Das Leben nach den besten Jahren - Mario Basler - E-Book

Das Leben nach den besten Jahren E-Book

Mario Basler

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Beschreibung

Jedem Menschen passiert es früher oder später: Die besten Jahre scheinen vorbei. Die große Unsicherheit beginnt. Fußballern passiert das besonders früh. Bereits in den Dreißigern endet ihre Karriere. Wie gehen sie damit um? Und was können wir alle davon lernen? Witzig, hellsichtig und inspirierend erzählen Kult-Kicker Mario Basler und Markus Babbel, wie es ihnen gelang, den Weg in ein neues Leben zu finden, und wie jedes Jahr das beste wird.

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Seitenzahl: 191

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Mario Basler, Markus Babbel:Das Leben nach den besten Jahren

Alle Rechte vorbehalten

© 2025 edition a, Wien

www.edition-a.at

Cover: Bastian Welzer

Satz: Anna-Mariya Rakhmankina

Fotos: Valerie Voithofer

Gesetzt in der Premiera

Gedruckt in Deutschland

1  2  3  4  5  —  28  27  26  25

ISBN: 978-3-99001-798-2

eISBN: 978-3-99001-799-9

MARIO BASLERMARKUS BABBEL

Das Leben nach den besten Jahren

INHALT

Kapitel 1

Was zum Teufel soll ich jetzt tun?

Kapitel 2

God save the deutsche Nationalmannschaft

Kapitel 3

Willst du den Gipfel erklimmen oder den Berg versetzen?

Kapitel 4

Wenn dein Leben dir eine Zitrone gibt … brauchst du erstmal eine Kippe

Kapitel 5

Heimkommen

Kapitel 6

Fernweh

Kapitel 7

Die beste Zeit ist jetzt

Kapitel 8

Die Weisheit der besseren Jahre

Epilog

Die besten Jahre kommen noch

Kapitel 1

Was zum Teufel soll ich jetzt tun?

Was waren unsere besten Jahre? Die meisten Menschen meinen, für uns beide waren das die Jahre unserer aktiven Fußballerkarriere. Als wir die deutsche Meisterschaft gewannen, den Cup holten, Europameister wurden und mit Bayern München im Champions-League-Finale standen.

Das liegt nahe. Immerhin schauten uns damals Millionen von Menschen auf die Füße. Sie riefen unsere Namen (nicht immer auf nette Weise) und jubelten uns zu. Wir feierten Tore und Siege, waren jung und im Vollbesitz unserer körperlichen Kräfte. Klingt nach einer richtig tollen Zeit, oder?

Gemeinhin verstehen wir unter unseren »besten Jahren« die Zeit mit den größten Erfolgen und den prägendsten Erfahrungen, aber auch die, in der wir gesund und vital waren. Viele würden wohl »jung« dieser Aufzählung hinzufügen, weil sie ihre besten Jahre in ihrer Schul- oder Studentenzeit verorten, irgendwann zwischen dem zwanzigsten und dem dreißigsten Lebensjahr, in ihrer goldenen Jugend.

In unseren besten Jahren verlieben wir uns, heiraten, gründen Familien. Wir finden unseren Traumjob oder bauen ein Unternehmen auf, entwickeln Ideen und setzen uns gegen Konkurrenten durch. Wir bereisen die Welt, lernen aufregende Menschen kennen und überbieten ständig unsere eigenen Bestleistungen. Doch egal wie unsere besten Jahre aussehen, eines haben sie gemeinsam: So unverwundbar wir uns in dieser Zeit fühlen, so zeitlos sie uns erscheinen, sie gehen irgendwann zu Ende.

Unsere »besten Jahre« liegen nun schon rund zwanzig Jahre zurück. Die Umstellung für uns war wie für alle Fußballer, deren Karriere endet, groß. Von einem Tag auf den anderen wird die Welt leiser. Die Freude auf das nächste Spiel, auf den nächsten Gegner ist weg. Da ist kein nächstes Spiel, kein nächster Gegner. Da sind keine Trainingseinheiten mehr, die das Leben strukturieren. Selbst die Gelegenheiten, mit den Kollegen nach harten Tagen ein Bier zu trinken, gibt es so nicht mehr (was einem von uns beiden mehr wehtat als dem anderen).

Ein Fußballer muss sich nie fragen, was als Nächstes kommt. Er weiß es. Er kennt seinen Spielplan. Einen Ex-Fußballer trifft diese Frage umso härter. Es ist die einzige, die nun zählt.

Was jetzt?

Im Grunde stellt sich diese Frage allen Menschen an einem bestimmten Punkt ihres Lebens. Deshalb haben wir dieses Buch geschrieben. Vielen stellt sie sich wie uns, nachdem sie ihren Beruf aufgeben mussten. Manchen nach dem Ende einer langen Beziehung. Anderen nach einer Erkrankung oder einer Verletzung. Egal ob Topmanager oder Krankenschwester, Postbeamter oder Rechtsanwältin, ob jünger oder älter, jeder fürchtet irgendwann, die besten Jahre seien vorüber. Aber wie soll der Rest des Lebens gelingen, wenn nichts, was kommt, so gut werden kann wie das, was war?

Wir werden in diesem Buch »die besten Jahre« manchmal in Anführungszeichen setzen, denn vermutlich sind deine besten gar nicht die Jahre, die du dafür hältst. Du wirst sehen, wie jedes deiner Jahre seinen wichtigen und einzigartigen Platz in deinem Leben hat und dass die besten Jahre immer die sind, die du gerade erlebst.

Deine scheinbar »besten Jahre« haben sich dir vielleicht überhaupt erst zu erkennen gegeben, nachdem sie vorbei waren. Da hast du dir vielleicht die Frage gestellt, ob du sie richtig genutzt hast, weil du dich damals so gut auch wieder nicht gefühlt hast. Jedenfalls nicht ständig. Umso schlimmer, wenn es das jetzt war, mit der wirklich guten Zeit.

Wir wollen dir mit diesem Buch und den Geschichten, die wir darin erzählen, einen anderen Umgang mit den »besten Jahren« und damit auch mit deiner Gegenwart und deiner Zukunft empfehlen. Einen, der es dir ermöglicht, den Wert des Moments zu erkennen und die Chancen, die du immer hast. Zu jedem Zeitpunkt. Verlässlich. Wenn du die richtigen Schlüsse aus deinen vermeintlich besten Jahren ziehst, lautet unser Versprechen, werden die Jahre danach noch besser, und du wirst noch zufriedener sein.

Bevor wir richtig anfangen, werfen wir einen Blick auf die Momente unserer Leben, als »die besten Jahre« vorüber zu sein schienen. Wir alle haben solche Momente. Wir alle gehen anders damit um. Aber für die meisten von uns beginnen sie mit dem gleichen, beängstigenden Gedanken: Was zum Teufel soll ich jetzt nur tun?

Markus

VERLOREN IN DER HEIMAT

Im Jahr 2004 kam ich aus England nach Deutschland zurück. In Liverpool hatte ich mir einen lang gehegten Traum erfüllt und vor den englischen Fans, im Geburtsland des Fußballs, bei einem der größten Vereine der Welt gespielt. Ich hatte den UEFA-Cup gewonnen, den zweitwichtigsten europäischen Wettbewerb, und den englischen Pokal. Nach diesem ersten Jahr, das wie im Traum verging, befiel mich eine schwere Nervenkrankheit. Ein Jahr setzte sie mich außer Gefecht, und es war nicht sicher, ob ich je wieder würde Fußball spielen können. Als ich endlich wieder ins Training einsteigen konnte, spürte ich, mein Leben würde nicht mehr sein wie zuvor. Etwas hatte sich unwiederbringlich verändert. Auf diese Geschichte werde ich später noch näher eingehen. Nur so viel: Ich spürte, ich musste runter von der Insel. Wenn ich es als Fußballer noch einmal probieren wollte, dann musste ich zurück nach Deutschland, zurück in die Heimat. Das Angebot des VfB Stuttgart kam gerade recht.

Als ich in Stuttgart ankam, hatte ich mir viel vorgenommen. Ich wollte es allen, vor allem mir selbst, noch einmal so richtig zeigen. Ich war bereit, härter zu trainieren als jemals zuvor. In der Vorbereitung schonte ich mich nicht. Waldläufe, Einheiten in der Kraftkammer, Zusatzschichten auf dem Platz. Ich gewann meine alte Disziplin zurück, die in England gelitten hatte. Ein einziges Ziel trieb mich an: Allen zu zeigen, was noch in mir steckte. Wir hatten ein Team voller junger, hungriger Spieler, und ich wollte mit meiner Erfahrung ein Leitspieler werden. Alles war angerichtet für das große Comeback.

Die ersten zwei Jahre beim VfB waren ein ständiges Auf und Ab. Jede Saison wechselte der Trainer. Manchmal stand ich in der Startaufstellung, nur um eine Woche später auf der Bank Platz zu nehmen. In meinem zweiten Jahr versicherte mir mein Trainer, der legendäre Giovanni Trapattoni, der mich bereits von seiner Zeit bei den Bayern kannte, er würde mich noch einmal zum Nationalspieler machen. Kurz darauf nahm er mich aus dem Kader. Es war schwer, mit der Situation umzugehen.

In der Vorbereitung auf meine dritte Saison sollte alles anders werden. Horst Heldt, der zuvor gemeinsam mit mir gespielt hatte, war Sportdirektor in Stuttgart geworden. Wir hatten einen guten Draht zueinander. Der damals relativ unbekannte Armin Veh übernahm den Trainerposten.

In den Wochen vor Saisonbeginn warf ich noch einmal alles hinein, was ich hatte. Alle meine Jahre als Fußballer sollten in dieser Vorbereitung, in dieser Saison kulminieren und ihren Höhepunkt finden. Offenbar gelang mir das. Kurz vor dem ersten Match nannte Coach Veh die beiden Gewinner der Vorbereitung: Serdar Tasci und mich. Wir spielten beide auf derselben Position. Tasci war 19 Jahre jung, ich war 34 Jahre alt. Das hätte mir Zeichen genug sein sollen, dass mein Platz nun ein anderer war.

Doch als altes Eisen sah ich mich noch lange nicht. Was auch das erste Spiel gegen den 1. FC Nürnberg zeigte. Ich stand nicht nur in der Startelf, ich führte das Team sogar als Kapitän auf das Feld. Meine Freude währte allerdings nur kurz. In der 37. Minute zirkelte der Nürnberger Banović einen Freistoß in unseren Sechzehner, Róbert Vittek löste sich von seinem Gegenspieler und köpfte zum 0:1 ein.

Kurz vor der Pause der nächste Rückschlag: Der dribbelstarke Vittek setzte sich auf rechts durch, flankte in den Strafraum, und diesmal kam Banović mit dem Kopf an den Ball. Er legte ab, Schroth segelte flach über den Rasen und nickte zum 0:2 ein.

Es war kein gutes Spiel, uninspiriert, unkreativ, ideenlos. Auch nach dem Wiederanpfiff versuchten wir eher, ein weiteres Tor zu verhindern, als selbst eine Chance zu kreieren. Mario Gómez, unser Torjäger, blieb blass und musste nach einer Stunde vom Platz. Kurz vor dem Ende dann der Todesstoß: Vittek eroberte den Ball in unserer Hälfte, schickte Saenko auf die Reise, Doppelpass mit Banović und ein kaltschnäuziger Abschluss ins rechte Eck. 0:3. Das war’s.

Scheiße gelaufen, dachte ich, als wir alle ziemlich verärgert und frustriert in die Kabine stapften. Egal, Mund abwischen, das nächste Spiel kam bald. Ich wusste, wie ich mit einer Niederlage umzugehen hatte.

Am nächsten Tag rief mich Armin Veh vor dem Training in sein Büro. Wollte er mit mir über Taktik sprechen? Fehler durchgehen, die wir gemacht hatten? Darüber nachdenken, wie wir das Team wieder aufrichten konnten? Immerhin sah ich mich als Führungsspieler der jungen Mannschaft.

Doch Veh stellte mir keine Frage, vielmehr stellte er mich vor vollendete Tatsachen. Seine Lippen waren noch dünner als sonst, ein einziger Strich in dem strengen Gesicht. »Markus«, sagte er, »es reicht nicht mehr. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder ich schmeiße dich raus. Oder du hilfst mir in einer anderen Rolle dabei, diese Saison zu einer besonderen zu machen.«

Mit allem hatte ich gerechnet, nur damit nicht. Im ersten Moment dachte ich, mich verhört zu haben. Dann realisierte ich langsam, was Veh gesagt hatte. Aus. Vorbei. Er wollte mich nicht mehr in der Mannschaft haben. Er hielt mich, der ich deutscher Meister, Europameister, UEFA-Cup-Sieger geworden war, nicht mehr für gut genug. Zu alt. Zu langsam. Weiß der Teufel was.

Im ersten Moment waren da Enttäuschung, Wut, Frust. Nur meine Disziplin und meine angeborene Zurückhaltung ließen mich die Fassung bewahren. Trotz all der Emotionen schätzte ich die Direktheit meines Trainers. Also blieb ich ruhig. Und bat um Bedenkzeit.

An diesem Tag fuhr ich gleich nach dem Training heim. Noch erzählte ich niemandem von diesem Gespräch. Nicht meiner Frau, nicht meinen Freunden. Das war etwas, was ich mit mir selbst ausmachen musste. Was dabei herauskommen würde? Keine Ahnung.

Das Gespräch legte einen Schatten über alles. Die nächtliche Dunkelheit wirkte bedrohlicher als sonst. Ob morgen überhaupt wieder die Sonne aufgehen würde? Das Abendessen schlang ich noch wortkarger als gewöhnlich hinunter. Ich blieb an diesem Abend noch einige Zeit länger wach, lag vor dem Fernseher, konnte mich aber nicht konzentrieren. Die Bilder flimmerten bedeutungslos an mir vorbei. Ich kehrte immer wieder in Vehs Büro zurück, zu seinen Knopfaugen, in denen kein Mitgefühl zu erkennen war.

Als ich endlich den Fernseher ausmachte und nach oben ins Schlafzimmer ging, schlüpfte ich nicht gleich unter die Decke. Zunächst ging ich ins Badezimmer. Leise schloss ich die Tür und knipste das Licht an. Dann stellte ich mich vor den Spiegel und sah mich an. Lange und eindringlich.

Was konnte ich sehen? Dreitagebart. Aufmerksame braune Augen. Einen müden Blick. Müde von den vielen Mühen, nicht nur in dieser Saison, sondern in all den kräftezehrenden Jahren, in denen ich mich bemüht hatte, immer besser zu werden. In denen ich immer um meinen Platz zu kämpfen hatte. Nie zufrieden sein durfte. Hatte sich diese Anstrengung endlich in die Winkel meines Gesichts gesetzt? Wer war es, der mir da aus dem Spiegel entgegenblickte? Es war nicht einfach, darauf eine Antwort zu finden.

Was sollte ich jetzt tun?

Mario

DER GERUCH VON NIEDERLAGE

Ein Ende kann verdammt lang dauern. So wie meins beim FC Bayern München. Im Mai 1999 war ich auf dem Höhepunkt meiner Karriere angekommen. Mit den Bayern wurden wir souverän deutscher Meister. In der Champions League sicherte ich uns im Halbfinale mit einer bärenstarken Leistung das Weiterkommen gegen Dynamo Kiew. Und im Finale gegen Manchester United gelang mir in Minute 6 per Freistoß der Führungstreffer.

Selbst als wir in diesem denkwürdigen Spiel durch Gegentreffer in Minute 91 und 93 noch als Verlierer vom Platz gingen, währte der Frust nur kurz. Wir alle wussten, was für eine überragende Saison wir gespielt hatten. Auch im Finale gegen Manchester waren wir die bessere Mannschaft gewesen. Wir hatten uns nichts vorzuwerfen. Statt Resignation herrschte eine »Jetzt erst recht«-Mentalität. Wir alle wussten, in der nächsten Saison konnten wir ganz nach oben kommen. Wir hatten das Zeug dazu.

Doch im folgenden Sommer verflog dieses Hochgefühl rasch. Ich ging in mein letztes Jahr als Bayern-Spieler. Sollte ich verlängern, wollte ich das zu meinen Konditionen tun. Ich hatte mir in den vergangenen Saisonen eine Position als Leistungsträger erarbeitet und mit wichtigen Toren maßgeblich zu den Erfolgen des Teams beigetragen. Ich war davon überzeugt, eine solche Wertschätzung verdient zu haben.

Doch die Bayern-Bosse rund um Uli Hoeneß sahen das wohl anders. Zu oft berichteten die Zeitungen über meine nächtlichen Ausflüge. Und dann besaß ich auch noch die Frechheit, nicht das erstbeste Angebot der Bayern anzunehmen, sondern nach einem besseren zu verlangen. Die ersten Spiele der neuen Saison sah ich von der Bank aus. Mehr als ein paar mickrige symbolische Minuten stand ich nicht auf dem Platz. Ausgerechnet bei einem Benefizspiel Anfang September riss ich mir dann auch noch die Patellasehne im linken Knie. Ausfallzeit mindestens zwei Monate.

Die Dinge entwickelten sich nicht so, wie ich es mir erhofft hatte. Vermutlich ging es den Verantwortlichen des FC Bayern nicht anders. Wir alle waren mit großen Erwartungen ins neue Jahr gestartet, und nun schleppte ich mich ins Reha-Training, während meine Kollegen den Ball hochhalten konnten. Eine beschissene Situation. Das Verhältnis spannte sich an. Eine Nacht reichte, um es unwiederbringlich zu zerreißen.

Gemeinsam mit unserem Ersatztormann Sven Scheuer war ich nach der Reha in die Trattoria da Fernando gefahren, wo ein Freund Geburtstag feierte. Wir blieben länger als beabsichtigt, es war ein toller Abend. Bis wir uns um halb eins verabschieden wollten. Da kam ein angetrunkener Typ daher, der uns schon den ganzen Abend lang unangenehm aufgefallen war. »Scheiß-Bayern« und Schlimmeres ließ er gegen uns los.

Ich versuchte ihm klarzumachen, dass wir uns in einer geschlossenen Gesellschaft befanden und er nicht erwünscht war. Doch das schien ihn nicht zu beeindrucken. Er ließ nicht locker mit seinen Provokationen. Bis Sven mit ihm auf den Parkplatz ging und ihm dort eine scheuerte. Dann war Ruhe, und wir fuhren nach Hause.

Doch die Ruhe war bald vorüber. Die Geschichte landete in der Zeitung. Uli Hoeneß war stinksauer. Sven und ich mussten vor versammelter Menge antanzen, die großen Kaliber hatten uns was zu sagen, neben Uli auch Kalle Rummenigge, Karl Hopfner und der Kaiser höchstselbst, Franz Beckenbauer.

Im Hotel Limmerhof in Taufkirchen standen wir wie zwei Schulbuben vor den Bossen und ließen uns von Hoeneß anschreien. Er glaubte mir nicht, als ich angab, bloß als unbeteiligter Zuseher dabei gewesen zu sein. Ich weiß nicht, ob er mich zu dieser Zeit einfach loswerden wollte oder durch das mediale Bild tatsächlich so eine schlechte Meinung von mir hatte. Jedenfalls war er überzeugt, ich wäre an dem ganzen Dilemma schuld. Wir kamen mit einer saftigen Geldstrafe und einer Ermahnung davon. Doch an diesem Abend war mir klar, dass etwas zerbrochen war. Meine Zeit beim FC Bayern München war vorüber. Als ich meinen Manager, Roger Wittmann, anrief, um ihm das mitzuteilen, wollte er es nicht glauben. Aber ich wusste, was kommen würde.

Am 16. Oktober, ich war noch immer verletzt, spielten die Bayern im großen Olympiastadion gegen die Hertha aus Berlin. Vor dem Spiel war mehr über mich geschrieben worden als über die zweiundzwanzig Kicker, die tatsächlich auf dem Platz stehen würden. Die Bayern gewannen souverän mit 3:1. Der Brasilianer Paulo Sérgio, der mich auf dem rechten Flügel ersetzte, steuerte zwei Tore bei. Doch das Ergebnis war nur Nebensache.

Nach dem Spiel ließ Uli Hoeneß Sven und mich in den Umkleideraum für Balljungen im Olympiastadion kommen. Die letzten Fans hatten noch nicht mal das Stadion verlassen. Es roch nach abgestandenem Schweiß und Niederlage. Das Licht von der Decke war milchig und zitterte, als hätten selbst die Glühbirnen Angst vor dem Münchner Oberboss. Hoeneß fackelte nicht lange. An diesem Ort erfuhr ich von meiner sofortigen Suspendierung. Dass Sven das gleiche Schicksal traf, war nur ein schwacher Trost.

Keine zwanzig Minuten später gab Franz Beckenbauer noch im Olympiastadion bekannt, was sich im Bauch des Stadions zugetragen hatte. Mario Basler war nicht mehr länger Spieler des FC Bayern München.

Als die Botschaft durch die Lautsprecher hallte, war ich schon nicht mehr vor Ort. Ich fuhr nach Hause. Vor wenigen Monaten war ich einer der besten Spieler Europas gewesen. Hatte im Finale des größten Fußballwettbewerbs ein Tor erzielt. Und nun stand ich ohne Verein da.

Tief in mir drin wusste ich wohl da schon, dass ich nie wieder auf dem Niveau spielen würde, das ich soeben verlassen hatte. Aber wo ich spielen würde, das wusste ich auch nicht. Auf dem ganzen Weg nach Hause begleitete mich eine Frage: Was jetzt?

Es sind diese Momente im Leben, die eine Schneise schlagen zwischen dem, was davor war, und dem, was danach kommt. Wir beide waren mit Enttäuschung und Ungewissheit konfrontiert. Statt noch einmal voll anzugreifen und es allen zu zeigen, standen wir vor einer Zukunft, die nicht das für uns versprach, was uns die Vergangenheit gegeben hatte. Wie weitermachen?

Darum soll es in diesem Buch gehen. Wir sind wie gesagt überzeugt, dass jeder Mensch in seinem Leben auf solche Momente trifft. Wie er ihnen begegnet, entscheidet, wer er sein und wie sein weiteres Leben verlaufen wird.

Nicht immer sind solche Momente so dramatisch wie im Leben eines Profisportlers, aber deshalb sind sie nicht weniger bedeutend. Wer mit ihnen richtig umzugehen weiß, macht aus jedem Jahr sein bestes. Und bleibt nicht in seinen »besten Jahren« stecken, die weit hinter ihm liegen und denen er bis an sein Lebensende nachtrauert.

Wie das gelingt, wollen wir in den folgenden Kapiteln zeigen. Unsere Karrieren waren voller wichtiger Siege und noch wichtigerer Niederlagen. Die für uns prägendsten Episoden erzählen wir im Folgenden, denn sie haben uns wichtige Tugenden gelehrt, um allem, was das Leben noch für uns bereithält, positiv und neugierig zu begegnen. Und die Jahre nach den besten noch besser zu machen.

In Kapitel 2 geht es um die Europameisterschaft 1996, die für uns beide völlig unterschiedlich verlaufen ist, durch die wir aber beide eine wichtige Sache gelernt haben. Die besten Jahre sind voller großer Siege, doch deren Bedeutung wird erst viele Jahre später klar. Manchmal bergen Triumphe Gefahren, die uns erst bewusst werden, wenn es zu spät ist. Wie wir solchen Fallstricken entgehen, davon wollen wir berichten.

In Kapitel 3 erzählen wir von unserem ersten Jahr beim großen FC Bayern München, das wir gemeinsam erleben durften. In diesem Jahr konnten wir begreifen, wie wichtig es ist, sich einer Sache unterzuordnen, um Erfolg zu haben.

Das gilt für den Fußball genauso wie für alles andere, was wir anpacken. Das kann ein grundlegendes Umdenken erfordern, glauben wir doch gerade in unseren besten Jahren oft, nicht wir müssen uns einordnen, sondern die Welt hat sich nach uns zu ordnen.

In Kapitel 4 kehren wir an den Schauplatz unserer größten und wichtigsten Niederlage zurück: das Champions-League-Finale 1999 gegen Manchester United. Natürlich hätten wir das Spiel gerne gewonnen, aber wir hätten dann wohl kaum so viel daraus für unsere Leben gelernt. Im Leben nach den besten Jahren werden die Niederlagen nicht häufiger, aber es kann uns schwerer fallen, sie zu verarbeiten und nach Rückschlägen den Optimismus zu bewahren. Genau das, den richtigen Umgang mit Niederlagen, haben wir an diesem schicksalhaften Abend begriffen.

Im fünften Kapitel gelangen wir zum Anfang vom Ende, also zu dem Zeitpunkt, ab dem das Ende einer Lebensphase langsam absehbar wird und wir es nicht mehr leugnen können. In einer solchen Phase merkst du, dass sich etwas verändert hat. Es ist nicht mehr so wie früher. Deine »besten Jahre« gehen zu Ende. Wie gehst du mit dieser Situation um? Wie gelingt es dir, ehrlich zu dir selbst zu sein und eine neue Rolle für dich zu finden?

In Kapitel 6 brechen wir ins Unbekannte auf. Es verschlägt uns an völlig unterschiedliche Orte, die uns viel abverlangen, uns aber auch viel über uns selbst und das Leben lehren. Vor allem, ständig offen zu bleiben für das, was da noch kommen kann.

Im siebenten Kapitel erzählen wir von unserer Gegenwart und von Talenten, von denen wir während unserer aktiven Zeit als Fußballer keine Ahnung hatten. Hätte uns jemand vor zwanzig Jahren vorausgesagt, was wir heute machen würden, wir hätten ihn ausgelacht. Und gleichzeitig kam alles völlig natürlich und fühlt sich heute selbstverständlich an. Das Leben nach den »besten Jahren« birgt die Möglichkeit, neue Seiten und Fähigkeiten an dir zu entdecken. Du kannst dich und dein Leben neu kennenlernen. Es ist eine Gelegenheit, die jeder von uns nützen sollte.

Ganz egal, was du im Leben gemacht hast oder wo du jetzt stehst, wenn du denkst, deine besten Jahre liegen hinter dir, liegst du falsch. Es gibt einige Eigenschaften und Tugenden, die wir in unserer Karriere kennenlernen durften und die dir im Leben nach deinen »besten Jahren« hoffentlich helfen werden.

Welche das sind, erfährst du in den folgenden Kapiteln. Am Ende dieses Buchs wirst du gar nicht mehr darüber nachdenken, welche Jahre deine besten waren. Weil du jedes Jahr zu deinem besten machen wirst.

Kapitel 2

God save the deutsche Nationalmannschaft

Die besten Jahre verbinden wir mit unseren wichtigsten Siegen und Triumphen. Es spielt keine Rolle, ob das sportliche oder berufliche Erfolge sind, ob es sich um eine glückliche Beziehung handelt oder eine Zeit, in der wir uns besonders lebendig fühlten. Diese Siege und Triumphe liegen irgendwann hinter uns und lassen sich nicht mehr wiederholen. Schon sind sie vorbei, die besten Jahre.

Dabei ist es nicht ganz so einfach. Siege und Niederlagen entfalten ihre wahren Bedeutungen wie gesagt immer erst viel später. Jahre müssen vergehen, ehe sie uns ihre Lehren offenbaren. Klar, im Moment des Sieges schwimmst du auf einer Welle des Hochgefühls. Und wenn du verlierst, bist du erst mal frustriert. Aber später begreifst du, wie wichtig diese Niederlage war. Was sie dich über das Leben gelehrt hat. Und wie sie dich zu einem besseren Menschen gemacht hat.

Hingegen können Siege auch gefährlich sein. Manchmal können sie schlimmere Auswirkungen auf uns haben als Niederlagen. Dabei sind nicht bloß Siege im Fußball gemeint. Ein Sieg kann eine Beförderung sein, ein angenommener Heiratsantrag, eine Auszeichnung. Die besten Jahre sind nicht unbedingt jene, in denen wir unsere größten Triumphe und Niederlagen erlebt haben. Allerdings wird unsere Fähigkeit, jedes Jahr zu unserem besten zu machen, von diesen Siegen und Niederlagen entscheidend geprägt.