Das Puppenhaus - Katherine Mansfield - E-Book

Das Puppenhaus E-Book

Katherine Mansfield

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Beschreibung

Kathrine Mansfield hat im Verlauf ihres Lebens über siebzig Kurzgeschichten verfasst und hat mit ihrem Stil diese Gattung maßgeblich geprägt. Die fünf hier versammelten Geschichten beinhalten mehrere Klassiker der Autorin, darunter 'Die Gartenparty und 'Das Puppenhaus'. Der Band enthält aber auch weniger bekannte Geschichten, wie 'Der Wind'. Mansfields Erzählungen spiegeln in vielen Facetten die Sehnsucht der Autorin nach Harmonie und Freiheit wieder, die wohl zu ihrem unsteten Leben beigetragen hat. Scharfsichtig zeigt sie die Brüche auf, die im feinen Gewebe des Lebens entstehen und lässt uns einen Blick in die Abgründe werfen, die dahinter liegen.

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Katherine Mansfield

Das Puppenhaus

Erzählungen

In einer Übersetzung von Walter Brunhuber

Inhaltsverzeichnis

Die Fliege

Das Puppenhaus

Das Konzert

Der Wind

Die Gartenparty

Impressum

Die Fliege

Die Fliege wurde 1922 veröffentlicht und gilt als eine der besten Kurzgeschichten von Katherine Mansfield.

„Sie haben es hier sehr gemütlich“, piepste der alte Mr. Woodifield und lugte aus dem großen, grünen Ledersessel heraus, der neben dem Schreibtisch seines Freundes stand, wie ein Baby aus seinem Kinderwagen. Sein Vortrag war zu Ende; es war Zeit für ihn aufzubrechen. Doch er wollte nicht gehen. Seit er in Rente war, seit seinem - Schlaganfall hielten ihn seine Frau und die Mädchen jeden Tag, außer dienstags, im Haus eingesperrt. Am Dienstag wurde er angezogen und gebürstet, dann durfte er in die Stadt. Was er dort tat, das war seiner Frau und den Töchtern allerdings ein großes Rätsel.

'Er ist seinen Freunden doch sicherlich lästig geworden', dachten sie -

Nun, vielleicht ist das so. Trotzdem klammern wir uns doch an unsere letzten Freuden wie sich der Baum an seine letzten Blätter klammert. Da saß also der alte Woodifield, rauchte eine Zigarre und starrte fast gierig auf den Chef, der sich in seinem Bürostuhl lümmelte, kräftig, rosig, fünf Jahre älter als er und doch voller Energie, immer noch am Ruder. Es tat gut, ihn zu sehen. Wehmütig und voller Bewunderung fügte die alte Stimme Woodifields hinzu: „Es ist wirklich gemütlich! Das meine ich, wie ich es sage. Gemütlich.“

„Ja, es ist recht gemütlich“, stimmte der Chef zu und blätterte mit einem Brieföffner in der Financial Times. Er war in der Tat stolz auf sein Büro. Er mochte es, wenn es bewundert wurde, besonders vom alten Woodifield. Es erfüllte ihn mit tiefer Befriedigung, mitten in diesem großartigen Raum zu sitzen, vor sich diese gebrechliche Gestalt, die einen dicken Schal um den Hals trug. „Ich habe das alles hier vor Kurzem renovieren lassen“, erklärte er, so wie er es in den letzten – wie vielen? – Wochen immer wieder erklärt hatte. „Neuer Teppich“, er zeigte auf den leuchtend roten Teppich mit einem Muster aus großen weißen Ringen. „Neue Möbel“, er nickte in Richtung des massiven Bücherregals und des Tisches, der Beine hatte wie gedrehter Sirup. „Elektroheizung!“ Er winkte fast triumphierend in Richtung der fünf durchsichtigen, perlmuttartigen Würste, die sanft in der schräg gestellten Kupferpfanne glühten. Der Chef unterließ es allerdings, die Aufmerksamkeit des alten Woodifield auf das Foto über dem Tisch zu lenken, das einen ernst aussehenden Jungen in Uniform zeigte, der in einem dieser geisterhaften Fotostudios stand und hinter dem sich künstliche Gewitterwolken am Himmel ballten. Das Foto war nicht neu. Es hing dort schon seit mehr als sechs Jahren.

„Ich wollte Ihnen etwas erzählen“, meinte der alte Woodifield, und seine Augen wurden trüb, als er versuchte, sich daran zu erinnern. „Was war es nur? Ich wusste es noch, als ich heute Morgen von zu Hause aufbrach.“ Seine Hände begannen zu zittern und rote Flecken zeigten sich über seinem Bart. Armer alter Kerl, dachte der Chef, er ist am Ende seiner Kräfte.

Er zwinkerte dem alten Mann freundlich zu und sagte scherzhaft:

„Ich verrate Ihnen etwas. Ich habe hier einen kleinen Tropfen, der wird Ihnen guttun, ehe Sie wieder in die Kälte hinausgehen. Wunderbares Zeug. Es würde sogar einem Kind nicht schaden.“ Er nahm einen Schlüssel von seiner Uhrkette, schloss einen Schrank unter seinem Schreibtisch auf und holte eine dunkle gedrungene Flasche hervor. „Das ist Medizin“, fuhr er fort. „Und der Mann, von dem ich sie habe, versicherte mir, dass sie aus den Kellern von Windsor Castle stammt.“ Als der alte Woodifield die Flasche sah, blieb ihm der Mund offen stehen. Er hätte nicht überraschter aussehen können, hätte der Chef ein Kaninchen hervorgezaubert. „Whisky, oder?“, piepste er schwach. Der Chef drehte die Flasche um und zeigte ihm das Etikett.

Whisky.

„Wissen Sie“, sagte der alte Woodifield und blickte verwundert zum Chef auf, „das ist etwas, das sie mich zu Hause nicht anfassen lassen.“ Er sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. „Ah, da sind wir ein bisschen schlauer als die Damen“, rief der Chef, griff nach zwei Gläsern, die mit der Wasserflasche auf dem Tisch standen, und goss in jedes davon einen großzügigen Fingerbreit. „Trinken Sie. Es wird Ihnen guttun. Und geben Sie kein Wasser dazu. Es wäre ein Sünde, einen solchen Tropfen zu panschen.“

Er kippte den Inhalt seines Glases hinunter. Dann zog er sein Taschentuch heraus, wischte sich hastig den Schnurrbart und warf einen Blick auf den alten Woodifield, der den Whisky noch immer in seinem Mund rollte. Nach einer Weile schluckte auch er ihn hinunter und schwieg einen Moment.

„Verrückt“, sagte er schließlich schwach. Der Alkohol wärmte ihn, kroch in sein altes Gehirn. Plötzlich erinnerte er sich an etwas. „Das war es“, rief er und erhob sich aus seinem Stuhl. „Ich dachte, Sie würden es gerne wissen. Die Mädchen waren letzte Woche in Belgien und haben sich das Grab des armen Reggie angesehen. Dabei sind sie zufällig auf das Grab Ihres Sohnes gestoßen. Sie liegen offensichtlich ganz nah beieinander.“ Der alte Woodifield hielt inne, aber der Chef antwortete nicht. Nur an einem Zittern seiner Augenlider war zu erkennen, dass er zugehört hatte.

„Die Mädchen waren entzückt, wie gepflegt die Friedhofsanlage ist“, piepste die alte Stimme. „Schön gepflegt. Könnte nicht besser sein, auch hier zu Hause in England nicht. Sie waren noch nicht drüben, oder?“ „Nein, nein!“

Aus verschiedenen Gründen war der Chef noch nicht dort gewesen. „Die Anlage erstreckt sich über Meilen“, meinte der alte Woodifield mit zitternder Stimme, „und alles ist ordentlich wie ein Garten. Auf allen Gräbern wachsen Blumen. Schöne breite Wege.“

Aus seiner Stimme konnte man deutlich schließen wie sehr er schöne breite Wege mochte. Erneut trat eine Pause ein. Dann hellte sich die Miene des alten Woodifield auf. „Wissen Sie, was das Hotel den Mädchen für ein Glas Marmelade abgeknöpft hat?“, piepste er. „Zehn Franc! Raub, nenne ich das. Es war ein kleiner Topf, sagt Gertrude, nicht mehr wert als eine halbe Krone. Sie hatte kaum einen Löffel genommen, für den sie ihr zehn Franc abknöpften. Gertrude nahm den Topf mit, um ihnen eine Lektion zu erteilen. Ganz recht so. Sie machen ein Geschäft mit unseren Gefühlen. Sie denken, nur weil wir uns dort umsehen, sind wir bereit, jeden Preis zu bezahlen. So ist es.“

Mit diesen Worten wandte er sich zur Tür.

„Ganz recht, ganz recht!“ rief der Chef, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, was 'ganz recht' sein sollte. Er kam um seinem Schreibtisch herum, folgte den schlurfenden Schritten Woodifields zur Tür und begleitete den alten Kerl nach draußen.

Schließlich war Woodifield gegangen.

Einen Moment lang blieb der Chef stehen und starrte ins Leere, während der grauhaarige Bürobote, der ihn beobachtete, in sein Abteil hinein- und wieder hinaushuschte wie ein Hund, der darauf wartet, ausgeführt zu werden.

„Ich will eine halbe Stunde lang niemanden empfangen, Macey“, sagte der Chef endlich. „Verstanden? Überhaupt niemanden.“ „Natürlich, Sir.“ Die Tür schloss sich. Feste, schwere Schritte überquerten den hellen Teppich, der dicke Körper ließ sich in den Bürostuhl fallen. Der Chef lehnte sich nach vorne und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Er wollte - er hatte vor - er hatte sich darauf eingestellt zu weinen -

Es war ein Schock gewesen, als der alte Woodifield diese Bemerkung über das Grab seines Sohnes gemacht hatte.

---ENDE DER LESEPROBE---