Das Haus  von Mapuhi - Jack London - E-Book

Das Haus von Mapuhi E-Book

Jack London

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Beschreibung

"Er war ein Abenteurer und ein Mann der Tat, wie es nur wenige Schriftsteller je gewesen sind." George Orwell
Jack Londons Geschichten aus der Südsee sind von einer selten übertroffenen Intensität. Sie verdankt sich den Reise-Erlebnissen des Autors genauso wie seinem kritischen Blick, der die Grausamkeit und Verlogenheit des weißen Mannes entlarvt. Die Natur präsentiert sich hier nicht nur in der Schönheit von Korallenriffs und weißen Sandbänken, sondern auch in der Gewalt von wütenden Stürmen. Ohnehin haben die paradiesischen Inseln an den blaugrünen Lagunen ihre Unschuld verloren, denn die weißen Missionare und Händler mit ihrer Geldgier haben längst Einzug gehalten und sich die Inseln unterworfen. Jack London erzählt von der Zwietracht zwischen Kolonisten und Ureinwohnern, aber auch von den seltenen Momenten der Harmonie und der Befreiung aus dem tödlichen Kampf.

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Jack London

DAS HAUS VON MAPUHI

Südseegeschichten

Herausgegeben und übersetzt von Andreas Nohl

C.H.BECK textura

ZUM BUCH

«Er war ein Abenteurer und ein Mann der Tat, wie es nur wenige Schriftsteller je gewesen sind.» George Orwell

Jack Londons Südseegeschichten verdanken ihre Intensität den Erlebnissen des Autors, der zwei Jahre lang die Archipele der Südsee bereiste. Die Natur präsentiert sich hier nicht nur in der Schönheit von Korallenriffs, weißen Stränden und Südseeperlen, sondern auch in der Gewalt von wütenden Stürmen. Ohnehin haben die paradiesischen Inseln und die blaugrünen Lagunen ihre Unschuld verloren, seit die weißen Missionare und Händler mit ihrer Geldgier Einzug gehalten und sich die Inseln unterworfen haben. Jack London erzählt von der Zwietracht zwischen Kolonisten und Ureinwohnern, von deren Widerstand, von Momenten der Harmonie und der Befreiung aus dem tödlichen Kampf.

ÜBER DEN AUTOR

Jack London, 1876 als John Griffith Chaney in San Francisco geboren, wurde als Schriftsteller, Journalist und Reporter früh berühmt. Er ging auf Goldsuche in Alaska, reiste auf seiner Yacht in die Südsee und bis nach Australien. Die größten Erfolge feierte er mit seinen Abenteuerromanen und seinen Erzählungen. 1916 starb er im Alter von nur vierzig Jahren.

ÜBER DEN HERAUSGEBER UND ÜBERSETZER

Andreas Nohl ist Schriftsteller und einer der renommiertesten Übersetzer von englischsprachigen Klassikern. U.a. hat er viel gelobte Neuübersetzungen von Tom Sawyer & Huckleberry Finn, Dracula und der Schatzinsel vorgelegt. Für seine Übersetzungen wurde er 2016 mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis ausgezeichnet.

INHALT

DER HEIDE VON BORA BORA

FAMILIENSTOLZ

KOOLAU, DER AUSSÄTZIGE

AH KIMS TRÄNEN

DAS HAUS VON MAPUHI

ANHANG

ANMERKUNGEN

NACHWORT

BIBLIOGRAPHISCHE NACHWEISE

DER HEIDE VON BORA BORA

Ich lernte ihn in einem Hurrikan kennen, und obwohl wir den Sturm auf dem gleichen Schoner durchgemacht hatten, erblickte ich ihn zum ersten Mal, als der Schoner schon in Stücke gegangen war. Ohne Zweifel hatte ich ihn mit dem Rest der melanesischen Crew an Bord gesehen, aber ich war mir seiner Existenz nicht bewusst gewesen, denn die Petite Jeanne war reichlich überbelegt. Zusätzlich zu den acht oder zehn melanesischen Seeleuten, zum weißen Kapitän, Steuermann und Frachtaufseher und den sechs Kabinenpassagieren segelte sie mit ungefähr fünfundachtzig Deckpassagieren von Rangiroa los – es waren Paumotuaner und Tahitianer, Männer, Frauen und Kinder, jeder mit einer Warenkiste ausgerüstet, von Schlafmatten, Decken und Kleidersäcken ganz zu schweigen.

Die Perlenfischer-Saison auf den Paumotus war vorüber, und alle Beteiligten kehrten nach Tahiti zurück. Wir sechs Kabinenpassagiere waren Perlenhändler. Zwei waren Amerikaner, einer war An Chung, der weißeste Chinese, den ich je gesehen habe, einer war Deutscher, einer ein polnischer Jude, und ich selbst machte das halbe Dutzend voll.

Es war eine erfolgreiche Saison gewesen. Keiner von uns hatte Grund zum Klagen, auch keiner von den fünfundachtzig Deckpassagieren. Alle hatten einen guten Schnitt gemacht, und alle freuten sich auf Erholung und ein bisschen Vergnügen in Papeete.

Natürlich war die Petite Jeanne überladen. Sie hatte nur siebzig Registertonnen und durfte eigentlich nicht einmal ein Zehntel der Menge transportieren, die sie an Bord hatte. Unterhalb der Luken war sie vollgestopft mit Perlmuscheln und Kopra. Selbst der Handelsraum war bis zum Rand voll mit Muscheln. Es war ein Wunder, dass die Matrosen das Schiff manövrieren konnten. An Deck konnte man sich nicht bewegen. Sie kletterten einfach an der Reling hin und her.

Nachts stiegen sie über die Schlafenden, die, ich schwöre, zweilagig den Boden bedeckten. Tja, und es gab Schweine und Hühner an Deck und Säcke voller Yamwurzeln, während jede denkbare Stelle mit Girlanden von aneinandergebundenen Kokosnüssen und mit Bananenstauden verziert war. Auf beiden Seiten zwischen Vor- und Hauptsegel waren Taue gespannt, gerade niedrig genug, dass der Segelbaum frei schwingen konnte, und an jeder dieser Leinen hingen mindestens fünfzig Bananenstauden.

Es versprach eine ungemütliche Überfahrt zu werden, selbst wenn wir es in den zwei oder drei Tagen schaffen sollten, die man bei kräftig blasendem Südostpassat brauchte. Aber er blies nicht kräftig. Nach den ersten fünf Stunden gab der Wind in etwa einem Dutzend röchelnden Atemstößen seinen Geist auf. Die Flaute hielt die ganze Nacht und den nächsten Tag an – eine dieser grellen, spiegelglatten Flauten, wo man bei der bloßen Vorstellung, die Augen aufzumachen und sie sich anzusehen, bereits Kopfschmerzen bekommt.

Am zweiten Tag starb ein Mann von den Osterinseln, der in dieser Saison einer der besten Taucher in der Lagune gewesen war. Pocken – das war es. Bloß, wie Pocken an Bord kommen konnten, wo es bei unserer Abfahrt von Rangiroa keine bekannten Fälle gegeben hatte, geht über meinen Verstand. Aber da waren sie nun – Pocken, ein Mann tot, und drei andere lagen flach.

Es war nichts zu machen. Wir konnten die Kranken nicht isolieren und auch nicht pflegen. Wir waren zusammengequetscht wie die Sardinen. Man konnte bloß noch sterben – das heißt, man konnte ab der Nacht nichts machen, die dem ersten Tod folgte. In dieser Nacht stahlen sich der Steuermann, der Frachtaufseher, der polnische Jude und vier einheimische Taucher mit dem großen Walboot davon. Sie wurden nie wieder gesehen. Am Morgen darauf versenkte der Kapitän prompt die restlichen Boote, und so waren wir gefangen.

An diesem Tag gab es zwei Tote, am folgenden Tag drei. Dann ging die Zahl auf acht hoch. Es war merkwürdig zu sehen, wie wir damit umgingen. Die Einheimischen zum Beispiel verfielen in einen Zustand stummer, stumpfer Angst. Der Kapitän – Oudouse hieß er, ein Franzose – wurde sehr nervös und redselig.

Der Deutsche, die beiden Amerikaner und ich kauften den gesamten Scotch Whisky auf und machten uns ans Saufen. Die Hypothese war sehr schön: Wenn wir ständig alkoholgetränkt wären, würde jeder Pockenerreger, der mit uns in Berührung kam, sofort zu Asche verbrennen. Und die Theorie funktionierte, auch wenn ich zugeben muss, dass Kapitän Oudouse und An Chung ebenfalls von der Krankheit verschont blieben. Der Franzose trank gar nichts, während An Chung sich auf einen Drink pro Tag beschränkte.

So lief das eine Woche, dann ging der Whisky aus. Das war aber eigentlich nur gut, denn sonst wäre ich heute nicht mehr am Leben. Man musste schon nüchtern sein, um das zu überstehen, was folgte, wie Sie zugeben werden, wenn ich den kleinen Umstand erwähne, dass nur zwei Männer durchkamen. Der andere war der Heide – oder zumindest hörte ich Kapitän Oudouse ihn so nennen, als ich den Heiden zum ersten Mal bewusst wahrnahm.

Aber nochmal zurück. Am Ende der Woche warf ich zufällig einen Blick auf das Barometer im Niedergang, wo die Kabinen lagen. Normalerweise zeigte es im Paumotu-Archipel einen Luftdruck von 29,90 an, und es kam durchaus vor, dass er zwischen 29,85 und 30,00 oder sogar 30,05 schwankte. Die Anzeige aber auf 29,62 gefallen zu sehen, genügte, um das Blut jedes Perlenhändlers in Ozeanien gefrieren zu lassen.

Ich machte Kapitän Oudouse darauf aufmerksam und erfuhr, dass er das Sinken des Barometers seit Stunden beobachtete. Man konnte wenig tun, aber das Wenige machte er in Anbetracht der Umstände sehr gut. Er ließ die Topsegel einholen und setzte die anderen auf Sturmsegelgröße, spannte Rettungsleinen und wartete auf den Wind. Seinen Fehler machte er, nachdem der Wind einsetzte. Er drehte über Backbord bei, was südlich des Äquators die richtige Entscheidung ist, wenn – und das war der Haken – wenn man nicht direkt in der Bahn des Hurrikans liegt.

Wir befanden uns aber direkt in seiner Bahn. Ich konnte das an der stetigen Zunahme des Windes bei ebenso stetem Fallen des Barometers erkennen. Ich war dafür, zu wenden und mit dem Wind backbord achteraus zu fahren, bis das Barometer zu fallen aufhörte, und dann beizudrehen. Wir stritten darüber, bis er einen hysterischen Anfall bekam, aber umstimmen ließ er sich nicht. Das Schlimmste von allem war, dass ich die anderen Perlenhändler nicht dazu bringen konnte, mir den Rücken zu stärken. Wer war ich denn, dass ich mehr über die See und ihre Tücken wusste als ein ausgebildeter Kapitän?

Natürlich nahm der Seegang mit dem Wind bedrohlich zu. Und ich werde nie die ersten drei hohen Brecher vergessen, die über der Petite Jeanne zusammenstürzten. Sie bekam Schlagseite, wie es Schiffe manchmal tun, wenn sie beigedreht haben, und der erste Brecher schlug mit zerstörerischer Wucht zu. Die gespannten Rettungsleinen nutzten nur den Starken und Gesunden, und selbst ihnen nutzten sie nicht viel, als die Frauen und Kinder, die Bananen und Kokosnüsse, die Schweine und Kisten, die Kranken und die Sterbenden in einer dichten, kreischenden und stöhnenden Masse mit fortgerissen wurden.

Die zweite große Welle überflutete das Deck der Petite Jeanne bis zur Reling. Und als ihr Heck sank und der Bug himmelwärts stieg, rutschte das ganze elende Gerümpel aus Leben und Gepäck nach achtern. Es war ein menschlicher Sturzbach. Sie kamen Kopf voraus, Füße voraus, seitwärts, sie rollten übereinander, verrenkten, drehten, wanden und verknäulten sich. Hier und da erwischte jemand eine Stütze oder ein Tau, aber das nachrutschende Gewicht der Körper riss ihn wieder los.

Ich sah, was auf mich zukam, sprang oben aufs Kajütdach und von dort ins Hauptsegel. An Chung und einer der Amerikaner versuchten mir zu folgen, aber ich war ihnen einen Sprung voraus. Der Amerikaner wurde wie ein Stück Spreu über die Heckreling gespült. An Chung erwischte eine Speiche des Steuerrads und schwang sich dahinter. Aber eine massige Vahiné aus Raratonga – sie wog sicher ihre zweihundertfünfzig Pfund – prallte gegen ihn und legte einen Arm um seinen Hals. Er klammerte sich mit der anderen Hand an den tahitischen Steuermann, doch genau in diesem Moment krängte der Schoner nach Steuerbord.

Das Gewühl von Körpern und Meerwasser, das durch den Gang zwischen Kajüte und Backbordreling schwappte, kehrte abrupt um und sauste nach Steuerbord. Und weg waren sie – die Vahiné, An Chung und der Steuermann. Und ich schwöre, An Chung grinste mich mit philosophischer Schicksalsergebenheit an, als er über die Reling gewaschen wurde und unterging.

Der dritte Brecher – der größte von den dreien – richtete nicht so viel Schaden an. Als er uns erreichte, waren fast alle in der Takelage. An Deck rollten höchstens noch ein Dutzend japsender, halb ertrunkener, halb betäubter Elendsgestalten herum oder versuchten, in Sicherheit zu kriechen. Sie gingen über Bord, genauso wie die Trümmer der beiden verbliebenen Boote. Die anderen Perlenhändler und ich schafften es, zwischen den Brechern etwa fünfzehn Frauen und Kinder in die Kajüte zu schleusen und die Schotten dicht zu machen, was den armen Geschöpfen am Ende wenig half.

Wind? Nach meiner ganzen Erfahrung hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ein Wind derartig wüten kann. Das lässt sich nicht beschreiben. Wie kann man einen Albtraum beschreiben? Genauso war es mit dem Wind. Er riss uns die Kleider vom Leib. Wenn ich sage, er riss sie uns vom Leib, dann meine ich das ernst. Sie müssen mir keineswegs glauben. Ich erzähle nur, was ich gesehen und erlebt habe. Es gibt Momente, in denen ich es selbst nicht glaube. Ich habe es durchgemacht, und das genügt. Man konnte nicht diesem Wind ausgesetzt sein und weiterleben. Er war ein Ungeheuer, und das Ungeheuerlichste daran war, dass er immer weiter anwuchs.

Stellen Sie sich Millionen und Abermillionen Tonnen von Sand vor. Stellen Sie sich vor, dieser Sand tobt mit neunzig, hundert, hundertzwanzig oder noch mehr Meilen pro Stunde durch die Gegend. Und stellen Sie sich dann noch vor, dass dieser Sand unsichtbar, ungreifbar ist, doch zugleich das Gewicht und die Dichte von Sand besitzt. Dann haben Sie vielleicht eine vage Ahnung davon, wie dieser Wind war.

Wahrscheinlich ist Sand nicht der richtige Vergleich. Denken Sie eher an Matsch, unsichtbar, ungreifbar, aber schwer wie Matsch. Nein, es ist mehr als das. Stellen Sie sich jedes Luftmolekül als eine geballte Matschladung vor. Dann stellen Sie sich die gesammelte Wucht dieser Schlammladungen vor. Nein, es übersteigt meine Fähigkeiten. Die Sprache reicht vielleicht hin, um die gewöhnlichen Lebensbedingungen zu beschreiben, aber sie kann unmöglich die Bedingungen einer so gigantischen Sturmgewalt ausdrücken. Besser, ich wäre meiner ursprünglichen Absicht treu geblieben, keine Beschreibung zu versuchen.

Ich will nur so viel sagen: Das Meer, das zunächst aufgepeitscht war, wurde vom Wind niedergehalten. Mehr noch: es schien, als sei der ganze Ozean vom Schlund des Hurrikans aufgesogen worden und preschte nun durch dieses Stück Raum hindurch, das zuvor mit Luft gefüllt war.

Natürlich waren unsere Segel schon lange weg. Aber Kapitän Oudouse hatte auf der Petite Jeanne etwas, das ich noch nie auf einem Südsee-Schoner gesehen hatte – einen Seeanker. Das war ein konischer Segeltuchsack, der durch einen großen Eisenring offen gehalten wurde. Der Seeanker wurde wie ein Drachen an der Leine geführt, so dass er ins Wasser biss, wie ein Drachen in die Luft beißt, aber mit einem Unterschied. Der Seeanker blieb in senkrechter Stellung knapp unterhalb der Meeresoberfläche. Eine lange Leine verband ihn mit dem Schoner. Infolgedessen ritt die Petite Jeanne immer Bug voraus gegen den Wind und was es an Seegang gab.

Die Situation wäre durchaus günstig gewesen, wenn wir uns nicht in der Bahn des Sturms befunden hätten. Gewiss, der Wind riss unsere Segel aus den Zeisingen, knickte die Marsstengen ab und verhedderte unser laufendes Tauwerk, aber wir hätten es immer noch ganz gut schaffen können, wären wir nicht direkt in der Bahn des herannahenden Sturmzentrums gewesen. Das war unser Ruin. Ich war in einem Zustand der Erschöpfung, betäubt und gelähmt vom unaufhörlichen Ansturm des Winds, und ich glaube, ich war kurz davor aufzugeben und zu sterben, als das Zentrum uns erreichte. Wie ein Schlag traf uns absolute Windstille. Es regte sich kein Hauch. Es wurde einem ganz schlecht davon.

Bedenken Sie, dass wir uns über Stunden in höchster Muskelanspannung befunden hatten, um dem schrecklichen Druck dieses Sturms zu widerstehen. Und dann hörte der Druck plötzlich auf. Ich weiß noch, dass ich mich fühlte, als würde ich mich ausdehnen, in alle Richtungen auseinanderfliegen. Es fühlte sich an, als stieße jedes Atom meines Körpers jedes andere Atom von sich und wäre drauf und dran, unaufhaltbar davonzusausen. Aber das hielt nur einen Moment an. Dann kam die Vernichtung.

Da der Winddruck nachgelassen hatte, schwoll das Meer an. Es wogte, es bäumte sich auf und griff regelrecht nach den Wolken. Man bedenke, aus allen Himmelsrichtungen blies dieser unvorstellbare Wind ins Zentrum der Stille. Das Ergebnis war, dass die Wellen aus jeder Richtung der Kompassnadel hochschossen. Es gab keinen Wind, der sie beherrschte. Sie schnellten hoch wie Korken vom Boden eines Wassereimers. Sie folgten keinem System, keiner Regelmäßigkeit. Es waren hohle, irrsinnige Wellen. Sie waren mindestens achtzig Fuß hoch. Sie hatten mit Wellen nichts zu tun. Sie glichen keinem Seegang, den ein menschliches Auge je gesehen hatte.

Es waren Wassergarben, nichts als monströses Spritzwasser. Spritzer, die achtzig Fuß hoch waren. Achtzig? Sie waren höher als achtzig. Sie reichten höher als unsere Mastspitzen. Es waren Fontänen, Explosionen. Sie waren rauschhaft. Sie stürzten nieder, wie sie wollten. Sie rempelten sich, sie donnerten zusammen. Sie brausten aufeinander zu und fielen übereinander her, oder sie spritzten auseinander wie tausend Wasserfälle auf einmal. Es war kein Meer, das sich je ein Mensch hätte träumen lassen, dieses Zentrum des Hurrikans. Es war ein dreimal verwirbelter Hexenkessel. Es war Anarchie. Es war ein Höllenpfuhl irrsinnig gewordenen Seewassers.

Und die Petite Jeanne? Keine Ahnung. Der Heide erzählte mir hinterher, auch er habe keine Ahnung. Sie wurde buchstäblich zerfetzt, weit aufgerissen, zu Brei geschlagen, zu Kleinholz zerschmettert, vernichtet. Als ich zu Bewusstsein kam, befand ich mich im Wasser, schwamm mechanisch, obwohl ich zu zwei Dritteln ertrunken war. Wie ich dahin gekommen war, wusste ich nicht. Ich erinnerte mich noch daran, wie die Petite Jeanne in Stücke geflogen war – was in dem Augenblick gewesen sein musste, als ich mein Bewusstsein verlor. Aber da war ich nun und hatte keine Wahl, als das Beste daraus zu machen – und dieses Beste war nicht sonderlich vielversprechend. Der Wind blies wieder, der Seegang aber war viel niedriger und regelmäßiger, und mir wurde klar, dass ich das Zentrum hinter mir hatte. Zum Glück trieben sich keine Haie herum. Der Hurrikan hatte die gefräßige Meute, die das Totenschiff umschwärmte, verscheucht.