Das Schiff Esperanza. Hörspiel. Textausgabe mit Literaturhinweisen und Nachwort - Fred von Hoerschelmann - E-Book

Das Schiff Esperanza. Hörspiel. Textausgabe mit Literaturhinweisen und Nachwort E-Book

Fred von Hoerschelmann

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Beschreibung

Fred von Hoerschelmann ist ein Meister konzentrierten Erzählens, das Hörer und Leser menschlicher zu machen sucht, indem es sie spannend unterhält. Sein "Schiff Esperanza"? in ein Dutzend Sprachen übersetzt, ist wohl das erfolgreichste deutsche Hörspiel überhaupt. Text in neuer Rechtschreibung. Text aus Reclams Universal-Bibliothek mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe.

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Seitenzahl: 72

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Fred von Hoerschelmann

Das Schiff Esperanza

Hörspiel

Nachwort von Max Kämper

Reclam

1967, 2016 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2018

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-960909-6

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-008762-6

www.reclam.de

Inhalt

Die StimmenDas Schiff EsperanzaLiteraturhinweiseNachwort

[5]Die Stimmen

GROVE, Kapitän der Esperanza

AXEL GROVE

BENGTSEN, Erster Steuermann

KRUCHA, Maat

PODBIAK

MATROSEN

MEGERLIN

EDNA

DER WIRT SORRISO

EIN MANN IM HEUERBÜRO

EIN MANN IM BOOT

 

Vom Süddeutschen Rundfunk Stuttgart gesendet am 25. März und 31. Mai 1953 unter der Regie von Oskar Nitschke.

 

Vom Nordwestdeutschen Rundfunk Hamburg gesendet am 26. März und 8. September 1953 unter der Regie von Otto Kurth.

 

 

 

[7](Zimmer. Eine Schreibmaschine tickt. Von draußen gelegentlich das Tuten der Hafenschlepper.)

MANN.

Name?

AXEL.

Axel Grove.

MANN.

Alter?

AXEL.

Dreiundzwanzig.

MANN.

Sie suchen eine Heuer als –?

AXEL.

Leichtmatrose.

MANN

(blättert). Sie sind auch als Heizer gefahren?

AXEL.

Ja. Auf der Batavia.

MANN.

Wenn Sie drei Wochen warten –

AXEL.

Das ist lange.

MANN.

… könnten Sie auf die Aurora gehen. Belgisches Schiff. Liegt gerade auf Dock. Als Heizer –

AXEL.

Drei Wochen …

MANN.

… oder eigentlich als Aschenmann. Ich würde Ihnen raten, auf die Aurora zu warten. Sonst ist da nämlich nichts für Sie. Allenfalls die Esperanza.

AXEL.

Spanien?

MANN.

Panama.

AXEL.

O je!

MANN.

Dafür geht die heute Nacht in See. Stückgut nach Wilmington, USA. Sucht einen Leichtmatrosen. Sofort.

AXEL.

Das ist mein Schiff. Panama? Egal!

MANN.

Hier unterschreiben. Aber an Ihrer Stelle würde ich –

AXEL.

Geben Sie her!

(Federkratzen.)

MANN.

… würde ich auf die Aurora warten.

[8]AXEL

(liest). Esperanza … Kapitän Grove … Was? (Liest nochmals.) Kapitän Grove. Das ist mein Name …

MANN.

Kennen Sie Kapitän Grove? Ein Verwandter von Ihnen?

AXEL

(aufgeschreckt). Was sagen Sie?

MANN.

Ob Sie mit dem Kapitän verwandt sind?

AXEL.

Wahrscheinlich nicht. Ich weiß nicht. Aber möglich … möglich wäre es schon. Es gab einen Korvettenkapitän Grove. Das war mein Vater. Ich habe seit dreizehn Jahren nichts von ihm gehört. Erst kam der Krieg. Dann ging alles bei uns kaputt. Dreizehn Jahre … Ich habe immer gedacht, er lebt nicht mehr.

MANN.

Es gibt viele Leute, die Grove heißen.

AXEL.

Aber merkwürdig ist es schon.

MANN.

Übrigens, was ich vorhin von der Esperanza gesagt habe –

AXEL.

Ja, was sagten Sie doch?

MANN.

Nichts. Jedenfalls nichts Nachteiliges. Ein altes Schiff, sehr alt sogar, und etwas verbaut. Sie hat schon einen krummen Rücken bekommen … Wissen Sie … wenn über so ein Schiff die Jahre hinübergestrichen sind und die Stürme … Das ist wie bei einer Katze, die macht auch einen krummen Buckel, wenn man ihr über den Rücken streicht … Bei einem Schiff sieht das vielleicht etwas komisch aus, zugegeben, aber –

AXEL.

Wenn es wirklich mein Vater ist, der die Esperanza fährt – dann ist sie ein prima Schiff.

MANN.

Natürlich.

AXEL.

Ich gehe gleich hin. Dann werde ich ja sehen –

MANN.

Die Esperanza ladet noch. Der Kapitän ist nicht an Bord. Es genügt, wenn Sie abends hingehen.

[9]AXEL.

Gut. Am Abend also. Dann werd ich vorher noch irgendwo was essen.

(Akustikwechsel. Elektrisches Klavier. Es wird mit einer Münze auf den Teller gepocht.)

AXEL.

Zahlen!

(Elektrisches Klavier verstummt.)

SORRISO.

Bitte, der Herr?

AXEL.

Ich möchte zahlen.

SORRISO.

Sofort. Eine Suppe – einmal Buletten – bitte sehr. – Danke sehr. Was ich noch sagen wollte … Wenn Sie jeden Tag bei mir essen würden, wäre es billiger. Im Abonnement –

AXEL.

Ich bleibe nicht länger. Morgen früh bin ich auf See.

SORRISO.

Ja dann …

AXEL.

Ich habe endlich eine Heuer. Auf der Esperanza. Und morgen bin ich längst –

SORRISO.

Wie sagten Sie? Was für ein Schiff?

AXEL.

Esperanza.

SORRISO

(gleichmütig). Nun, dann gute Reise.

AXEL.

Kennen Sie das Schiff?

SORRISO.

Wieso? Nein. Nie gehört. Und die fährt also heute Nacht?

AXEL.

Oder kennen Sie zufällig den Kapitän? Grove heißt er.

SORRISO.

Nein. Auch nicht. Kapitäne kommen nicht zu mir. Matrosen kommen. Aber auch meist erst gegen Abend. Dann ist bei mir Betrieb. Aber dann sind Sie schon fort, was? Heute Nacht, sagten Sie?

[10]AXEL.

Heute Nacht, ja.

(Ein dumpfes Klopfen.)

SORRISO.

Gute Reise, nochmals.

AXEL.

Irgendwo klopft es hier … Scheint von oben zu kommen …

SORRISO.

Ein Gast will seinen Kaffee …

(Elektrisches Klavier übertönt Sorrisos Worte.)

Gute Reise … Und wenn Sie wieder mal hier sind …

(Elektrisches Klavier leiser. Entfernt. Eine Tür wird geöffnet.)

SORRISO.

He, Sie, Herr …

MEGERLIN.

O Gott …! Was ist …?

SORRISO.

Ich hab’s Ihnen doch gesagt: Sie dürfen nicht so klopfen.

MEGERLIN.

Ich will die Zeitung.

SORRISO.

Wozu? Es steht längst nichts mehr drin über Ihre Sache.

MEGERLIN.

Was wissen Sie von meiner Sache?

SORRISO.

Nichts. Nur, dass es eine ganz kleine, gewöhnliche Sache gewesen ist. Wäre es nämlich eine große Sache gewesen, würde ich es wissen.

MEGERLIN.

Sie können mir trotzdem die Zeitung bringen. Zehn Tage lang habe ich nichts anderes gemacht, als dass ich in diesem Zimmer auf und ab gegangen bin und die braunen Butterblumen an der Tapete gezählt habe. Oder sagt man hier Löwenzahn?

SORRISO.

Ich habe was für Sie. Eben erfahren.

MEGERLIN.

Was?

[11]SORRISO.

Heute Nacht fährt Ihr Schiff.

MEGERLIN.

Bestimmt?

SORRISO.

So gegen zehn führe ich Sie zur alten Mole. Da sind noch ein paar andere. Von dort werden Sie dann aufs Schiff gebracht.

MEGERLIN.

Was für ein Schiff?

SORRISO.

Sie steigen nachts an Bord. Sie bleiben vierzehn Tage unter Deck. Sie werden nachts an Land gebracht. Dazu brauchen Sie nicht zu wissen, wie das Schiff heißt.

MEGERLIN.

Alles nachts. Alles im Dunkeln.

SORRISO.

Das ist nun mal so. Und wenn Sie angekommen sind, dann schicken Sie mir bitte eine Ansichtskarte von der Freiheitsstatue. Aber Sie werden es vergessen.

MEGERLIN.

Wenn Ihnen daran gelegen ist? Warum soll ich es vergessen?

SORRISO.

Ich hab schon mehreren zur Überfahrt verholfen. Alle haben mir versprochen zu schreiben. Aber wenn sie erst drüben sind, denken sie nicht mehr daran. Nicht einer!

(Akustikwechsel. Starker Hafenlärm. Rasseln von Kränen, Pfeifen der Schlepper, Quietschen der Blöcke. Rasseln ganz nah. Poltern.)

BENGTSEN.

Könnt ihr nicht aufpassen! Das sind Weinfässer, keine Ziegelsteine!

(Rasseln und Quietschen. Stimmen.)

(Ruft.) Halt, halt, halt! Was wollen Sie?

AXEL.

Ist das die Esperanza?

[12]BENGTSEN.

Können Sie nicht lesen? Steht ja da. Was wollen Sie?

AXEL.

Ist Kapitän Grove an Bord?

BENGTSEN.

Nein.

AXEL.

Wann wird er kommen?

BENGTSEN.

Kurz bevor wir loswerfen.

AXEL.

Wann wird das sein?

BENGTSEN.

Wollen Sie hier was abgeben, oder –

AXEL.

Ich habe für die Esperanza angemustert.

BENGTSEN.

Was, Sie?

AXEL.

Das Heuerbüro schickt mich.

BENGTSEN.

Ach so, warum sagen Sie das nicht gleich. Kommen Sie rauf. Woher?

AXEL.

Aus dem Krankenhaus. Ich hatte einen gebrochenen Arm.

BENGTSEN.

Aber jetzt sind Sie gesund?

AXEL.

Ja.

BENGTSEN.

Abgemustert von –?

AXEL.

Vom holländischen Tanker Petra.

BENGTSEN.

Leichtmatrose?

AXEL.

Ja.

BENGTSEN.

Also, gehen Sie nach vorn ins Quartier. Der Maat sagt Ihnen alles Weitere.

AXEL.

Herr –

BENGTSEN.

Ich bin Bengtsen, der Erste Steuermann.

AXEL.

Herr Bengtsen, ich wollte Sie nur noch etwas fragen. Die Esperanza fährt doch unter Kapitän Grove?

BENGTSEN.

Was haben Sie immer mit dem Kapitän? Ich sagte Ihnen schon, der Kapitän ist nicht an Bord.

AXEL.

Ich heiße Axel Grove.

BENGTSEN.

Sind Sie verwandt mit dem Kapitän?

[13]AXEL.

Möglicherweise … es könnte sein. Ich habe meinen Vater seit dreizehn Jahren nicht gesehen. Er war damals Marineoffizier.

BENGTSEN.

Ihren Vater, sagen Sie?

AXEL.

Ja.

BENGTSEN.

Das kann nicht stimmen. Kapitän Grove hat überhaupt keine Angehörigen.

AXEL.

Wissen Sie das genau?

BENGTSEN.

Ganz genau. Und jetzt gehen Sie und fragen Sie nach dem Maat Krucha. Oder – Moment mal –

AXEL.

Ja, bitte?

BENGTSEN.

Dann sind Sie also nur deswegen zu uns gekommen, weil der Kapitän der Esperanza Grove heißt?

AXEL.

Ich las den Namen auf dem Schein.

BENGTSEN.

Sonst hätten Sie auf einem anderen Schiff angeheuert?

AXEL.

Auf der Aurora vielleicht – die liegt aber noch drei Wochen auf Dock.

BENGTSEN.

Und jetzt, wo Sie wissen, dass der Kapitän nichts mit Ihnen zu tun hat, da haben Sie ja eigentlich keinen Grund, gerade auf der Esperanza zu bleiben. Wenn ich Ihnen einen Abschlag zahle, für die drei Wochen, können Sie auf die Aurora warten, was? Dann –

(Ein starkes Rasseln übertönt die letzten Worte.)

AXEL.

Ich habe nicht verstanden, Herr Bengtsen, was sagten Sie eben?

BENGTSEN.

Nichts Besonderes. Ist ja auch Unsinn. Sie können bleiben. Und wenn Sie morgen den Kapitän gesehen haben, dann werden Sie sich selbst überzeugen. Sie haben sich unnütze Hoffnungen gemacht. Krucha!

[14]KRUCHA.

(entfernt). Herr Bengtsen?

BENGTSEN.

Nehmen Sie den Neuen mit nach vorn. (Murmelt.) Denkt sich das so … Groves gibt es Tausende. Muss ja ein Unsinn sein. Der hat doch gar keinen Sohn …