Das kleine Käsebistro in der Toskana - Angelika Lauriel - E-Book

Das kleine Käsebistro in der Toskana E-Book

Angelika Lauriel

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Beschreibung

Viola hat immer von einer großen glücklichen Familie geträumt. Doch ihr Kinderwunsch blieb unerfüllt, und ihr Ehemann entfernt sich zunehmend von ihr. Als er in letzter Minute einen gemeinsamen Urlaub in der Toskana absagt, beschließt Viola, allein zu fahren und die Zeit für sich zu nutzen. In der malerischen Region trifft sie auf den charmanten Giulio, der eine Pension und eine Käserei betreibt. Mit jedem Tag in Italien findet Viola mehr Freude am Leben und an der unerwarteten Begegnung mit Giulio, mit dem sie eine Vergangenheit teilt. Sie entdeckt ihre Leidenschaft für gutes italienisches Essen und beschließt, endlich ihren lang erträumten, eigenen Käsefeinkostladen zu eröffnen. Doch ist es das, was ihr Herz wirklich will?

Eine berührende Geschichte darüber, das Leben in vollen Zügen zu genießen und mit beiden Händen nach dem Glück zu greifen, auch wenn es unerwartet an die Tür klopft.

Alle Geschichten dieser Reihe zaubern dir den Sommer ins Herz und bringen dir den Urlaub nach Hause. Die Romane sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber dieses BuchTitel1 Alles Liebe2 Buchsüchtig3 Stress4 Candle-Light-Dinner5 Amöbe6 Überraschung7 Wagemut8 Du bist das?9 Der ist das?10 Sag die Wahrheit11 Was fühlst du?12 Das wahre Leben13 Das reale Leben14 Das perfekte Leben15 Flucht nach vorn16 Erkenntnisse17 Zeit der Leichtigkeit18 Business, businessEpilogÜber die AutorinImpressum

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Über dieses Buch

Viola hat immer von einer großen glücklichen Familie geträumt. Doch ihr Kinderwunsch blieb unerfüllt, und ihr Ehemann entfernt sich zunehmend von ihr. Als er in letzter Minute einen gemeinsamen Urlaub in der Toskana absagt, beschließt Viola, allein zu fahren und die Zeit für sich zu nutzen. In der malerischen Region trifft sie auf den charmanten Giulio, der eine Pension und eine Käserei betreibt. Mit jedem Tag in Italien findet Viola mehr Freude am Leben und an der unerwarteten Begegnung mit Giulio, mit dem sie eine Vergangenheit teilt. Sie entdeckt ihre Leidenschaft für gutes italienisches Essen und beschließt, endlich ihren lang erträumten, eigenen Käsefeinkostladen zu eröffnen. Doch ist es das, was ihr Herz wirklich will?

A N G E L I K A

L A U R I E L

D a s k l e i n e

Käsebistro

i n d e r

Toskana

1 Alles Liebe

Guten Morgen, du Liebe!

Zu deinem Geburtstag wünsche ich dir alles, was du dir wünschst – und dazu haufenweise Liebe, Freude, Spaß und natürlich Schampus!

Ich hoffe, R feiert dich!!! Falls nicht – komm zu deiner besten Freundin.

Dafür bin ich ja da ♥

L

05:07

Du bist die Erste! Danke, mein Herzensmensch!

Warum bist du schon wach?

R schläft noch, aber wir wollen nach einem ausgiebigen Frühstück zur Säulenmarie hochwandern, anschließend in der City lecker essen, und am Nachmittag habe ich ihm »freigegeben«, damit er keinen Entzug bekommt und arbeiten kann.

Du weißt ja, very busy and important …

05:45

Wach, weil:

Leos erster Zahn ist da! Yeah! Aber jetzt schläft er wieder.

Schöner Plan für heute, drücke dir die Daumen, dass R das durchzieht!

Falls nicht, weißt du, wo du Leo und mich findest.

Habe aber Verständnis, wenn du keinen Bock auf Milchgeruch hast!

Mach es dir schön, es steht dir zu.

Kaffee irgendwann in der Stadt?

5:50

Ja, unbedingt. Oder du kommst her?

5:51

Lieber in der Stadt, da ist Leo besser abgelenkt.

Außerdem glaub ich nicht, dass R den Babygeruch erträgt … ;-)

5:52

*lach* So schlimm ist er nun auch wieder nicht.

Morgen 10:00 Uhr? Fußgängerzone?

5:53

Ah, Ruben wacht auf. Wünsch mir Glück,

dass es wirklich klappt!

Hdl

5:55

Daumen gedrückt! Hdal

5:55

»Viola?« Rubens Stimme klang rau, als er sich zu ihr umdrehte.

Viola schaltete rasch ihr Smartphone ab und legte es auf den Nachttisch zurück, wandte sich ihm zu und lächelte ihn an.

»Guten Morgen, gut geschlafen?«

Wie immer war Ruben kurz vor dem Wecker aufgewacht. Dass sie selbst heute schon vor ihm wach gewesen war, lag wohl an ihrem Geburtstag. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Seit sie mit Ruben verheiratet war, hatte sie ihren Geburtstag nicht mehr gefeiert, wenn man von dem jeweiligen Cafébesuch mit ihrer besten Freundin Luisa absah. Dieses Mal hatte sie sich von Ruben ausdrücklich einen freien Tag gewünscht, den sie gemeinsam verbringen wollten.

»Ging so. Ich bekomme die Verhandlungen nicht aus dem Kopf, habe die ganze Nacht davon geträumt.«

»Was genau hast du denn geträumt?« In Violas Magen entstand ein Gefühl der Leere.

»Es bringt nichts, wenn ich dir das erzähle, du wirst es eh nicht verstehen. Aber ich muss heute noch ein paar Dinge klarstellen, bevor ich mit denen fusioniere.«

Die Leere breitete sich aus. »Heute Nachmittag meinst du …?«

»Heute Nachmi…? Ach, verflixt, entschuldige!« Er zog sie zu sich und legte seine Wange an ihre. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Schatz! Alles Liebe!« Er drückte sie, und Viola genoss die Wärme, die von seinem schlafschweren Körper auf ihren überging. Sie griff in sein zu lang gewordenes, früh ergrauendes Haar und verwuschelte es.

»Danke.« Sie küsste ihn auf den Mund.

Er hielt sie fest, erwiderte den Kuss, ohne die Lippen zu öffnen, und strich mit einem Finger ihre Wange entlang. Sie löste sich wieder von ihm, lächelte ihn an und legte den Kopf an seine Schulter.

»Wir könnten noch ein bisschen liegen bleiben, hm?« Mit der rechten Hand spielte sie am Knopf seines Pyjamaoberteils.

Noch bevor er antwortete, spürte sie, wie er sich anspannte. Seine Schultern schienen noch breiter zu werden, sodass die Gemütlichkeit auf einen Schlag schwand. Er griff nach ihrer Hand, zog sie auf seine Brust herunter und hielt sie dort fest.

»Das geht nicht, Schatz. Ich muss sehen, dass ich so schnell wie möglich ins Büro … Ach …« Jetzt schien ihm aufzufallen, dass er gerade dabei war, sein gegebenes Versprechen zu brechen. Er drehte ihr das Gesicht zu, sodass sie verschwommen seine grauen Augen und den dunklen Bartschatten wahrnahm. Sie zog den Kopf etwas zurück und sah, dass sich auf seiner Nase Schweißperlen bildeten. Innerlich seufzte sie und wartete darauf, dass er seinen Satz weiterführte.

»Mist, das wird nicht gehen, Viola. Können wir es verschieben? Auf … Sonntag, wie wäre es mit Sonntag?«

»Ich habe gestern schon nichts gesagt, als du den kompletten Sonntag durchgearbeitet hast, weil ich dachte, dass du es tust, damit du heute frei hast.« Sie rutschte von ihm weg, setzte sich auf und blickte zu ihm hinunter. »Es fällt mir schwer zu glauben, dass du dir nächsten Sonntag Zeit nehmen willst.« Die Enttäuschung breitete sich wie eine dunkle Wolke in ihrem Körper aus. »Oder kannst.«

Ruben setzte sich ebenfalls auf und ergriff ihre Hände. »Du hast recht! Es war nicht abzusehen, dass diese Verhandlungen noch so viele Stolpersteine mit sich bringen würden. Ich war mir sicher, dass es schneller gehen würde. Aber noch ein, zwei Tage, und alles ist unter Dach und Fach. Du wirst sehen.« Er runzelte die Stirn. »Oder … gib mir noch zwei Wochen. Danach wird es klappen, ganz sicher.« Er zog die Brauen hoch und ließ nachdenklich den Blick durchs Schlafzimmer schweifen. »Wenn du möchtest, such etwas für uns heraus und buche einfach. Wenn du fest gebucht hast, müssen wir fahren.« Er blickte zur Seite, dann sah er ihr wieder in die Augen. »Ich schlage vor, du buchst uns sogar einen Kurzurlaub.«

»Ehrlich?« In Violas Brust kribbelte es. »Du gibst mir freie Hand? Bist du auch mit zehn Tagen einverstanden?«

Ruben strich sich mit den Fingern über die Stirn. »Wir haben schon drei Jahre keinen Urlaub mehr gemacht. Und im Grunde kann ich auch mal ein paar Tage von woanders aus arbeiten.«

»Oh, Ruben, das ist das schönste Geschenk, das du mir machen kannst! Dann suche ich uns etwas in der Toskana, einverstanden? Dorthin wollte ich immer mal zurück. Es wären quasi unsere nachgeholten Flitterwochen!«

Er grinste, und sie sah in ihm wieder den Mann, in den sie sich bei ihrer ersten Begegnung schockverliebt hatte. Dieses Lächeln hatte ihr damals sofort weiche Knie bereitet, als er im Campuscafé bei ihr sein Mittagessen bestellt hatte. Er war gerade dabei gewesen, eine Kooperation mit dem Studiengang Medizininformatik einzugehen, und es hatte ihn in das Café verschlagen, in dem Viola seit einigen Jahren arbeitete.

»Warum nicht? Ja, such uns etwas Schönes in der Toskana raus.« Dann zog er sie wieder an sich. »Und jetzt lass uns das bisschen Zeit noch sinnvoll nutzen, bevor ich los muss!«

Am nächsten Vormittag schlenderte Viola an der Porta Nigra vorbei zur Fußgängerzone. Es war ein sonniger Tag, und sie freute sich darauf, Luisa und Leo zu sehen. Sie wollten sich am Hauptmarkt treffen, und tatsächlich entdeckte sie schon von Weitem den knallorangefarbenen Kinderwagen ihrer Freundin. Er stand neben dem Petrusbrunnen, Luisa hatte sich auf die Stufen gesetzt und Leo anscheinend gerade gestillt.

Viola winkte ihrer Freundin zu und eilte zu den beiden. »Hallo, wie schön, dass es geklappt hat!«

Luisa, die sich Leo an die Schulter gelegt hatte, stand auf und beugte sich vor, um Viola mit Küsschen begrüßen zu können. »Warte kurz, ich lege den kleinen Mann in den Wagen. Er ist jetzt gesättigt und kann eine Runde schlafen.«

Viola streichelte dem Kleinen mit einem Finger über die Wange. Leo grinste sie hinter seinem Schnuller hervor an. Er protestierte nicht, als seine Mutter ihn in den Kinderwagen legte.

»Ich habe doch wirklich das bravste Patenkind der Welt«, sagte Viola mit schief gelegtem Kopf.

»Na, wenn du die ganze Nacht durchmachen würdest, wärst du am nächsten Tag auch platt genug, um inmitten der Altstadt zu pennen.« Luisa schloss den Reißverschluss am Fußsack des Kinderwagens, richtete sich auf und drehte sich zu Viola um. Sie strahlte. »Nun lass dir aber mal richtig gratulieren!« Aus der riesigen Tasche ihrer weiten Jacke zog sie einen kleinen Stoffbeutel. »Alles Liebe!«

Mit einem erwartungsvollen Lächeln bedankte Viola sich und öffnete den Beutel, aus dem sie einen kleinen silbernen Anhänger zog. »Oh, danke, wie toll!« Sie hielt das Schmuckstück an dem winzigen Karabinerhaken hoch und ließ es baumeln, um es genau zu betrachten. »Ein Widder! Wie hübsch! So einen habe ich noch nicht.«

»Weiß ich doch, deshalb war es höchste Zeit. Trägst du dein Bettelarmband heute? Dann können wir ihn gleich daran befestigen.«

»Ja, das machen wir. Lass uns erst einen Platz im Café finden.« Sie sah zu Leo hinunter, dessen Augen sich bereits halb geschlossen hatten. »Vielleicht im Freien? Es ist so schönes Wetter!«

»Unbedingt!« Luisa blickte sich um. »Komm, dort hinten ist Platz für uns.« Damit schob sie den Wagen herum, und die beiden Freundinnen schlenderten zum Café am Hauptmarkt.

Auf den Stühlen fanden sie Decken, die sie sich über die Beine legten. Nachdem sie beide das große Frühstück bestellt hatten, zog Viola den Ärmel ihrer Jacke zurück und ließ ihr Armband nach vorne rutschen. »Hier ist noch eine breite Stelle ohne Anhänger.« Sie lächelte Luisa zu. »Hängst du mir den Widder da ein?«

Anschließend bewegte sie den Arm, und die Charms klimperten. »Er ist wirklich hübsch.«

»Finde ich auch.« Luisa nahm die Tasse hoch, die der Kellner gerade vor ihr abgestellt hatte, und umfasste sie mit beiden Händen. »Mhm, darauf habe ich mich schon so gefreut! Ich trinke kaum noch Kaffee, seit Leo die Nacht zum Tag macht. Ich hoffe, dass sich das jetzt wieder für eine Weile erledigt, da der Zahn endlich den Durchbruch geschafft hat.« Sie grinste, nahm einen Schluck des heißen Gebräus und leckte sich den Milchschaum von der Oberlippe. »Was hat Ruben dir denn geschenkt? Eine beleuchtete Nacht an der Säulenmarie?«

Viola stimmte in das Kichern ihrer Freundin ein, auch wenn der kleine Seitenhieb wehtat. Man konnte die Marienstatue, zu der sie gestern mit Ruben hatte wandern wollen, für eine Nacht anstrahlen lassen. Manchmal taten Leute das als Geburtstagsgeschenk für jemanden, den sie liebten. Es war eine sympathische Geste, und abends konnte man dann von der Basilika aus zu der beleuchteten Statue hinaufblicken. Es würde aber nicht zu Ruben passen, sich so etwas zu überlegen, und das wusste ihre beste Freundin genau. Sie wusste ja auch, dass Ruben Viola meistens überhaupt keine Geschenke machte.

Im zweiten Jahr ihrer Beziehung hatte er ihr bereits mit Hundeblick eingestanden, dass er »leider kein Geschenk« für sie habe. Sie hatten sich dann auf seinen Vorschlag hin darauf geeinigt, dass sie einander keine Geschenke mehr machten. Viola war es nicht wichtig, ob er ihr etwas schenkte, wenn sie nur das Gefühl hatte, dass er ihr zu ihrem Geburtstag eine Freude machen wollte.

Sie wischte mit der Hand durch die Luft. »Er hat mir das Gleiche geschenkt wie im letzten Jahr.«

»Also nichts.« Luisa zog einen Flunsch.

Viola lachte. »Du weißt schon, dass mir das nichts ausmacht, oder? Es ist nur schade, dass er gestern überhaupt keine Zeit für mich hatte.«

Luisa zog die Brauen hoch. »Und deine Mutter?«

»Die ist gerade in Berlin. Sie hat angerufen.« Ihre Mutter war als Reiseleiterin mit einer Bustruppe quer durch Deutschland unterwegs. Sie hatte sich gestern Abend gemeldet und sich nach einem Gespräch von wenigen Minuten entschuldigt, weil sie so furchtbar müde war. Auch das war keine Überraschung für Viola. Ihre Mutter hatte früher auch nie Zeit gehabt und war oft wochenlang unterwegs gewesen, weil sie als Reiseleiterin hart arbeiten musste, um für ihren Lebensunterhalt aufzukommen.

»Aber …«, bedeutungsvoll machte Viola eine Pause, »ich habe eine Reise gebucht!« Dann setzte sie nach: »So gesehen habe ich doch ein Geschenk von Ruben bekommen, ein besonderes sogar!« Sie lächelte.

»Wie cool! Wann und wohin?«

»Nächste Woche Freitag geht es los. Nach Pisa! Ist das nicht wundervoll?« Sie klatschte in die Hände. Der Kellner, der ein Körbchen mit Brötchen und Croissants auf dem Tisch abstellte, sagte: »Oh, Pisa? Die Stadt ist bellissima! Sie hat zwar nicht gerade diesen Ruf, und am schönsten ist natürlich der Camposanto. Aber wenn du ein bisschen tiefer in die Straßen und Gassen eindringst, findest du noch mehr schöne Plätze und Orte.«

Viola sah zu ihm auf und lächelte. »Ich freue mich so darauf! Seit vielen Jahren will ich schon nach Italien reisen.« Sie wandte sich wieder Luisa zu. »Und jetzt machen wir es!«

»Wie kommt’s? Die Entscheidung muss relativ spontan gefallen sein, oder?«

»Ja. Da Ruben gestern unsere Wanderung zur Säule auf den letzten Drücker abgesagt hat und auch sonst zu nichts Zeit hatte, haben wir beschlossen, dass wir ein paar Tage wegfahren. Zuerst hat er mir nur nächsten Sonntag versprochen, aber dann meinte er, wir könnten gleich für ein paar Tage verreisen. Und er hat mir freie Hand gegeben.« Zufrieden strich Viola sich die kinnlangen Haare hinter beide Ohren, damit sie ihr nicht mehr ins Gesicht fielen, und biss in ihr Croissant. Der Puderzucker war so fein, dass ein kleiner Windhauch ihr etwas davon ins Gesicht wehte. Sie schnaubte, kaute rasch und schluckte. »Es ist das erste Mal seit drei Jahren, dass wir wegfahren. Ruben nimmt sich bewusst frei. Ich freue mich so darauf!«

»Ja, eigentlich schade, dass du in den letzten Jahren gar nicht mehr gereist bist, wo es doch immer deine große Leidenschaft war.«

Viola nickte. »Es ging eben nicht.« Innerlich fragte sie sich, ob Ruben es doch hätte einrichten können, wenn es ihm wichtig gewesen wäre. Schließlich hatte er immer schon die Möglichkeit gehabt, von überall aus zu arbeiten. »Ich vermisse auch die Zeit mit Mutter ein bisschen, das gebe ich zu. Obwohl sie auf den Reisen in den Schulferien, bei denen ich mit durfte, nie viel Zeit für mich hatte.«

»Hast du dich deshalb für Pisa entschieden?« Luisa biss in ihr Brötchen, das sie mit einem Stück Hartkäse belegt hatte. Sie seufzte. »Oh, diesen Käse musst du probieren!«

Viola teilte sich ebenfalls ein Stück von dem Käse ab. »Ja, ich habe in der Toskana gesucht und im Hinterland von Pisa eine tolle Unterkunft entdeckt, über das Forum Urlaubswohnungen.« Sie knabberte ein Stück von dem Käse ab, kaute und drückte ihn mit der Zunge an den Gaumen. Zwischen den Krümeln entwickelte sich ein intensiver, milder und erdiger Geschmack. »Wow, der ist wirklich gut! Ich muss Aldo nachher fragen, was für ein Käse das ist.«

Luisa stützte das Kinn in die Hand und sah Viola prüfend an. »Weißt du, ich finde es ja immer noch ganz schlimm, dass du damals deinen Plan einfach so aufgegeben hast. Du warst kurz vor einem Wendepunkt, und alle Wege haben dir offengestanden.« Sie runzelte die Stirn. »Es war nicht fair von Ruben, nach der Hochzeit so was von dir zu verlangen. Das ist echt nicht mehr zeitgemäß.« Sie kniff die Lippen zusammen und deutete ein Kopfschütteln an.

Viola sog tief die Luft ein. Das war ein wunder Punkt. Ein sehr wunder Punkt. Sie zog die Schultern hoch. »Bei unserer Hochzeit habe ich das für gut und richtig gehalten. Ich dachte ja auch, dass wir schon bald zu dritt wären.« Sie schluckte und warf einen raschen Blick in den Kinderwagen, in dem Leo friedlich schlief. Den Schnuller hatte er ausgespuckt, und sein rosiger Mund bewegte sich sacht, als schmeckte er gerade etwas Köstliches. Sie richtete den Blick in den Märzhimmel, an dem vereinzelte Wattewölkchen hingen, als wollten sie das wunderschöne Frühlingswetter noch unterstreichen. »Jetzt zieht sich alles hin. Seit der Fehlgeburt klappt es einfach nicht mit dem Schwangerwerden, und ich weiß selbst nicht mehr, was für mich richtig ist.« Sie spürte, wie Luisa die Hand auf ihre legte.

»Entschuldige, ich wollte keine Wunden aufreißen.«

Viola atmete tief durch. »Nein, das hast du nicht. Es ist schlicht unser Leben. Ich weiß, dass ich schon längst eine Entscheidung hätte treffen müssen. Mama liegt mir damit auch in den Ohren. Und ihr habt beide recht.« Sie hob die Hände, dann blickte sie noch einmal zu Leo. »Dafür bin ich Patentante, und das macht mich wirklich glücklich. Ach, Aldo!«, sie winkte den Kellner heran. »Kannst du mir sagen, was für ein Käse das ist? Der ist köstlich!«

Aldo lachte. »Den haben wir aus Italia.« Er zwinkerte ihr zu. »Sogar aus der Nähe von Pisa. Der ist von Busti, Ziegenkäse …«

Viola lachte laut auf. »Dass es Ziegenkäse ist, brauchst du mir nicht extra zu sagen. Er ist umwerfend.«

»Er heißt Il Pepato. Dazu schmeckt übrigens Honig.« Der Kellner deutete auf das Schälchen mit dem goldenen Inhalt.

»Danke, Aldo.« Viola träufelte sich etwas Honig auf das Stück Käse, das noch auf ihrem Teller lag. »Ja, du hast schon recht«, sagte sie zu Luisa. »An meinen alten Plan denke ich oft. Vielleicht war es ein Fehler, im Café aufzuhören. Und dass ich meinen Traum vom Delikatessenlädchen ganz aus den Augen verloren habe. Ich war arg verliebt und habe immer gehofft, dass es mit einer neuen Schwangerschaft schnell gehen würde. Und dann sind die Jahre regelrecht verflogen.« Sie biss ein winziges Stück des Brötchens ab, das sie mit etwas Butter bestrichen hatte, und schob den Käse in den Mund. Die Kombination aus dem rustikal gebackenen Brot, dem Käse und dem Honig ließ sie genüsslich die Augen schließen. »Mhm.« Die Märzsonne, die auf ihren Wangen kitzelte, erhöhte den Genuss noch.

»Wenn ich du wäre, würde ich mir überlegen zu studieren. Wenn du schon nicht arbeitest, kannst du pauken.« Sie hob eine Hand hoch. »Zumindest, solange sich kein Nachwuchs einstellt. Schreib dich doch ein!«

Viola riss die Augen auf. »Studieren? Das wollte ich nach dem Abi schon nicht. Da ging es mir erst mal darum, eigene Kohle zu verdienen.« Sie winkte ab. »Die Bäckerlehre war keine gute Wahl. Aber immerhin habe ich meinen Abschluss, auch wenn ich sofort danach gekündigt habe. Die Arbeitszeiten als Bäckerin sind nicht mein Ding.« Sie zog die Schultern hoch. »Hätte ich vielleicht vorher wissen können, aber es war ja auch nicht leicht, an eine Ausbildungsstelle zu kommen. Hauptsache, ich war unabhängig von Mama! Die anschließende Arbeit im Campuscafé hat mir Spaß gemacht, und ehrlich gesagt habe ich dort nicht schlechter verdient als in jedem Bäckerladen.«

Luisa winkte ab. »Weiß ich doch. Aber jetzt mal ehrlich, das Abi hast du, Vorlesungen hast du auch schon gehört …«

Viola kicherte. »Ja, ich hab mich reingeschlichen, weil mich das Fach interessiert hat. Aber es hat nie jemand Einwände erhoben, da ich keinem den Platz streitig gemacht habe. Ich war sozusagen inoffizielle Gasthörerin. Julians Charme hat mir dabei geholfen.« Sie hielt inne und bestrich sich die zweite Brötchenhälfte mit Butter. Ihr damaliger bester Freund Julian Karlsen … an ihn hatte sie ewig nicht mehr gedacht. Wo er jetzt wohl lebte?

»Ich meine ja nur. Vielleicht wäre es weniger aufwendig, als du denkst. Lebensmitteltechnologie hat dich immer schon fasziniert. Und Ruben kann ja wohl nichts dagegen haben, oder? Auch wenn er deine ungeteilte Fürsorge verlangt, muss sogar er einsehen, dass wir in einem neuen Jahrtausend leben. Und das schon eine ganze Weile.«

Viola nahm einen Schluck Kaffee. Er war inzwischen kalt. Sie sah sich nach dem Kellner um, der ihren Blick bemerkte und von einem der anderen Tische aus fragend die Brauen hochzog. Sie hob ihre Tasse und bedeutete ihm, dass sie noch eine wollte.

»Mir auch noch einen, bitte«, sagte Luisa, und Viola hielt zwei Finger hoch. Aldo nickte.

Luisa verzog die Lippen. »Wirklich, sieh zu, dass du in die Pötte kommst, Viola! Ich kann einfach nicht verstehen, wieso du Ruben zuliebe dein ganzes Leben auf den Kopf gestellt hast.«

Viola rutschte unbehaglich auf dem Stuhl hin und her. »Schon. Aber du hast mit der Heirat auch deine Gewohnheiten geändert.«

»Ach Mensch, du weißt, was ich meine. Klar habe ich mein Leben auch geändert, als ich mit Kai zusammengezogen bin, und noch mehr, als Leo kam. Aber ich habe dafür nicht meinen Beruf aufgegeben. Und Kai hätte das niemals gefordert.«

Viola zuckte die Achseln. »Ich war doch schon schwanger.« In ihrem Innern wusste sie, dass das kaum eine Erklärung für ihre damalige Entscheidung war. »Und es ging nur um einen Kellnerjob.«

»Du unterschlägst dabei großzügig, dass deine Chefin dich schon als ihre Nachfolgerin betrachtet hat!« Luisa streckte die Hand aus, damit Aldo, der gerade an den Tisch trat, ihr die frische Tasse reichen konnte. Sie führte sie zum Mund und trank vorsichtig einen großen Schluck.

Viola verzog den Mund. »Ich weiß.« Ja, ihr fehlte etwas. Etwas Großes, Bedeutsames, und sie musste sich dem stellen. Luisas Bemerkung triggerte sie, aber sie wollte in diesem Moment nicht ihr Leben auseinander pflücken. »Lass uns das Thema wechseln. Es ist ein so wunderbarer Tag, wir haben hier den besten italienischen Käse und den besten italienischen Kaffee … und ich freue mich so auf den Urlaub!«

Luisa lachte. »Du hast recht! Aber versprich mir, dass du deine Entscheidung nicht mehr aufschiebst, ja?«

»Versprochen.«

2 Buchsüchtig

An diesem Nachmittag loggte Viola sich in das Urlaubsforum ein, in dem sie seit Jahren Mitglied war und über das sie gebucht hatte. Es gab auch ein Diskussionsforum, in dem sich die Leute über alles Mögliche austauschen konnten. Manche suchten Gleichgesinnte für bestimmte Reisen oder nach Menschen, die Ausflugstipps gaben und solche Dinge. Außerdem hatte sich ein Unterforum gebildet, in dem Leserinnen sich gegenseitig Bücher empfahlen. Seit einiger Zeit war dieser Bereich zu einem eigenen kleinen Universum herangewachsen, in dem Viola nicht nur spannende Reiseliteratur fand, sondern auch alle anderen Arten von Buchthemen.

Lesen war eine ihrer großen Leidenschaften. Ob als Kind zu Hause oder bei Oma, ob auf den Reisen, zu denen sie ihre Mutter in den Schulferien hatte begleiten dürfen, ob in den großen Pausen während ihrer Schulzeit – ein Buch hatte sie immer in der Tasche gehabt. Oft waren es zwei, für den Fall, dass sie eines beendete und gleich Nachschub brauchte. Da ihre Mutter es sich nicht hatte leisten können, dauernd neue Bücher zu kaufen, hatte Viola sich ihren Lesestoff schon als Kind aus der Bibliothek geholt, und diese Gewohnheit hatte sie beibehalten.

In den letzten Jahren hatte sie begonnen, Bücher in elektronischer Form zu lesen, auch wenn sie fand, dass nichts dem Geruch gleichkam, den ein Buch verströmte, wenn man es öffnete und die Nase zwischen die Seiten steckte. Dabei spielte es für sie keine Rolle, ob es ein neues oder ein gebrauchtes Buch war.

Bei neuen Büchern hatte es Ähnlichkeit damit, ein unbekanntes Parfüm zu erschnuppern. Neue Bücher waren unschuldig, und so rochen sie auch. Sobald man sie las, veränderte sich der Geruch, und sie verloren ihre Unschuld. Trotzdem rochen auch neue Bücher nicht alle gleich. Sie hatte mal gehört, dass die Beschaffenheit des Papiers, aber auch der Tinte eine Rolle spielte. Es sollte sogar Verlage geben, die ihrer Tinte Parfüm beimischten, damit der Geruch unverkennbar war. Viola liebte den Geruch eines neuen Buches.

Doch mindestens ebenso aufregend empfand sie es, gebrauchte Bücher zu öffnen, die ihre Unschuld schon lange verloren hatten. Natürlich konnten sie unangenehme Duftüberraschungen bereithalten, aber in den meisten Fällen ging es gut. Viola schloss immer die Augen, wenn sie in der Bibliothek ein Buch aus dem Regal zog, um es zu öffnen. Wenn sie den Duft einsog, der aus den Seiten aufstieg, versuchte sie sich auszumalen, welche und wessen Hände sie bereits umgeblättert hatten.

Nachdem Viola sich eine Weile unter den Reisetipps für die Region rund um Pisa umgesehen hatte, suchte sie nach Büchern, die aus dem Italienischen übersetzt waren. Sie wollte sich in die Gedankenwelt der Italiener einlesen, und ihrer Meinung nach gelang das, wenn man die Sprache kaum beherrschte, am besten, indem man Bücher las, die ein Landsmann oder eine Landsfrau geschrieben hatte.

Also surfte sie ein wenig herum und blieb schließlich bei den Krimis von Andrea Camilleri hängen, von denen sie vor einigen Jahren schon mehrere gelesen hatte. Sie entschied sich für Eine Stimme in der Nacht und klickte auf einen Nutzernamen, der ihr sofort ins Auge sprang: Delia Carluccio.

Carluccio – so hieß das Anwesen in Pisa, zu dem das Apartment gehörte, das sie für Ruben und sich gebucht hatte. Carluccio war der Name der Besitzer. Aber wieso schrieb diese Delia eine Rezension zu einem ins Deutsche übersetzten Buch? Sie musste doch Italienerin sein, oder?

Auf dem Avatarbild war eine italienische Landschaft zu sehen. Viola las den Text zum Roman. Er enthielt nicht viele echte Aussagen zum Buch, sondern zeigte eher, dass die Userin eine Stammleserin des Autors war.

Commissario Montalbano begleitet mich seit dem ersten Band, und es ist jedes Mal wie Nach-Hause-Kommen, wenn ich die Wortgefechte mit Livia lese. Mich wundert ein bisschen, dass der Kommissar mit achtundfünfzig derart oft Gedächtnislücken haben soll. Warum dichtet Camilleri einem Mann, der immerhin dreißig Jahre jünger ist als er selbst bei der Veröffentlichung des italienischen Originals, solche Schwächen an? Trotzdem ein Genuss, zumal der Krimi spannender ist als die Vorgängerbände.

Viola rieb sich über das Kinn, dann klickte sie auf das Profil, um Delias andere Beiträge zu sehen. Sie war seit knapp fünf Jahren Mitglied im Forum, und Viola scrollte sich nun rückwärts durch die Bibliothek, um in ihre Buchbesprechungen hineinzulesen. Es waren pro Jahr fünf, sechs Stück.

Sie bemerkte einen Wechsel im Tonfall der Rezensionen.

Beim Durchscrollen der Besprechungen entdeckte sie eine zeitliche Lücke von mehreren Monaten vor drei Jahren. Sie betrachtete die Buchcover und stellte fest, dass Delia vorher viele Liebesromane empfohlen hatte, danach nicht mehr, sondern nur noch Krimis und ein, zwei Kochbücher.

Das war eigenartig. Viola klickte auf das Symbol für Privatnachrichten und schrieb kurzerhand eine Nachricht an Delia Carluccio.

Hallo Delia,

ich bin auf deinen Namen gestoßen, weil ich nach Büchern gesucht habe, die in Italien spielen. Du hast geschrieben, dass du Fan der Krimireihe von Andrea Camilleri bist, und ich habe mir gerade die Besprechungen seiner letzten Krimis angeschaut. Dein Name ist mir besonders aufgefallen, weil ich gestern eine Unterkunft in der Nähe von Pisa gebucht habe, die den Namen Carluccio trägt. 🙂 Wie es scheint, werde ich dich also bald kennenlernen.

Liebe Grüße von

Calaminaria

Calaminaria – das war ihr Nickname, den sie sich für alle sozialen Medien zugelegt hatte. Als Profilbild hatte sie das Foto eines gelben Galmei-Veilchens eingestellt, von dem sie sich den Namen ausgeliehen hatte.

Sie surfte noch eine Weile im Forum, dann bestellte sie sich den Krimi sowie den Folgeband in der Stadtbibliothek und begann damit, die Zutaten für das Abendessen vorzubereiten. Währenddessen lauschte sie einem Hörbuch, doch sie bemerkte, dass sie sich nicht konzentrieren konnte, und schaltete wieder ab.

Luisas Worte vom Mittag klangen in ihr nach, und so gern Viola die Gedanken auch zur Seite geschoben hätte, ließen sie ihr doch keine Ruhe. Bereits kurz nach ihrer Hochzeit vor drei Jahren hatte Luisa damit begonnen, Viola zu bearbeiten, weil diese ihren Job einfach so an den Nagel gehängt hatte.

»Aber es ist wirklich nur ein Job«, hatte sie dagegengehalten. Und dabei innerlich doch gewusst, dass sie eine Chance aufgegeben hatte. Umso mehr, als sie im dritten Schwangerschaftsmonat ihr Kind verloren hatte. Danach hatte sie lange gebraucht, die Traurigkeit abzulegen und auf die nächsten Monate zu hoffen. Irgendwie war es dann dabei geblieben. Die Hoffnung auf eine neue Schwangerschaft hatte sie davon abgehalten, einen neuen Start im Campuscafé zu wagen, der vermutlich damals noch möglich gewesen wäre. Hätte sie es getan, würde sie heute wahrscheinlich das Campuscafé leiten. Wehmütig ließ sie ein Bild des Innern des Cafés vor ihrem Auge entstehen. Sie vermisste es, und das umso mehr, je mehr Zeit verging.

Sie stellte die gewürfelten Zwiebeln zur Seite und begann, den Knoblauch zu schälen. Sie ließ die gut vier Jahre mit Ruben in ihrer Erinnerung vorbeiziehen. Nach seinem ersten Besuch im Café war er wiedergekommen und hatte sie bereits einen Tag später zu einem Abendessen eingeladen.

Viola hatte sich sofort in ihn verliebt, es hatte nicht einen Moment des Zögerns gegeben. Ruben war ein großer, gut aussehender Mann mit etwas altmodischen Manieren, der ihr damals das Gefühl gegeben hatte, er sähe keine andere Frau als sie. Nachdem sein Job an der Uni beendet war, trafen sie sich weiterhin und lernten sich näher kennen. Viola genoss Rubens Aufmerksamkeiten, die Art, wie er immer zielsicher vorschlug, wo sie sich trafen, weil er anscheinend ihren persönlichen Vorlieben folgte. Sogar die Tatsache, dass er meistens eine treffende Vorstellung davon hatte, was sie beide essen würden. Denn er hatte einen hervorragenden Geschmack, der ihrem eigenen ähnelte. Sie fühlte sich von ihm auf altmodische Art umworben. So viel Aufmerksamkeit oder eher Wertschätzung hatte sie in ihrem Leben selten bekommen. Zumindest kam es ihr damals so vor, in einer Zeit, in der sie sich mit ihrer Mutter oft stritt.

Erst nach mehreren Wochen bemerkte sie, dass sie ihre alten Freunde seltener als früher sah. Ihr bester Freund Julian, der während seines gesamten Studiums regelmäßig bei ihr im Café gesessen hatte, und mit dem sie über alles reden konnte – meistens waren es ihre Beziehungsgeschichten –, sagte kurz vor seinen Abschlussprüfungen, als sie sich nach ihrer Schicht zu ihm an den Tisch setzte: »Ein Glück, dass ich das Studium beende und bald auf Reisen gehe. Sonst würde mich das jetzt schon ziemlich fertigmachen.«

»Was genau?«, fragte sie nach, ahnend, was er meinte.

»Dass du nur noch für Ruben lebst.« Er wischte mit der Hand durch die Luft. »Vielleicht muss es so sein, wenn man den Richtigen gefunden hat. Aber ich habe das Gefühl, dass du mir als Freundin verloren gehst.«

»Aber nein, wir sind beste Freunde, und die werden wir bleiben.«

»Wir werden sehen«, waren seine Worte gewesen, und am Ende hatte er recht behalten.

Aber es war genauso seine Schuld wie ihre, dachte sie trotzig. Julian war nach seinem Abschluss auf Europareise gegangen und hatte sich kaum gemeldet. Ein paar Postkarten, das war alles. Glücklicherweise war sie dank dem ersten und einzigen Urlaub mit Ruben in Südtirol ohnehin so abgelenkt, dass sie es sich nicht zu Herzen nahm. Was ihrer Meinung nach gut war, da sie sich sonst womöglich verletzt gefühlt hätte.

Ruben, mit dem sie von Anfang an alles teilte, ihre Sorgen und Nöte, ihre Wünsche und Hoffnungen, bestärkte sie darin.

»Du hast jetzt mich, und ich werde immer für dich da sein.«

Diese Worte taten ihr so gut. Vielleicht, weil sie es als Kind und Teenager nie gewohnt gewesen war, dass jemand für sie da war. Es fühlte sich wie Nach-Hause-Kommen an, dass Ruben sich schon bald um all ihre Belange kümmerte. Ein Zuhause, wie sie es von früher nicht kannte. Natürlich konnte Mutter nichts dafür, dass sie als Alleinerziehende so viel arbeiten musste. Dafür hatte es ja Oma gegeben, bis Viola achtzehn gewesen war. Sie seufzte, nahm eine Zucchini und begann, sie in Scheiben zu schneiden.

Vermutlich war es ein Fehler gewesen, mit vierundzwanzig Jahren ihr gesamtes Leben nur noch auf Ruben zu fokussieren.

Als er ihr seinen Antrag machte und sie bat, ihre Arbeit im Campuscafé aufzugeben, schien es ihr ein Zeichen zu sein: Sie selbst würde eine Mutter werden, die ihrem Kind nicht nur Liebe, sondern auch Zeit schenken konnte. Da ihre Chefin auf eine Entscheidung drängte, mit der Viola auf Jahre hinaus viel Verantwortung hätte übernehmen müssen, fiel es ihr deshalb leicht, sich von dem Job zu trennen.

Leider klappte es mit dem Kinderkriegen nicht, nun war Viola seit drei Jahren »Nur-Hausfrau« und fragte sich immer öfter und immer dringender, ob das schon alles war. Sollte ihr Leben so weitergehen? Wie hatte sie nur in diese bedingungslose Abhängigkeit von Ruben schliddern können?

Den Gedanken an Kinder wollte sie aber auch nicht aufgeben, und innerlich schrak sie davor zurück, sich in einen Beruf zu stürzen. Wenn es mit der Schwangerschaft doch noch klappte, müsste sie ja wieder aussteigen. Ihre Gynäkologin hatte ihr kürzlich erst wieder bestätigt, aus körperlicher Sicht spreche nichts gegen eine Schwangerschaft. Auch Rubens Untersuchungsergebnisse schlossen den Kinderwusch nicht aus.

Unwillig wischte sie mit dem Handrücken eine Träne von der Wange. Sie stand auf und schaltete den Herd ein, um eine Pfanne zu erhitzen. Sie legte die Zucchinischeiben hinein, um sie anzubraten, die Zwiebeln und den Knoblauch stellte sie bereit. Gedankenverloren holte sie dann eine Paprika, um sie in Würfel zu schneiden.

Ein Gedanke schoss ihr in den Sinn, eher ein inneres Bild: eine Tafel, auf der mit Kreide Aushilfe ab April gesucht stand. Sie hatte es heute beim Café am Hauptmarkt gesehen!

Viola warf einen Blick auf die Uhr und bemerkte, dass sie mit dem Essen viel zu früh dran war. Nein, dachte sie grimmig, so konnte und sollte ihr Leben nicht aussehen. Eine saubere Wohnung und pünktliche Mahlzeiten als einziger Lebensinhalt?

Sie schaltete den Herd ab und schob die Pfanne beiseite. Das Abendessen würde sie später machen, wenn es die richtige Zeit dafür war.

Als sie die Wohnung verließ und die Treppe hinunter zur Haustür lief, spürte sie ein Kribbeln in der Brust, das sie lange nicht mehr gekannt hatte. Mit federnden Schritten ging sie zur City, an der Porta Nigra vorbei und zum Hauptmarkt. Die Tafel mit der Aufschrift stand noch da! Aldo bediente draußen, er sah sie und hob das Kinn, um sie zu grüßen. Als sie am Rand der Tische stehen blieb, kam er zu ihr. »Hast du etwas vergessen?«

Sie deutete auf die Tafel. »Ihr sucht eine Aushilfe?«

Er sah zur Tafel neben dem Eingang, dann zu Viola. »Ja. Hast du Interesse?« Er grinste. Wahrscheinlich dachte er an die Gesprächsfetzen, die er heute Morgen aufgeschnappt hatte.

»Für wie lange soll es denn sein?«, fragte sie.

»Das ist noch offen. Wir brauchen eigentlich immer Leute. Jetzt ist bald Ostern, und das Wetter ist gut. Das Geschäft nimmt Fahrt auf.«

Sie verzog den Mund. »Wir fahren noch ein paar Tage weg. Vom ersten bis zehnten April. Ich könnte am elften anfangen.«

Aldo drehte nachdenklich die Augen zum Himmel. »Ich muss meinen Vater fragen. Kommst du mit rein?«

Sie folgte ihm in das Café. Seinen Vater kannte sie schon, seit sie ein Mädchen gewesen war. Aldo redete kurz mit ihm hinter dem Tresen. Signore Ciglio kam mit wiegendem Schritt vor und blickte Viola über die Theke hinweg an. »Ab dem Elften?«, fragte er. Viola nickte. »Hast du Erfahrungen mit der Arbeit als Kellnerin?«

Aldo lachte bei der Frage seines Vaters. Er kannte Viola seit vielen Jahren, und eigentlich müsste sein Vater auch wissen, dass sie lange in einem Café gearbeitet hatte.

»Ja. Brauchen Sie ein Arbeitszeugnis?«

Signore Ciglio winkte grinsend ab. »Nein, schon gut. Bei den Studenten verlange ich ja auch keines. Kannst du sechs Stunden pro Tag? Morgenschicht und Nachmittagsschicht wochenweise im Wechsel?«

Viola zögerte. Wenn sie an den Nachmittagen arbeitete, wäre sie nicht zu Hause, wenn Ruben nach der Arbeit heimkäme. Sie straffte die Schultern. Dann musste Ruben eben auch mal kochen. »Ja, das passt.«

»D’accordo.« Er sagte ihr, welchen Lohn sie bekäme, und Viola schluckte. Anscheinend sah er ihre Vorbehalte, denn er zog die Brauen hoch. »Es ist der Lohn für eine Aushilfskraft«, erklärte er.

Sie nickte. »Abgemacht. Ab dem Elften.« Sie streckte ihm die Hand hin, die er ergriff.

»Den Vertrag setzen wir noch auf.« Er lächelte, dann drehte er sich um und brühte an der modernen Maschine frischen Espresso auf. Der intensive Duft des Gebräus verbreitete sich.

Viola sah zu Aldo, der grinsend die Schultern hochzog. »Dann sind wir bald Kollegen. Ich freue mich. Ich muss weitermachen.« Damit ließ er sie stehen, und perplex ging Viola wieder hinaus.

Auf dem Heimweg bestürmten sie Zweifel. Was würde Ruben dazu sagen? Wie hatte sie nur so übereilt einen Job annehmen können? Aus einer Laune heraus. Andererseits war es nicht mehr als das – ein Job. Sie konnte ihn jederzeit kündigen, wenn er ihr nicht passte.

Sie straffte die Schultern und ging weiter. Es war ein Anfang, nicht mehr. Es war ein erster, zaghafter Schritt. Vielleicht ein Schritt zum eigenen Delikatessenladen. Und in Pisa, dachte sie dann, in Pisa würde sie die Gelegenheit nutzen, um mit Ruben über alles zu sprechen. Er würde sicherlich einsehen, dass sie sich mit achtundzwanzig Jahren einfach zu jung fühlte, um ein Leben als Hausfrau zu führen. Auch wenn sie damals zugestimmt hatte, zu Hause zu bleiben. Er würde es verstehen. Schließlich liebte er sie.

Als sie wieder zu Hause war, hing der Duft der angedünsteten Zwiebeln in der Küche, aber ein Blick zur Uhr verriet Viola, dass sie noch immer Zeit hatte, bis sie das Essen zubereiten musste. Ruben kam meistens um halb sieben nach Hause, und er mochte es, wenn das Essen dann frisch auf den Tisch kam. Da sie schon alles vorbereitet hatte, blieb ihr noch eine Stunde.

Sie loggte sich wieder ins Forum ein, um nachzusehen, ob Delia Carluccio sich gemeldet hatte. Ein Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus, als sie sah, dass bei ihrem Posteingang eine kleine Eins stand. Sie klickte darauf – tatsächlich, Delia hatte geantwortet!

Liebe Calaminaria,

buongiorno! Ja, ich habe mit dem Haus zu tun. Es ist meines. 🙂 So treffen sich Büchersüchtige eben überall auf der Welt. Andrea Camilleri ist einer meiner Lieblingsautoren. Es ist so schade, dass er nicht mehr lebt.