Das Igorlied - Ein Heldengesang aus dem Kiewer Reich - Harald Pinl - E-Book

Das Igorlied - Ein Heldengesang aus dem Kiewer Reich E-Book

Harald Pinl

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Beschreibung

Das Igorlied ist die Sage von der Heerfahrt des Fürsten Igor im Kiewer Reich gegen das Steppenvolk der Polowzer im 12. Jahrhundert. Nicht nur ein Heldenepos, appeliert es eindringlich an die Teilfürsten der Kiewer Rus, sich nicht gegenseitig zu bekriegen, sondern für den Erhalt des gemeinsamen Herrschaftsverbandes gegen äußere Feinde zu kämpfen. Das Epos ist ein Schatz für Historiker und Slawisten und wird hier für einen breiteren Leserkreis nacherzählt.

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Umschlag

Aufbruch Fürst Igors zum Feldzug gegen die Polowzer. Nach einem Holzschnitt von Wladimir Faworskij, 1950

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Der Fund des Igorliedes

Der historische Hintergrund

Die Form der Dichtung

Zur Gliederung des Igorliedes

Das Igorlied in zwölf Gesängen

1 Eingangslied. Zur Art der Dichtung

2 Aufbruch zum Heerzug und Vorbedeutungen

3 Igors vermeintlicher Sieg über die Polowzer

4 Rückblick in die Vergangenheit

5 Die Schlacht und ihr Ausgang

6 Zwietracht der Fürsten und Jammer der Frauen

7 Der Traum des Großfürsten

8 Aufruf an die Fürsten

9 Die Bedrohung für das Fürstentum Polozk

10 Das Klagelied der Jaroslawna

11 Igors Flucht und Kontschaks Reaktion

12 Igors Rückkehr und Lobeshymne

Das Lied von der Heerfahrt Igors

Igors Feldzug aus militärischer Sicht

Borodins Oper „Fürst Igor“

Glossar

Quellen und Literatur

Abbildungen mit Nachweis

Tafeln zur Abstammung von Fürsten der Rus

Vorwort

Freunden der Oper und der Dichtkunst sind Alexander Borodins „Fürst Igor“ mit den „Polowetzer Tänzen“ und auch das altostslawische „Igorlied“, oft auch in der bekannten deutschen Fassung von Rainer Maria Rilke, geläufig. Für weniger mit der Geschichte der Kiewer Rus, mit rus(s)ischer Literatur und Musik Vertraute soll mit dieser Schrift der nicht immer einfach zu verstehende Text des Igorliedes reflektiert werden, indem er nacherzählt und erläutert wird sowie Hintergründe dargestellt werden. So soll das „Lied“ auch für Leute ohne fachliche Vorkenntnise, die keine eingefleischten Slawisten oder Osteuropa-Historiker sind, verständlich und zugänglich gemacht werden. Die Handlung spielt in dem Gebiet des Kiewer Reiches, des Herrschaftsverbandes der Rus im 12. Jahrhundert.

Um das Epos für heute lesbarer zu machen, werden die Verse der Dichtung in Prosa ohne Rhythmus wiedergegeben. Der Text hier wird kompiliert aus deutschen Übersetzungen1 und Erklärungen, vor allem solchen, in die neuere Forschungsergebnisse eingeflossen sind. Daher wird auf die poetische „Übertragung“ von Rilke und Kommentare dazu nicht eingegangen. Auswahlkriterien für die Kompilation sind Plausibilität der Darstellung und Lesbarkeit des Textes. Die verwendeten Schriften sind chronolgisch aufsteigend die folgenden:

1811 : Müller, Joseph: Heldengesang vom Zuge gegen die Polowzer;

1825 : Sederholm, Karl Fëdor: Das Lied vom Heereszuge Igors;

1854 : Boltz, August Constantin: Lied vom Heereszuge Igors;

1933 : Meyer, Karl Heinrich: Das Igorlied;

1965 : Raab, Harald: Das Lied von der Heerfahrt Igors;

1989 : Müller, Ludolf: Das Lied von der Heerfahrt Igors und

2002 : Häusler, Sabine: Igorlied und Sadonschtschina.

Überwiegend wird aber, um den letzten Stand der Forschung mit einzubeziehen, eine der neuesten Übersetzungen und Interpretationen, die des Slawisten und Literaturwissenschaftlers Ludolf Müller, zu Grunde gelegt. Zum Abgleich und zur Klärung einzelner Stellen wird der „altrussische“ Text der Dichtung von Dmitrij Bulanin in der Enzyklopädie „Slowa o polku Igorewe“ verwendet.

Die ersten Übersetzungen erfolgten zu Beginn des 19. Jahrhunderts ins Russische, zu einer Zeit als in Russland die Zeit der Rus nicht als eigenständiger historischer Abschnitt, sondern als Teil einer „russischen Geschichte“ gesehen wurde. So wird in den Texten auch stets von „russisch“ und „Russland“ gesprochen. Um aber das beschriebene Geschehen in der Kiewer Rus von dem später erst zusammen gewachsenen größeren Russland ab dem 15. Jahrhundert abzugrenzen, wird hier sprachlich bewusst auf die Rus abgehoben.

Für die Darstellung des Textes wird strophenweise vorgegangen. Erst werden die Strophen, die von recht unterschiedlicher Länge sein können, in Prosa übersetzt und kompiliert wieder gegeben. Ein Einzelnachweis erfolgt nicht, da dies leicht an Hand der Strophen- und Versziffern in den Originaltexten nachgelesen werden kann. Der kursiv gesetzten Nacherzählung der Strophen folgt eine Erläuterung des Inhaltes, von Namen und historischen Begriffen. Damit soll diese Schrift einen Lesebuchcharakter bekommen.

Für Leser, welche die Diskussionen um diverse Übersetzungsund Interpretationsmöglichkeiten verfolgen wollen, finden in Ludolf Müllers Heerfahrt, in seinem historischen und literarischen Kommentar, ausgiebige Angaben.2

Altencelle, im Juni 2023

Harald Pinl

1 Müller, Ludolf: Heerfahrt, 16. Er zählt 15 Übersetzungen ins Deutsche.

2 Müller, Ludolf: Das Lied von der Heerfahrt Igors. Freiburg i.Br.; München : Wewel, 1989, S. 43-118

Einleitung

Der Fund des Igorliedes

Zur Zeit der Zarin Katharina II. wurde der Kunst- und Antiqitätensammler Alexej Iwanowitsch Musin-Puschkin als Mitglied der Kaiserlichen Akademie der Künste und Ober-Prokuror des „Heiligsten Regierenden Synods“, der kollegialen obersten Kirchenbehörde der Orthodoxen Kirche, beauftragt, alte Manuskripte und Bücher aus den russischen Klöstern zusammenzutragen. 1795 wurde im Kloster von Jaroslawl ein Manuskript in altostslawischer Sprache entdeckt, das Musin-Pushkin erstehen konnte. Das Manuskript mit 218 Strophen wurde von dem Paläographen Alexej Fjodorowitsch Malinowskij und dem Historiker Nikolaj Nikolajewitsch Bantysch-Kamenskij bearbeitet und 1800 unter dem Titel „Slowo o polku Igorewe“, „Sage vom Heerzug Igors“ veröffentlicht.

Das originale Manuskript verbrannte 1812 beim Brand von Moskau während der Napoleonischen Besetzung, existiert aber in Abschriften, so der „Ekaterininskaja kopija“ für Zarin Katharina II. Im 19. Jahrhundert wurde das Werk vor allem in Osteuropa populär. Von der national betonten Historiographie Russlands vereinnahmt, wurde und wird auch heute noch in den meisten Übertragungen und Interpretationen des Igorliedes von „Russland“ gesprochen, obwohl das Geschehen in der Zeit vor dem Moskauer großrussischen Reich der Kiewer Rus lag.

Der Professor für Sprachwissenschaften an der VSchĖ-Universität (Hochschule für Ökonomie, HSE University) in Moskau, Boris Orechow, zählt elf Rekonstruktionen des ursprünglichen Textes, über 100 Übertragungen ins Neu-Russische und zahlreiche Übersetzungen in andere Sprachen, darunter allein sechs ins Deutsche.3 Der Slawist Ludolf Müller nennt sogar 15 deutsche Übersetzungen.4

Die Echtheit des Igorliedes wurde früher und wird zum Teil noch heute von einigen Forschern angezweifelt.5 Ein wichtiger Punkt ist dabei das Verhältnis zum „Epos von der Schlacht am Don“, der „Sadonschtschina“ aus dem Ende des 14. Jahrhunderts, mit dem es Textteile gemeinsam hat, was für seine Echtheit spricht.

Der historische Hintergrund

Ohne die eigentliche Darstellung und Interpretation der Igor-Sage vorweg nehmen zu wollen, erscheint es hilfreich, zunächst den Hintergrund der Dichtung und das Geschehen, das sie beschreibt, in groben Zügen darzustellen.

Das Igorlied, das auf Altostslawisch „Slowo o pl“ku Igorewe“, im modernen Russisch “Slowo o polku Igorewe“, wörtlich genommen das „Wort von der Heerfahrt Igors“ heißt, ist ein anonymes Heldenepos vom Ende des 12. Jahrhunderts, aus der Zeit der zerfallenden Kiewer Rus.

Es beschreibt in dichterischer Form den Feldzug, den der Fürst Igor Swjatoslawitsch von Nowgorod-Sewersk (Novhorod Siwerskyj) im Jahre 1185 gegen die Polowzer (Kumanen, Kiptschaken) unternommen hatte. Das Fürstentum Igors war Teil der Kiewer Rus, etwas über 300 km nordöstlich von Kiew am Ufer der Desna im heutigen Gebiet Tschernihiw (Tschernigow) gelegen, grenzte an östliche Steppenvölker und blieb vor deren Einfällen nicht verschont. Igor geriet in Gefangenschaft der Polowzer Khane, konnte aber fliehen und in sein Fürstentum zurückkehren.

Die Veranlassung zum Gedicht selbst sieht der Prager Slawist Joseph Müller in der geschichtlichen Lage der Kiewer Rus im 12. Jahrhundert. In seiner Darstellung des „Heldengesanges“ beschreibt er sie etwa folgendermaßen:

Die Kiewer Rus stand unter erblichen Großfürsten, die wiederum andere Familienmitglieder mit einzelnen Fürstentümern belehnten. Die bedeutenderen Angelegenheiten der ganzen Rus regelte stets der Großfürst in Kiew und er führte auch die Feldzüge an, wenn lokale Fürsten von Feinden überfallen worden waren. Teils durch schwache Großfürsten und starke Teilfürsten löste sich nach und nach das feste Band zwischen ihnen und die Fürsten gerieten untereinander in Zwietracht und kriegerischen Streit oder traten sogar gemeinschaftlich gegen den Großfürsten auf. Je nach partikulärer Interessenslage riefen sie dabei auch ihren eigentlichen äußeren Feind, die Polowzer zu Hilfe. Und in dieser Situation: „Was war nun natürlicher, als dass ein hochsinniger Mann, von den Leiden der Zeit ergriffen, unter ihnen sich erhob, die egoistische Larve den Großen Russlands [d.h. den Teilfürsten der Rus] entriss, sie zur Liebe und Eintracht sowohl unter einander selbst, als mit dem Großfürsten nachdrücklich ermahnte, und zur gemeinschaftlichen Rache gegen ihren äußeren Hauptfeind, gegen die Polowzer, aufforderte?“6

Der Kiewer Großfürst Swjatoslaw siegt 1184/85 gegen die turkstämmigen Polowzer, die von Osten, vom Don und dem Asowschen Meer her gegen die Fürstentümer der Rus andrängen. Diese Erfolge verleiten seinen Vetter Igor Swjatoslawitsch, Fürst von Nowgorod-Sewersk, zu einem Heerzug gegen die Polowzer, ohne den Großfürsten zu informieren. Zunächst siegt er gegen eine Vorhut der Polowzer am 10. Mai 1185 an der Sula, einem Nebenfluss, der südöstlich von Kiew von Osten in den Dnjepr mündet. Er wird aber beim Abrücken in den Tagen darauf von der nachrückenden Hauptmacht der Polowzer unter ihren Khanen Gsak und Kontschak vernichtend geschlagen. Er gerät mit seinem Sohn Wladimir in Gefangenschaft, kann aber entfliehen, um später 1187 und 1191 erneut gegen die Polowzer zu kämpfen.7

Die Igor-Sage beklagt so die Uneinigkeit unter den Fürsten der Rus und die Machtlosigkeit des Kopfes des Herrschaftsverbandes der Rus, des Großfürsten in Kiew. Das wird auch in den oft zitierten Versen des Igorliedes deutlich: „Es ist schwierig für den Kopf / ohne Schulter zu sein. / Aber es ist genauso ein Unglück / für den Leib, ohne Kopf zu sein“.8

Die Form der Dichtung

Welche Form hat diese Dichtung? Karl Meyer vom Ukrainischen Wissenschaftlichen Institut in Berlin wies in seiner Textwiedergabe auf den Wandel des überlieferten Textes im Laufe der Jahrhunderte hin:

„Auch das Igorlied ist gewandert, Die Handschrift wurde ja mehrere hundert Kilometer nördlich von Moskau gefunden; die Handschrift selbst lag wohl drei Jahrhunderte vom Dichter entfernt. Auf dieser Wanderung vom Süden in den russischen Norden hat das Werk verständlicherweise manche Züge, namentlich der ursprünglichen Sprachform, verloren und neue Merkmale angenommen. Kein Wunder, dass heute seine Sprachform mehr russisch als ukrainisch aussieht. Freilich schimmern noch immer auch in der vorliegenden, auf russischem Boden entstandenen Handschrift ukrainische Kennzeichen durch. […] Demnach ist mit der wissenschaftlichen Wahrhaftigkeit nicht zu vereinigen, dem Igorlied seine ukrainische Heimat abzusprechen. Das Igorlied bleibt ein Stolz ukrainischer Schöpferkraft, ukrainischer Kunst, mit seiner ungetrübten Farbigkeit, seiner Offenheit, Freiheit, seiner unbefangenen Tatkraft und Aufgeschlossenheit gegenüber allen Bewegungen, die von außen kommen.“9

Durch die Übersetzung aus dem Altostslawischen ins Russische bereits kurz nach dem Fund des Textes, nehmen nachfolgende Interpretationen überwiegend Bezug auf die neurussische Form des Igorliedes. Im Russischen beginnt der Text mit dem Wort „Slowo“ und so wird die Schrift sowohl im slawischen als auch im angelsächsischen Sprachraum bezeichnet.10 Eigentlich bedeutet „Slowo“ zunächst nur „Wort“, im übertragenen Sinne auch „Rede“ und erste Übersetzungen ins Deutsche verwenden „Spruch“ oder „Sermon“11. Das Russisch-deutsche Wörterbuch von A.A. Leping u.a. spricht sogar unter direktem Bezug auf das Igorlied von „Mär“. Dieses etwas veraltete Wort klingt heute zu sehr nach Märchen und Sage. Beide Bezeichnungen sollen hier nicht verwendet werden, da sie die geschilderten Ereignisse, die aber tatsächlich stattgefunden haben, wie wir aus anderen Quellen wie der Nestorchronik12 oder der „Sadonschtschina“, dem Epos von der Schlacht am Don13 vom Ende des 14. Jh., wissen, ins „Märchen- und Sagenhafte“ verschieben.

Auf ein musikalisches Lied, das den Feldzug von Fürst Igor schildert und das auf Fürstenhöfen von einem Sänger vorgetragen wurde, eventuell sogar in Reimen, gibt es keine Hinweise. Bereits in den ersten Versen wird nämlich festgestellt, dass keine Sage berichtet werden soll wie es der Seher Bojan tat, der seinen Vortrag mit der „Gusli“, einer Tisch-Zither, wie ein Lied begleitete. Auch ist der ursprüngliche Text nicht in Reimen verfasst, sondern eine Erzählung in rythmischer Form. Trotzdem wird im deutschen Sprachraum die Erzählung sehr wohl als „Lied“ interpretiert und das bereits in der frühen Übersetzung von Johann Gottfried Richter aus dem Jahre 1803: Lied vom Zuge Igor’s gegen die Polowzer. Diese Wortwahl ist vergleichbar der zu anderen Heldendichtungen des Mittelalters, wie dem „Nibelungenlied“, „Rolandlied“, „Waltharilied“ oder „Hildebrandlied“ und soll deswegen auch hier weiter verwendet werden. Die Stelle im Igorlied „Deutsche und Venezianer, Griechen und Mährer singen den Ruhm Swjatoslaws“14 weisen auf die zu gleicher Zeit an Fürstenhöfen im Westen entstandenen Heldenlieder hin.15

An Übersetzungen in die deutsche Sprache gibt es zahlreiche. Zu den ersten Erwähnungen gehört die von August Kotzebue, die er in dem Periodikum „Der Freimüthige oder Ernst und Schmerz : Ein Unterhaltungsblatt“ im Jahr 1804 veröffentlichte.

In der deutschen Form ist die Heldendichtung vom Heerzug Fürst Igors gegen die Polowzer vor allem durch die Übertragung von Rainer Maria Rilke bekannt. Seine poetische Übertragung mit Alliterationen wird auch heute noch gedruckt16. Als Vorlage dienten Rilke nicht nur die altrussische, sondern auch neu-russische Fassungen, die in manchen Punkten vom ursprünglichen Text abweichen.17

Die „Nacherzählung“ hier soll in Form eines Lesebuches „zur Lektüre und zum Verständnis eines einzigartigen Kulturdenkmals“18 vom Boden der heutigen Ukraine beitragen.

Zur Gliederung des Igorliedes

In den deutschen Übersetzungen und Übertragungen wird das Epos unterschiedlich gegliedert. Sederholm teilt es 1825 in Anklang an Homer in 12 Gesänge ein, mit 218 Strophen, wie sie im altostslawischen Text gezählt werden. Dabei sind die Strophen – wenn wir bei dem Bild des Liedes bleiben wollen – von recht unterschiedlicher Länge, oft nur zwei, drei Verszeilen lang, manchmal sogar nur eine Zeile, wobei insgesamt 696 Zeilen gezählt werden. Eine gröbere Gliederung nehmen Joseph und Ludolf Müller vor.

Joseph Müller gliedert seinen „Heldengesang“ in neun Teile oder Szenen19:

I. Anrede des Dichters an sein Publikum. Abgrenzung zum Barden Bojan. Darstellung des Charakters von Fürst Igor. Aufbruch der Heerscharen.

II. Auszug Igors, Treffen mit Bruder Wsewolod. Unglückliche Vorzeichen. Siegreiches Treffen auf die Polowzer.

III. Erneuter Kampf mit den inzwischen verstärkten Polowzern. Niederlage des Heeres von Igor.

IV. Rückblick in die Vergangenheit, wodurch die jetzige, noch nie dagewesene Niederlage erklärt wird.

V. Gefangenschaft Igors. Neue Fehden zwischen den lokalen Fürsten der Rus, die von den Polowzern genutzt werden. Klagen der Frauen. Vergleich des ruhmvollen Vaters Swjatoslaw Olegowitsch mit den unglücklichen Söhnen Igor und Wsewolod.

VI. Großfürst Swjatoslaws Traum und Klage über das Geschehene. Sein Tadel an den Vettern und anderen Fürsten. Anruf der Ahnen und Aufruf an die Fürsten.

VII. Trauer und Mutlosigkeit. Die Fürsten ziehen selbst den Untergang der Rus herbei.

VIII. Elegie von Igors Frau, der Fürstin Jaroslawna.

IX. Igors Geschick ändert sich. Er entflieht der Gefangenschaft und kehrt in die Heimat zurück.

Ludolf Müller kommt mit sechs Szenen aus:

I. Einleitung. Der Bericht über den Feldzug.

II. Der Traum und das goldene Wort Swjatoslaws.

III. Der Aufruf des Dichters an die Fürsten der Rus.

IV. Die Tragödie des Fürstenhauses von Polozk.

V. Die Klage der Jaroslawna.

VI. Flucht und Heimkehr Igors. Ausklang.

Hier soll eine einfache Gliederung übernommen werden, die den Vergleich mit anderen Texten zulässt, nämlich in zwölf Gesänge, in Strophen und Verszeilen. Für die Gesänge wird versucht, eine knappe Inhaltsangabe zu formulieren. Die Nummern der Strophen und Verszeilen werden aber nicht im Einzelnen angegeben, da hier die ursprünglichen Texte einer einfacheren Lesbarkeit wegen beschreibend zusammen gefasst werden.

Der Herrschaftsverband der Kiewer Rus und das Gebiet der Polowzer, Ende 12. Jh.

3 Vgl. Newmenandr.net/Slowo/ (2021-06-28)

4 Müller, Ludolf: Heerfahrt, 16

5 Vgl. Filip: Igor-Lied

6 Müller, Joseph: Heldengesang, 6

7 Hösch/Grabmüller: Daten, 1185

8 Igorlied, Vers 110

9 Meyer: Igorlied, 8

10 Vgl. Gronicka, 179

11 Fahl: Sturm, 164

12 Vgl. Graßhoff: Radzwiłł-Chronik, 345-348

13 Vgl. Sturm, Sadonschtschina

14 Igorlied, Vers 90

15 Vgl. Meyer: Igorlied, 6

16 Rilke, R.M.: Das Igorlied – ein Heldengedicht. . (Russische Epos – Deutsche Edition). Leipzig : Insel, 1985

17 Vgl. Gronicka: Rilke’s translation, 183

18 Meyer: Igorlied, 10

19 Vgl. Müller, Joseph: Heldengesang, 29-31