Das Mädchengrab - Nadja Quint - E-Book

Das Mädchengrab E-Book

Nadja Quint

4,6

  • Herausgeber: KBV
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

1856 - im kleinen Eifeldorf Reetz wird die achtjährige Fine nach dem Tod der Eltern das Pflegekind der Schwarzen Marjann, die im Mittelalter noch als Hexe gegolten hätte. In jenen Tagen erschüttert eine Reihe grausamer Morde das Dorf, denen ausnahmslos junge Frauen zum Opfer fallen. Der schreckliche Tod der jungen Lisbeth, die man mit durchschnittener Kehle gefunden hat, berührt Fine sehr, und sie beginnt, neugierige Fragen zu stellen. Zum Zeitpunkt von Lisbeths Tod verschwand Hannes, der Sohn der Schwarzen Marjann, von einem Tag auf den nächsten. Die Dorfbewohner glauben, dass er Lisbeths Mörder ist, doch Marjann beteuert, dass ihr Sohn auf der Suche nach einem besseren Leben nach Amerika ausgewandert sei, so wie es zu jener Zeit viele taten. Verdächtigungen und Misstrauen breiten sich im Dorf aus. Der Landjäger hat seine Not damit, den Spuren des mordenden Unholds zu folgen. Auch die wissbegierige Fine stellt zahlreiche Erkundigungen an, und erst als das nächste Mädchen einen schrecklichen Tod stirbt, beginnt sie zu ahnen, dass sie sich damit in große Gefahr begibt. Nadja Quint hat einen atmosphärisch dichten Thriller geschrieben, der den Leser in eine längst vergangene Zeit mitnimmt, in der Armut und Entbehrung das Leben in der Eifel prägten.

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Seitenzahl: 302

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Nadja Quint

Das Mädchengrab

Bisher von der Autorin bei KBV erschienen:

Verachte nicht den Tod

Das Mädchengrab

Nadja Quint wurde 1959 in Herford geboren. Sie lebt in Düsseldorf und arbeitet als Fachärztin für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Bevor sie sich dem Krimi widmete, veröffentlichte sie TV-Sketche, u. a. für die Serie »Sechserpack« (Sat1).

Nadja Quint

Das Mädchengrab

Historischer Kriminalroman aus der Eifel

Originalausgabe

© 2013 KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheim

www.kbv-verlag.de

E-Mail: [email protected]

Telefon: 0 65 93 - 998 96-0

Fax: 0 65 93 - 998 96-20

Umschlaggestaltung: Ralf Kramp

unter Verwendung von: © Cherick · www.fotolia.de

Redaktion: Volker Maria Neumann, Köln

Print-ISBN 978-3-942446-81-5

E-Book-ISBN 978-3-95441-135-1

»Vorüber! Ach, vorüber!

Geh, wilder Knochenmann!

Ich bin noch jung, geh Lieber!

Und rühre mich nicht an.«

aus: Der Tod und das Mädchen

Matthias Claudius (1740-1815)

PROLOG: 1851

Noch war es dunkel. Der Mann und die Frau machten sich mit Pechfackeln auf den Weg – trotz der Panik, die ihre Herzen ergriff. Bald kroch das erste Licht durch den Wald, und sie fürchteten sich vor diesem Tag, der vielleicht der längste ihres Lebens sein würde. Sie liefen die Gartenwege zwischen den Häusern entlang zur Fahrstraße. Von dort, aus Richtung Blankenheim, hätte am Vorabend ihre Tochter zurückkommen sollen.

Sie begegneten keinem Menschen. Das machte ihnen Angst, und gleichzeitig waren sie dankbar, mit niemandem aus dem Dorf reden zu müssen. So hielten sie den Blick auf die Wege gerichtet, auf die Sträucher, auf die Stämme der Bäume.

Die beiden waren Köhler. Von ihrer harten Arbeit blieb ihnen nicht mehr als ein bescheidenes Auskommen. Gestern hatten sie bis tief in die Nacht bei ihrem Meiler im Wald ausharren müssen, denn das Holz unter den Schichten von Lehm und Laub wehrte sich und wollte nicht so recht verkohlen. Also errichteten sie den Meiler neu und konnten erst am frühen Morgen nach Hause gehen. Aber ihre Tochter trafen sie dort nicht an.

Sechs Kinder hatte die Köhlerin zur Welt gebracht, drei davon überlebten. Die beiden erwachsenen Söhne fanden Arbeit in den Minen in Westfalen, wo man die Kohle tief aus der Erde förderte. Ganz anders als Holzkohle war dies schwarze Gold: fest und glänzend und dafür gedacht, Eisen zum Schmelzen zu bringen, um daraus Maschinen zu bauen.

Mit fast vierzig Jahren gebar die Köhlersfrau ein Mädchen. Lisbeth kam viel zu früh auf die Welt und kämpfte sich ins Leben. Und nun, fünfzehn Jahre später, in dieser einen Nacht, lag sie nicht im häuslichen Bett. Dabei war sie immer verlässlich gewesen.

Die Erde auf dem Weg war ausgetrocknet.

»Hier«, sagte der Mann nur, seine Stimme klang hohl. Er beugte sich hinab, rot durchtränkter Sand blieb an seinen Fingerspitzen kleben.

Mit ihren Fackeln leuchteten sie die Büsche ab, schließlich knieten sie nieder. Das Feuer warf einen warmen Glanz auf Lisbeths bleiches Gesicht. Darunter klaffte halbrund die Wunde.

Der Friedhof

Das Korn war schon in die Scheunen eingefahren, da verabschiedete sich der Sommer mit stürmischen Tagen. Vieles deutete auf einen verfrühten Herbst hin. In dieser Nacht, es ging im Jahre 1856 bereits auf Ende September zu, überzogen fliehende Wolken den Himmel, nur manchmal blinkte ein Stern hervor. Der Morgen begann mit grauer Kälte, doch dann blinzelte durch den Nebel eine milde Sonne, die den Raureif rasch zum Schmelzen brachte.

Reetz hieß das Eifeldorf, in dem nicht einmal zweihundert Seelen lebten. Es lag südöstlich des Orts Blankenheim in einem Talkessel. In den benachbarten Wäldern entsprang ein Bach, der sich zwischen den Häusern entlangzog und später in die Ahr mündete. Die Mitte des Dorfes bildete die Pfarrkirche Sankt Magdalenen, umgeben von einem recht weitläufigen Friedhof. An der vom Kirchenportal abgewandten Seite stand ein alter Eichbaum. Durch den zeitig angebrochenen Herbst hatte er bereits den größten Teil seiner Blätter an den Wind verloren, der in dieser Ecke des Kirchhofs besonders heftig blies. Eine Schar von Raben ließ sich im nahezu kahlen Geäst der Eiche nieder. Die Vögel saßen dicht beieinander und hatten ihre Köpfe und Schnäbel in Richtung der Grabstätte ausgerichtet, die dem Baum am nächsten lag. Es sah aus, als würden die Raben das Grab betrachten und dabei lauschen, was von den umliegenden Häusern und Plätzen zu ihnen drang.

Laut tönte der Taktschlag der Drescher, die mit ihren Flegeln auf das ausgelegte Getreide einschlugen. Bald klang es wie ein rascher, sich überstürzender Wirbel, bald lang und müde nachschleppend, bald knatternd und dann wieder dumpf und hohl. Manchmal waren nur noch einzelne Schläge zu hören, und dann wieder fiel alles erneut ein in die wilde Melodie von da und dort.

Von dem Lärm ließen die Raben sich nicht stören. Sie hielten ihre Köpfe dem Grab zugewandt, als warteten sie auf etwas, das sich ereignen sollte.

Dort unten ruhte ein junges Mädchen. Noch am Vortag hatte seine Mutter in ihrem anhaltenden Schmerz bunte Astern auf den Grabhügel gepflanzt. Nun verfingen sich welke Eichenblätter, vom Wind getrieben, zwischen den Blumen. Am Kopfende des Grabes lag ein einfacher Sandstein, von der Natur geformt und nur wenig bearbeitet: Ein Steinmetz hatte den Namen des Mädchens und seine Geburtsund Sterbetage eingemeißelt. Die Mutter säuberte den Stein regelmäßig mit einer Bürste, damit sich weder Staub noch Moos ansetzten. So blieben die Lettern gut zu entziffern. Jedermann, der hier verweilte, konnte sich überzeugen, dass die Tochter nicht in Vergessenheit geriet. Denn ihr gewaltsamer Tod war seit fünf Jahren nicht geklärt. Die Polizeistellen in Blankenheim und sogar Bonn suchten nach dem Mörder. Noch war er nicht gefunden.

Die Kinder

Mittags in milder Herbstsonne wanderten zwei Kinder durch die Gartenwege von der Schule zum Dorfrand hinaus. Das achtjährige Mädchen hielt Schiefertafel und Bücher unterm Arm. Der zwei Jahre jüngere Knabe trug seine Schulsachen in einem Beutel aus grauem Leinen. Er lief ohne Mütze, während seine Schwester ihren Kopf mit einer Haube aus weißem, gedrilltem Tuch bedeckte. So oft es der Weg erlaubte, gingen die Kinder Hand in Hand nebeneinander. Wo aber die Hecken zu dicht am Weg standen, ging das Mädchen voraus. Sie hieß Josefine und wurde Fine gerufen. Mütterlich kümmerte sie sich um ihren Bruder, dessen Taufname Sebastian die Menschen im Dorf zu Basti verkürzten.

Auf dem welken Laub an den Sträuchern lag ein schwerer Duft, und die Früchte der Stauden, allen voran Maulbeeren und Hagebutten, sahen wie abgestorben aus. Wenn die Kinder sich den Hecken näherten, zwitscherten die Sperlinge und stoben in unruhigen Gebilden auf. Später setzten sie sich wieder, bis sie von Neuem aufschwirrten und ihren Platz in den Gärten hinter den Hecken suchten. Eine Elster flog rasch vom Weg auf und fand in einem alten Birnbaum Zuflucht, wo schon einige Krähen hockten. Die Kinder aber gingen ihres Wegs, bis sie am Weiher bei den Erlen die Fahrstraße erreichten.

Heute war es kein leichter Gang, mit dem sie sich dem elterlichen Haus näherten. Eine schleichende Krankheit der Atmungsorgane hatte schon vor einigen Tagen den Vater niedergeworfen. An diesem Morgen, als die Kinder von zu Hause in die Schule gezogen waren, hatte nun auch die Mutter schlimm gehustet und sich kaum aus dem Bett erheben können.

Fine spürte, dass Bastis Gedanken bei den Eltern hingen. Auch sie selbst war tief besorgt, doch versuchte sie, den kleinen Bruder von seiner Schwermut abzulenken. »Ich will dir ein Rätsel aufgeben«, sagte sie mit scheinbar leichter Stimme. »Welches Holz macht heiß, ohne dass man es verbrennt?«

»Des Schullehrers Lineal, wenn man es auf die Tatzen kriegt«, erwiderte Basti.

»Nein, das meine ich nicht.« Fine schüttelte den Kopf. »Ich meine das Holz, das man spaltet. Denn Holzhacken ist anstrengend. Dadurch heizt das Holz dem Hacker ordentlich ein. Es macht heiß, ohne dass man es verbrennt.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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