Das Haus Zamis 102 - Rüdiger Silber - E-Book

Das Haus Zamis 102 E-Book

Rüdiger Silber

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Beschreibung

»Wie viel Bedenkzeit geben Sie uns, um Ihr Angebot in Erwägung zu ziehen?«, fragte von Bergen.
»Genau eine Minute«, beschied ihn Wolkow.
Mein Partner und ich verständigten uns mit einem kurzen Blick. »Einverstanden«, sagte von Bergen dann.
Wolkow erhob sich.
Er sah zu uns herunter. Dabei schob er eine Pranke ins Futter des Bärenfellmantels. Als sie wieder zum Vorschein kam, hielt er eine Karte in den Fingern. Er schnippte sie vor Helmut und mich ins Gras.
Die Wölfe stimmten ein schauerliches Heulkonzert an. Ihre flammenden Augen verblassten. Eine schwarze Wolke verdeckte den Mond.
»Do skoroj vstrechi!«, knurrte Wolkow, »bis bald!«

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Seitenzahl: 124

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

UND MIT MIR DIE FINSTERNIS

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt. Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.

Seitdem lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. Michael Zamis sucht indes Verbündete unter den Oppositionsdämonen, die sich Asmodis Sturz auf die Fahnen geschrieben haben. Sein Unternehmen scheitert, und er wird von Asmodi zur Strafe in eine krötenartige Kreatur verwandelt. Während eines Schwarzen Sabbats wird Asmodi von Thekla Zamis vorgeführt. Aus Angst vor seiner Rache flüchten die Zamis vorübergehend aus Wien, kehren schließlich jedoch dorthin zurück. Asmodi erlöst Michael Zamis von seinem Freak-Dasein. Im Gegenzug soll Coco Asmodis missratenen Sohn Dorian Hunter töten. Es gelingt Coco, Dorian zu becircen – doch anstatt den Auftrag sofort auszuführen, verliebt sie sich in ihn. Zur Strafe verwandelt Asmodi Dorian Hunter in einen seelenlosen Zombie, der fortan als Hüter des Hauses in der Villa Zamis sein Dasein fristet.

In Wien übernimmt Coco ein geheimnisvolles Café. Sie beschließt, es als neutralen Ort zu etablieren, in dem Menschen und Dämonen gleichermaßen einkehren. Zugleich stellt Coco fest, dass sie von Dorian Hunter schwanger ist. Bald erhält das Café Zamis Besuch von Osiris' Todesboten. Sie überbringen die Nachricht, dass Coco innerhalb einer Woche sterben wird. Ebenso erhalten ihr Vater Michael und Skarabäus Toth die Drohung. Alle drei bitten Asmodi um Hilfe, müssen dafür jedoch das für sie jeweils Wertvollste als Pfand hinterlegen. So wird Coco ihr ungeborenes Kind entrissen. Mit Hilfe ihres Bruders Volkart gelingt es Coco, die Todesboten zu besiegen. Doch Asmodi gibt das Kind zunächst nicht wieder her. Erst soll Coco noch eine weitere Aufgabe für ihn erledigen. In seinem Auftrag reist sie nach Moskau, zusammen mit dem zwielichtigen Dämon Helmut von Bergen. Coco trifft dort auf Theodotos Wolkow, einen dämonischen Oligarchen, der in Besitz des Schwarzen Zimmers sein soll, und wird von ihm gefangen gesetzt. Ihr gelingt zwar die Flucht, doch damit ist Wolkows Jagd auf sie und Helmut von Bergen eröffnet! Bei den Moskauer Freaks finden die beiden zunächst Unterschlupf, doch nicht sehr lange ...

UND MIT MIR DIE FINSTERNIS

von Rüdiger Silber, Diana Dark und Logan Dee

Moskau, Gegenwart

»Coco Zamis«, sagte die Stimme. »Ich werde sie töten!«

Die Stimme war tief, kehlig, fast ein Knurren. Zwar hallten die Worte lediglich in den Gedanken der Freakfrau wider, lautlos und keinem Ohr vernehmlich. Doch die Erinnerung bewirkte, dass sich jedes Härchen am Körper der Freakfrau aufstellte.

Die Erinnerung war lückenhaft, das Gedächtnis der Freakfrau zu weiten Teilen durch die Droge ausgelöscht. Doch gab es Dinge, die sich schwer aus der Erinnerung tilgen ließen. Dinge, die ihrem Bewusstsein wie mit einem glühenden Eisen eingebrannt worden waren.

Dazu gehörte der Besuch, den Theodotos Wolkow der Freakfrau abgestattet hatte. Wolkow, das Oberhaupt der Moskauer Dämonensippen, in Begleitung zweier Werwolf-Schergen. Zu dritt waren sie am Arbeitsplatz der Freakfrau aufgetaucht, in der Autowerkstatt. Eigentlich waren sie hinter dieser Wiener Hexe hergewesen, der Wolkow den Tod bringen wollte.

1. Kapitel

Die Hexe hatte bei den Moskauer Freaks Unterschlupf gefunden, und die Freakfrau war freundlich zu der Hexe gewesen, hatte ihr vertraut. Lapotschka, ›Samtpfötchen‹, hatte sie die Hexe liebevoll genannt. Für die Freundlichkeit, für das Vertrauen, für die Zuneigung hatte die Freakfrau nun bitter büßen müssen ...

Ob es Wolkow und seinen Bestien gelungen war, etwas über den Aufenthaltsort der Hexe aus ihr herauszufoltern, wusste die Freakfrau nicht mehr. Aber sie erinnerte sich gut daran, dass die Hexe nach Wolkows Besuch noch ein letztes Mal bei ihr aufgekreuzt war. Scheinbar in Freundschaft; in Wahrheit jedoch, um sie wiederum auszufragen – ohne Rücksicht darauf, in welche Gefahr sie die Freakfrau damit brachte. Das war alles, was die Freakfrau von dem Besuch der Hexe noch wusste. Was auch immer dabei vorgefallen war, anscheinend hatte die Hexe die Freakfrau schließlich in Schlummer versetzt. Als sie erwacht war, hatte die Hexe das Gelände längst verlassen.

Aber das schöne Gesicht der Hexe mit dem erst heuchlerisch-gönnerhaften und dann so unbarmherzigen Ausdruck, das hatte der Freakfrau nach dem Aufwachen noch immer lebhaft vor Augen gestanden. Und wieder hatte der furchtbare Schmerz ihren Körper in Flammen gesetzt. Sogar das Bild der beiden ausgeweideten menschlichen Automechaniker, deren Leichen Wolkow zurückgelassen hatte, war wieder aufgeflackert vor ihrem inneren Blick. Kurz nach dem Massaker war ein großer Schwarm aasfressender Raben aufgetaucht, hatte die Kadaver in kürzester Zeit zerrissen und die Fetzen verschlungen, ja sogar die blutigen Knochen mit spitzem Schnabel zu Splittern zerhackt und dann durch die Luft davongetragen. Das war seltsam gewesen. Die Freakfrau hatte nur noch die halb getrockneten Blutpfützen zu beseitigen brauchen, und von den beiden Morden war keine Spur mehr geblieben.

Nun nahte die Stunde der Rache.

Schon unter alltäglichen Umständen neigten Menschen dazu, von der Freakfrau abzurücken. Das lag an dem Geruch nach Schweiß, Schmieröl und Benzin, den sie verströmte, und an ihrem Aussehen. Das schmuddelige Muskelshirt, die Tarnfleckhose und die Knobelbecher bekleideten einen maskulin anmutenden Körper, zwischen dessen breiten Schultern übergangslos – denn der Hals fehlte fast völlig – ein grotesk lang gezogener Kopf mit Pferdegesicht und Bürstenhaarschnitt klemmte. Die wenigen weiblichen Attribute der Freakfrau waren eher unschmeichelhaft. Ihr Gesäß passte zum Pferdegesicht, denn es war breit wie bei einem Brauross, und auch die borstenartigen Wimpern über den vorquellenden Augen waren ungewöhnlich lang, wie bei Pferden üblich.

Diesmal, auf dem Weg von der Autowerkstatt zum GUM, hatte die Freakfrau sogar nackte Furcht unter den Menschen verbreitet. Sie wandelte unter ihnen wie ein programmierter Amokläufer, wie eine scharf gestellte Bombe, die auf den elektrischen Funken wartet, der sie zur Explosion bringt. An ihrem kurzen Nacken standen die Sehnen wie gestraffte Trossen hervor, die Adern an den Schläfen und auf der Stirn zeichneten sich unter der Haut ab wie Schlangennester. Die vorgewölbten Augen waren blutunterlaufen. Die Bewegungen der Freakfrau waren kantig, maschinenartig, als steckte eine gewaltige, nur mühsam gebändigte Kraft dahinter.

Das kam von der Droge, die durch ihre Adern raste und wie ein Blitzgewitter unter ihrem Schädeldach tobte.

Kaum hatte die Freakfrau den Hypnoseschlummer abgeschüttelt gehabt, in den die Hexe sie versenkt hatte, war der gesammelte Frust ihres Daseins über ihr zusammengeschlagen wie eine Sturzflut, die einen längst mürben Damm durchbricht. Sie dachte an die Erniedrigungen, die sie in der Ehe hatte erdulden müssen, an die Verwandlung in einen Freak, sie dachte an die Verachtung und den Ekel, die den Freaks seitens der Dämonen und der Menschen entgegenschlugen, und an das Schlimmste von allem – den Verrat der Hexe.

Gegenüber der Hexe hatte sie vorgegeben, nicht auf Frauen zu stehen. Das war nicht ganz ehrlich gewesen. Sie stand nur nicht ausschließlich auf Frauen. Ihr Hass auf die Hexe war der Hass, zu dem enttäuschte Liebe sich wandelt. Schlimmeren Hass gibt es auf der ganzen Welt nicht. Und so hatte sie Rache geschworen.

Schluss mit Demütigung, Gewalt und Enttäuschung! Jetzt und für immer!

Sie war in ihr Labor hinabgestiegen und hatte sich die Droge in die Venen gejagt. Der Cocktail bestand teils aus Zutaten, die sie zu ihren Zeiten als Dämonin und Alchemistin verwendet hatte, für ein Mittel auf Opiumbasis, das im Orient schon vor Jahrhunderten unter der Bezeichnung ›Honig des Kriegers‹ in Gebrauch gewesen war. Hinzu kamen die Komponenten synthetischer ›Action-Pills‹ moderner Armeen. Es war ihr teuerstes Produkt, das sie nur selten verkaufte, und sie hatte nur einen kleinen Vorrat auf Lager – vielleicht zehn Einzeldosen. Sie spritzte sich fünf davon, eine lebensgefährliche Menge. Egal! Denn bevor sie selbst daran starb, würde sie jemand anderem beim Sterben zusehen.

Doch auch diese Erinnerungen hatte die Droge größtenteils aus dem Gedächtnis der Freakfrau gelöscht. Ihr Fokus wurde immer enger. Sie hatte fast nur noch die Hexe im Blick.

Schließlich erreichte die Freakfrau das GUM. Sie tauchte ab in die geheime Untergrundwelt der Moskauer Freaks. Die Freakfrau schürzte die schwammigen Lippen, sie bleckte das Pferdegebiss.

Irrtum, Wolkow, dachte sie. ICH werde Lapotschka töten!

Helmut von Bergen und ich standen im ›Bankettsaal‹ der Freaks. Aus anderen Teilen des unterirdischen Labyrinths ertönten Schreie voller Schmerz und Todesangst – ohne es zu ahnen, waren wir in Wolkows Falle getappt und hatten ihn und seine Werwölfe vom Nowodiwitschi-Friedhof bis zum Versteck der Freaks geführt.

Die Gesichter der um die lange Tafel gruppierten Schaufensterpuppen waren sämtlich auf mich und meinen Gefährten gerichtet. Die Mienen waren ausdruckslos, die Augen blind – doch in der derzeitigen Lage wirkte die Puppenversammlung wie ein Tribunal. Es war direkt unheimlich. Schon früher waren mir die plötzlichen Veränderungen in der Position einzelner Puppen aufgefallen – Veränderungen, die zu geringfügig waren, um anzunehmen, jemand habe die Puppe lediglich neu arrangiert. Und ich entsann mich des vagen Gefühls, das mich manchmal beschlichen hatte, von den Puppen aus dem Augenwinkel heraus beobachtet zu werden.

Neben der Tafel standen drei hasserfüllte Freaks: das weibliche Exemplar mit dem winzigen Knospenmund und den Nilpferdzähnen, die sich unter der Wangenhaut abzeichneten wie Bauklötze unter einem weich anliegenden Gummituch. Ich erinnerte mich keines Namens, hatte das Weib aber schon bei der Ankunft gesehen, als ich den ›Bankettsaal‹ zum ersten Mal betreten und am Zechgelage teilgenommen hatte.

Außerdem stand da Sascha, der Sohn Graf Vladmirs; seine Augen, jetzt ohne jede Apathie des Drogenrauschs, schossen förmlich Messer auf mich und von Bergen ab.

Und dann Vladimir selbst. Mit zittriger Faust, aber drohender Geste, hob er den Gehstock.

»Das haben wir euch zu verdanken!«, zischte er. »Unsere Brüder und Schwestern werden hingeschlachtet wie Vieh ...«

»Wir wollten das nicht«, setzte von Bergen an. »Aber Wolkow –«

Vladimir fiel ihm ins Wort: »Wir werden euch an Wolkow ausliefern. Vielleicht verschont er uns dann.«

»Dafür dürfte es zu spät sein«, versetzte von Bergen. »Außerdem habt ihr keine Chance gegen Coco und mich. Ihr kommt noch am ehesten davon, wenn ihr euch mit uns gegen Wolkow verbündet.«

»Wir haben so oder so keine Chance!«, heulte Vladimir. »Gegen Wolkow noch weniger als gegen euch.«

Er stürzte sich auf von Bergen. Auch das Freakweib und der Junge griffen an.

Ich streckte den Knaben mit einem Gedankenbefehl bewusstlos zu Boden. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Vladimir den Knauf des Gehstocks auf den Scheitel meines Gefährten hinabsausen ließ. Der Knauf war schwer genug, um einem Menschen das Schädeldach zu zertrümmern. Und da er aus Silber bestand, hätte auch ein Dämon sich nach einem solchen Hieb nicht wieder erhoben. Doch von Bergen blockte den Schlag lässig ab – der Stock wurde der Faust des Angreifers entrissen und schlitterte klappernd über den Tisch. Mit einer harten Watsche warf von Bergen den Gegner nieder.

Das Freakweib hatte weniger Glück. Ihm brach von Bergen mit einem magisch verstärkten Griff das Genick.

Ich sah auf Vladimir hinab, der sich hilflos am Boden krümmte, und dann auf die Leiche des Freakweibs. Ich runzelte die Stirn. »Warum –«

»Er ist nur ein wertloser Freak, ich weiß«, brummte von Bergen kurz angebunden. »Aber er war einmal ein Dämon und so etwas wie mein Freund.«

Ich war nicht neugierig darauf gewesen, warum von Bergen dem Freak-Oberhaupt das Leben geschenkt, sondern warum er es der Frau genommen hatte. Resigniert zuckte ich mit den Schultern. »Und jetzt raus hier«, sagte ich und stieg über die Leiber hinweg. »Besser, wir laufen Wolkow nicht in die Fänge.«

Kalinka, die dreizehnjährige Tochter des Freak-Grafen Vladimir, hatte Zuflucht vor den Mördern gefunden – im Drogenrausch. Sie lag allein auf einer Matratze in dem stillgelegten Wartungsraum, der ihrer Familie als Unterkunft diente. Ihr entrückter Blick war auf die bizarren Skulpturen gerichtet, die hier die Zimmerpflanzen ersetzten. Ihre Mutter hatte die schlichten Kunstwerke aus alten Konserven und Draht gefertigt. Aber das wusste Kalinka im Moment nicht mehr.

Sie sah im Augenblick auch keine Blech-und-Draht-Gebilde vor sich, sondern exotische Blumen. Genießerisch blähte sie die Nüstern, als atmete sie einen betörenden Duft ein

Karkow witterte.

Seine Augen loderten. Sein Fell war blutverklebt, und jeder Muskel seines angespannten Werwolf-Körpers bebte vor Jagdgier.

Dort, hinter der Stahltür, war ein Freakweibchen. Ein junges Freakweibchen. Er roch ihren Schweiß und andere Körpersekrete. Seltsamerweise roch er keine Angst.

Die Stahltür war noch nicht einmal verschlossen. Er stieß sie auf.

Da sah er das Weibchen auf der Matte liegen. Er bleckte das Gebiss, ließ die Reißzähne aufblitzen. Geifer troff von seinen Lefzen.

Kalinka sah, wie die Tür aufging. Ein Prinz trat zu ihr ein. Er war bepelzt und wunderschön.

Er lächelte sie an.

Das Biest und die Schöne.

Nein ...

Der Schöne und das Freakmädchen.

Sie lächelte zurück.

Dann pflückte sie eine von den prachtvollen Blumen und schenkte sie ihm.

Karkow knurrte. Das Freakpüppchen grinste debil und hielt ihm irgendwelchen Abfall unter die Schnauze – eine rostige Dose mit Drahtgeflecht.

Er entriss ihr das Ding. Den Arm entriss er ihr gleich mit. Muskeln, Sehnen und Knochen lösten sich in der Spanne eines Wimpernschlags, zurück blieb ein feuchtes rotes Loch in der Schulter.

Kalinka freute sich, dass ihr Geschenk Beifall fand. Der Prinz nahm die Blume huldvoll entgegen. Dabei streichelte er ihr sanft über die Finger. Ihr Arm schwebte durch die Luft, inmitten einer Wolke leuchtend roter Blüten.

Dann wurde die Welt schwarz.

Neben Vladimir, der noch immer nicht vom Boden hochgekommen war, ragte die gedopte Irinia auf. Eine Armlänge entfernt lag Sascha, Vladimirs Sohn, im Betäubungsschlaf. Ebenso Nina, deren Hals seltsam verdreht war. Sie blickte mit gebrochenen Augen zur Betondecke empor.

Dass außer ihr selbst noch andere Todbringer in den Katakomben des GUM umgingen und Geheul und Geschrei verursachten, nahm Irinia nicht wahr. Sie stieß Vladimir die Spitze des Militärstiefels in die Seite.

»Irinia!«

»Was ist passiert, Vladimir?«

Vladimir hustete, stöhnte. »Dieser Dämon, von Bergen. Möge die Hölle ihn verschlingen.«

»War die Hexe bei ihm?«

Vladimir nickte mühsam.

»Wo ist sie hin?« Der ›Bankettsaal‹ hatte insgesamt drei Zugänge.

»Das hab ich nicht mitbekommen.«

Irinia ließ ihn liegen. Sie nahm auf dem Stuhl neben einer Schaufensterpuppe Platz. Es war eine Frauenpuppe, bekleidet mit der Mütze und der Feldjacke eines Marschalls der Sowjetarmee. Die Jacke hatte goldene Schulterstücke und an der Brust eine farbenprächtige Ordensspange. Sonst war die Puppe nackt.