Das RESCUE-Protokoll - Will Jordan - E-Book

Das RESCUE-Protokoll E-Book

Will Jordan

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Beschreibung

Der ehemalige CIA-Operator Ryan Drake hat nicht viel Zeit, und das ist noch sein geringstes Problem. Denn die Frau, die er befreien will, wird nicht nur von CIA-Agenten rund um die Uhr bewacht, sie ist auch noch schwer verletzt und eigentlich nicht transportfähig. Und doch wird er seinen Plan umsetzen – für eine Freundin!

Dieser Kurzroman spielt kurz nach der Handlung des Romans Operation Black List von Will Jordan.

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Seitenzahl: 153

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Autor

Will Jordan lebt mit seiner Familie in Fife in der Nähe von Edinburgh. Er hat einen Universitätsabschluss als Informatiker. Wenn er nicht schreibt, klettert er gerne, boxt oder – natürlich – liest. Außerdem interessiert er sich sehr für Militärgeschichte. Will Jordan hat bereits jede Waffe abgefeuert, die in diesem Roman erwähnt wird.

Die Ryan-Drake-Romane bei Blanvalet:

1. Mission: Vendetta

2. Der Absturz

3. Gegenschlag

4. Operation Black List

5. Codewort Tripolis

Das RESCUE-Protokoll ist zeitlich nach Operation Black List angesiedelt.

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WILL JORDAN

Das RESCUE-

Protokoll

Thriller

Deutsch von Wolfgang Thon

Die englische Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel

»Second Chances« bei Canelo, London.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und

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Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch

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Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text

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der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten.

Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss.

Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

1. Auflage

Copyright © der Originalausgabe 2016 by Will Jordan

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2017 by Blanvalet

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung und -abbildung: © Johannes Frick, Neusäß

unter Verwendung von Motiven von Shutterstock

Redaktion: Rainer Michael Rahn

HK · Herstellung: sam

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-21727-3V003

www.blanvalet.de

1

Zentralkrankenhaus, Istanbul – 14. Mai 2009

Sie lebte noch.

Der Himmel wusste, wie das möglich war. Bei dem hässlichen Bauchschuss, erheblichen Blutverlusten, inneren Verletzungen, gebrochenen Rippen und so vielen Platzwunden und Prellungen, dass sie einem Faustkämpfer zur Ehre gereicht hätten, war bei ihrer Einlieferung niemand davon ausgegangen, dass sie überlebte. Den Protokollen zufolge stand es auf dem Operationstisch mehrfach auf Messers Schneide, ob sie durchkommen würde.

Doch sie hatte sich am Leben festgeklammert und ebenso hart darum gekämpft wie das Chirurgenteam, das sechs Stunden unermüdlich daran gearbeitet hatte, ihren Zustand zu stabilisieren und sie wieder zusammenzuflicken, so gut es eben ging.

Und da lag sie nun, keine zwanzig Meter entfernt, im Aufwachraum der Intensivstation. Frustrierend nah und doch unerreichbar. Die Ärzte hatten nur medizinischem Personal den Zutritt erlaubt – aber weder die türkische Polizei, deren Mitarbeiter geradezu Schlange standen, um zu ihr zu gelangen, hatte Zugang zu ihr noch die paar Reporter, die in der Hoffnung auf eine Sensationsmeldung hier herumlungerten, und ganz sicher nicht die Männer vom CIA-Kommando, die den Auftrag hatten, sie einzukassieren.

CIA-Agent Frank Wheeler verlagerte sein Gewicht auf dem harten Plastikstuhl, auf dem er schon seit Stunden ausharrte, und versuchte sowohl den scharfen Geruch des Desinfektionsmittels zu ignorieren als auch die noch unappetitlicheren Düfte, die in der Luft lagen. Erbrochenes, Schweiß, Kot … Gerüche, die die armen Hunde absonderten, die hier täglich eingeliefert wurden. Es war der Geruch des Todes.

Er hasste Krankenhäuser.

Offiziell waren Wheeler und sein Kollege Greg Krasinski als Vertreter des US-Außenministeriums hier, um dafür zu sorgen, dass die Patientin anständig und unter Wahrung all ihrer Rechte als amerikanische Staatsbürgerin behandelt wurde. Außerdem sollte sie die Gelegenheit erhalten, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen, bevor die türkische Polizei sie in die Finger bekam.

Davon entsprach natürlich nichts der Wahrheit. Ihre tatsächliche Aufgabe war es, als Erste an die Patientin heranzukommen, zu ermitteln, was genau mit ihr passiert war, und sie dann still und leise aus dem Krankenhaus zu schaffen, bevor sie die Agency belasten konnte. Den vollständigen Abschlussbericht wollten ihre Vorgesetzten in Langley persönlich entgegennehmen.

Und sie würde eine Menge Fragen beantworten müssen: zum Beispiel, was sie überhaupt ohne offiziellen Auftrag in der Türkei zu suchen hatte und wie es dazu gekommen war, dass sie drei Tage zuvor in eine tödliche Schießerei bei einem Bürokomplex verwickelt wurde. Belastbare Fakten waren Mangelware, doch es kursierten bereits Gerüchte über illegale feindliche Operationen auf türkischem Boden.

Man brauchte kein Genie zu sein, um zu begreifen, dass es in jener Nacht heftig zur Sache gegangen war, auch wenn man noch nicht wusste, welche Personen daran beteiligt waren und was so wichtig gewesen sein mochte, dass Menschen dafür getötet wurden. Die Einzige, die am Leben geblieben und in der Lage war, die Sache aufzuklären, lag momentan am Ende des Korridors mit Handschellen an ein Krankenhausbett gefesselt.

Wheeler lockerte seine Krawatte. Die Klimaanlage der Station arbeitete auf Hochtouren, doch die Hitze des späten Nachmittags war unerbittlich und schien bis in den letzten Winkel des Gebäudes vorgedrungen zu sein. Der Smog, der über der Innenstadt von Istanbul hing, roch unangenehm und ätzend, doch Wheeler hätte ihn jederzeit dem Gestank von Desinfektionsmitteln und Krankheit vorgezogen.

Ein technischer Mitarbeiter seines Teams hatte sich bereits Zugriff auf die Sicherheitssysteme des Krankenhauses verschafft, was sie in die Lage versetzte, von Überwachungskameras über Fahrstühle bis hin zu elektronischen Türschlössern alles zu kontrollieren. Von diesem digitalen Horchposten aus konnte er alles beobachten und auf alles Einfluss nehmen, was im Krankenhaus geschah.

Bei Bedarf waren sie in der Lage, das ganze Gebäude lahmzulegen oder jeden Ausgang zu blockieren und damit die Insassen im Inneren festzusetzen. Es war jedoch eher unwahrscheinlich, dass sie so weit gehen mussten. Das durch einen falschen Feueralarm ausgelöste Chaos würde dem Kommandotrupp, der schon auf Abruf bereitstand, ausreichend Schutz bieten, um die Frau in Gewahrsam zu nehmen und sie in ein wartendes Fahrzeug zu bringen. Dann konnten sie diesen elenden Ort endlich verlassen.

Wheeler sah auf die Wanduhr und versuchte den Zeiger per Willenskraft zur nächsten vollen Stunde vorzuschieben, dem Zeitpunkt, an dem die Fachärzte den Zustand der Patientin erneut überprüfen wollten. Es gelang ihm nicht. Die Minuten verstrichen mit nervtötender Langsamkeit, als klammerte sich jede einzelne von ihnen an die Gegenwart und wollte sie nicht loslassen.

Ein leises Stöhnen brachte ihn wieder in die Realität zurück, und er blickte zu seinem Teamkameraden Greg Krasinski hinüber, der nicht weit von ihm entfernt Platz genommen hatte. Der junge Mann, der normalerweise kerngesund und so braun gebrannt war, dass jeder Kalifornier stolz darauf gewesen wäre, sah gerade ziemlich blass und kränklich aus. Er beugte sich vor, presste eine Hand auf seinen Bauch und biss die Zähne fest zusammen.

»Was ist denn mit Ihnen los?«, erkundigte sich Wheeler. »Montezumas Rache?«

»Nichts, mir geht es gut«, ächzte Krasinski. Sein Hemdkragen war schweißnass, und er nahm noch einen Schluck Wasser aus dem Becher, an dem er sich seit ihrer Ankunft festhielt. Er verzog das Gesicht, als es in seinem Magen ankam, in dem offensichtlich Aufruhr herrschte.

»Das glauben Sie doch wohl selbst nicht! Sie sehen aus, als gehörten Sie eigentlich auf dieselbe Station wie sie.« Er deutete kurz mit dem Kopf in die Richtung, wo sich der Raum mit der Patientin befand. »Die Fachärzte sollen erst in zwanzig Minuten kommen. Gehen Sie nach draußen und schnappen Sie ein bisschen frische Luft oder so was. Es fehlt mir gerade noch, dass Sie jetzt anfangen herumzukotzen oder hier im Flur umkippen.« Knapp, direkt und unmissverständlich wie immer: Wheeler hatte seine Art, sich klar auszudrücken. So, wie es Krasinski ging, hatte der mit Sicherheit auch nichts dagegen einzuwenden, denn er hatte Magenkrämpfe und gab bedenkliche Geräusche von sich. Ein anderes Ziel als die Toilette kam für ihn nicht infrage.

»Na schön, was soll’s?« Er stand auf und machte sich auf den Weg zur Herrentoilette am anderen Ende des Flurs. Je weiter er kam, desto eiliger hatte er es.

Er stieß eine der Kabinentüren auf, dann krümmte er sich und stützte sich an der Wand ab, während sein Mageninhalt sich aus ihm heraus und in die Toilettenschüssel ergoss. Krasinski konnte vor jedem neuen Schwall nur noch nach Luft schnappen und sich an den Wänden festhalten. Er schloss die Augen und ballte die Fäuste, als Frust in ihm hochstieg. Als ob es nicht ausreichte, tagelang in diesem beschissenen Krankenhaus stationiert zu sein – nein, er musste sich dabei zu allem Überfluss auch noch ein Magenvirus einfangen.

Er spuckte den letzten Rest des widerwärtig schmeckenden Schleims in die Schüssel, dann drückte er die Spülung, richtete sich auf und ging mit wackeligen Knien zu der Reihe mit Handwaschbecken auf der anderen Seite. Einen besonders schönen Anblick bot er wohl nicht, doch nachdem er sich kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt und den Mund ausgespült hatte, war ihm wenigstens nicht mehr ganz so übel.

Er betrachtete sich kurz im Spiegel und sah mit Unbehagen sein blasses Gesicht und die blutunterlaufenen Augen. Es war nicht zu leugnen – er sah aus wie ein Mann, der sich in den letzten paar Minuten die Seele aus dem Leib gekotzt hatte und das Ganze schon bald wiederholen würde.

»Starker Auftritt, du Held«, murmelte Krasinski und wischte sich mit einem Papierhandtuch das Gesicht ab.

In diesem Moment entdeckte er ihn. Eine dunkle Gestalt, die im Spiegel genau hinter ihm stand und ihn fixierte.

»Herrje!«, entfuhr es Krasinski. Er fuhr herum, während ihm das Herz bis zum Hals schlug. Der Mann musste, während er beschäftigt war, aus einer der anderen Kabinen herausgetreten sein, denn Krasinski hatte weder gehört noch gesehen, wie er näher kam.

»Was hat das zu bedeuten, Arschloch?«, fragte er, als der Schreck über das plötzliche Auftauchen des Mannes nachließ und wütende Angriffslust an seine Stelle trat. »Macht es Ihnen Spaß, in Toiletten herumzuhängen und Leute zu Tode zu er…«

Er hielt mitten im Satz inne und sah sich den Fremden genauer an, der jetzt direkt vor ihm stand. Er trug einen blassblauen OP-Arztkittel, und obwohl er dunkles Haar und einen dunklen Teint hatte, handelte es sich bei ihm offensichtlich nicht um einen Türken. Außerdem war er wohl auch kein Arzt. Er hatte den Körperbau eines Mannes, der schwere körperliche Anstrengung gewohnt war, trug einen kurzen, pflegeleichten Haarschnitt, und in seinen grünen Augen lag ein gefährlicher Schimmer, den Krasinski nur zu gut kannte. Er hatte – was Menschen anging – gelernt, seinen Instinkten zu vertrauen, und die sagten ihm in diesem Moment, dass er sich auf Ärger gefasst machen musste.

»Oh verdammt …«, stöhnte er und griff sofort nach seiner Pistole.

Er kam nicht mehr dazu, sie zu ziehen. Eine Hand schoss vor und legte sich mit beängstigender Kraft auf seinen Mund, damit er nicht schreien konnte. Einen Augenblick später spürte er, wie etwas Spitzes durch die Haut seines Halses drang. Dann hörte er ein leises Zischen und fühlte plötzlich, wie es um die Injektionsstelle herum langsam warm wurde.

Als die Außenwelt allmählich immer undeutlicher wurde und seine Gliedmaßen aufhörten, den Befehlen seines Gehirns Folge zu leisten, spürte er, wie er über den gekachelten Fußboden in eine der Kabinen geschleift wurde. Danach wurde alles dunkel. Er verlor die Besinnung.

Ryan Drake legte den bewusstlosen Agenten auf den Kabinenboden, dann streckte er den Arm aus und tastete an der Halsschlagader nach seinem Puls. Der Autojet, den er benutzt hatte, um dem Agenten das Medikament Etorphin zu verabreichen, war normalerweise ein zuverlässiges Mittel, um jemanden auszuschalten, aber es gab keine Garantie. Manchmal brauchte die Droge länger als erwartet, bis sie zu wirken begann, doch wenn die Dosis zu hoch war, konnte sie beim Patienten einen Herzstillstand auslösen.

Diesmal schien alles nach Plan gelaufen zu sein. Der Puls ging langsam, aber stetig. Er würde in zwanzig oder dreißig Minuten mit dem schlimmsten Kater aller Zeiten aufwachen, doch bis dahin wollte Drake schon längst wieder weg sein.

Nachdem er sich von der Wirksamkeit des morphinähnlichen Mittels überzeugt hatte, durchsuchte er den Mann rasch und nahm ihm die Pistole, das Handy und das winzige taktische Funkgerät ab. Das Handy war, wie für Agenten im Außeneinsatz vorgeschrieben, durch einen Sicherheitscode geschützt, doch das spielte keine Rolle. Es ging Drake allein darum sicherzustellen, dass der Bewusstlose keinen Alarm auslösen konnte.

Drake verschloss die Tür von innen, dann hievte er sich über die Kabinenwand und landete geschmeidig auf der anderen Seite. Die weichen Sohlen seiner Turnschuhe verursachten kaum ein Geräusch. Vor dem Spiegel machte er kurz Halt, um sein Erscheinungsbild zu kontrollieren, schob die Pistole hinten in seine Hose, überzeugte sich davon, dass sie unter dem Chirurgenkittel gut verborgen war, und verließ danach leise die Toilette.

Draußen rutschte Wheeler unruhig auf seinem Stuhl herum und blickte zur Toilettentür am Ende des Ganges. Krasinski ließ sich verdammt viel Zeit da drinnen. Dem Gesicht seines Kollegen, als er losmarschiert war, nach zu urteilen, war jedoch ziemlich klar, dass es ihm schlecht ging.

Wenn er zurückkam, wollte er ihn gehörig auf den Arm nehmen. Damit ließ sich wenigstens etwas Zeit totschlagen.

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als eine junge Krankenschwester an ihm vorbeiging. Ihr großer Bauch war weit vorgewölbt, was ihre Schritte schwer und mühselig machte. Bis zu ihrer Niederkunft konnten es nur noch wenige Wochen sein, dachte Wheeler. Es überraschte ihn, dass sie in diesem hochschwangeren Zustand arbeiten musste. Andererseits wusste er natürlich nicht, was man in einem Land wie diesem von werdenden Müttern erwartete.

Er sah ihr kurz hinterher, bis sie im Krankenzimmer verschwand, dann blickte er wieder den Flur hinunter.

»Kommen Sie schon, Greg. Ziehen Sie den verdammten Finger raus«, sagte er leise und spielte mit dem Gedanken, ihn heimlich anzufunken. Offiziell durften sie die Patientin nicht aus den Augen lassen, was bedeutete, dass er hierbleiben musste, bis sein Kollege zurückkam, doch das hieß nicht, dass Wheeler ihn nicht auffordern durfte, sich verdammt noch mal zu beeilen.

Seine gereizten Grübeleien fanden ein Ende, als plötzlich in einem der Aufwachräume ein schriller Alarm ertönte. Wheeler riss den Kopf herum und sah verblüfft und schockiert, wie zwei Ärzte – ein Mann und eine Frau – in das Krankenzimmer eilten.

»Oh Mist«, keuchte er, dachte nicht mehr an seinen kranken Kollegen, sondern lief über den Flur, um sich anzuschauen, was da vor sich ging. War sie tot? Lag sie im Sterben? Was war da los?

Die Ärzte überprüften eilig die Vitalfunktionen der Patientin, während die schwangere Krankenschwester die beiden auf den aktuellen Stand brachte und auf den Herzfrequenz-Monitor deutete, der über ihrem Bett hing. Wheeler hatte keine Ahnung, weshalb, aber ein Alarm, der etwas Gutes zu bedeuten hatte, war ihm bisher noch nicht untergekommen.

Inzwischen hatte der Arzt anscheinend genug erfahren. Er steckte das Stethoskop wieder ein und rief seiner Kollegin rasch irgendetwas zu. In kürzester Zeit hatten sie das Krankenhausbett von den Geräten abgekoppelt und transportbereit gemacht.

Wheeler musste buchstäblich zur Seite springen, als die Tür aufgestoßen und das Rollbett wie ein Rammbock hindurchgeschoben wurde.

»Was passiert denn jetzt?«, wollte er wissen und sah die beiden Ärzte an. »Wo bringen Sie sie hin?«

Der Mann erwiderte seinen Blick, und in seine besorgte Miene mischten sich Zorn und Ungeduld. Besonders türkisch sah er für Wheeler nicht aus. Eigentlich konnte er sich gar nicht erinnern, ihn jemals unter all den Ärzten und Spezialisten gesehen zu haben, die in den letzten paar Tagen bei der Patientin ein- und ausgegangen waren. Die junge Frau, die ihn begleitete, war ihm ebenso wenig aufgefallen.

Dennoch kamen sie ihm auf merkwürdige Weise bekannt vor …

»Sie, weg da«, befahl der Arzt in einem zwar dialektgefärbten, aber doch verständlichen Englisch, als er das Rollbett schnell durch den Korridor zu den Fahrstühlen am anderen Ende manövrierte. »Platz machen, sofort!«

Wheeler konnte nicht viel tun. Er mochte zwar ein erfahrener CIA-Agent sein, aber darauf, sich mit Ärzten anzulegen, die das Leben eines Patienten zu retten versuchten, war er nicht vorbereitet – und schon gar nicht im Ausland. Er wich einen Schritt zurück und ließ die Ärzte passieren, die die Kranke zwischen sich genommen hatten.

»Fahrstuhl anhalten!«, schrie die Frau eine junge Praktikantin an, die gerade aus dem Lift ausstieg.

Die schwangere Krankenschwester folgte ihnen, wenn auch in einem viel langsameren Tempo. Wheeler ging davon aus, dass sie zurückblieb, während sich die anderen darum kümmerten, die Patientin zu stabilisieren, deshalb ergriff er ihren Arm und drehte sie herum, sodass sie ihn ansehen musste. Er vermied es, ihr wehzutun, machte aber keinen Hehl daraus, dass er es notfalls tun könnte. Mit seiner anderen Hand griff er in sein Jackett und hielt seinen CIA-Ausweis hoch.

»Sagen Sie mir sofort, was hier gerade vor sich geht«, sagte er leise und deutlich.

Die Augen der jungen Frau weiteten sich für eine Sekunde, dann fasste sie sich wieder. »Sie ist … sie hat Blut, innen. Müssen das stoppen, oder sie stirbt. Sie muss operiert werden.«

Noch während sie antwortete, verschwanden die Patientin und ihre beiden Ärzte im Fahrstuhl, und die Türen schlossen sich hinter ihnen.

»Mist«, sagte Wheeler leise und fragte sich, ob ihre Gefangene wohl sterben würde, bevor sie die Gelegenheit hatten, sie zu verhören. »In welchem Stockwerk liegt der Operationssaal?«

Die Krankenschwester starrte ihn verständnislos an.

»Ich habe gefragt, welches Stockwerk?«, wiederholte er und verstärkte seinen Griff um ihren Oberarm, sodass sie vor Schmerz stöhnte. Er hatte keinen Spaß daran, unschuldigen Zivilistinnen Schmerzen zuzufügen, aber er musste seiner Frage Nachdruck verleihen.

»Dritter Stock«, antwortete sie schließlich. »Aber Sie kommen nicht rein. Kein Zutritt.«

Das würde sich zeigen. Wheeler setzte sich sofort in Bewegung, ließ die junge Krankenschwester stehen und hetzte, so schnell ihn die Füße trugen, der Patientin hinterher.

»Krasinski, wir haben Probleme. Schwingen Sie Ihren Hintern rüber, aber ein bisschen plötzlich«, zischte er nachdrücklich in sein winziges Funkgerät. Noch während er das tat, hörte er hinter sich im Raum einen Tumult.

Er hätte nicht stehen bleiben müssen. Ein anderer an seiner Stelle hätte sich von seinem Vorhaben nicht abbringen lassen und die kleine Störung ignoriert, doch Wheeler war aus einem anderen Holz geschnitzt. Er musste wieder daran denken, dass ihm die beiden Ärzte irgendwie bekannt vorgekommen waren, und unterbewusst spürte er bereits, dass hier etwas nicht in Ordnung war.

Als er sich umdrehte, sah er zwei Ärzte um die fünfzig, die wütend aufeinander einredeten und dabei auf die Stelle zeigten, wo nur wenige Momente zuvor die Patientin gelegen hatte. Ihre Körpersprache machte deutlich, dass die Abwesenheit der Patientin die beiden zugleich verwirrte und in Aufregung versetzte.

In diesem Moment fügten sich für Wheeler die Puzzleteile zusammen. Sein Unterbewusstsein hatte ihm etwas über den Mann sagen wollen, der vor wenigen Momenten an ihm vorbeigegangen war. Das war kein Fremder gewesen. Wheeler hatte sein Gesicht schon einmal gesehen: auf einer geheimen Liste mit abtrünnigen CIA-Außendienstlern, die erst vor Kurzem kursiert war. Es handelte sich um Männer und Frauen, die aus irgendwelchen Gründen kriminell geworden waren und jetzt als Feinde der CIA betrachtet wurden.

Dieser Mann war einer von ihnen.