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Der Lyrikband spannt den Bogen – vom Rhythmus des Großstadtalltags über den Fluchtpunkt Fernweh bis hin zu Reflektionen über die Gesellschaft und Beziehungen in ihr, um schließlich wieder beim Einzelnen anzukommen.
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Seitenzahl: 69
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Das kleinere Schwarze
(Gedichte)
Das kleinere Schwarze (Gedichte) André Bunde Copyright: © 2014 André Bunde published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Sich die Taschen gegenseitig voll-
hauen, andre sammeln
Leergut – Kuckucksnest, doch bisher flog
keiner: Skylinehoch
türmt sich das, um was man nicht herumkommt,
um das, was hier umkommt.
„Mord der Unschuld ging in Serie“ – Soll:
An der Quote hangeln
sich die Trends entlang – zum Gipfel: Stau!
Oben ist gleich Mitte,
Zentrum. Wir sind ab jetzt Kletteraffen,
die den Absprung schaffen!
Und nicht Spiderman, der vor der Stadt
keine Gegner hat.
Ergo: Diesmal wird die weiße Frau
nicht zur schwarzen Witwe!
Das Enttäuschende nach der Verheißung
kam Schritt für Schritt. Erst fiel der Stolz weg,
dann der Rest. Es folgte die Verzweiflung
durch Augen, deren Sicht den Holzweg,
auf dem ich stehe, steinigte.
Sie richteten – den Blick auf
Höheres und hielten mich auf
Abstand. Fugen gab ich Silikon,
warf noch mal wütend einige
Münzen in den Schlitz der Illusion.
Die leeren Tetra-Packs
dieser vorerst letzten Nacht
jenes implodierten Abends fügten sich
zu einer abgeschmackten Skyline
auf dem ausgelaugten Küchentisch.
Im Größenwahn. Ich war Godzilla,
ein Geschäftsbezirk danach Ruine
und eine Wohnung Geistervilla:
kriegte wieder das, was ich verdiene.
Und dabei wollte ich bloß frei sein.
Das wandelnde Gewissen zieht
in der Küche Bahnen.
Anschlag folgt auf Anschlag
und im Radio Nachricht
auf Nachricht; die Schwarz-Weiß-Kopie
des Geschehens – Rahmen.
Das Dunkel draußen. Drinnen übt
viel zu Helles Nachsicht
mit einer Messerspitze, die
sich bis an den Rand wagt.
Darunter trägt etwas den Schritt:
Horizont aus Fliesen.
Am Puls der Zeit. Sein Standgericht
geht einher
mit dem Gewissen. Wandel ist
einer jener Riesen,
einer, der
die Möglichkeit mit Füßen tritt.
Während des
Auf und Ab am eingefassten Ufer
etwas Klassisches gesichtet:
Jenes Paar
grüner Trauerweiden ließ die schweren
Köpfe fast ins trübe Wasser hängen.
Und schon hatte mich
einer dieser
spiegelglatten Binnenseen,
die für jeden Blick so tun, als wären
sie von aufgebäumten Abgesängen
nicht gerührt, zutiefst erbaut:
Um ein Haar
wurde mein Gefühl,
dass der Frühling hier für sich steht,
von dem Grenzkalkül
tief im Innern falsch gewichtet.
Nach dem Stolpern umgeschaut.
Nur ich hatte hingesehen!
Jeder neue Tag – eine Epoche
für den Aufstieg und Fall. Von Gewinnern, Verlierern
und Großstadtsanskrit.
Jeder Ausblick – nur ein Elefant,
der im Dschungel aus Normen bengalischen Tigern
gegenübertritt.
Sich in der Vergangenheit
spiegelnde Schatten.
Endlose Botschaft.
In ihr verfangen,
voller Erwartung bereit.
Und dann wieder am Ende der Woche
leer ausgegangen,
um mir von einem Glas aus der Hand
lesen zu lassen.
Mich treiben Geister eines alten Bausparkassenwesens.
Noch immer gibt die Hoffnung meiner Zukunft ein Zuhause.
Auch wenn die Straßenlichter unter falscher Flagge segeln,
ist ihre Sternenkarte nichts als meine Ankerklause,
aus der die Zauberbohnen in die Risse des
Asphaltgrunds sinken. Säbelrasselnd, vorlaut schielt
der Wunderglauben unter ein zerschlissenes
Verdachtsmoment aus Nebelresten. Jemand zielt
mit seinem Schlüsselbund auf eine Haustür.
Das Klappern steuert auf die Straßenflucht zu.
Das kalte Lächeln der Sirenen haust hier.
Gefesselt sehen Räder einer Sucht zu.
Nicht anders könnend – Reflexion
der Katzenaugen: längst zu spät
für vieles. Wortlos weiß ich schon,
dass Aufwärts nur geknebelt geht.
Und das Straßennetz ist
ausgeworfen worden. Eine dunkle Welle
nach der andern zieht
in ihm in die Tiefe einer Nachtbaustelle.
In dem Wasserglas,
das sich Träumen hingab, erntet sie erneut Sturm.
Geisterstunden tauschen
Blicke mit der Außenwelt – ein eignes Leuchtturm-
bauvorhaben. Schlaf
hinter schwarzen Fenstern schafft die Rahmenhandlung
für das Augenrauschen,
das sich weit entfernt vom Lärm der Häuserbrandung
abspielt. Ausgesetztes
lässt sich langsam mit dem zähen Takt des Blinklichts
tiefer sinken, sieht
sich am Boden – in dem Wissen, hier ertrinkt nichts.
Der Abendabglanz: Gebärfreudig schimmert
das Hafenbecken. Kinderleichen treiben
aufs Meer hinaus. Diamantenes Gewässer.
Der Spieltrieb strömt aus dem Casino
in Imbissbudenautomaten und zurück.
Ein aufgeschwemmtes Leben saugt sich Stück für Stück
mit Überstunden voll. Bekenner schreiben
sich Kurznachrichten aus der Nachtschicht.
Der Sandmann setzt auf russisches Roulette.
Die Headline macht sich kopflos selber wett.
Und Urinstinkte flüchten auf ein Kletter-
gerüst. Sie sehen einen Dino
im offnen Streugutkasten schlafen.
Darüber großes Fensterscheibenschweigen –
noch immer Schonbezug fürs Wasserbett.
Darunter niemand, den die Nachricht kümmert.
Im Stau vor heruntergelassenen Schranken,
Signallichtern stehend, beschleicht mich
das leise Gefühl, was verpasst
zu haben, als wären
die Züge, die meine sind, ab-
gefahren, die leeren
Bahnhöfe Spielwiese für einen Gedanken:
Egal was ich tue, es weicht nicht!
Den Sommer verschlossen – im Schlafzimmerschrank.
Das ein oder andere Herz in der Hand
nahm das eingeschneite Gleichnis an,
um näherzukommen. Das Schneeballprinzip
erstarb mit dem Winter. Was letztendlich blieb,
war der himmelweite Unterschied.
Ist jeder Tag
der Geist von gestern, schließt
der Wimpernschlag
Enttäuschung, die sich zieht,
wird es Zeit,
dass ihm Glauben morgens mit
einem Augen-
zwinkern gegenübertritt.
Aus dem Hausflurdunkel drangen Worte.
Und ein offner Fensterladen ließ noch Licht
in den Straßenschatten fallen.
Auch wenn ich erst vorüberrannte,
kam mir die Fassade
doch verdammt bekannt vor
und in mir die Frage
auf: „Bloß von woher?“
Antwort! Dann die nächste:
„Wohnt in ihm noch der,
den ich vor Jahren einmal kannte?“
Auf den Klingelplatten rangen Finger
mit der Neugier. Doch trotz allem
Suchen fanden sie den Namen schließlich nicht.
Offene Augen für Träume – verstaubte
Straßen. Die Hauswände schreien „No Sleep“,
machen ein wandelndes Schlafdefizit
obdachlos, wo sich in Flecken getauchte
Matratzen vor Eingängen ausstellen.
Das im Entstehen Begriffene lockt mit
Wachstum, das Polster der Sitze in den
Öffentlichen nur mit einer Bequem-
lichkeit, die im Grunde
vom Ausschluss besessen ist. Widerstand tut nichts
zur Sache. Zur Stunde
besteht ein vergessenes Baustellenflutlicht,
das in der Nachmittagshitze vertrocknet,
im Widerstand gegens Vergessen und zeigt auf
die Wunde im Straßenbett – gegen den Kreislauf!
Standhaft geblieben, komplett übersehn.
Vorgestellte Bleistiftskizzen schildern,
was der stumpfe Raubtierblick des Jägers sieht.
Ausgehöhlt und ausgehungert wildern
Augen in den Straßen. Stunden später flieht
Sonnenlicht durch Dachgeschosse. Richtung
Himmel setzen blinde Flüchtlingshelfer ein
dunkles Zeichen. Über Grenzen. Sichtung
auf dem Turm aus illegalem Elfenbein.
Augen fallen: Angezogen schaun sie nur
auf den Tag herab (und im Nirwana landen
Träume), morgens sehn sie ihre Traumfigur
wieder mit den eigenen Organen handeln.
Vorgestellte Bleistiftskizzen schildern …[1]
Der Fluchtpunkt machte Ausnahmen zur Regel.
Beim Wiedereintritt in die Atmosphäre
des aufgeheizten Treppenhauses setzte
das Raumschiff auf Verortung – Sonnensegel
verloren sich als Wunschtraum. Die Chimäre
aus Dunkelheit und Hitzeschild gab Schutz.
Nach Schuld gesucht. Im starren Blicken fand
ich auf den Stufen Zweifel. Jemand saß!
Die Sternenkarte aus vergilbtem Putz
war hinfällig, das Shuttle unbemannt.
Mechanismen näherten sich Stück
für Stück der Wahrheit. Aufschub bis aufs Letzte
verbraucht und abgestoßen. Während Leere
ins All des Aufstiegs gähnte. Jemand maß
den Weg nach oben aus und Unschuld sank
in die Schwerelosigkeit zurück.
Vor mir: Überfluss an Stufen.
Hall! Fürs Überkommene.
Hab schon vor dem endlos langen
Aufstieg lauthals angefangen,
mir das da noch Kommende
in Erinnerung zu rufen.
Kann gerade nichts, als nach
nebenan zu hören. Dort
wohnt das laute Kinderlachen,
gegenüber, auf der andern
Straßenseite ein Plakat,
das nur grinst. Dazwischen kacken
Hunde auf den Bürgersteig.
Der Geruch, der bleibt, ganz gleich,
was es für ein Lächeln zeigt.
Und die Hausflurwand verzweigt
Kindliches. Das Zauberwort …
alle