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Verbessern Sie Ihre geistigen Fähigkeiten mit der Fortsetzung von Stroh im Kopf? Intelligenz ist nicht allein angeboren, sondern kannerworben und im Laufe des Lebens nachhaltig verbessert werden. Mit der Metapher des Inneren Archivs – sämtliche Daten, Fakten, Informationen und Ideen – fasst Vera F. Birkenbihl all das zusammen, was Sie jemals gelernt haben. In Form eines neuronalen Wissens-Netzes sind all diese Bereiche verbunden. Der richtige Umgang mit diesem Netz ist entscheidend für Ihre Intelligenz und Ihre Kreativität. In 18 leicht verständlichen Modulen erklärt Coaching-Koryphäe Vera F. Birkenbihl Schritt für Schritt, wie das Innere Archiv aufgebaut ist und wie Sie es optimal managen, um dadurch Ihre geistigen Fähigkeiten nachhaltig zu verbessern.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
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Zur er-WEIT-erten Auflage dieses Buch-Seminars
Aufbau des Buches
Kapitel 1 – Wichtige Ergebnisse der Gehirn-Forschung
Das innere Archiv
Lernbare Intelligenz? (Nach Dave PERKINS, Harvard)
PERKINS 1: NEURONALE GESCHWINDIGKEIT
PERKINS 2: ERFAHRUNGEN UND WISSEN
PERKINS 3: WIR KÖNNEN WÄHLEN!
SPIEGELNEURONEN
DER LERNBERG
1. Das GRUNDMODELL
2. Den Lernberg hochheben
Ball-im-Tor-Effekt (I und II)
Spiegelneuronen (IV)
METHODEN-MIX (III)
NEUROGENESE
Kapitel 2 – Das ABC als Grundlage des inneren Archivs
Warum 15 bis 25 Listen nötig sind
Die Ausbeute
Die Übungs-Zeit
Schummeln erlaubt?
M 1 – ABC-Listen-Paradox
Zu 1: Patent-Rezepte sind immer (zu) einfach (oberflächlich)
Zu 2: Einfaches kann nichts taugen
M 2 – AbRUF-Reiz
SEMONs Vermächtnis
ABC-LISTEN
Assoziatives Denken
Bruchteile reichen!
RE-KONSTRUKTION
Unbewußtes
Fragen
Reiz
M 3 – Assoziatives Denken
M 4 – COUVERT-TECHNIK
Fallbeispiel: Grammatik
M 5 – Denk-LUST
ABC-Techniken des inneren Archivs
M 6 – Denk-Technik: Mit Listen-Denken zum Erfolg
Teil I: LISTEN erstellen
1. Assoziatives Denken
Assoziatives Denken ist der goldene Schlüssel!
Technik 1: Listen erstellen
1. Erinnerung
2. Eine weitere kleine Quizaufgabe
Zwischenspiel
Liste möglicher Listen
Mini-Fallstudie: Kleines Listen-Farbenspiel
Aufgabe 1: Die Liste erstellen
Aufgabe 2: Die Liste sortieren
Aufgabe 3: Die Liste hierarchisieren
Aufgabe 4: Die Liste beurteilen
Aufgabe 5: Wie sehen andere das? (Forschung)
Checklisten-Varianten
Variante 1: Check-Liste verwendeter Farben (Wunsch-Liste)
Variante 2: Liste verwendeter Farben (Beobachtung)
Variante 3: Farb-Liste definiert Bild-Charakter
Variante 4: Listen Sie Fach-Infos!
Eine spezifische Listen-Variante: ABC-Listen
Training: Einfaches LISTEN-Denken
Teil II: Kombinatorisches Listen-Denken
Sechs Farben und Lesen & Lernen: Thema mit Variationen
Runde Listen – LULL’sche ROTAE: eine runde Sache!
Probleme lösen
1. Nie Zeit … zum Listen-Lesen und -Üben?
2. Mit nur einer Liste zwei LULL’sche Leitern?
M 7 – Exformation
Der Begriff „Exformation“
1. Numerierte Witze?
2. Anspielungen auf gemeinsame Erlebnisse
3. Warum Exformation so wertvoll ist
4. Warum wir Serien lieben
5. Wenn Leute über Leute reden
Wiederholungen, die keine sind!
Tiefe
„Gute Infos“?
M 8 – Forschungsergebnisse über das Lernen
Irrige Annahmen
Grundlagen
Experiment: Eine neue Sportart lernen
Experiment: Die Piano-Lektion
Experiment: Kann ein Text gehirn-gerecht sein?
Konzentration
Kleines Experiment zur Konzentration
Experiment: POSTER-WALK
Experiment: Knopf bei Verschwinden drücken!
Experiment: Lesen im Zug
Geduld
Auswendig lernen
Antidote zum Pauken: Differenziert wahrnehmen, differenziert denken!
Experiment: Exposure-Effekt
Experiment: Musik und American Football
Experiment: Kunst-Betrachtung
Experiment: Engagement
Aber so geht das doch nicht? Wirklich nicht?!
Experiment: Verringert Wissen Kreativität?
M 9 – Gedächtnis-Paradox
Wie sicher sind Zeugenaussagen?
1. Kryptomesie: Pseudo-Erinnerungen
2. Quellen-Amnesie – so entstehen Gerüchte!
2.1 Ideenklau (Plagiat)?
2.2 Irrtümer!
M 10 – Gehirn-gerecht Machen von neuen (Lern-)Infos
Überblick und neue Erkenntnisse
Phase 1: Die Planung
Phase 2: Hilfsfäden festlegen bzw. spinnen
Erste Hilfsfäden erzeugen
Phase 3: Einstieg in die eigentliche Lern-Arbeit
Phase 4: Fragend denken – Fragen stellen!
Phase 5: Virtual Reality (V.R.)
Fallbeispiel: Die Ratte
Howard LEVINEs Seh-Duktion
Mentale V.R. als letzter Lernschritt
M 11 – Geniales Denken – Oder: Denken GENIES anders?
Genie(-ale) Studien!
Geniale Ungleichheit?
Multiplikatorische Ideen-Explosion?
AQUIN oder EINSTEIN?
M 12 – Informations-Flut?
1. Fisch
Sufi-Story: Fische auf der Suche
2. Bedeutung
3. Wahrnehmung
4. Bedeutung entsteht
Oder: konkave Kreativität
It takes two to tango
5. Die Info-Flut beherrschen
Drei Arten von Informationen
Kategorie (Info-Typ) 1 und 2: Wesentlich oder Info-Müll?
Gegen den INFO-Terror beim Fernsehen
Kategorie (Info-Typ) 3: Update-Wissen
M 13 – Kreatives Schummeln
1. ABC-Listen, um schwierige Buchstaben zu „füllen“
2. KaWa.s: Der Buchstabe, den wir suchen, fehlt
M 14 – Lehrer-Modul
Die Noten
Assoziatives Denken in der Schule!
M 15 – LULL’sche Leitern und ROTAE
Attribute Gottes
Leitern
ROTAE
Die spezielle „Denke“ von LULLs LEITERN und ROTAE
M 16 – PICASSO et al.
Beispiel Nr. 1: Insektenart „Büffel“?
Zwischenspiel vor dem nächsten Beispiel
Beispiel Nr. 2: Bildauffassung bei den äthiopischen Me’em
Beispiel Nr. 3: Der Hühnerfilm
Beispiel Nr. 4: Die Frau von PICASSOs Mitreisenden
M 17 – Tapeten-Effekt
2. Ein-BIND-ung in den äußeren Kontext
Trockentraining konktra-produktiv?
8 Praktische Tips
M 18 – Unterschwellig?
Doppel-Konsequenz für unser inneres Archiv
Auf- und Ausbau des inneren Archivs
Praktische Nutzung des inneren Archivs
Das Unbewußte bewußt nutzen?
Fallbeispiel 1: Der Name liegt mir auf der Zunge
Fallbeispiel 2: Das kaum registrierte Büro
NØRRETRANDERs Fazit
Mein Fazit
M 19 – Das ZEIT-Paradox
Wodurch wird ein Vortrag langweilig?
Vorwort zu den Merkblättern
Merkblatt Nr. 1: Analograffiti für Quer-Einsteiger
Analograffiti
1. KaWa© (Wort-Bild)
Mini-Experiment
Noch eine Mini-Übung gefällig?
Stadt, Land, Quantenphysik!
ABC-Listen sind auch KaWa.s
2. KaGa© (Denk-Bild)
Oft verbindet ein Analograffiti KaWa.s mit KaGa.s
Merkblatt Nr. 2: 11 km contra 15 mm?
Merkblatt Nr. 3: Inneres Archiv
Das innere Archiv und die Schule
Merkblatt Nr. 4: Subliminale Wahrnehmungen
Mini-Abriß der geschichtlichen Entwicklung und Forschung
Europa
Amerika
Nochmal Europa
PLÖTZL-Effekt
Amerika: 1957 – die Atombombe der Psychologie!
Die Atombombe und ihr Fallout
Merkblatt Nr. 5: Von Mr. Rechts und Mr. Links zum analografischen Denken
Merkblatt Nr. 6: ABC-Listen (alphabetisch sortiert / deutsch)1
Zwei Bilinguale Listen
Merkblatt Nr. 7: Eingangstor in dieses Buch (früher Kapitel 1)
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Dies ist wieder ein Buch-Seminar. So führe ich die Tradition fort, die ich in den letzten Jahren begonnen habe. Sie entscheiden: Wollen Sie den Seminar-Charakter dieses Buches nutzen? Dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Es gibt nur ein einziges erstes Mal.
Sämtliche Experimente und Aufgaben in diesem Buch haben mindestens Inventur-Charakter, viele können danach auch als Trainings-Aufgaben weitergeführt werden (wie NACH DEM Seminar)! Sie sollen also nicht meinen „hehren Worten“ glauben, sondern Ihren eigenen Erfahrungen! Wichtig ist, daß Sie mit den in diesem Buch vorgestellten Techniken Ihre Lernfähigkeit, Intelligenz und Kreativität maßgeblich erhöhen können!
Wenn ich „die Schule“ sage, meine ich Regelschulen (in Industrie-Nationen). Das System verhindert intelligentes und kreatives (geniales) Denken weitgehend. Wer die Aufgaben in diesem Buch aufgreift, kann einigen typischen Effekten des Schulsystems entgegenwirken.
Das doppelte Leitmotiv dieses Buch-Seminars lautet:
1. Wie „bauen“ wir unser inneres Archiv auf/aus? (Stichwort: Lernen)
2. Wie nutzen wir es optimal? (Stichwort: Gedächtnis bzw. ZUGRIFF auf unser vorhandenes Wissen) Dies ist die Voraussetzung für Intelligenz und Kreativität, sogar Genialität (vgl. Modul 11, S. 213 ff.).
Das Ziel: Stärkung und (dramatische) Verbesserung unserer Fähigkeit zu denken, Probleme zu lösen, kreative neue Ideen zu entwickeln etc.
Schon mehrmals einige Minuten pro Tag bewirken einiges. Es ist wie beim Muskeltraining: Von nix kommt nix! Oder: Wer nichts tut, kann keine Fitneß erwarten, weder körperliche noch geistige.
Wer lernt, sein „inneren Archiv“ anzuzapfen, verbessert den Zugriff auf das eigene Wissen! Dieses Buch bietet sowohl Infos (aus der Forschung) als auch konkrete Techniken, um das Denken „anzukurbeln“ (analytisch wie kreativ) bzw. um besser zu lernen (vgl. z.B. Modul 8: Forschungsergebnisse über das Lernen, S. 153 ff.) und Prüfungs-Situationen (vgl. Modul 17: Tapeteneffekt, S. 272 ff.). Modul 8 ist übrigens eines der längsten und wichtigsten in diesem Buch, und auch heute, vier Jahre nach Erstveröffentlichung, sind diese Experimente (aus den 1970er und 1980er Jahren!!!) den meisten Lehrkräften noch immer unbekannt.
Aber die Forschung geht weiter. Da ich mich seit den 1960er Jahren für das Thema Lernen/Denken interessiere, liegt der Beginn meiner eigenen Lernkurve zu dieser Thematik weit zurück. Parallel dazu begann die Gehirnforschung in den 1990er Jahren regelrecht abzuheben, so daß auch hier die Wachstums-Kurve (Studien und Forschungs-Ergebnisse) steil anstieg. Ich lese neurophysiologische Neuigkeiten meist schon in dem Stadium, da sie „in der Fachpresse mehr versteckt als veröffentlicht werden“ (wie Wolfgang SCHMIDBAUER es einmal so brillant ausdrückte). Hatte ich neben ersten einfachen Lern- und Lehr-Techniken zwei Jahrzehnte lang primär an meiner Sprachlern-Methode gearbeitet (Vokabel-Pauken verboten) und diese erstmals 1986 veröffentlicht, so wuchs das „Lern-Thema“ auf mehreren Gebieten kontinuierlich weiter. Deshalb mußte „Stroh im Kopf?“ in der 3., 6. und 36. Auflage stark überarbeitet werden. Inzwischen entstanden weitere Bücher (z.B „Intelligente Wissens-Spiele“, „Trotzdem LEHREN“ und „Eltern-Nachhilfe“) sowie viele DVD-Live-Mitschnitte für Seminare im Wohnzimmer bzw. Büro zum Preis einer Kinokarte.
Jetzt sind einige Ergänzungen fällig. Da dieses Buch jedoch von vielen Kursleitern eingesetzt wird, baten mich diese, den Aufbau weitgehend so zu belassen, damit man alle Auflagen PARALLEL verwenden kann. Nun, das geht, und zwar wie folgt: Ich stelle einen Teil, der „ausgelagert“ werden kann, ins Internet und fülle die (in der gekürzten Einleitung und im gesamten ersten Kapitel) frei werdenden Seiten mit den ERWEITERUNGEN.
Das alte Kapitel 1 bot eine Reihe von Quiz-Aufgaben, die ins Buch führten. Sie befinden sich jetzt im Merkblatt 7 (S. 365 ff.). Das neue Kapitel 1 enthält wichtige Ergebnisse aus der aktuellen Gehirn-Forschung.
Bitte lesen Sie dieses INTRO plus Kapitel 1 und 2 linear (chronologisch, der Reihe nach). Es folgen die Module; den MODULAREN Teil des Buches können Sie in jeder gewünschten Reihenfolge angehen. Wenn Sie heute viel Zeit haben, nehmen Sie sich ein langes Modul vor. Andernfalls finden Sie viele Module, die man in einer kurzen „Sitzung“ erarbeiten kann. Merke:
Versuchen Sie, jede vorgestellte Technik, mindestens 10 Tage lang so oft wie möglich zu trainieren oder einzusetzen, damit Sie praktische Erfahrungen sowie ein Gefühl dafür entwickeln können.
Wir neigen leider dazu, die berühmte Katze im Sack vorschnell abzulehnen. Praktisches Experimentieren erlaubt es uns, die „Katze“ ein wenig kennenzulernen, ehe wir entscheiden, was wir von der Technik halten und ob wir sie ernsthaft einsetzen wollen.
Der Anhang enthält Merkblätter, auf die im Text verwiesen wird. Es steht Ihnen frei, sie zu lesen oder auszulassen; sie enthalten Material für Menschen, die etwas mehr in die Tiefe gehen möchten. Und zuletzt: Literatur und Stichwortverzeichnis.
Viel Ent-DECK-ungs-Freude und Faszination wünsche ich Ihnen!
PS: Nun, da die Marschrichtung klar ist, erhebt sich folgende Frage: Hoffen Sie auf eine Sänfte, in der Sie durch das Buch-Seminar „getragen“ werden (indem Sie nur lesen), oder sind Sie bereit, aktiv mitzumachen? Beweisen Sie es, indem Sie sicherstellen, daß Sie Schreibzeug griffbereit haben, ehe Sie umblättern.
Für alle, die Einleitungen prinzipiell überspringen: Machen Sie eine Ausnahme, es ist wirklich wichtig!2
Beginnen wir mit der Wahrnehmung. Wie NØRRETRANDERS (in „Spüre die Welt“) aufzeigt, haben Gehirne einen raffinierten Trick entwickelt, um die meisten Wahrnehmungen vom Bewußtsein fernzuhalten: Sie lassen die meisten Dinge, die gesehen, gehört, gerochen etc. werden, ins Unterbewußte „fallen“. Denn wenn alle Wahrnehmungen bewußt verarbeitet werden müßten, bliebe keine Energie übrig, um im Hier und Jetzt zu handeln. Faßt man die Sinneswahrnehmungen aller Sinnesorgane zusammen und berechnet den statistischen Durchschnitt, kann man als Denkmodell sagen: Auf 15 mm bewußte kommen 11 km unbewußte Wahrnehmungen.
Wir können eine ähnliche Berechnung für Gedanken und Erinnerungen anstellen. Denken Sie ans Autofahren: Einst schien es unmöglich, alle Vorgänge im Wagen (Kupplung treten, Gas geben, bremsen, den Wagen in der Spur halten, rechtzeitig blinken etc.) und außerhalb (wird der rote Wagen vor uns ohne zu blinken abbiegen?) zu koordinieren. Neben alledem muß man als FahrerIn die Richtung registrieren (wo kann ich abbiegen?). Vielleicht denkt man auch über das Gespräch nach, das man am Zielort mit jemandem führen muß, oder man lässt eine Situation im Geiste Revue passieren, die schon hinter einem liegt. Überdies läuft vielleicht auch noch das Radio bzw. der CD-/ Mp3-Player etc. und/oder man telefoniert.
Mit unseren Erinnerungen ist es ähnlich, und das soll dieses Denk-Bild symbolisieren: Stellen Sie sich eine Figur vor, deren Kopf 15 mm klein und deren Körper 11 km lang ist. Diese 11 km repräsentieren das Innere Archiv: 11 km unbewußte KATAKOMBEN, angefüllt mit Kisten, Kästen, Schubladen etc., die unsere Erinnerungen enthalten. Und nun stellen wir uns tausende von „Mitarbeitern“ vor, deren Aufgabe es ist, all diese Behältnisse geschlossen zu halten. Warum? Weil wir keine Straße überqueren könnten, wenn alles, was wir wissen, gleichzeitig präsent (= bewußt) wäre. Also hat die Natur einen Riegel „dazwischengeschoben“ und quasi 2 Kammern geschaffen: eine klitzekleine für das unmittelbare Verarbeiten eines Bruchteils unserer Wahrnehmungen, inkl. Gedankengängen und Erinnerungen, die hierzu nötig sind, sowie eben jene unbewußten KATAKOMBEN, in denen alle Gedächtnisinhalte lagern. Wollen wir darauf zugreifen, muss ein ABRUF erfolgen. Erst dann werden die metaphorischen Mitarbeiter aktiv. Wir sprechen im Buch an vielen Stellen über den Prozeß des Einspeicherns, den wir landläufig LERNEN nennen (wobei stupides Pauken nicht gehirn-gerecht ist). Aber wir sprechen auch darüber, daß die ART des ABRUFS (= die Art, wie wir versuchen, an Infos im Archiv „heranzukommen“) den Unterschied machen kann, s. Modul 2: Abruf-Reiz, S. 62 ff.).
Wollen wir unser 11-km-Archiv optimal nutzen, sollten wir etwas verstehen (es folgt ein kleiner, aber er-WEIT-erter Vorgriff auf das folgende Kapitel): Stellen Sie sich vor, Sie spielen Stadt-Land-Fluß: Jedesmal, wenn Sie spielen, zwingen Sie die Mitarbeiter, die für die Schubladen STÄDTE, LÄNDER und FLÜSSE zuständig sind, diese zu ÖFFNEN. Solange wir spielen, bleiben die Schubladen offen, nach dem Spiel gehen sie wieder zu. Wer länger nicht gespielt hat, merkt sehr wohl, daß die Aufgabe dieser Mitarbeiter darin besteht, die Schubladen geschlossen zu halten – man muß sie erst dazu bewegen, sie zu öffnen. Fragen Sie sich: Wie lange dauert es, bis sich die Schublade wieder schließt? Ihre Annahme?
3 Jahre
3 Monate
3 Wochen
30 Stunden
3 Stunden
3 Minuten
Dieser Neuro-Mechanismus ist übrigens der Grund, warum Leute „dümmer“ aus dem Urlaub zurückkommen: Es waren zu viele Schulbladen zu lange geschlossen (daraus ersehen Sie bereits, daß die Antwort wohl kaum 3 Jahre oder 3 Monate lauten kann, so lange dauern Ferien nicht). Bleiben 3 Wochen bis 3 Minuten – was meinen Sie? Wie lange bleibt die Schublade auf, wenn wir aufgehört haben, zu spielen oder über ein Thema nachzudenken?
Wenn ich Ihnen jetzt sage, daß auch die „Montagsautos“ durch diesen Neuro-Mechanismus ausgelöst werden, dann fallen auch die 3 Wochen weg. Somit ist klar, daß die Lösung ca. 30 Stunden lautet. Das ist ein statistischer Schnitt. Die genaue Zahl hängt u.a. davon ab, wie „geölt“ die Schublade ist: Wer regelmäßig Stadt-Land-Fluß spielt (bzw. über ein bestimmtes Thema nachdenkt), bekommt die Schublade schneller „auf“, und sie bleibt auch etwas länger offen. Wer hingegen nur einmal im Jahr spielt (z.B. immer am Kindergeburtstag), hat mehr Probleme, sie zu öffnen (muß also einige Runden spielen, ehe das Ziel erreicht ist). Und die Schublade schnappt schnell wieder zu, so daß ein Spielen am Folgetag ebenfalls „mühselig“ beginnt. Hierzu gleich ein praktischer Tip: Wer die ABC-Technik (s. Kap. 2, ab S. 45) zum regulären Denk-Tool macht, kann folgenden Schubladen-Trick einsetzen:
Wenn Sie wollen, daß bestimmte Schubladen länger aufbleiben, legen Sie zwischendurch ein schnelles ABC an (1 Minute reicht!).
Wenn Sie diesen Trick anwenden, zwingen Sie den Mitarbeiter, die Schublade zu öffnen. Wer ein Thema auf diese Weise zwischendurch immer mal kurz „andenkt“, macht echtes Nachdenken viel ergiebiger. Bedenken Sie auch, daß Sie dadurch die Menge der Assoziationen vergrößern. Und unsere Assoziationen sind die Magnete, die weitere Schubladen (quasi per Fernbedienung) öffnen, so daß wir immer mehr Ideen produzieren können.
Noch ein guter Rat: Selbst die besten Kreativitäts-Techniken können nur dann funktionieren, wenn unsere Assoziations-Fertigkeit trainiert ist. Deshalb beginnen wir (im nächsten Kapitel) mit dem einfachen ABC. Später lernen Sie Möglichkeiten kennen, mit vorhandenen Listen zu spielen (z.B. im Sinne der LULL’schen Leitern, S. 256 ff.), aber das ist schon eine fortgeschrittene Übung.3 Wer damit anfangs Probleme hat, ist in guter Gesellschaft. Aber auch hier gilt: Übung macht den Meister, wenn man bereit ist, die berühmte Katze im Sack (s. S. 14, oben) kennenzulernen. Deshalb hierzu noch eine Zahl: Manchen fällt es leichter, eine bestimmte Anzahl von Tagen hintereinander zu trainieren (s. Merksatz S. 14), während andere eine konkrete Zahl an Experimenten angenehmer finden, um eine neue Technik zu lernen, mit der man sich eingangs noch „schwertut“. Gehören Sie zu letzteren, hier mein Vorschlag: Legen Sie eine Checkliste an und machen Sie 30 Versuche. Dann haben Sie das Schlimmste hinter sich, sehen erste Fortschritte, die zum Weitermachen motivieren.
Ursprünglich stellte man die Frage nach der Intelligenz meist so: „Ist sie angeboren oder erworben?“ Man postulierte zwei Faktoren – Genetik und Umwelt. Der amerikanische HARVARD-Professor Dave PERKINS jedoch kam (nach 40 Jahren Forschung) zu einer faszinierenden neuen Erkenntnis: Wir brauchen drei Aspekte, um Intelligenz „fassen“ zu können. Dabei ist der erste angeboren und unveränderlich (solange wir keine Drogen nehmen), aber die beiden anderen können wir lebenslang beeinflussen und verändern, d.h., wir können unsere Intelligenz lebenslang nachhaltig verbessern. Deshalb nennt PERKINS sein bahnbrechendes Konzept LERNBARE INTELLIGENZ. Diese hat mit dem, was der sogenannte I.Q.-Test mißt, nichts zu tun (beim I.Q. geht es um „Schulfähigkeit“, also darum, ob man pauken und gute Noten schreiben kann).4
PERKINS ist gegen dieses enge Konzept von Intelligenz, darum nannte er sein Buch (das leider nie ins Deutsche übersetzt wurde): „OUTSMARTING I.Q.“ (Das könnte man mit „Den I.Q. austricksen“ übersetzen.) Sehen wir uns seine drei Faktoren an und fragen uns, wie intensiv wir bereit wären, an Faktor 2 und 3 zu „drehen“.
Es geht um die angeborene neuronaleGeschwindigkeit, um das Tempo, mit dem unsere Neuronen feuern. Neuronal langsame Menschen tun sich mit NEUEM schwer (können aber, aufgrund des zweiten Faktors, später genauso schnell denken wie neuronal schnelle). Wir müssen zwei Dinge bezüglich des ersten Faktors verstehen, damit wir von PERKINS’ Erkenntnis profitieren können:
1. Das neuronale Tempo ist ANGEBOREN, kann also nicht verändert werden. Dieser Faktor ist nur teilweise identisch mit der sogenannten „Reaktionszeit“ (wie schnell können Sie z.B. einen Knopf drücken, wenn die Lampe aufleuchtet?). Es gibt zeitweise Eingriffsmöglichkeiten durch Chemie, aber langfristig ändern sie nichts. Es geht hierbei vor allem um die Geschwindigkeit, mit der wir NEUES verarbeiten. Nun gibt es zwei Arten von NEUEM: a) NEU-NEU und b) NEU-ANDERS. Damit meinen wir ÄNDERUNGEN, die sich ergeben, wenn jemand uns z.B. kurzfristig mitteilt, daß er unseren Termin stornieren oder verschieben will, oder wenn wir den Umgang mit einem neuen Textverarbeitungsprogramm lernen müssen, bei dem sich gegenüber dem alten nur einige Aspekte geändert haben. Die NEU-ANDERS Aspekte sind immer dann besonders störend, wenn sie ALTE AUTOMATISMEN (d.h. vorhandene Nervenbahnen) „angreifen“, die nun UMGELERNT werden müssen.
2. Wir schließen immer von uns auf andere, deshalb können Eltern, Lehrkräfte und Chefs hier viel kaputtmachen. Wer von der neuralen Geschwindigkeit nichts weiß, hält in der Regel sein eigenes Tempo für „gottgegeben“ („normal“) und kann andere verrückt machen, die mit Neuem langsameroderschneller umgehen, als man selbst. Egal ob die Kinder eigene oder SchülerInnen sind, die uns anvertraut wurden (bzw. später im Leben MitarbeiterInnen): Lernen Sie, das TEMPO anderer zu respektieren!
Bevor wir zum 2. Faktor kommen, eine kleine Quizfrage: Wann können neuronal Langsame schneller denken als neuronal Schnelle? Was glauben Sie?
Bitte denken Sie mit: Wenn neuronal Langsame beiNeuem langsam/er werden, müßten sie bei bereits Bekanntem schneller werden, richtig? Richtig. Hierin liegt das Geheimnis, warum es neuronal Langsame gibt, die (wie ich) trotzdem sehr schnell sprechen können. Aber das Tempo spiegelt immer auch die Vertrautheit mit dem Thema wider (wie lange/oft man davor bereits in Ruhe darüber nachgedacht hat). Jetzt können wir PERKINS’ 2. Faktor angehen.
Hier geht es um Dinge, die wir gelernt haben, und zwar sowohl im Sinne von Wissen (das wir im „Kopf“ spazierentragen) als auch im Sinne von Fertigkeiten (d.h. HAND-lungen und Verhalten wie Ball- oder Klavierspielen, kochen, Englisch sprechen, eine LAN-Party planen etc.). Es gelten zwei Regeln:
1. Je mehr wir wissen und können, desto SCHNELLER können wir denken, sprechen, reagieren. Das heißt, desto intelligenter wirken wir.
2. Je mehr wir wissen und können, desto LEICHTER können wir hinzulernen. Wer schon etwas über Biologie weiß, tut sich mit Chemie leichter als jemand, der noch gar nichts weiß (und umgekehrt). Was immer wir lernen, ist Teil unseres Wissens-Netzes und hilft,NEUES„einzuhaken“.
Da viele Menschen LERNEN mit PAUKEN verwechseln, lassen Sie uns unmißverständlich klarstellen:
Nur was wir begriffen haben, kann uns helfen, etwas (die Welt, ein Thema, ein Gedicht etc.) zu „durchdenken“ und zu verstehen. Und nur Verstandenes wird langfristig Teil unseres Wissens-Systems. Alles andere (z.B. gepaukte Infos) kann nicht in unser inneres Archiv „eingebunden werden“ und ist vergebliche Liebesmüh. Es mag kurzfristig reichen, um eine Prüfung zu bestehen, aber später wissen wir nichts, weil es nie Bestandteil unseres Wissens-Netzes wurde. Wie gesagt:
Je mehr wir wissen, auf destomehrInfos (Daten, Fakten, Erfahrungen etc.) können wir zurückgreifen, wennwir denkenwollen. Deshalb macht mehr Wissen unsintelligenter!
Das ist das Hauptanliegen dieses Forschers, deshalb spricht PERKINS von lernbarer Intelligenz! Die neue Gehirnforschung zeigt: Es ist nie zu spät. Wir können auch im hohen Alter noch beginnen, zu lernen, und das ist es, was unser Gehirn auf Trab bringt (vgl. NEUROGENESE, S. 39 ff.).
PERKINS nennt den dritten Aspekt reflexive Intelligenz. Damit meint er unsere Fähigkeit, über unsere eigenes Denken zu reflektieren, also über die Methoden Strategien, Techniken (wie wir denken, lernen, Probleme lösen etc.) nachzudenken! Dies ist sein großer Geniestreich: Indem wir die Methode ändern, ändern wir die Ergebnisse!
Interessanterweise tut man das in allen Bereichen des Lebens, mit Ausnahme des Schulsystems. Wenn jemand erfährt, daß ein Nachbar einen Trick gefunden hat, mit dem man besser GRILLEN kann, will er diesen Trick ebenfalls LERNEN und anwenden, er will also INTELLIGENTER GRILLEN. Hört jemand von einem Kollegen, der etwas geschafft hat, das ihm bisher nicht gelungen ist, dann möchte er wissen, wie der Kollege das gemacht hat (und hofft, daß dieser es ihm verraten wird). Bekommen Sie mit, daß eine Freundin nach der Birkenbihl-Methode Fremdsprachen lernt und daß dabei Vokabel-Pauken VERBOTEN, Grammatik jedoch erlaubt (aber nicht nötig) ist, könnte Sie das doch interessieren? Insbesondere wenn Ihnen die Freundin verrät, daß sie in der Schule immer dachte, sie hätte absolut kein Sprachtalent. Nun sind Sie neugierig, richtig? Es ist auch sinnvoll, neugierig zu werden. Überall, auch im Geschäftsleben, wollen Leute erfahren, wie andere Dinge besser machen. Dementsprechend ist das Hauptziel der meisten Seminare, geeignete Patent-Rezepte (Techniken, Methoden, Strategien etc.) anzubieten… Diese Neugier führt sogar dazu, daß Firmen neue Methoden, Technologien, Erfindungen etc. absichern (Patente) und regelrecht verstecken (Pläne im Safe) müssen, weil die Konkurrenz sie sonst nachahmen und ähnlich erfolgreich werden würde.
Und die Schule? Da kümmert sich kaum jemand darum, was an Privatschulen oder in Pilotprojekten so gut „funktioniert“, daß sogar sogenannte SchulversagerInnen es zum Abitur bringen. Man beachtet nicht, daß SchülerInnen, die ein Instrument spielen, in allen Fächern besser werden, weil das regelmäßige Üben eine positive Wirkung auf die Lernfähigkeit im allgemeinen hat (vgl. NEURO-GENESE, S. 39 ff.). Hinzu kommt, daß das Spielen im Orchester die soziale Kompetenz stärkt. Ebenso kümmert es im Schulbereich niemanden, daß sich Theater-Projekte international bewährt haben. Hier können die „Stillen“ im Hintergrund wirken (z.B. als Beleuchter, Kulissenmaler, Kostümdesigner, Regieassistenten etc.), während andere kleinere oder größere Rollen auf der Bühne übernehmen, das Drehbuch erarbeiten, das später zu druckende Programm erstellen etc. Auch hier lernen SchülerInnen einmal pro Jahr, wie es ist, Teil eines großen Projekts zu sein. Und auch diese Aktivitäten strahlen auf die Lernleistungen im allgemeinen aus. Sie stärken das Wir-Gefühl der SchülerInnen und LehrerInnen, das Wir-Gefühl aller Schulmitglieder (gegen die Welt da draußen), das Wir-Gefühl von Schule und Eltern etc. Ich könnte das ganze Buch mit Ideen füllen, die Schulen bei uns NICHT aufgreifen, weil sie PERKINS 3 nicht kapiert haben: Wechsle die Methode und werde INTELLIGENTER! Oder in diesem Fall: Wechsle die Methoden und mache Kinder, SchülerInnen, MitarbeiterInnen intelligenter…
Denken Sie an SPAGHETTI:
1. Sie bestellen Spaghetti im Restaurant.
2. Sie essen Spaghetti. Frage: Wie essen Sie diese? Wickeln Sie die Spaghetti auf einem Löffel, direkt auf dem Teller oder essen Sie sie anders?
3. Sie beobachten einen Mitmenschen, der Spaghetti genauso ißt, wie Sie das immer tun. Oder Sie beobachten eine Person, die keine Ahnung hat, wie sie mit den Spaghetti umgehen soll.
Nun stellen Sie sich vor, was in Ihrem Gehirn passiert: Es gibt bestimmte Neuronengruppen, die immer dann aktiviert werden, wenn wir etwas TUN, SEHEN oder an etwas DENKEN. Nennen wir sie unsere SPAGHETTI-NEURONEN-Gruppe. Sie begann zu entstehen, als wir zum ersten Mal in unserem Leben jemanden Spaghetti essen sahen, auch wenn wir uns daran nicht mehr erinnern können. Bei uns zu Hause mochten alle Spaghetti, und zwar ausschließlich die lange Variante. Diese wurden ohne Löffel gewickelt, also muß ich meine Eltern schon als kleines Kind immer wieder beim Spaghetti-Wickeln beobachtet haben. Zu diesem Zeitpunkt bekam ich selbst vielleicht noch Brei oder man schnitt meine Spaghetti noch klein – ich erinnere mich nicht. Aber irgendwann muß ich begonnen haben, meine Spaghetti selbst zu wickeln. Die Variante ohne Löffel ist zunächst schwieriger, weil die Gabel gerne auf dem glatten Teller herumrutscht, insbesondere wenn man Spaghetti con burro ißt, die ja sehr glatt sind. Das ist schon eine Leistung, wenn man das als Kind lernt. Von diesem Lernprozeß habe ich allerdings keine Ahnung, weil ich zu klein war.
Einmal angelegt, werden diese SPAGHETTI-NEURONEN Zeit meines Lebens feuern, wenn ich Spaghetti esse. Zudem werden sie auch jedesmal dann aktiviert, wenn (s. oben) ich eine Person beobachte, die Spaghetti ißt, oder wenn ich nur daran denke (beim Lesen der Speisekarte). Und sie feuern, wenn jemand das Wort „Spaghetti“ erwähnt. Aber was passiert, wenn jemand eine andere Variante „spielt“? Wenn wir also jemanden sehen, der seine Spaghetti auf dem Löffel wickelt? Einerseits feuert unsere SPAGHETTI-NEURONEN-Gruppe, weil Spaghetti im Spiel sind, andererseits reagieren wir mit einer gewissen … Ist es Neugierde? Frust? Verwirrung? Überraschung? Faszination? Es kann alles sein. Frage: Wovon hängt das ab? Antwort: Von verschiedenen Faktoren, beispielsweise unserer ERWARTUNG (aufgrund früherer Erfahrungen), unserer heutigen STIMMUNG oder inwieweit wir vorher bereits INTERESSIERT oder FRUSTRIERT waren, als es passierte.
Nun nennt man diese Neuronen in Wirklichkeit nicht Spaghetti- sondern SPIEGEL-NEURONEN. Sie erlauben es uns, die Welt zu „spiegeln“, und das beginnt direkt nach der Geburt: Beobachten Sie eine Mutter, die ihr Kind anlächelt, und Sie sehen erste „Lächel-Bewegungen“ im Gesicht des Neugeborenen. Bald kann es einen weit aufgerissenen Mund nachahmen, wenig später beherrscht es die Mimik, dann die Gestik, letztlich ganze Verhaltensweisen. Deshalb heißen sie Spiegel-Neuronen. Man fand sie durch Zufall Anfang der 1990er in einer wissenschaftlichen Einrichtung in PARMA, Italien, als man überprüfte, wann welche Neuronen-Gruppen bei Menschenaffen „aufleuchten“. Man hatte eine Neuronen-Gruppe etabliert, die aktiviert wurde, wann immer der Affe eine Nuß nahm, als man zufällig bemerkte, daß diese Nuß-Gruppe ebenfalls leuchtete, als der Affe einem (menschlichen) Versuchsleiter ZUSAH, wie dieser die Nuß an eine andere Stelle bewegte (für das nachfolgende Experiment). Das widersprach allen Erwartungen (im letzten Abschnitt sehen wir ein weiteres Thema, bei dem man jahrzehntelang an einer völlig falschen Vorstellung über das Gehirn festgehalten hatte). Die Wissenschaftler (RIZZOLATI und sein Team) begannen dem Effekt sofort systematisch nachzugehen und lernten dabei das, was wir oben schon gesagt haben: SPIEGEL-NEURONEN feuern, wenn wir etwas selbst tun, wir jemanden beobachten, der es tut, aber auch wenn wir nur daran denken bzw. wenn jemand es erwähnt. Das hat gravierende Konsequenzen für den Alltag:
• Wiewohl LERNEN DURCH ZUSEHEN (Spiegel-Neuronen anlegen) und NACHAHMEN zu den besten LERNWEGEN gehört, gibt es in der Schule nur wenig, was auf diese Weise gelernt werden kann. Warum? Draußen, außerhalb der Schule lernen Kinder immens viel auf diesem Weg, auch komplexe Dinge. Warum also nicht auch im Klassenzimmer?
• Alle Menschen sind füreinander Vorbilder und Modelle, ob sie wollen oder nicht. Chefs, die ihre Mitarbeiter anschnauzen, gleichzeitig aber einen höflichen Tonfall gegenüber Kunden fordern (!!!), wirken nicht nur unglaubwürdig, sondern erzwingen durch ihr VERHALTEN genau den „Anbau“ jener Spiegel-Neuronen, die sie eigentlich gar nicht wollen.
• Wenn die Natur diese SPIEGEL-NEURONEN „erfunden“ hat, um es uns zu erleichtern, unser Verhalten an dem der anderen auszurichten (für Gruppen-Konsens), dann ist klar, wie STARK diese Mechanismen sein müssen und daß sie im Zweifelsfall unbewußt wirken.
In der Zukunft werden diese speziellen Neuronen einige der „alten“ Fragen in Physiologie, Psychologie, Soziologie und Marketing in einem anderen Licht erscheinen lassen. Die Forschung steht hier noch am Anfang, aber für unseren Alltag können wir bereits einige wichtige Infos ableiten. Übrigens unterscheide ich zwei Arten von SPIEGEL-NEURONEN. Zwar werden sie im allgemeinen noch in „einen Topf“ geworfen, aber ich postuliere zwei verschiedene Typen:
1. EMPATHIE: sich in jemanden ein(=em)fühlen(pathie) können
2. HAND-lungen (Verhalten, Fertigkeiten, Kompetenz-Bereiche)
Kinder, in deren Zuhause niemand ANTEIL NIMMT, FREUDE AUSDRÜCKT, „LIEB IST“, TRÖSTET etc., werden wenig EMPATHIE erleben und demzufolge wenig Empathie-Spiegel-Neuronen anlegen. Und wenn niemand LIEST, SCHREIBT, MUSIZIERT, MALT, TANZT, BILDHAUERT, RECHNET, PROBLEME LÖST etc., werden Kinder abertausend mögliche SPIEGEL-NEURONEN NICHT entwickeln.
Ich plädiere dafür, SPIEGEL-NEURONEN für Emotionen (die den Grad an E.Q. oder sozialer Kompetenz bestimmen) und die für Verhaltensweisen zu TRENNEN (zumindest gedanklich). Lassen Sie mich dies anhand einer Szene aus einem Roman (den ich gerade schreibe) illustrieren (der SPÄHER führt das Interview).
SPÄHER
Würde diese Fähigkeit zum Spiegeln … die soziale Kompetenz einer Spezies bzw. einer Gruppe verbessern?
NOBODNY
Genau. Allerdings halten viele Forscher die
emotionale
Komponente für die einzige bzw. für die wichtigere. Dabei wird die Fähigkeit, Verhalten zu spiegeln, gern als weniger wichtig eingestuft, aber ich meine,
man muß beide Spiegeltypen parallel und getrennt sehen
.
SPÄHER
Wieso?
NOBODNY
Erstens, weil ich davon ausgehe, daß es eine genetische Disposition geben kann, die jemanden eher in die eine oder die andere Richtung „prädestiniert“. Zweitens, weil ich glaube, daß beide
separat trainierbar
sind. Ein Kind aus einem emotional armen Elternhaus kann dort möglicherweise viele Tätigkeiten und Fertigkeiten lernen oder viele Aspekte einer komplexen Kunst, ohne emotional gute Vorbilder zu haben…
SPÄHER
… wenn z.B. ein emotional armer Mann ein bedeutender Kunsthandwerker wäre und der Sohn viel durch Zuschauen und Nachahmen lernt und letztlich durch selbständiges Handeln in die nächste Generation trägt.
NOBODNY
Richtig. Und das Gegenteil ist genauso denkbar. Es kann ein emotional sehr differenzierter Mensch ziemlich unfähig sein zu handeln, d.h. nur emotional den SPIEGEL-NEURONEN seines Kindes Reaktionen bieten, die imitiert werden können.
SPÄHER
Dann würden Sie also NICHT sagen, daß Familienmitglieder Emotionen und Handlungsvorschläge normalerweise in einem Verhältnis von etwa 50:50 bieten?
NOBODNY
So ist es. Ich weiche hier von der herrschenden Meinung ab. Aber es gibt ein Modell aus der Management-Theorie, das dies illustrieren kann. Kennen Sie BLAKE und MOUTON’s Management-Grid?
SPÄHER
Vor langer Zeit einmal gelesen, bitte frischen Sie meine Kenntnisse auf.
NOBODNY
Gerne. Denken Sie an ein Quadrat, das aus 9 Quadraten besteht. Können Sie sich das vorstellen?
SPÄHER
Ja.
NOBODNY
Jetzt denken Sie sich die linke senkrechte Linie als einen Pfeil nach oben. Oben stehen Leute. Verstehen Sie, was ich meine?
SPÄHER
Ja, ich beginne mich auch wieder zu erinnern. Je weiter nach OBEN in dem Modell wir kommen, desto wichtiger werden LEUTE, d.h. die BEZIEHUNGEN zu anderen Menschen. Aaah, ich sehe die Parallele: es ist die EMOTIONALE Komponente.
NOBODNY
Genau. Und wenn wir die untere Linie nach RECHTS fortführen, bewegen wir uns in Richtung PRODUKTION oder LEISTUNG.
SPÄHER
Also das, was wir vorhin als Tätigkeit, Fertigkeiten etc. beschrieben haben. Konkretes Handeln irgendeiner Art.
NOBODNY
Richtig. Nun gibt es 9 Quadrate, und das Modell wurde ursprünglich (in den 1970er Jahren) als Management-Modell erarbeitet. Der perfekte Manager wäre dann…?
SPÄHER
9.9. Höchster Wert für emotionale und höchster Wert für Handlungs-Kompetenz.
NOBODNY
Ganz genau. Und extrem rar.
SPÄHER
Leuchtet ein. Und die Norm läge bei 5.5?
NOBODNY
Aber nur rein theoretisch. Vergleichbar mit der Tatsache, daß ein Ehepaar statistisch gesehen 1, 3 Kinder bekommt. Aber es gibt kein 0, 3-Kind im realen Leben.
SPÄHER
Verstehe. Und was ist REAL? Gibt es da Studien?
NOBODNY
Was die Zahlen eindeutig zeigen, ist, daß so gut wie jeder Mensch zu der einen oder anderen Seite neigt, manche nur wenig, manche mehr, manche extrem. Man ist also entweder eher Leute-orientiert oder eher auf Handlungen, Tätigkeiten, Leistung angelegt. Je ausgeprägter die eine Richtung, desto schwächer die andere.
SPÄHER
Gibt es dafür eine Erklärung?
NOBODNY
Keine offizielle, aber ich hege seit langem den Verdacht, daß es eine Menge von 100% gibt, die verteilt werden kann. Braucht jemand mehr als, sagen wir einmal 60% auf der einen Seite, hat er eben nur noch weniger als 40% auf der anderen.
SPÄHER
Leuchtet ein.
NOBODNY
Nun, mit den SPIEGEL-NEURONEN haben wir möglicherweise
die neurophysiologische Basis meiner Hypothese
. Nehmen wir an, es gibt eine fest definierte Menge an möglichen Spiegelneuronen. Nehmen wir weiter an, diese Menge sei
genetisch
festgelegt. Dann würde es doch einleuchten, daß sämtliche Spiegel-Neuronen, die, sagen wir EMOTIONAL genutzt werden, für HANDLUNGEN nicht zur Verfügung stehen und umgekehrt…
Was ich damit sagen will, ist u.a.: Es gibt Menschen, die emotional eher auf Menschen ausgerichtet sind. Inwieweit dies eine angeborene Disposition darstellt oder den Entwicklungen im Mutterleib vor der Geburt zuzuschreiben ist, sei dahingestellt. Nun hat der Mensch seine Präferenzen entwickelt. In meinem Buch „Birkenbihl on Service“ berichte ich im letzten Kapitel über eine Altenpflegerin, die mit den von den Gesundheitsreformen erzwungenen Maßnahmen nicht klarkommt. Die Idee, für das „Verfüttern“ eines Tellers Suppe laut Liste maximal 3 Minuten benötigen zu dürfen (und später 90 Sekunden für das Eintragen dieser Tätigkeit vergeuden zu müssen), ist für sie einfach entsetzlich. Sie ist mehr in Richtung „Leute“ gepolt, und deshalb ist ihr die Fließband-Mentalität jener Reformer zuwider. Das spricht gegen alles, was sie einst motivierte, Altenpflegerin zu werden. Im Gegensatz dazu hat einer meiner Coaching-Klienten, ein Programmierer, der am liebsten in seinem Mini-Büro sitzt und von niemanden angesprochen wird, das umgekehrte Problem: Andauernd wollen seine Kollegen (seit man aus Kostengründen die Telefonzentrale wegrationalisiert hat) ihre Telefone auf seinen Apparat umstellen, wenn sie außer Haus Termine wahrnehmen. Er ist so verzweifelt, daß er einen „nervösen Magen“ entwickelt hat und sein Arzt ihm dringend rät, das Problem zu lösen, wenn er wieder gesund werden will.
Wenn also Chefs, Eltern, Kundenberater, Lehrkräfte etc. mehr von diesen Dingen wissen, können sie bessere Strategien entwickeln, so daß im täglichen Miteinander weniger Leute verlieren und mehr gewinnen…
Dieses Denk-Modell gehört zu den grundlegendsten der letzten Jahre (ich habe das Grundmodell anläßlich der 3. Auflage von „Trotzdem LEHREN“ erstmals schriftlich erwähnt). Es besteht aus zwei Stufen: Das Grundmodell ist extrem einfach und leuchtet sofort ein, der zweite Teil ist eine methodische Hilfestellung für Lehrende.
Der Lernberg beschreibt eine Art des Lernens, nämlich den Erwerb von Fertigkeiten, d.h. die zunehmende Fähigkeit, bestimmte HAND-lungen auszuführen. Von einfachen Tätigkeiten (Spiegelei braten) über komplexe (Tennis, Bogenschießen, Skilaufen oder das Spielen eines Musikinstruments) bis hin zu hochkomplexen Tätigkeiten aller Art (z.B.: dem „Lesen“ eines Röntgenbildes). Nun wird in der Schule das Erwerben von HAND-lungen oft mit Theorie verwechselt: Wir lehren Naturwissenschaften als theoretisches Wissen und Fremdsprachen über isoliertes Vokabel-Pauken und Grammatik-Regeln. Leider erhöht dies die Fähigkeit, fremdsprachlich zu agieren (verstehen, sprechen, lesen, schreiben, diskutieren, verhandeln, telefonieren etc.) nur minimal. Dies löst das Gefühl aus, man sei für das Fach nicht besonders geeignet oder begabt.
In diesem Zusammenhang sollte man registrieren, daß im deutschen Sprachraum mit Abstand das meiste Geld für Nachhilfe in SPRACHE/N (= Muttersprache und Fremdsprachen) ausgegeben wird. Leider „versagen“ die meisten SchülerInnen, die sitzenbleiben, in mindestens einem sprachlichen Fach. Sie bekommen also für den Rest ihres Lebens einen unnötigen Versager-Stempel aufgedrückt. Nicht weil sie das Fach nicht hätten meistern können, sondern weil das Schulsystem viele TÄTIGKEITEN so lehrt, als handle es sich um theoretisches Wissen. Studien zeigen: Sitzenbleiber haben im Folgejahr KEINE BESSEREN NOTEN in den Fächern, deretwegen sie „zurückgestellt wurden“ (angeblich, um in diesen Fächern aufholen zu können). Deshalb sollte man sich wirklich fragen, was noch alles passieren muß, bis man das System hinterfragt, statt die Schuld den Opfern zu geben.
Das Grundmodell des Lernbergs möchte zwei Dinge ein für allemal klarstellen:
1. Das Erlernen von Tätigkeiten ist grundsätzlich etwas anderes als das von theoretischem Wissen. Deshalb illustrieren wir die einzelnen SCHRITTE mit dem Bild eines (Lern-)BERGS, den es zu erklimmen gilt. Unten befinden sich die EINSTEIGER (Anfänger), dann folgen diverse FORTGESCHRITTENEN-Level, gefolgt von PROFI- und/oder EXPERTEN-Leveln, und ganz oben in der Spitze finden wir echte MEISTER!
2. Das Erlernen von Tätigkeiten aller Art muß immer im untersten Level („Erdgeschoß“) beginnen.
Leider neigen viele Lehrer jedoch dazu, im 1. Stock „einzusteigen“. Das heißt, der Anfänger sitzt alleine im Erdgeschoß, während oben, „über seinen Kopf hinweg“, unterrichtet wird. Und wenn er/sie den Stoff nicht versteht, scheint er/sie auch noch „schuld“ zu sein! Das muß aufhören! Fallbeispiel: Heute möchte die Lehrkraft eine Grammatik-Übung zum Genitiv durchführen. Die Kinder bekommen Wortgruppen (z.B. Vater + Hut) und sollen Genitive (des Vaters Hut) bilden. Kinder aus bildungs-NAHEN Familien können das auch, was bei Lehrern den irreführenden Eindruck weckt, die Aufgabe sei lösbar – also muß an den Kindern, die nicht mithalten können, etwas „falsch“ sein. Hat ein Kind zu Hause außer „dem Vater sein Hut“ noch nie etwas anderes gehört, bedeutet diese Art von Unterricht, daß man wieder einmal im 1. Stock unterrichten will und damit die so wichtigen ERSTEN SCHRITTE der Kinder aus weniger bildungsfreundlichen Milieus (und das sind leider die MEISTEN) verhindert. Es ist erschreckend, wie viele Lehrer (von denen, die in unsere Seminare kommen) dies als echte „Neuigkeit“ empfinden!
Also lehrt das Grundmodell erstens, den Lern-BERG als Modell für SCHRITTWEISES VORGEHEN zu nutzen, und zweitens, daß jeder Versuch, „zu hoch“ einzusteigen, für viele Kinder tödlich ist. Ein weiterer dadurch ausgelöster Fehler betrifft Kritik: Im Einsteigerbereich darf KEINERLEI KRITIK stattfinden! Erst ab dem FORTGESCHRITTENEN-LEVEL kann man VORSICHTIG KRITISIEREN. In höheren Leveln schließlich wird jede KRITIK WILLKOMMEN sein, denn inzwischen weiß der Lernende genug, um die Kritik einordnen zu können, ohne daß sie sein Selbstwertgefühl angreift.
Mache ich z.B. meine ersten krakeligen Versuche chinesischer Schriftzeichen und es bemängelt jemand jedes Fehlerchen, dann verliere ich bald die Lust. Beherrsche ich aber die ersten 200 Zeichen, habe ich bereits genug Erfahrung gesammelt und kann differenzierte KRITIK sehr wohl WERTSCHÄTZEN. Wenn Sie mir JETZT erklären, daß ich beim Zeichen für „Ich“ den oberen linken Anstrich immer zu lang mache, wird mir EIN KURZER Blick auf die Vorlage sofort ZEIGEN, was Sie meinen. Leider versuchte jemand, mir dies zu erklären, als ich noch ganz am Anfang stand. Ich begriff damals absolut nicht, worauf er hinauswollte (und verlor darüber beinahe die Lust). Deshalb habe ich mich später dann lieber alleine weitergebildet! Ich konnte damals die Unterschiede, von denen er sprach, noch gar nicht wahrnehmen!
So ist es mit allen Dingen: Wir müssen ein erstes Gefühl, einen Blick, ein Gespür etc. entwickeln, und das geschieht im Einsteiger-Bereich. Erst danach können wir in die Fortgeschrittenen-Level aufsteigen. Und weil es so schwierig ist, UNTEN einzusteigen, habe ich hierzu die folgende Ergänzung entwickelt: Wir heben den LERNBERG gedanklich HOCH und schauen, was sich darunter befindet, da wir ja UNTEN EINSTEIGEN müssen. Merke:
Ein SPIEL-erischer Einstieg „unten“ wird auch von jenen, die schon etwas mehr wissen, nicht übelgenommen.
Aber an einem Einstieg zu hoch oben leidet die Mehrzahl der SchülerInnen, und das löst den Streß aus, unter dem die LehrerInnen dann ebenfalls leiden, und so schaukelt es sich hoch. LehrerInnen erwarten zuviel von SchülerInnen, die dumpf ahnen, daß sie die Hilfe, die sie benötigen, nicht erhalten – was sie den nicht helfenden LehrerInnen irgendwann verübeln. Ab diesem Zeitpunkt beginnt das GEGENEINANDER und der Streß im Klassenzimmer. Wenn wir aber lernen, UNTEN einzusteigen, haben alle eine faire Chance. Und: Es macht Freude (lehren wie lernen), also eine Win-win-Situation!
Stellen wir uns vor, wir heben den Lernberg hoch und blicken auf den „Abdruck im Sand“. Wir sehen OBEN („Norden“) die Nummer I, UNTEN („Süden“) die Nummer II; RECHTS („Osten“) die Nummer III und LINKS („Westen“) die Nummer IV.5
Wenn Sie ein wenig AKTIV ARBEITEN möchten, legen Sie ein Blatt an, zeichnen Sie die Raute des „Abdrucks im Sand“ in die Mitte und notieren peu à peu Infos zu den einzelnen Aspekten. Indem Sie die Abbildung selbst erstellen, merken Sie sich das Wesentliche besser und können den Prozess der AKTIVEN MITARBEIT für Lernende testen…
Es gibt inzwischen zwei BALL-IM-TOR-EFFEKTE (in „Trotzdem LEHREN“ wurde nur einer vorgestellt, es ist Typ I). Was meine ich damit? Wenn Sie lernen, einen Elfmeter ins TOR zu schießen, denn SEHEN Sie bei jedem Schuß, ob der Ball im Tor landet. Das gleiche gilt für andere Ballspiele (ist der Basketball im KORB bzw. der Golfball im LOCH?) sowie für viele andere Sportarten (ist der Pfeil im ZIEL?). Unser Gehirn ist neurologisch darauf vorbereitet, sehr schnell zu registrieren, was bei einem derartigen Lernprozeß geschieht. Für optimales Lernen ist es deshalb wichtig, innerhalb von ca. 3 Sekunden Feedback zu erhalten. SchülerInnen erlernen natürlich lieber BALL-IM-TOR-EFFEKT-Tätigkeiten (inkl. Computerspiele), bei denen das unmittelbare Feedback Erfolgserlebnisse schafft, als typische Lern-Tätigkeiten ohne BALL-IM-TOR-EFFEKT. Denken Sie z.B. an das RECHNEN (von den vier GRUNDRECHENARTEN über BRUCHRECHNEN bis hin zum INTEGRALRECHNEN). Es bietet in der Regel keinen BALL-IM-TOR-EFFEKT (Typ I), deshalb fällt das Erlernen dieser Tätigkeit vielen Kindern schwer. Also sollten wir überlegen, ob es eine Möglichkeit gibt, einen BALL-IM-TOR-EFFEKT zu schaffen. Gute Lehrkräfte müssen in Zukunft auch BALL-IM-TOR-EFFEKT-DESIGNER sein. Dies bringt uns zu BALL-IM-TOR-EFFEKT (Typ II): Hier hilft ein Coach, die ersten zaghaften Schritte zu machen, indem ein künstlicher BALL-IM-TOR-EFFEKT geschaffen wird.
Am leichtesten funktioniert das mit Spielen, die darauf basieren, daß ein Coach dem Lernenden durch Signale (wie HEISS, KALT etc.) hilft, die richtigen Schritte zu gehen, ähnlich wie Heiß/Kalt-Spiele in Ihrer Jugend. Bei einem Heiß/Kalt-Lernspiel gibt nur eine Person Hinweise; sie ist der Coach. Das kann ein/e Erwachsene/r sein oder ein anderes Kind…
Eine Person wird hinausgeschickt, die Gruppe versteckt einen Gegenstand, den der Spieler nach dem Hereinkommen suchen muss, gelenkt durch die Worte „heiß“ bzw. „kalt“ der MitspielerInnen.
Mit HEISS/KALT-Spielen kann man fast jede Tätigkeit schrittweise „beibringen“. Wichtig ist, daß man als Lernende/r innerhalb von 3 Sekunden FEEDBACK erhält und deshalb gut vorankommen kann. Allerdings gilt es, folgendes zu beachten:
• Beim BALL-IM-TOR-EFFEKT (Typ I) hat der/die LERNDENDE VOLLE KONTROLLE. Man kann stundenlang einen Elfmeter üben, ohne daß jemand dabei hilft. Wir sehen sowohl, ob der Ball im Tor ist, als auch, ob wir vielleicht dazu neigen, zu sehr nach rechts oder zu hoch zu zielen, so daß wir ohne fremde Hilfe korrigieren können. Lernende lieben diese Art zu lernen, bei der sie selbst die KONTROLLE haben und demzufolge allein bestimmen können, wann sie (wie lange, wie intensiv und in welchem Tempo) wieviel lernen wollen. Diese Art von Lernen ist an Regelschulen fast nicht gegeben. Das ist auch einer der Gründe, warum viele Schüler die Schule regelrecht hassen. Wenn man ständig von Lehrkräften abhängig ist, ergibt sich eine Art von „Sklaven-Mentalität“, über die die Lehrkräfte wiederum klagen. (Die SchülerInnen machen nur das, was man ihnen explizit aufträgt; sie fragen ständig „Kommt das in der Prüfung dran?“ und interessieren sich nicht fürs Thema.) Ist es ein Wunder, daß die Lernenden sich wie Abhängige benehmen, wenn man sie ständig gängelt und ihnen kaum Möglichkeiten gibt, autonome Lernprozesse zu erleben?
• Beim BALL-IM-TOR-EFFEKT(Typ II)liegt die KONTROLLE zwar eingangs beim COACH (Lehrer, Ausbilder, Trainer etc.), aber sie „wandert“ zunehmend zum Lerner. Wenn ich die Grundzüge eines chinesischen Zeichens kapiert habe, landet es „oben“, und ab jetzt kann ich selbst sehen, ob ich es korrekt gemalt habe, weil ich inzwischen den nötigen Blick entwickelt habe, um die Vorlage gut abzeichnen zu können. Ab jetzt kann ich mit einem BALL-IM-TOR-EFFEKT (vom Typ I) WEITERMACHEN. Im Klartext: Lehrkräfte (als Coach) unterteilen den Stoff in kleinste Module, die per BALL-IM-TOR-EFFEKT (Typ II) vermittelt werden, so daß die Lernenden dieses Modul bald allein weiter trainieren können. So wandert die KONTROLLE in der Abbildung senkrecht nach oben zum Lernenden.
Dieselben Regeln gelten, wenn wir uns selbst unterweisen wollen: Je mehr unmittelbare Kontrolle durch Feedback wir erleben, desto leichter wird es und desto mehr „Spaß“ macht es. (Wenn das, was wir unterweisen wollen, weder mit einem BALL-IM-TOR-EFFEKT (Typ I) noch mit einem BALL-IM-TOR-EFFEKT (Typ II) möglich ist, suchen wir weitere Möglichkeiten –s. S. 34 ff.).
Genaugenommen sollten wir den BALL-IM-TOR-EFFEKT-II mit VERSUCH und IRRTUM überschreiben – oder auch mit PROBIEREN OHNE ANGST (wovon viele Schüler träumen). Heiß/Kalt-Spiele sind Varianten von VERSUCH-und-IRRTUM-SPIELEN, aber wenn wir es nicht als Heiß/Kalt-Spiel aufziehen können, gibt es auch noch andere Varianten: Können wir einfach „herumprobieren“ lassen (wie Forscher)? Sie werden überrascht sein, wieviel so „lehrbar“ wird. Derzeit laufen wunderbare Projekte mit Kindergartenkindern. Da dürfen die Kleinen endlich OHNE ANGST PROBIEREN und lernen als 4- bis 6jährige die Grundlagen der Naturwissenschaften! Natürlich geht das auch mit älteren Kindern!
Die Fußnote (S. 31) wies bereits darauf hin, daß die Reihenfolge einen bestimmten Sinn hat. Deshalb registrieren Sie jetzt bitte, daß wir geistig von II zu IV „wandern“, wenn wir uns fragen, wie wir eine Tätigkeit „vermitteln“ können.
Der Abschnitt (S. 22 ff.) hat Ihnen das Konzept bereits vorgestellt. Es geht um Lernen durch Zuschauen – Mitmachen – Nachmachen. Früher saßen Schüler jahrelang zu Füßen ihres Meisters und lernten so, die nötigen Nervenbahnen für Spiegel-Neuronen anzulegen. Und wenn sie zu handeln begannen, wurden sie in kürzester Zeit zu Fortgeschrittenen, die sich stetig weiterentwickelten und später selbst zu (großen) Meistern heranwuchsen. Heute glauben Lehrer, durch Erklärungen ÜBER die Tätigkeiten „unterweisen“ zu können. Diese Ansicht wurde ihnen in der Ausbildung „gegeben“, sie haben sie nur nie hinterfragt. Denken Sie doch einmal darüber nach, was man alles über VORMACHEN – NACHMACHEN lernen/lehren könnte… Beginnen wir gleich mit jenen, die sich selbst „belehren“ wollen: Suchen Sie sich Material auf Video/DVD, das Sie nachahmen können, und benutzen Sie dieses als Vorbild. Denken Sie dabei nicht nur an offensichtliche Möglichkeiten (von Aerobic-Übungen über bestimmte Tänze bis zu Pilates, Yoga oder Tai Chi), sondern suchen Sie ruhig auch in Spielfilmen oder Dokumentationen gezielt nach Szenen, die Tätigkeiten enthalten, die Sie interessieren. Oder bitten Sie jemanden, der das, was Sie lernen wollen, bereits beherrscht. Heutzutage ist es keine große Mühe mehr, seine Aktivitäten „festzuhalten“ (oft genügt schon ein Handy) und mithilfe des PC auf eine DVD zu brennen. (Im Zweifelsfall fragen Sie bei den 15jährigen in Ihrer Nachbarschaft herum, die kennen sich da sicher aus.) Denken Sie immer auch daran, daß Sie den Video-Clip verlangsamt abspielen können, um erste Nervenbahnen (SPIEGEL-NEURONEN) anzulegen…
Ich möchte Ihnen im folgenden einige Beispiele für Lehrende geben, die auf sehr positive Resonanz gestoßen sind, um Ihre Phantasie anzukurbeln:
• KOCH-KURS/VHS: Ein Bekannter gibt VHS-Kochkurse für Männer, die plötzlich kochen lernen „müssen“ (z.B. weil ihre Partnerschaft überraschend endete). Er verlor jedoch viele Teilnehmer, weshalb er das Problem mit mir besprach. Einige meiner Fragen führten zu der Einsicht, daß auch er die jeweiligen Tätigkeiten (z.B. Gurkenschneiden) immer zu kurz vorführte und die Lernwilligen dann mit den Worten „So, jetzt probiert das mal aus“ alleine ließ. Wir verabredeten folgendes Experiment: Er würde im nächsten Kurs das Gurkenschneiden mit seinem Foto-Handy als Video-Clip aufnehmen, ihn in seinen PC laden, dort eine WIEDERHOLUNGS-SCHLEIFE einrichten und diesen PC in das Regal der VHS-Küche oberhalb des Tisches auf dem die Gurken geschnitten werden sollen, stellen. So könnten die Teilnehmer selbst entscheiden, wie lange sie zusehen bzw. ab wann sie es selbst probieren wollten; sie hätten 10 Minuten Zeit. Nun, Sie ahnen es – es machte den Männern viel Spaß, und er stellte voller Erstaunen fest, wie unterschiedlich ihr Verhalten war: Einige probierten sehr schnell, einige erst nach 9 Minuten.
• DÜBELN: Ein Mann wollte seiner Freundin das Dübeln beibringen. Idee: Mithilfe eines Videoclips auf ihren Computer kann sie sich das Vorgehen so oft ansehen, wie sie will – auch in Zeitlupe. Sie kann sogar allein üben, was sowohl neuronal Langsame gern tun als auch Frauen, wenn sie etwas lernen wollen, das Männer in der Regel besser können. Da Männer aber nicht so gut gleichzeitig sprechen und handeln können, sollte er jeweils einen Bewegungsablauf ANSAGEN (z.B. „Setze den Bohrer senkrecht auf die Wand. Bitte prüfe, ob er im rechten Winkel auf der Wand steht, ehe du die Bohrmaschine anschaltest und sie LANGSAM und sanft gegen die Wand drückst…). Dann führt er genau diese Bewegung aus, ehe er den nächsten Schritt erklärt. Da man sowieso nichts hört, wenn die Bohrmaschine Krach macht, ist dies eine sehr gute Übung für Männer, um das lineare Vorgehen (sprechen – handeln – sprechen – handeln) zu üben. Übrigens: Da Männer in Hand-Auge-Koordination meist besser als Frauen sind, können sie die Probleme ihrer Freundinnen nur schwer nachvollziehen und neigen zu Ungeduld. Dasselbe gilt für viele männliche Mathematik- und EDV-Lehrer im Umgang mit Schülerinnen!
• KNOPF ANNÄHEN FÜR MÄNNER: Das gilt auch umgekehrt. Wenn eine Frau einem Mann beibringen soll, wie man einen Knopf annäht, könnte auch er für einen Videoclip, mit dem er autonom lernen kann, sehr dankbar sein. Im übrigen fällt es Frauen leichter, bei der Arbeit jeden Schritt zu kommentieren, als Männern. Da Männer jedoch Schwierigkeiten haben (bzw. es ihnen unmöglich ist), gleichzeitig eine Anweisung zu hören und sie auszuführen, wäre es auch für Frauen gut, die lineare Vortragsweise zu pflegen. Aber im Zweifelsfall kann man den Videoclip ja so oft sehen, wie man will, so daß das gleichzeitige HÖREN und SEHEN der Anweisung nicht so schlimm ist. Im Gegensatz zum Unterricht im Klassenzimmer, wo LehrerInnen Anweisungen geben, meist nur EIN EINZIGES MAL (die sie oft kein Mal VORMACHEN), und erwarten, daß man sie GLEICHZEITIG HÖRT und AUSFÜHRT. Mädchen können das, Jungen nicht. Und schon wieder haben wir den falschen Eindruck, Jungen seien weniger bereit, motiviert etc., was darauf zurückzuführen ist, daß Unterschiede in der Gehirn-Architektur nach wir vor unbekannt sind oder sogar vehement geleugnet werden (vgl. mein Buch „Jungen und Mädchen: wie sie lernen“). Wir haben uns lange darum bemüht, mehr Fairness für Mädchen und Frauen in dieser Gesellschaft zu erreichen, dabei aber die Jungen und die jungen Männer vergessen. Es wird Zeit, daß wir dafür sorgen, daß nicht länger 80% aller angeblich Lernbehinderten männlich sind. Dieses Problem ist nämlich kein „natürliches“, sondern eines, das das Schulsystem erst geschaffen hat!
• MIT ANHÄNGER RÜCKWÄRTS FAHREN: Ein Lebenspartner war am Verzweifeln, weil seine Partnerin es nicht schaffte, mit dem Anhänger rückwärts zu fahren, da man hier immer genau entgegengesetzt steuern muß (im Vergleich zu den bekannten Steuer-Manövern beim Rückwärtsfahren). Er rief in meiner monatlichen Hotline an und klagte mir sein Leid. Wir einigten uns darauf, daß seine Partnerin die nächste Demonstration mit einer Video-Kamera vom Beifahrersitz aus filmen sollte, so daß die LENK-BEWEGUNGEN gut zu sehen wären, und daß er jeweils ansagen sollte, was er gerade tut. Er sollte ruhig innehalten, wenn Lenken und gleichzeitiges Sprechen ihm schwer fielen. Diese Aufzeichnung könnte seine Partnerin dann so oft sie wollteanschauen, um die ersten SPIEGEL-NEURONEN zu entwickeln. Anschließend könnte sie (auch mit einer Freundin) in ZEITLUPE üben (z.B. auf dem Parkplatz eines Ladens, der geschlossen hat), bis sie ein GEFÜHL für diesen „widersinnigen“ Lenkvorgang entwickelt hätte. Danach sollte sie weiterhin den Video-Clip gucken und ab und zu jeweils wenige Minuten langüben. Der Urlaub (in dem man das Auto mit Hänger abwechselnd fahren wollte) lag noch einige Monate in der Zukunft, weshalb wir hier den „Schongang“ einlegen konnten. Dieser Weg, gewisse Tätigkeiten immer wieder kurz anzugehen, sollte auch an Schulen genutzt werden, denn durch dieses INTERVALL-TRAINING lernt man eine neue Tätigkeit am besten.
• HAN-JI (= chinesische Schriftzeichen) MALEN: Im Zuge der Vorbereitungen zu meinen Vortrag (inzwischen auf DVD erhältlich) und meinem gleichnamigen Buch („Von null Ahnung zu etwas Chinesisch“) testete ich das Anlegen von SPIEGEL-NEURONEN für das Schreiben von Han-Ji mit Versuchspersonen, die davon tatsächlich null Ahnung hatten. Dabei stellten wir fest: Wenn die Menschen dieENTSTEHUNGeines Zeichens mehrmals beobachten konnten, taten sie sich um ein Vielfaches leichter. Sogar eine 75 Jahre alte Dame, die ein wenig „Schiß“ vor dem Experiment hatte, schnitt vorzüglich ab. Ich bereite derzeit eine DVD vor, mit der man diesen Prozeß (für diverse Schriften) nachvollziehen kann. Man kann sie auch mittels Beamer im Klassenzimmer einsetzen und zuschauen, wie SchülerInnen jedes Alters Freude daran finden… Unsere TeilnehmerInnen wurden jedenfalls aufgrund der Glückshormone (Dopamine), die bei erfolgreichem Lernen ausgeschüttet werden, regelrecht „high“. Da diese Dopamine nur bei NEUEN Lerninhalten ausgeschüttet werden, sollten wir uns öfter einmal an Neues heranwagen (s. auch Neurogenese, S. 39 ff.)…
• ARABISCHE SCHRIFT: Für ein ähnliches Projekt im Mai 2007 machte ich einen Parallelversuch mit arabischer Schrift. Diese läuft „verkehrt herum“, weshalb ich sehen wollte, ob es den Versuchspersonen schwerer fiele, von RECHTS nach links zu schreiben. Ich weiß, daß Menschen, die (wie sonst üblich) nur fertige Vorlagen erhalten, sich eingangs meist „sehr schwer tun“. Aber in unserer Gruppe waren die Leute so glücklich über ihre unerwarteten Erfolge, daß einige jetzt sogar weitermachen! Dopamin motiviert zum Weitermachen; das hat die Natur klug eingefädelt. Nur leider erleben die wenigsten SchülerInnen etwas davon, weil in der Schule Neues oft mit so viel Angst oder Frust einhergeht, daß es nicht zur Ausschüttung jener „Glückshormone“ kommt. Schade!
• CHORGESANG: Ein Chorleiter klagte mir sein Leid über einige neuronal langsame SängerInnen in seinem Chor. Die Lösung ist einfach: Wenn man allen Beteiligten vorab Aufzeichnungen anbietet (heute digital via Computer, Inter- oder Intranet sehr einfach), können die Langsameren diese Lieder zu Hause, unterwegs etc. so oft hören, wie sie wollen, um sich mit den neuen Melodien vertraut zu machen. Es gibt nämlich auch Spiegel-Neuronen fürTÖNE. Deshalb lernen Kinder die Sprache, die sie umgibt, perfekt (inkl. Tonfall, Sprachmelodie, regionaler „Färbungen“). Merke: Neuronal Langsame merken früh im Leben, daß sie länger brauchen; sie möchten vermeiden, daß andere ihnen zusehen, wenn sie Neues zum ersten Mal lernen (müssen). Daher ergreifen sie solche Möglichkeiten, sich vorab zu informieren, gern. Dieser Umstand erklärt z.B. auch, warum im Unterricht oder in einem Seminar niemals alle Teilnehmer, die angewiesen wurden, einen Text vorab zu lesen, dies auch tun. Die neuronal Langsamen sind froh um diese Möglichkeit, sich in einem selbstgewählten Tempo dem Neuen nähern zu können, die neuronal Schnellen vertrauen auf ihre Fähigkeit, mitzukommen, wenn das Material später präsentiert wird. Statt als Lehrkraft oder SemianrleiterIn „sauer“ zu werden, sollten wir diesen Umstand bewußt nutzen…
• KUMULIERTE KOMPETENZ: Beginnen wir mit einer Party-Spiel-Variante, die wir vom Kaffeetisch (Bartresen) kennen: Einer macht irgend etwas vor, andere probieren es nachzumachen. Wenn der nächste es kann, übernimmt er die Leitung, bis der dritte es kann, etc. Ich habe diese Idee etwas abgewandelt und nenne sie KUMULIERTE KOMPETENZ: Im Unterricht wird eine Sache so lange vorgemacht, bis die ersten fünf sie können. Danach dürfen diese als Coach wirken (die Lehrkraft kann derweil etwas für die nächste Lektion vorbereiten). Kinder lernen viel lieber voneinander als von Erwachsenen. Immer wenn andere meinen, es zu können, entscheiden die als Coach fungierenden MitschülerInnen, ob es schon richtig ist. Nach einer Weile gibt es weitere SchülerInnen, die als Coach wirken können. Man arbeitet in Kleingruppen, jede mit ihrem eigenen Coach. Geben Sie am Anfang ein Zeitlimit vor (z.B. 10 Minuten für eine relativ EINFACHE Tätigkeit). Nach Ablauf dieses häufigen Vormachens und ersten Trainings ist sichergestellt, daß die neuronal Schnellen es können und die neuronal Langsamen zumindest wissen, was sie zu Hause üben sollen. (Oft kommen die Kinder bildungsarmer Familien nach Hause und würden gerne üben, wenn sie nur genug verstanden hätten, um zu wissen, was sie üben sollen!) Wenn man im Klassenzimmer öfter KUMULIERTE KONPETENZ spielt, zeigt sich bald, daß z.B. Peter in Mathe Coach wird, beim Lesen aber Hilfe braucht, während es bei Paula genau umgekehrt ist; bald sind viele Kinder bei bestimmten Aufgaben Coach; das macht Spaß und gleicht Tätigkeiten aus, bei denen man Hilfe benötigt… Manche Lehrkräfte haben jedoch Probleme damit, daß Schüler sich gegenseitig unterweisen. Dabei wußten schon die alten Römer, daß wir LEHREND am besten LERNEN können (das erklären wir der Klasse natürlich auch). Deshalb wies ich bereits 1985 (in „Stichwort Schule – trotz Schule lernen“) darauf hin, daß SchülerInnen lieber von anderen SchülerInnen lernen als von Erwachsenen (Stichwort PAIRING). Inzwischen bin ich zwar nicht mehr der einsame Rufer in der Wüste, aber noch immer sträuben sich zu viele Lehrkräfte, denen man in der Ausbildung eingeredet hat, sie müßten in jeder Sekunde des Schultags 100prozentige Kontrolle besitzen. Diese Kolonialmachtshaltung kann keine mündigen Menschen schaffen. Oder glaubt jemand allen Ernstes, jemand könnte nach dem letzten Schultag über Nacht als mündiger Bürger erwachen, nachdem er vorher in vielen Schuljahren ständig gegängelt wurde?
Die meisten Tätigkeiten (also das, worum es im LERNBERG-Modell geht) können über die Wege I, II oder IV vermittelt (bzw. autodidaktisch erlernt) werden. Wenn wir aber meinen, keinen der drei Wege beschreiten zu können, dann können wir uns in die rechte Ecke („Osten“) begeben und sämtliche Techniken prüfen, die ich in den letzten Jahren publiziert habe (in „Intelligente Wissens-Spiele“, „Stroh im Kopf?“ und vor allem in „Trotzdem LEHREN“ – plus natürlich „Sprachenlernen leicht gemacht“, das als Buch oder gleichnamiger DVD-Live-Mitschnitt erhältlich ist).
Eines der Hauptprobleme im Alltag ist aber nicht, die richtige Methode zu finden, sondern daß Lehrerkräfte immer wieder Theorie und Praxis verwechseln (Ergebnis der Schul- und Ausbildungszeit!). Deshalb ist das folgende Beispiel so typisch:
Ich erklärte einem Trainer-Kollegen (einem ehemaligen Lehrer) das Modell „LERNBERG HOCHHEBEN“ am Telefon und bat ihn, sich eine Tätigkeit vorzustellen, die er lehren möchte, mir aber nicht zu sagen, woran er denkt. Bei jedem Abschnitt fragte ich: Könnte er „es“ mit BALL-IM-TOR (Typ I), später mit BALL-IM-TOR (Typ II) bzw. über IV, SPIEGELNEURONEN (d.h. per Imitations-Lernen), vermitteln? Jedesmal dachte er ein wenig nach und antwortet dann mit NEIN. „Gut“, sagte ich, „im Zweifelsfall schauen wir bei III nach“ und bat ihn, die Liste in „Trotzdem LEHREN“ durchzugehen (das er griffbereit hatte). „Na, findest du eine Technik?“ Nach kurzer Pause: „Ja, ich mache ein WQS!“ Nun, diese Technik ist ideal, um Leute auf THEORETISCHES WISSEN vorzubereiten, das wir anschließend im Vortrag, Unterricht oder im Rahmen einer Kundenpräsentation etc. vermitteln wollen (müssen), aber es ist kein guter Weg, um in ein neues VERHALTEN einzuführen. Diese Verwechslung von WISSEN (Theorie) und KÖNNEN (Praxis) ist typisch, denn in der Lehrer-Ausbildung wurde hier oft sehr viel Un-Sinn erzählt. Wer also umzudenken bereit ist, wird für sich und seine SchülerInnen, TeilnehmerInnen, MitarbeiterInnen etc. reiche Ernte einfahren. Und das ist Er-FOLG – die FOLGE (Ernte) dessen, was vorausgegangen ist.
Mit den richtigen Methoden kann jeder lernen, und wenn eine Methode bei einem Lernenden nicht funktioniert, probieren Sie eine andere.
Im Zweifelsfall kann nicht jede Methode für ALLE gleich gut sein, deshalb sollten Sie ja gerade viele Methoden kennen, um als Lehrender eine Wahl zu haben. Das gibt Ihnen die Freiheit, zu entscheiden, und macht Sie im Sinne von PERKINS 3 (s. S. 18 ff.) wiederum intelligenter und Ihre Schüler fähiger. Also bestens für alle Beteiligten, oder?
Beginnen wir mit einer Frage: Wurden Sie vor oder nach 1975 geboren?
davor danach
Wenn Sie vor 1975 geboren wurden, haben Sie höchstwahrscheinlich in der Schule noch gelernt, daß es eine Art von Zellen im menschlichen Körper gibt, die sich nicht erneuern – und das sind die Gehirn-Zellen. Man ging davon aus, Nervenzellen könnten nur einmal im Leben, und zwar während der Entwicklung im Mutterleib, wachsen und dann nie wieder. Das ist eine der vielen „Lehrmeinungen“, die man inzwischen aufgeben mußte. Deshalb ist es viel wichtiger, in der Schule DENKEN zu lernen, statt zu PAUKEN. Denn nur denkende Wesen haben keine Angst vor einem Wissen, das wächst, sich wandelt, umgedacht werden muß etc.