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»Ein Club der Menschenfresser«, sagte Lydia. »Das klingt ja wirklich interessant.«
»Das Grand Gourmand ist ein guter Unterschlupf«, erwiderte Thekla. »Eine exquisite Adresse in Dämonenkreisen. Zumindest in manchen Teilen. Die ... Feinschmecker reisen von weither, um eines der speziellen Festmähler mitzuerleben.«
»Feinschmecker?«, fragte Adalmar. »Oder die Perversen?«
Thekla winkte ab. »Die meisten in der Schwarzen Familie ahnen nichts davon oder erhalten keinen Zutritt. Man wird uns dort nicht vermuten.«
»Wieso glaubst du, dass man uns aufnehmen wird?«, wollte Coco wissen.
»Das werdet ihr früh genug erfahren ...«
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Seitenzahl: 131
Cover
Was bisher geschah
DER CLUB DER MENSCHENFRESSER
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
mystery-press
Vorschau
Impressum
Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt. Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben.
Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.
Seitdem lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. So schickt Asmodi den Dämon Gorgon vor, der Wien und alle seine Bewohner zu Stein erstarren lässt – und die Stadt komplett aus dem Gedächtnis der Menschheit löscht. Nur Coco kann im letzten Augenblick entkommen, allerdings hat sie jede Erinnerung an ihre Herkunft verloren ... Nach und nach gewinnt sie diese jedoch zurück und fühlt sich mehr denn je verpflichtet, etwas gegen Gorgons Fluch zu unternehmen.
In einer Bibliothek auf Schloss Laubach in Deutschland stößt Coco auf die Dämonenvita ihres Vaters. Mit Hilfe der Vita gelingt es Coco, Gorgons Bann zu brechen und Wien zu retten.
In der Folge baut Michael Zamis seine Kontakte zu den Oppositionsdämonen aus, die sich Asmodis Sturz auf die Fahnen geschrieben haben. Als Cocos Mutter Thekla von Michaels Liaison mit einer Kämpferin des Widerstands erfährt, tötet sie diese. Es kommt zum Bruch mit den Oppositionsdämonen, die Coco ungefragt ein »Permit« verpassen – ein magisches Tattoo in Form eines zweiköpfigen Adlers. Letztlich einigen sich Asmodi und Nocturno und teilen in der Charta Daemonica die Herrschaftsbereiche unter sich auf. Michael Zamis jedoch wird in eine krötenartige Kreatur verwandelt. Coco bittet um Gnade für ihren Vater und willigt ein, Nocturno zu begleiten – ohne seine wahren Gründe zu kennen. Nocturno glaubt, mit Coco eine »Geheimwaffe« zu besitzen, die ihm zur Rückkehr ins centro terrae verhelfen könnte – was ihm schließlich auch gelingt. Coco sowie Rebecca und Georg, die sich an Cocos Fersen geheftet haben, finden sich in Wien wieder – doch der Banshee Peter hat Georgs Körper in Besitz genommen.
Außerdem hält sich Asmodi nicht an das Versprechen, Michael von seinem Freakdasein zu erlösen. Es sei denn, Thekla erkläre sich bereit, mit ihm eine »zweite Coco« zu zeugen. Thekla geht zum Schein darauf ein. Während eines Schwarzen Sabbats wird Asmodi jedoch vorgeführt. Aus Angst vor seiner Rache flüchten die Zamis im Anschluss zunächst aus Wien.
DER CLUB DER MENSCHENFRESSER
von Christian Montillon
Antwerpen, in den Abendstunden
Es war dunkel, und irgendwo schrie jemand.
Michel Gibrat duckte sich unwillkürlich und zog die Schultern hoch; im nächsten Moment entspannte er sich wieder, hoffte, dass Sonja nichts bemerkt hatte.
Doch das blonde Fotomodell war mit sich selbst beschäftigt und sah alles andere als glücklich und zufrieden aus. »Was – was war das, Michel?«
Ich weiß nicht, wollte er sagen und dabei angestrengt versuchen, sich sein Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Aber genau in diesem Moment ertönte der Schrei erneut und ging in ein Stöhnen über. Ein wollüstiges Stöhnen. Und da entdeckte Michel Gibrat auch das offen stehende Fenster in der verdreckten, heruntergekommenen Hausfassade vor ihnen.
Er deutete grinsend darauf. »Nun ja, Sonja, da vergnügen sich zwei, und der Dame scheint es sehr zu gefallen, was sie auch äußerst extrovertiert zum Besten gibt.«
Sonja schaute ihn an und benötigte einige Sekunden, um zu verstehen, worauf er anspielte. Dann lächelte sie auf die einzige Art, die ihr möglich war: absolut hinreißend.
In weitem Umkreis waren die Straßenlaternen ausgefallen. Nur aus vereinzelten Fenstern strömte Helligkeit und schuf ein mattes Zwielicht. Kaum zu glauben, dass sie sich mitten in einer Stadt befanden, in der wenige Hundert Meter entfernt das Leben pulsierte. Das alles kam ihm viel eher vor wie die Kulisse in einem billigen Gruselstreifen. Oder einem Porno, wenn man an die noch immer deutlich hörbare Begeisterung der Dame dachte ...
Seine Begleiterin zwirbelte die Spitzen ihrer langen blonden Haare um den Zeigefinger der linken Hand. »Fehlen nur noch ein paar Nutten an der nächsten Straßenecke. Bist du dir sicher, dass wir noch richtig sind?«
Er tippte sich gegen die Stirn. »Meinst du hier oben?«
Das schien sie gar nicht lustig zu finden.
Also nickte er hastig; es galt, sie bei Laune zu halten, auch wenn er sich über diese Gegend selbst sehr wunderte. »Doch, doch, wir sind auf dem korrekten Weg, ganz bestimmt. Es ist nicht mehr weit. Du wirst begeistert sein.«
Hoffte er zumindest. Die Adresse des Grand Gourmand wurde nur flüsternd und unter der Hand weitergegeben – der absolute Szene-Gourmet-Tempel in Antwerpen; mit horrenden Preisen und dem besten Essen im Umkreis von hundert Kilometern.
Michel hatte einige Kontakte aus seiner aktiven Playboy-Zeit bemühen müssen (und noch mehr Scheine aus seiner dicken Geldbörse), um den Straßennamen und die Hausnummer in Erfahrung zu bringen.
Die offizielle Einladung, ohne die es keinen Einlass gab und die sorgfältig gefaltet in seiner Hosentasche steckte, hatte noch mehr Scheinchen gekostet. Doch das Geld war ihm völlig gleichgültig – er besaß mehr als genug davon, und wenn es dazu diente, Sonja zu beeindrucken und sie letztlich ins Bett zu bekommen, hätte er auch das Zehnfache hingeblättert.
Immerhin war es in seinem Alter nicht mehr ganz einfach, ein so blutjunges Ding wie ...
»Entschuldigen Sie.«, Sonjas Stimme riss ihn aus den Gedanken. »Können Sie uns weiterhelfen? Wir suchen ... ach, Michel, wie war noch mal die Adresse?«
Sonja sprach mit einem Mann, der aus einer verwitterten Tür getreten war. Seine Augen lagen tief in den Höhlen und wirkten hinter dicken Brillengläsern riesig. Riesig und seltsam, irgendwie rötlich leuchtend wie die einer Katze.
Ein eigenartiger optischer Effekt, der an den Lichtverhältnissen liegen musste.
In der Helligkeit, die aus dem Hausflur fiel, präsentierte er sich schlecht rasiert, und glitzerte da nicht etwas in seinem Oberlippenbart? Alles in allem war der Kerl hässlich wie die Nacht. Sein Hemd hing ihm aus der Hose, bei der der Reißverschluss offen stand. Kurz wanderte Michels Blick in die Höhe; tatsächlich, das war das Haus mit dem geöffneten Fenster – ob dieser Kerl wohl ...?
»Die Adresse«, drängte Sonja.
Michel nannte sie.
Der Fremde kicherte. Und tatsächlich, da glitzerte wirklich etwas in seinem Bärtchen. Es wirkte rot wie Blut. Aber das täuschte sicherlich. Eine lange, schmale Zunge schob sich in einer vulgären Geste aus dem Mund des Hässlichen und leckte darüber – damit war das Corpus Delicti ohnehin verschwunden.
Ekelhaft.
Ein plumper Kerl.
»Was gibt's denn da zu lachen?«, fragte Michel Gibrat gereizt. »Kennen Sie die Straße oder nicht?«
»Wir wollen auch da hin«, sagte der Fremde. »Ist doch lustig, oder?«
In das Grand Gourmand? Das glaubst du doch selbst nicht. »Welch ein Zufall«, erwiderte Michel vorsichtig.
Die Frage, wen der Fremde mit wir meinte, erübrigte sich, als eine zweite Gestalt aus dem Haus trat, dem Hässlichen wie aus dem Gesicht geschnitten. Er nestelte an seiner Hose herum und schloss den Knopf. Offenbar waren es tatsächlich diese beiden gewesen, die die Frau dort oben zum Schreien gebracht hatten. Michel schüttelte sich. Hoffentlich hatte die Hure wenigstens genug verlangt – denn anders konnte er sich das nicht erklären.
»Alwin«, sagte der Erste, »diese netten Leute hier wollen zum Grand Gourmand.«
Der Zweite kicherte rau. »Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie dorthin wollen.«
Sonja stand plötzlich näher bei Michel. Offenbar fand sie die Fremden ebenso widerlich und beängstigend wie er. »Vielleicht sehen wir uns ja«, murmelte er unverbindlich und ging los. Seine Begleiterin zog er mit sich, ohne noch länger auf eine Wegbeschreibung zu warten. »Verschwinden wir von hier«, raunte er ihr zu.
Das musste er Sonja nicht zweimal sagen. Zu seiner Erleichterung bemerkte er, dass die beiden Kerle ihnen nicht folgten.
»Hast du gesehen?«, fragte das Fotomodell plötzlich. »Der Zweite hatte Blut auf dem Hemd.«
Gibrat sah vor seinem geistigen Auge, wie die Zunge des Ersten über den Oberlippenbart leckte. »Du hast dich bestimmt getäuscht.« Allerdings war er von seinen eigenen Worten ganz und gar nicht überzeugt.
Sie schwiegen eine Weile, während sie durch düstere Gassen stolperten. Michel fragte sich, ob es hier mit rechten Dingen zuging. In einer heruntergekommenen Gegend wie dieser sollte der angesagteste Gourmet-Tempel der Stadt liegen? Der geheime Treff für alles, was in Antwerpen Rang und Busen hatte?
Er wollte schon aufgeben, als er das Schild erblickte: GRAND GOURMAND. Sonst nichts, und in einfachen Buchstaben gehalten, aber mit grellen Leuchtröhren geformt.
»Sehr schlicht«, meinte Sonja geringschätzig. »Ich sag dir was, wenn's hier ein Taxi gäbe, würde ich sagen, lass uns lieber ...«
Die Tür öffnete sich.
Der junge Mann, der dahinter mit Anzug und Krawatte zum Vorschein kam, schien direkt der Fernsehleinwand entsprungen zu sein. Sein Lächeln war hinreißend, seine Stimme klang warm und volltönend. »Willkommen im Grand Gourmand. Gutes Essen ist unsere Spezialität.«
Vierzig Minuten später dachte Michel Gibrat, alternder Playboy weit jenseits seiner besten Tage und seiner vier verflossenen Hochzeiten, nicht mehr an die seltsame Episode auf dem Weg hierher.
Auch Sonja schien keinen Gedanken mehr daran zu verschwenden. Sie sah blendend aus, und als sie den letzten Rest des butterzarten Carpaccio aß, verdrehte sie vor Verzückung die Augen. »Das Beste, das ich je gegessen habe«, raunte sie Michel zu.
Er genoss das Essen ebenfalls, noch mehr allerdings den Anblick des offenherzigen Ausschnitts ihres Designerkleides, das für viel Geld wenig Stoff präsentierte.
»Warten Sie nur«, meldete sich einer der dienstfertigen Kellner zu Wort, die stets und ständig allen Gästen jeden Wunsch von den Augen ablasen, »bis Sie das Rumpsteak probiert haben. Es ist heute besonders gelungen, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf ... Es stammt aus einer hervorragenden Quelle.« Er winkte affektiert mit den Händen. Die Nägel waren perfekt gepflegt, aber etwas zu lang, um unauffällig zu bleiben. »Nein, nein, fragen Sie nicht – unser Chefkoch gibt seine Bezugsorte niemals preis. Wie darf ich servieren? Ich empfehle Englisch.«
Also gut blutig, dachte Michel. »So mag ich es in der Tat am liebsten.«
Der Kellner lächelte breit und verschwand ebenso unauffällig, wie er gekommen war.
»Ich muss sagen«, säuselte Sonja, »dass du mich überrascht hast. Ich hab am Ende schon befürchtet, du führst mich in ein Drecksloch, aber hier ist alles wunderbar! Normalerweise nehme ich um diese Zeit ja nur noch Salat zu mir, aber ...«
Michel unterbrach sie mit einem gemurmelten Standard-Kompliment über ihre Figur, von wegen, dass sie eine Diät absolut nicht nötig habe und so weiter. Und das hatte sie auch wirklich nicht. Sie hob sich angenehm von jenen Hunger-Models ab, die seiner Meinung nach viel zu dürr waren, um potenziellen Liebhabern noch etwas zum Anfassen zu bieten.
Schneller als gedacht wurden ihnen die Rumpsteaks serviert – diesmal von einer Kellnerin, die der Schönheit ihres Vorgängers kein bisschen nachstand. Michel schaute ihren wiegenden Hüften nach, bis sich sein Blick an anderen Gästen fing. Er pfiff leise. Das war Belgiens berühmtester Showmaster, und mit ihm am Tisch saß diese Schauspielerin ... wie hieß sie doch noch ...
»Fan-tas-tisch!«, sagte Sonja. Sie kaute mit geschlossenen Augen. Auf ihrem Teller breitete sich unter ihrem Fleisch etwas mit Blut vermischte Soße aus; gerade wenig genug, um den Eigengeschmack nicht zu verderben. Zwiebeln dampften daneben.
Die Stimmung im Restaurant war prächtig. Aus einem Nebenraum drangen flotte Melodien; hin und wieder konnte man einen Blick durch die Schwingtür erhaschen und sah eine Menge Leute auf einer breiten Tanzfläche. Lachen hallte in der Luft.
So gut das Essen auch schmeckte, Michel war heilfroh, als sie den letzten Bissen vertilgt und sich in den Tanzsaal zurückziehen konnten. Dort ging er mit Sonja auf Tuchfühlung. Sie war bester Stimmung und störte sich – natürlich – nicht im Geringsten daran, dass sie seine Tochter hätte sein können. Ihr musste im Vorfeld klar gewesen sein, worauf sie sich einließ.
Der einen oder anderen unschuldigen Berührung ließ Michel ein überdeutliches Gleiten über ihren Po folgen, und in einem unbeobachteten Moment fasste er an ihre Brüste. Dass sie danach ihre Hüfte an seine presste, war nicht gerade unangenehm, und es schien ihr zu gefallen, was sie fühlte. Jedenfalls gurrte sie ihm etwas ins Ohr, das ihn noch verrückter machte, als er ohnehin schon war.
Sie griff ihm ungeniert zwischen die Beine. »Dumme Hose«, säuselte sie.
Noch während er nach der passenden Erwiderung suchte und nicht nur ein Kloß in seinem Hals wuchs, zog sie ihn zur Bar hin, wo sich sofort ein Bediensteter ihrer annahm. »Ich sehe, dass ich Ihnen nicht mit Getränken dienen kann«, eröffnete er mit erstaunlichem Scharfblick das Gespräch. »Vielleicht freut es Sie zu hören, dass es für besondere Gäste – zu denen Sie natürlich gehören – auch Hotelzimmer gibt.«
»Sie wissen, wer ich ...?«
»Michel Gibrat«, unterbrach der andere. »Aber ja. Darf ich Sie zu einem Zimmer führen? Um die Bezahlung kümmern wir uns später.«
Und ob er durfte.
Auf einem mit hochflorigem Teppich ausgelegten Flur schob Sonja die Hand unter den Bund seiner Hose. Der Barkeeper ging vor ihnen und schloss ein Zimmer auf. Danach zog er sich ebenso schnell wie diskret zurück.
Drinnen schlüpfte Sonja ohne weitere Worte aus ihrer Bluse. Einen BH trug sie nicht, und das hatte sie auch nicht nötig. Ihre Brüste glänzten, als wären sie mit Öl eingerieben.
Ein Weib wie sie hat vielleicht auch genau das getan, dachte Michel. Es gibt da doch bestimmt ein paar Tricks.
»Geh dich im Bad frisch machen«, sagte sie. »Ich bereite ein bisschen was vor.«
Im Badezimmer stützte sich Gibrat auf das Waschbecken, sah in den Spiegel und grinste sich selbst an, wie um sich Mut zu machen. Sonja war ein Kaliber, wie er es schon lange nicht mehr im Bett gehabt hatte. Nun, er wollte ihr beweisen, dass seine Fähigkeiten als Liebhaber mit den Jahren nur gestiegen waren. Und jemand wie sie war besser als jede Frischzellenkur.
Er warf eine der Pillen ein, von denen sie nie erfahren würde, dass er sie bei sich trug. Eine Katzenwäsche später folgte ein doppelter Sprühstoß aus einem Mundspray, und er ging zurück ins Schlafzimmer.
Es war leer.
Die Bettdecke, ein Traum aus Seide, aufgeschlagen; ein String-Tanga lag auf dem Boden daneben. Sonjas offene Handtasche stand neben dem Kopfkissen.
Sie spielte Spielchen? Nun gut, er würde sich nicht lumpen lassen. Mal sehen, was sie so alles bei sich trug.
Er stellte sich ans Bett und angelte eine Reihe Kondome aus der Handtasche.
Das war's? Nicht, dass er irgendwelches Spielzeug brauchte, aber warum hatte sie dann ...
Ein Luftzug streifte seinen nackten Oberkörper, und da erst bemerkte er, dass die Tür zum Korridor einen Spaltbreit offen stand. Sollte Sonja das Zimmer verlassen haben? Aber warum? Er ging zur Tür, wollte sie weiter öffnen und sah einen schmierigen Fleck auf der Klinke.
Blut.
– – Die schmale Zunge leckt über das Oberlippenbärtchen, und das Rumpsteak bitte Englisch. – –
Die Tür quietschte leise in den Angeln. Sonja war nicht auf dem Flur. Natürlich nicht. Michel eilte zurück ins Bad, schlüpfte in seine Klamotten, denn nur in der engen Unterhose, die dank des elenden Viagra ohnehin kaum mehr als sinnvolles Kleidungsstück anzusehen war, konnte er sich nicht nach draußen trauen.
Einige Schritte später fragte er sich, ob er das Blut an der Klinke tatsächlich gesehen hatte.