklärungen zu seinen Methoden und dem Zweck dessen, was gerade passierte. Aber da ich kein Wort von dem verstand was er mir erklärte, war ich am Ende seines Exkurses ebenso ahnungslos wie zu Beginn, obwohl das, was ich gesehen hatte, mir offensichtlich eine Einbalsamierung zu sein schein, wie sie auf dem Barsoom üblich ist.
Nachdem er die Schläuche entfernt hatte, verschloss der alte Mann die von ihm gesetzten Schnitte mit kleinen Stücken eines dicken Klebebandes; dann bedeutete er mir, ihm zu folgen. Wir liefen von Raum zu Raum, in dem jeweils die gleichen grausigen Dinge zu sehen waren. Bei vielen der Leichen blieb der alte Mann stehen, um eine kurze Untersuchung vorzunehmen oder sich in etwas zu vertiefen, was eine Aufzeichnung des Falles zu sein schien, die an einem Haken am Kopfende jedes Tisches hing.
Von der letzten der Kammer, die wir im Erdgeschoss aufsuchten, führte mein Gastgeber mich einen schrägen Laufsteg hinauf in den ersten Stock, wo sich ähnliche Räume befanden. Nur waren hier die Leichen eher vollständig und nicht so verstümmelt wie im Erdgeschoss; alle Leichen waren an unterschiedlichen Stellen mit dem Klebeband versehen.
Während wir durch die Reihen der Leichen liefen, trat in einem dieser Räume, ein barsoomisches Mädchen ein, das ich für eine Bedienstete oder Sklavin hielt, und sprach den alten Mann an, woraufhin er mir erneut bedeutete, ihm zu folgen. Zusammen liefen wir einen anderen Gang hinunter ins Erdgeschoss eines anderen Gebäudes.
Hier, in einem großen, herrlichen geschmückten und prächtig ausgestatten Raum, erwartete uns eine ältere rote Frau. Sie schien ziemlich alt zu sein, und ihr Gesicht war durch Verletzungen furchtbar entstellt. Ihr Schmuck war äußerst prachtvoll, und sie war umgeben von gut zwanzig Frauen und bewaffneten Kriegern, was nahelegte, dass sie jemand von besonderer Bedeutung war. Aber der alte Mann behandelte sie ziemlich barsch, sehr zum Entsetzen ihrer Bediensteten, wie ich feststellen konnte.
Am Ende ihrer sehr langatmigen Unterhaltung näherte sich auf Anweisung der Frau einer ihrer männlichen Begleiter und öffnete einen Beutel an seiner Seite und zog eine Handvoll von etwas heraus, was mir marsianische Münzen zu sein schienen. Er zählte eine bestimmte Menge ab und gab sie dem kleinen alten Mann, welcher der Frau danach mit einer Geste bedeutete, ihm zu folgen, die mich mit einschloss.
Einige der Frauen und Wachen schickten sich an, uns begleiten zu wollen, aber der alte Mann hielt sie entschlossen zurück. Daraufhin entwickelte sich eine hitzige Diskussion zwischen der Frau und einem ihrer Krieger einerseits und dem alten Mann andererseits. Sie endete damit, dass der alte Mann mit angewidertem Gesichtsausdruck anbot, der Frau das Geld wieder zurückzugeben. Dies schien den Streit beizulegen, denn sie verweigerte die Rücknahme der Münzen, sprach kurz mit ihren Leuten und begleitete dann den alten Mann und mich alleine.
Er führte uns den Weg entlang, hinauf in den ersten Stock und in eine Kammer, in der ich noch nicht gewesen war. Sie war den anderen Räumen sehr ähnlich, aber alle Leichen waren die junger Frauen, von denen viele von überaus großer Schönheit waren. Dem alten Mann dicht auf den Fersen folgend, inspizierte die Frau akribisch die Ausstellung. Dreimal wanderte sie bedächtig zwischen den Tischen umher und untersuchte deren grässliche Last. Jedes Mal blieb sie lange vor einer ganz bestimmten Leiche stehen – das schönste Geschöpf, das ich jemals gesehen hatte. Dann ging sie zum vierten Mal dorthin zurück und betrachte das tote Gesicht lange und aufmerksam. Eine Zeitlang stand sie dort und sprach mit dem alten Mann, stellte offensichtlich unzählige Fragen, auf die er kurze und barsche Antworten gab. Dann deutete sie mit einer Geste auf die Leiche und nickte dem Hüter der grässlichen Ausstellung bestätigend zu.
Prompt ließ der alte Bursche einen lauten Ton auf seiner Pfeife ertönen, der sofort mehrere Diener herbeieilen ließ, denen er kurze Anweisungen gab. Danach führte er uns in eine andere Kammer, eine kleinere, in der mehrere leere Tische standen, ähnlich denen, auf denen die Leichen in den angrenzenden Räumen lagen. Zwei weibliche Sklaven oder Dienerinnen befanden sich im Raum, lösten auf ein Wort der Frau deren Haare und halfen ihr auf einen der Tische.
Dort wurde sie gründlich mit etwas eingesprüht, von dem ich annahm, dass es eine Art antiseptischer Lösung wäre. Dann wurde sie sorgfältig abgetrocknet und auf einen anderen Tisch getragen, der sich etwa zwanzig Inch entfernt von einem zweiten, parallel stehenden Tisch, befand.
Jetzt öffnete sich die Tür des Raumes und zwei Diener erschienen, welche die Leiche des schönen Mädchens brachten, die wir im angrenzenden Raum gesehen hatten. Sie legten sie auf dem Tisch ab, auf dem die alte Frau gerade gelegen hatte und wurde ebenso eingesprüht. Danach wurde sie auf den Tisch gebracht, der neben der alten Frau stand. Der kleine alte Mann machte nun zwei Schnitte in den Körper der alten Frau, genauso wie er sie in die Leiche des roten Mannes gemacht hatte, der unter meinem Schwert gefallen war. Ihr Blut wurde aus den Venen gezogen, die klare Flüssigkeit in sie hineingepumpt, und das Leben wich aus ihr. Nun lag sie auf der polierten Ersitplatte1, die oben auf dem Tisch lag, jetzt ebenso eine Leiche wie das arme, schöne und tote Geschöpf neben ihr.