0,99 €
Eine spannende mittelalterliche Geschichte: ... Es war unter der Regierung, welche jener Roberts III. vorherging, daß Schönheit allein ein Weib von niedrigem Stande und zweifelhaften Sitten auf den Thron von Schottland erhoben hatte; und viele Frauen, weniger glücklich oder minder klug, hatten vom Range von Konkubinen zur Größe sich emporgeschwungen, was die Sitten der Zeit erlaubten und entschuldigten. Solche Beispiele hätten ein Mädchen von höherer Geburt, als Katharina oder Katie Glover war, die allgemein für das schönste Mädchen der Stadt und der Umgegend galt, geblendet. Der Ruf des schönen Mädchens von Perth hatte die Aufmerksamkeit der jüngern Ritter am königlichen Hofe auf sie gelenkt. Der Aufenthalt des Hofes war in Perth oder in dessen Umgebungen, und manche durch ritterliche Taten ausgezeichnete Edle strengten sich mehr an, Proben ihrer Festigkeit im Reiten zu geben, wenn sie an der Tür des alten Simon Glover in der sogenannten Couvrefew oder Curfewstraße vorüberkamen, als sich bei den Turnieren auszuzeichnen, wo die edelsten Damen Schottlands Zeugen ihrer Geschicklichkeit waren. Aber die Tochter des Glover (Handschuhmachers) - denn, wie es bei Handwerkern und Künstlern jener frühen Zeit üblich, entlehnte ihr Vater, Simon, seinen Namen dem Gewerbe, welches er trieb - zeigte keine Neigung, auf die Artigkeiten der Herren zu achten, die sich von einem Range, der weit über dem ihrigen stand, zu ihr herabließen, und wenn sie auch, wie man annehmen darf, sich ihrer persönlichen Vorzüge genügend bewußt war, so schien sie doch zu wünschen, ihre Eroberungen auf diejenigen zu beschränken, die sich mit ihr in der gleichen Sphäre befanden. ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 777
Die Asch' erschlag'ner Könige ruht, Wohin ich trete, hie, –Und dort der Todesschauplatz, wo Zu weinen gelernt Marie.Capitain Majoribanks
Jedes Quartier in Edinburgh hat etwas Besonderes, worauf es stolz ist, so daß die Stadt innerhalb ihres Bezirks (wofern man der Aussage der Einwohner hierüber Glauben schenkt) eben so reich an geschichtlichem Interesse als an Naturschönheiten ist. Unsere Lobsprüche hinsichtlich Canongate's lassen sich noch anderweit steigern. Das Schloß mag durch seine umfangreiche Aussicht und seine erhabene Lage über uns stehen; der Calton behauptet stets durch sein unübertreffliches Panorama den Vorrang, neuerdings noch erhöht durch die Zugabe von Türmen, Triumphbögen und die Säulen seines Parthenon. Wir gestehen, daß Highstreet die ausgezeichnete Ehre genoß, durch Festungswerke verteidigt zu sein, von denen wir keine Spur aufweisen können. Wir wollen uns nicht so weit herablassen, die Ansprüche emporgekommener Quartiere zu erwähnen, genannt die Alte Neustadt und die Neue Neustadt, nicht zu gedenken des besonders beliebten Moray-Platzes, der neuesten Neustadt von allen. Wir wollen uns einzig und allein unseres Gleichen gegenüberstellen, und zwar unseres Gleichen nur hinsichtlich des Alters, denn hinsichtlich der Würde erkennen wir nichts als unseres Gleichen an. Wir rühmen uns, der Hofbezirk der Stadt zu sein, den Palast und die Begräbnisüberreste der Fürsten umschließend, und daß wir im Stande sind, in einem, den minder ansehnlichen Quartieren der Stadt unbekannten Grade die düsteren und erhabenen Erinnerungen an die alte Größe zurückzurufen, welche innerhalb unserer ehrwürdigen Abtei herrschte seit der Zeit St. Davids, bis herab auf den Zeitpunkt, wo ihre verlassenen Hallen noch einmal die Freude begrüßte, und wo ihr lang verstummter Widerhall erweckt wurde durch den Besuch unseres gegenwärtigen erhabenen Fürsten.
Mein langer Aufenthalt in der Nachbarschaft und mein ruhiges ehrbares Benehmen setzte mich in eine Art freundschaftliches Verhältnis mit der guten Mrs. Policy, der Hausverwalterin in dem interessantesten Teile des alten Gebäudes, genannt die Zimmer der Königin Maria. Aber ein Vorfall, der sich kürzlich ereignete, hat mir noch größere Vorrechte verschafft, so daß ich in der Tat, glaub' ich, das Wagstück Chatelet's bestehen könnte, welcher hingerichtet wurde, weil man ihn Nachts im Schlafgemach der Herrscherin Schottlands versteckt fand.
Es traf sich, daß die gute Frau, deren ich erwähnte, ihrem Berufe gemäß einem Gecken aus London die Zimmer zeigte; – nicht einem jener stillen, stumpfen, gewöhnlichen Gäste, welche mit aufgesperrtem Munde und mit einem beifälligen »Hm« den eingelernten Worten der Cicerone lauschen. Ein solcher war's nicht – es war der muntere, gewandte Agent eines großen Hauses in der City, der keine Gelegenheit vorbeiließ, Geschäfte zu machen, wie er's nannte, d. h. die Waren seiner Geschäftsfreunde loszuschlagen und zugleich für eigene Rechnung seinen Vorteil zu suchen. Hastig war er durch die Reihe der Zimmer geeilt, ohne die geringste Gelegenheit zu finden, ohne auf das zu kommen, was er als Hauptzweck seines Daseins betrachtete. Selbst die Geschichte von Rizzio's Ermordung hatte diesen Handelsapostel ungerührt gelassen, bis die Verwalterin, zur Bekräftigung ihrer Erzählung, auf die dunklen Blutflecken am Boden hindeutete.
»Da sind die Flecken,« sagte sie; »nichts vermag sie von dem Orte zu tilgen – seit zweihundert und fünfzig Jahren sind sie dagewesen – und da werden sie bleiben, so lange die Dielen vorhanden sind – weder Wasser, noch sonst etwas kann sie von dem Orte wegbringen.«
Nun handelte unser Geck neben andern Artikeln auch mit sogenannten Reinigungstropfen, und ein seit 250 Jahren vorhandener Flecken war interessant für ihn, nicht weil er von dem Blute des Lieblings einer Königin, der in ihrem Zimmer erschlagen ward, herrührte, sondern weil er ihm eine so vortreffliche Gelegenheit bot, die Wirksamkeit seines unübertrefflichen Reinigungselixiers zu bewähren. Auf die Knie stürzte unser Freund, aber weder vor Schrecken noch andächtiger Rührung.
»Zweihundert und fünfzig Jahre, Ma'am, und nichts nimmt sie hinweg? Ei, und wenn es fünfhundert gewesen wären, ich hab' etwas in meiner Tasche, was sie in fünf Minuten beseitigen soll. Sehen Sie dies Elixier, Ma'am? Ich will Ihnen zeigen, daß der Flecken im Augenblick verschwindet.«
Sonach befeuchtete er ein Ende seines Taschentuches mit dem Alles reinigenden Mittel und begann auf der Diele zu scheuern, ohne sich an die Gegenreden der Mrs. Policy zu kehren. Sie, die gute Seele, blieb eine Zeit lang stumm vor Bestürzung, gleich der Äbtissin zur heiligen Brigitta, als ein profaner Gast die Branntweinflasche, die man lange unter den Klosterreliquien als die Tränen der gepriesenen Heiligen gezeigt hatte, rein austrank. Die würdige Äbtissin von St. Brigitta erwartete wahrscheinlich die Dazwischenkunft ihrer Schutzheiligen – die von Holy-Rood mochte vielleicht hoffen, David Rizzio's Geist werde erscheinen, um die Entweihung zu verhüten. Aber Mrs. Policy verharrte nicht lange in dem Schweigen des Entsetzens. Sie erhob ihre Stimme und schrie so laut wie Königin Maria selber, als die schreckliche Tat vollbracht wurde –
»Nun Alles hin und Alles aus!« rief sie.
Ich machte gerade in der anstoßenden Galerie meinen Morgenspaziergang, wo ich eben darüber nachdachte, warum die Könige von Schottland, deren Bilder ringsum hingen, Alle, einer wie der andere, mit einer Nase gemalt sein möchten, die wie ein Türklopfer aussah – als, horch! die Wände noch ein Mal von solchem Geschrei widerhallten, wie es früher oft in den schottischen Palästen gehört wurde, wenn Klänge der Lust und Musik ertönten. Erschreckt durch den Lärm, der an einem so einsamen Orte beunruhigend war, eilte ich dem Orte zu, woher derselbe kam, und fand den Reisenden, der in der besten Meinung wie eine Hausmagd den Boden scheuerte, während ihn Mrs. Policy an den Rockschößen zerrte und sich umsonst bemühte, sein ruchloses Vorhaben zu hintertreiben. Es kostete mir einige Mühe, dem geschäftigen Reiniger von seidenen Strümpfen, gestickten Westen, Bratenröcken und Fichtenbrettern begreiflich zu machen, daß es gewisse Flecken in der Welt gebe, welche unauslöschlich bleiben müßten, wegen der Erinnerungen, die damit verknüpft wären. Unser guter Freund sah in jedem derartigen Dinge nur das Mittel, um die Tugend seiner gerühmten Ware darzulegen. Er begriff indes, daß man ihm bei gegenwärtiger Gelegenheit nicht gestatten würde, die Kraft seiner Artikel weiter zu erproben, da zwei oder drei Einwohner erschienen, welche gleich mir drohten, in der Sache die Partei der Verwalterin zu ergreifen. Er nahm daher Abschied, indem er murmelte, daß er stets gehört habe, die Schotten wären unreinliche Leute; aber nie hab' er geglaubt, daß sie es so weit trieben, die Dielen ihrer Paläste blutbesudelt zu lassen, gleich Banquo's Geist, da es, um die Flecken zu beseitigen, nur hundert Tropfen des untrüglichen Reinigungselixiers kosten würde, bereitet und verkauft von den Herren Scrub und Rub, in Flaschen zu fünf und zehn Schilling, jede Flasche bezeichnet mit den Anfangsbuchstaben des Erfinders, um jeden Verfälscher hinsichtlich der gesetzlichen Strafe zu warnen. Befreit von der lästigen Gegenwart dieses Freundes der Reinlichkeit, war meine Freundin, Mrs. Policy, verschwenderisch mit Ausdrücken des Dankes, und gleichwohl ist ihre Erkenntlichkeit, statt sich, wie es meistens geht, durch diese Beteuerungen zu erschöpfen, im gegenwärtigen Augenblicke noch so lebendig, als wenn sie mir überhaupt nie Dank gesagt hätte. Der Erinnerung an diese Dienstleistung verdanke ich die Erlaubnis, beliebig diese verlassenen Gemächer zu durchwandern, gleich dem Schatten eines abgeschiedenen Kammerherrn, bald, wie es in dem alten irischen Liebe heißt:
»Ob Dingen sinnend, welche längst vorüber,«
bald dem Wunsche nachhängend, daß auch mich, wie zu manchen Romanschreiber, ein günstiges Ungefähr im verborgenen Fache eines alten Schrankes ein, wenn auch kaum zu entzifferndes Manuskript finden lassen möchte, enthaltend authentische Nachrichten über eine der merkwürdigen Taten aus jenen wilden Tagen der unglücklichen Maria.
Meine liebe Mrs. Baliol pflegte mit mir innig übereinzustimmen, wenn ich beklagte, daß derartige Geschenke nicht mehr zum Vorschein kämen, und daß ein Autor, dem am Seegestade die Zähne vor Frost klappern, diese sich eher ausbeißen könnte, eh' ihm eine Welle ein Kästchen mit einer Geschichte, wie die der Automaten, zuführte; daß er, durch ein paar hundert Gewölbe stolpernd, Arm' und Beine brechen könne, ohne etwas Anderes dort zu finden, als Ratten und Mäuse, und daß er ein halbes Dutzend alter Behausungen bewohnen könne, ohne ein anderes Manuskript zu erblicken, als die Rechnung für Kost und Wohnung jede Woche. Ein Milchmädchen könnte in diesen entarteten Tagen ebenso gut ihre Milchkammer in der Hoffnung waschen und putzen, in ihrem Schuh das feenhafte Sechspencestück zu finden.
»Es ist eine traurige, aber nur allzu wahre Geschichte, Bester,« sagte Mrs. Baliol. »Ich bin überzeugt, daß wir Alle Gelegenheit haben, diesen vollkommenen Mangel an Hilfsquellen für eine erschöpfte Phantasie zu beklagen. Aber Sie haben vor allen Andern zumal das Recht, zu beklagen, daß die Feen Ihre Nachforschungen nicht begünstigten, da Sie der Welt doch den Beweis geliefert haben, daß die Zeiten des Rittertums noch nicht vorüber sind, – Sie, der Ritter von Croftangry, der Sie der Heftigkeit des Londoner frechen Burschen widerstanden, zum Besten der schönen Dame Policy, und für das Andenken an Rizzio's Ermordung! Ist es nicht schade, Freund, da diese Rittertat so ganz den Regeln gemäß war, ist es nicht schade, sag' ich, daß die Dame nicht etwas jünger und die Sage etwas älter war?«
»Nun, was das Alter betrifft, wo eine Dame ihre Ansprüche an das Rittertum verliert und kein Recht mehr hat, eines tapfern Ritters Gabe zu heischen, so überlasse ich die Entscheidung den Statuten des Ordens der irrenden Ritterschaft; aber für das Blut Rizzio's nehme ich den Handschuh auf und behaupte gegen Jedermann, daß die Flecken nicht aus neuerer Zeit herrühren, sondern in der Tat die Spuren jenes schrecklichen Mordes sind.«
»Da ich die Ausforderung nicht annehmen kann, werter Freund, so begnüge ich mich, den Beweis zu fordern.«
»Die Sage, die sich unverändert im Palast erhalten und die Übereinstimmung der wirklichen Lage der Dinge mit jener Tradition.«
»Deutlichere Erklärung, wenn's Ihnen gefällig ist.«
»Sehr gern. – Es ist allgemeine Sage, daß, als Rizzio aus der Königin Zimmer hinweggeschleppt wurde, die Mörder, die sich in ihrer Wut darüber stritten, wer ihm die meisten Wunden beibrächte, ihn an der Tür des Vorzimmers niederstachen. An diesem Orte wurde demnach das meiste Blut vergossen, und hier zeigt man noch die Flecken davon. Ferner melden die Geschichtschreiber, daß Maria fortwährend gebeten habe, man möchte Rizzio 's Leben schonen, indem sie ihre Bitten mit Geschrei und Ausrufungen mischte, bis sie, als man ihr die Versicherung gab, er sei bereits tot, die Augen trocknete und sagte: ›Ich werde nun auf Rache sinnen!‹«
»Alles dies ist zugegeben.– Aber das Blut? Meinen Sie, daß es in so vielen Jahren nicht verwischt werden oder ganz verschwinden konnte?«
»Ich werde sogleich darauf kommen. Die beständige Sage des Palastes berichtet, Maria habe alle Vorkehrungen verboten, die Zeichen der Mordtat zu entfernen, weil sie dieselben erhalten wollte, als Erinnerung an die Beschleunigung der beabsichtigten Rache. Aber es wird hinzugefügt, daß sie es für genügend fand, wenn sie wüßte, daß jene noch vorhanden wären, und weil sie nicht wünschte, die Spuren der Mordtat immer vor Augen zu haben, so befahl sie, einen Verschlag, wie man es nannte (d. h. eine einstweilige Bretterwand), einige Schritte von der Türe im Vorzimmer anzubringen, so daß der Teil des Zimmers, worin die Blutspuren befindlich waren, von dem übrigen geschieden und dadurch sehr verdunkelt worden war. Diese Wand steht noch, und der Umstand, daß dadurch die Gestalt der Decke und Karniese unregelmäßig gemacht wird, ist ein offenbarer Beweis, daß ein besonderes Ereignis die Ursache war, warum man sie anbrachte, da sie die Verhältnisse des Gemachs stört, so wie die der Deckenverzierungen, und daß man demnach, als man sie gerade hier anfügte, keine andere Absicht haben konnte, als dem Auge einen widrigen Anblick zu entziehen. Dem Einwurfe, daß die Blutflecken mit der Zeit hätten verschwinden müssen, glaube ich entgegnen zu können, daß sie, da man unmittelbar nachdem das Verbrechen verübt worden, keine Vorkehrung traf, sie zu beseitigen, oder mit andern Worten, da man dem Blute Zeit gönnte, in das Holz einzudringen, unauslöschlich werden mußten. Abgesehen von dem Umstände, daß man bei uns in Schottland die Paläste zu jener Zeit nicht besonders reinlich hielt, und daß es damals noch kein Reinigungselixier gab, womit man Schwamm und Scheuerlappen unterstützen konnte, finde ich es höchst wahrscheinlich, daß die Spuren jener Mordtat sich sehr lange hätten erhalten können, selbst wenn Maria nicht gewünscht oder befohlen hätte, sie zu erhalten, sondern durch Herstellung eines Verschlags dem Auge zu verdecken. Mir sind mehrere Beispiele von ähnlichen Blutflecken bekannt, die sich viele Jahre hindurch erhalten haben, und ich zweifle, ob sie nach Verlauf einer gewissen Zeit auf andere Weise beseitigt werden könnten, als mit Hilfe eines Hobels. Hätte ein Seneschall, um das Interesse, welches diese Zimmer begleitet, zu erhöhen, durch Anwendung von Farbe und andere ähnliche Mittel die Nachwelt hintergehen wollen und zu diesem Ende die Flecken künstlich aufgetragen, so würde er, glaub' ich, den Schauplatz in das Schlafgemach der Königin verlegt und die Blutflecken an einer Stelle angebracht haben, wo sie einem Jeden deutlich in's Auge fallen mußten, statt sie hinter einer Bretterwand zu verstecken. Das Vorhandensein dieser Wand ist übrigens auch sehr schwer zu erklären, wenn man die gemeine Sage verwirft. Kurz, die Örtlichkeiten stimmen so sehr mit den Tatsachen der Geschichte zusammen, daß ich glaube, sie mögen wohl den Umstand mit dem Blute auf dem Fußboden bestätigen.«
»Ich gesteh' Ihnen,« erwiderte Mrs. Baliol, »daß ich sehr geneigt bin, mich zu Ihrem Glauben zu bekehren. Wir sprechen von gemeiner Leichtgläubigkeit, ohne immer daran zu denken, daß es auch einen gemeinen Unglauben gibt, der es leichter findet, Tatsachen der Geschichte, wie der Religion zu bezweifeln, als sie zu untersuchen, und der die Schuld trägt, daß man darin eine Ehre sucht, ein starker Geist zu sein, sobald ein Gegenstand die beschränkte Einsicht des Zweiflers etwas übersteigt. Da wir nun über diesen Punkt mit einander im Reinen sind, und Sie, wie ich sehe, das ›Sesam tu' dich auf‹ besitzen, das uns diese geheimen Zimmer aufschließen kann,– welchen Gebrauch, wenn ich fragen darf, gedenken Sie dann von Ihrem Rechte zu machen?– Beabsichtigen Sie, diese Nacht im Schlafzimmer der Königin zuzubringen?«
»Zu welchem Zweck, verehrte Freundin? – geschah' es, um den Schnupfen zu befördern, so dürfte dieser Ostwind die Absicht begünstigen.«
»Den Schnupfen befördern – behüte Gott! das wäre schlimmer, als das Veilchen noch zu färben. Nein, wenn ich Ihnen empfahl, eine Nacht auf dem Lager der Rose von Schottland zuzubringen, so gedacht' ich Ihnen bloß ein Mittel anzudeuten, um Ihre Einbildungskraft anzufeuern. Wer weiß, welche Träume eine Nacht, zugebracht in einem Palast voll so vieler Erinnerungen, hervorrufen könnte! Wer weiß, ob nicht die eiserne Tür an der Treppe zum Ausfalltore um die geheimnisvolle Mitternachtsstunde sich öffnete, wie zur Zeit der Verschwörung; ob Sie nicht die Phantome der Mörder, verstohlenen Schrittes und schrecklichen Ansehens sich nahen sähen, um die tragische Szene nochmals vor Ihnen aufzuführen. Sehen Sie den wilden, fanatischen Ruthven dort kommen – den sein Haß und Parteigeist stärkte, eine Waffenrüstung zu tragen, deren Last Glieder gleich den seinen, entnervt durch schleichende Krankheit, hätte niederdrücken müssen. Sehen Sie, wie seine durch Leiden entstellten Züge unter dem Helme hervorgrinsen, gleich denen eines Leichnams, von einem Teufel beseelt, die Augen racheglühend, während auf dem Gesicht die Ruhe des Todes liegt. Dort erscheint die schlanke Gestalt des jungen Darnley, so schön in seinem Äußern, als schwankend in seinem Entschlusse. Er naht, als trüge sein Fuß Bedenken, auf den Boden zu treten, mehr aber zögert er noch in seinem Vorhaben, da kindische Furcht bereits seine kindische Leidenschaft überwältigt. Er befindet sich in dem Falle eines ränkevollen Knaben, der Feuer an eine Mine gelegt hat, und, während er mit Reue und Furcht das Springen derselben erwartet, sein Leben darum gäbe, wenn er damit die Lunte löschen könnte, die seine eigne Hand entzündete. – Dort – dort – aber ich vergaß die Namen der andern würdigen Kehlabschneider. Helfen Sie mir nach, wenn Sie können.«
»Beschwören Sie,« sagt' ich, »den Postulanten Georg Douglas, den Tätigsten der Bande. Lassen Sie ihn auf Ihr Gebot erscheinen – der ein Gut beanspruchte, welches er nicht besaß – in welchem das erlauchte Blut der Douglas floß, welches aber in seinen Adern durch Unrechtmäßigkeit befleckt ist. Malen Sie den Grausamen, den Verwegenen, den Ehrgeizigen – der Größe so nah und so abgesperrt von ihr – dem Reichtum so nah und von dessen Besitz so ausgeschlossen – ein politischer Tantalus, bereit Alles zu tun und zu wagen, um seine Bedürfnisse zu befriedigen und seine zweideutigen Ansprüche geltend zu machen.«
»Vortrefflich, mein lieber Croftangry! Aber was ist ein Postulant?«
»O, verehrte Dame, Sie stören den Gang meiner Ideen. – Ein Postulant war, nach schottischer Redeweise, der Kandidat zu irgend einer Vergünstigung, die er noch nicht erhalten hatte. Georg Douglas, Rizzio's Mörder, war Postulant der Besitzungen der reichen Abtei Arbroath.«
»Ich verstehe schon – wohlan, fahren Sie fort; wer kommt zunächst?« sprach Mrs. Baliol weiter.
»Wer zunächst kommt? Jener große, hagere, wild aussehende Mann, mit der Büchse in der Hand, muß Andreas Ker von Faldonside sein, ein Brudersohn, glaub' ich, des berühmten Sir David Ker von Ceßford; sein Blick und Benehmen sind die eines Wegelagerers; sein Gemüt war so roh, daß er während des Getümmels im Kabinet sein geladenes Gewehr auf den Busen der jungen und schönen Königin setzte, der Königin, die überdies binnen wenigen Wochen Mutter werden sollte.« »Bravo, beau cousin! – Nun, nachdem Sie Ihren Geisterschwarm zitiert haben, sind Sie hoffentlich nicht gesonnen, sie nach ihren kalten Betten zurückzusenden, um sich wieder zu wärmen? Sie werden sie in Tätigkeit setzen, und da Ihr unermüdlicher Kiel noch Absichten auf Canongate hat, so werden Sie wahrscheinlich diese seltsamste aller Tragödien zu einer Novelle, oder, wenn Sie wollen, zu einem Drama verarbeiten?«
»Schlechtere – das heißt weniger interessante – Perioden der Geschichte hat man schon zur Unterhaltung der friedlichen Zeiten, welche darauf folgten, ausgewählt. Aber, meine Verehrte, die Ereignisse aus Maria's Tagen sind zu wohl bekannt, als daß sie für romantische Dichtung tauglich wären. Was könnte ein besserer Schriftsteller, als ich bin, der geschmackvollen und kräftigen Erzählung eines Robertson noch beifügen? Also lebt wohl, ihr Gesichte – ich erwache, wie John Bunian, »und betrachte Alles als einen Traum« – Nun, gut genug, daß ich ohne Hüftweh erwache, das höchst wahrscheinlich eine Folge meines Schlafs gewesen wäre, hätte ich das Bett der Königin Maria entweiht und als mechanisches Hilfsmittel gebraucht, um eine schlaffe Phantasie aufzurütteln.«
»Damit ist es nicht abgemacht, Bester,« antwortete Mrs. Baliol; »Sie müssen all' diese Bedenklichkeiten beseitigen, wenn Sie die Rolle eines romantischen Geschichtsschreibers, die Sie übernommen haben, mit Glück spielen wollen. Was hat der klassische Robertson mit Ihnen zu tun? Das Licht, das er verbreitete, war das einer Lampe, um die dunklen Ereignisse der Vorzeit aufzuklären; das Ihrige ist eine Zauberlaterne, um Wunder zu schaffen, die nie wirklich da waren. Ein Leser von Verstand wundert sich nicht über ihre historischen Ungenauigkeiten; eben so wenig als er sich wundert, wenn er Kasperle im Puppentheater auf demselben Throne mit König Salomo in seiner Glorie sitzen sieht, oder ihn während der Sindflut dem Erzvater zurufen hört: ›Gewaltig nebliges Wetter, Herr Noah.‹«
»Mißverstehen Sie mich nicht, verehrte Dame,« sagt' ich; »ich kenne zur Genüge meine Freiheiten als Romanschreiber. Allein selbst der lügnerische Mr. Fagg, in Sheridans Nebenbuhlern, versichert uns, daß er sich zwar nie ein Bedenken darüber mache, auf Befehl seines Herrn eine Unwahrheit zu sagen, jedoch immer Gewissensbisse empfinde, wenn die Lüge an den Tag komme. Nun, dies ist der Grund, warum ich klüglich alle zu wohlbekannten geschichtlichen Pfade vermeide, wo Jedermann Wegweiser findet, deren Inschriften ihn belehren, wohin er sich zu wenden hat; ja, selbst Knaben und Mädchen, welche die Geschichten Englands durch Fragen und Antworten kennen lernen, lachen über einen armen Schriftsteller, wenn er vom Wege abweicht.«
»Entmutigen Sie sich doch nicht, lieber Christal. Es gibt eine Menge Wildnisse in der schottischen Geschichte, durch welche, wenn ich mich nicht sehr irre, noch keine sichern Pfade beschrieben wurden, und die man nur aus unvollkommener Überlieferung kennt, welche mit Wundern und Märchen die Perioden ausfüllt, in welchen man nichts von wirklichen Begebenheiten weiß. Ganz so sagt Matthias Prior:
»Pfadlose Länder bevölkert der GeographAnstatt der Städte nur mit Elefanten.«
»Wenn dies Ihr Rath ist, verehrte Dame,« sagte ich, »so wird der Lauf meiner Geschichte diesmal in einer entfernten Zeit beginnen und in einer Provinz, die von meiner natürlichen Sphäre, Canongate, weit abliegt.«
Unter dem Einfluß dieser Empfindungen war es, daß ich den folgenden historischen Roman begann, welcher, oft unterbrochen und bei Seite geschoben, gegenwärtig zu viel Umfang gewonnen hat, um überhaupt weggeworfen zu werden, obwohl es nicht besonders klug sein mag, ihn der Presse zu übergeben.
Ich legte den handelnden Personen nicht den niederschottischen Dialekt, der jetzt gesprochen wird, in den Mund, weil unstreitig das Schottische jener Zeit dem Angelsächsischen sehr ähnlich war, bereichert durch einen Anflug des Französischen oder Normannischen. Diejenigen, welche den Gegenstand zu erforschen wünschen, mögen die Chronik von Winton und die Geschichte von Bruce durch den Archidiakonus Barbour zu Rate ziehen. War auch meine eigne Kenntnis des Altschottischen hinreichend, um den Dialog in dessen Eigentümlichkeiten zu kleiden, so würde doch eine Übersetzung zu Gunsten der meisten Leser nötig gewesen sein. Der schottische Dialekt mag daher unberücksichtigt bleiben, außer wo der Gebrauch eigentümlicher Wörter der Darstellung mehr Nachdruck oder Lebendigkeit geben kann.
»Die Tiber schaut,« rief stolz der Römer, daDen breitenTaer vor sich fluten sah;Doch, welcher Schotte gäb' zurück den GrußUnd hießeTaden kleinen Tiberfluß?Ungenannter
Verlangte man von einem einsichtsvollen Fremden, unter allen Provinzen Schottlands die mannigfaltigste und schönste anzugeben, so würde er wahrscheinlich die Grafschaft Perth nennen. Ebenso wird der irgend einem andern Distrikt Kaledoniens angehörende Schotte, obwohl seine Parteilichkeit ihn veranlaßt, seiner heimatlichen Grafschaft den ersten Platz einzuräumen, gewiß der von Perth den zweiten zugestehen, und so deren Bewohnern als gutes Recht zugeben, daß sie – ohne alles Vorurteil – behaupten dürfen, Perthshire bilde den schönsten Teil des nordischen Königreichs. Es ist schon lange her, daß Lady Mary Wortley Montague, mit all' dem vortrefflichen Geschmack, welcher ihren Schriften eigen ist, die Meinung aussprach, daß der interessanteste Teil jedes Landes und welcher die mannigfachsten Schönheiten natürlicher Szenerie in höchster Vollkommenheit bietet, derjenige sei, wo die Berge sich auf die Ebene oder das flache Land absenken. Die malerischsten, wenn auch nicht die höchsten Berge, findet man gleichfalls in der Grafschaft Perth, die Flüsse finden ihre Bahn aus der Bergregion über die wildesten Abhänge und durch die romantischsten Thäler, welche das Hochland mit der Ebene verbinden. Außerdem mischt sich die Vegetation eines glücklichern Himmelsstrichs und Bodens mit den großartigen Merkmalen einer bergigen Landschaft, und Wälder, Haine und Dickichte umsäumen verschwenderisch den Fuß der Hügel, steigen die Schluchten empor und verbinden sich mit den Spitzen. In so begünstigten Gegenden ist es, wo der Reisende das findet, was der Dichter Gray oder irgend ein Anderer die »im Schoße des Schreckens liegende Schönheit« nannte.
Ebenfalls ihrer vorteilhaften Lage wegen besitzt diese begünstigte Provinz eine Mannigfaltigkeit der angenehmsten Art. Ihre Seen, ihre Wälder und Berge können an Schönheit mit Allem wetteifern, was das Hochland bietet; während Perthshire mitten unter der romantischen Szenerie und in einigen damit zusammenhängenden Teilen viele fruchtbare und wohnliche Striche umschließt, die mit dem Reichtum des lustigen England selbst wetteifern können. Das Land war auch der Schauplatz vieler denkwürdiger Taten und Ereignisse, teils von geschichtlicher Wichtigkeit, teils für den Dichter und Romantiker anziehend, obwohl nur aus volkstümlicher Überlieferung bekannt. In diesen Tälern war's wo die Sachsen aus der Ebene und die Gälen von den Bergen manch verzweifeltes und blutiges Treffen hielten, worin es oft unmöglich war zu entscheiden, ob der Kranz des Sieges der gepanzerten Ritterschaft des Niederlandes oder den mit Plaids gekleideten Clans, gegen die jene focht, gebührte.
Perth, so ausgezeichnet durch die Schönheit seiner Lage, ist ein Ort von hohem Altertum, und eine alte Sage hebt die Wichtigkeit der Stadt dadurch, daß sie deren Gründung durch die Römer behauptet. Diese siegreiche Nation wollte, sagt man, in dem viel prächtigern und besser schiffbaren Tay die Tiber wiedererkennen, und gab zu, daß die große Ebene, wohlbekannt unter dem Namen des North Inch, viel Ähnlichkeit mit ihrem Campus Martius habe. Die Stadt war oft die Residenz unserer Könige, die, obwohl sie keinen Palast zu Perth hatten, das Zisterzienserkloster völlig genügend zur Aufnahme ihres Hofes fanden. Hier war's, wo Jakob I., einer der weisesten und besten unter den Königen Schottlands, als Opfer des Argwohns der rachsüchtigen Aristokratie fiel. Hier fand auch die geheimnisvolle Verschwörung von Gowrie statt, deren Schauplatz erst kürzlich durch die Zerstörung des alten Palastes, worin die Tragödie spielte, verschwunden ist. Die Antiquarische Gesellschaft in Perth hat, mit gerechtem Eifer für die Gegenstände ihres Forschens, einen genauen Plan dieses merkwürdigen Gebäudes herausgegeben, nebst einigen Bemerkungen über seinen Zusammenhang mit dem Berichte von der Verschwörung, die ebenso viel Genauigkeit als Treue enthalten.
Eine der schönsten Aussichten, welche Britannien, vielleicht die Welt, gewähren kann, ist, oder war vielmehr diejenige, die man von einem Orte, die Wicks von Baiglie genannt, genoß: es war dies eine Art Nische, in welche der Reisende gelangte, nachdem er von Kinroß an eine weite Strecke wüsten und uninteressanten Landes durchzogen hatte. Von diesem Orte aus, der Spitze einer Anhöhe, die er allmählich erstiegen, sieht er zu seinen Füßen das Tal des Tay sich hinziehen, von jenem großen, schönen Strome bewässert, die Stadt Perth mit ihren zwei großen Ebenen oder Inches, ihren Kirchtürmen und hohen Gebäuden; die Berge Moncrieff und Kinnoul, die sich in ihren Felsmassen erheben, zum Teil mit Wald bewachsen; die reichen Ufer des Stromes, mit geschmackvollen Häusern geziert, und in der Ferne die hohen Grampischen Gebirge, den nördlichen Hintergrund dieser köstlichen Landschaft. Die Änderung, die mit der Straße getroffen wurde, wobei jedoch der Verkehr sehr viel gewonnen hat, hat den Reisenden dieser großartigen Aussicht beraubt, und die Landschaft entfaltet sich mehr allmählich und teilweise dem Auge, obwohl sie auch so noch immer für äußerst schön gelten muß. Wie wir glauben, ist noch ein Fußpfad vorhanden, auf welchem man zu den Wicks von Baiglie gelangen kann; und wenn der Reisende sein Pferd oder sein Fuhrwerk verlassen und einige hundert Schritte zu Fuß gehen will, so kann er noch jetzt die Landschaft mit der Skizze vergleichen, die wir zu entwerfen versuchten. Aber den Reiz, welcher, aus Überraschung entspringend, den Genuß erhöht, sobald ein so köstlicher Anblick sich plötzlich bietet, wo man sie am wenigsten erwartete, und welcher Chrystal Croftangry bezauberte, als er die unvergleichliche Szene zum ersten Male schaute, diesen Reiz zu schildern vermögen wir ebenso wenig, als ihn der Reisende aus der Schilderung zu empfinden vermöchte.
Kindisches Staunen war allerdings mit in meinem Entzücken, denn ich war nicht über fünfzehn Jahre alt; und da dies der erste Ausflug war, den ich auf meinem eigenen Rößlein machen durfte, so empfand ich auch die Freude der Unabhängigkeit, vermischt mit jenem Grade von Unruhe, welche der selbstgefällige Knabe empfindet, wenn er zum ersten Male seiner eigenen Leitung überlassen ist. Ich erinnere mich, daß ich, ohne zu wissen was ich tat, die Zügel anzog, und auf die Szene vor mir hinstarrte, als fürchtete ich, sie möchte sich gleich jenen auf einem Theater verändern, bevor ich ihre verschiedenen Teile genau beobachten oder mich überzeugen konnte, daß es Wirklichkeit sei, was ich sah. Seit dieser Stunde, und es sind mehr als fünfzig Jahre seitdem verflossen, hat die Erinnerung an diese unvergleichliche Landschaft den stärksten Einfluß auf mein Gemüt gehabt, und hat ihre Stelle als eine Denkwürdigkeit behauptet, während Vieles von dem, was auf mein Geschick Einfluß hatte, dem Gedächtnis entflohen ist. Daher ist es natürlich, daß ich, während ich überlege, was ich der Unterhaltung des Publikums bieten könnte, eine Erzählung wähle, die mit der herrlichen Landschaft in Verbindung steht, welche auf meine jugendliche Einbildungskraft einen solchen Eindruck machte, und die vielleicht, hinsichtlich der Unvollkommenheiten meiner Dichtung, die Wirkung haben kann, welche Damen einem schönen Porzellangeschirr zuschreiben, um den Geschmack eines nicht vorzüglichen Tees zu erhöhen.
Der Zeitpunkt, bei welchem ich beginnen will, ist indes ein weit früherer, als irgend eines der denkwürdigen geschichtlichen Ereignisse, auf welche ich bereits anspielte, da sich die Vorgänge, welche ich berichten will, während der letzten Jahre des vierzehnten Jahrhunderts zutrugen, wo das schottische Szepter in der sanften, aber schwachen Hand Johann's ruhte, welcher, als er den Thron bestieg, den Namen Robert III. annahm.
Samtweichen Kuß beut auch ein Mund vom Lande;Zwar Lady nicht, flicht sie wohl süß're Bande.Dryden
Perth, welches sich, wie wir bereits erwähnten, so vieler Schönheiten der unbelebten Natur rühmt, hat zu keiner Zeit derjenigen Reize entbehrt, die zugleich anziehender und vergänglicher sind. Die Benennung,das schöne Mädchen von Perth, würde zu jeder Zeit eine hohe Auszeichnung gewesen sein und eine nicht geringe Übermacht an Schönheit vorausgesetzt haben, da dort so Viele waren, um diesen beneideten Titel in Anspruch zu nehmen. Aber in den Zeiten des Lehnwesens, zu denen wir jetzt die Aufmerksamkeit des Lesers hinlenken, war leibliche Schönheit eine Eigenschaft von höherer Bedeutung, als es der Fall gewesen ist, nachdem der ritterliche Sinn großenteils erlosch. Die Liebe der alten Ritter war eine Art erlaubten Götzendienstes, welcher, wie man in der Theorie annahm, der Liebe des Himmels allein sich an Innigkeit nähern konnte, die ihr aber in der Wirklichkeit selten gleichkam. Gott und die Damen wurden gemeinsam in einem Atem angerufen; und Ergebenheit gegen das schöne Geschlecht ward dem Bewerber um die Würden des Rittertums ebenso dringend zur Pflicht gemacht, als die, welche er dem Himmel schuldig war. In diesem Zeitalter war die Macht der Schönheit fast unbeschränkt. Sie konnte den höchsten Rang mit einem unermeßlich niedrigern gleichstellen.
Es war unter der Regierung, welche jener Roberts III. vorherging, daß Schönheit allein ein Weib von niedrigem Stande und zweifelhaften Sitten auf den Thron von Schottland erhoben hatte; und viele Frauen, weniger glücklich oder minder klug, hatten vom Range von Konkubinen zur Größe sich emporgeschwungen, was die Sitten der Zeit erlaubten und entschuldigten. Solche Beispiele hätten ein Mädchen von höherer Geburt, als Katharina oder Katie Glover war, die allgemein für das schönste Mädchen der Stadt und der Umgegend galt, geblendet. Der Ruf des schönen Mädchens von Perth hatte die Aufmerksamkeit der jüngern Ritter am königlichen Hofe auf sie gelenkt. Der Aufenthalt des Hofes war in Perth oder in dessen Umgebungen, und manche durch ritterliche Taten ausgezeichnete Edle strengten sich mehr an, Proben ihrer Festigkeit im Reiten zu geben, wenn sie an der Tür des alten Simon Glover in der sogenannten Couvrefew oder Curfewstraße vorüberkamen, als sich bei den Turnieren auszuzeichnen, wo die edelsten Damen Schottlands Zeugen ihrer Geschicklichkeit waren.
Aber die Tochter des Glover (Handschuhmachers) – denn, wie es bei Handwerkern und Künstlern jener frühen Zeit üblich, entlehnte ihr Vater, Simon, seinen Namen dem Gewerbe, welches er trieb – zeigte keine Neigung, auf die Artigkeiten der Herren zu achten, die sich von einem Range, der weit über dem ihrigen stand, zu ihr herabließen, und wenn sie auch, wie man annehmen darf, sich ihrer persönlichen Vorzüge genügend bewußt war, so schien sie doch zu wünschen, ihre Eroberungen auf diejenigen zu beschränken, die sich mit ihr in der gleichen Sphäre befanden. Auch ihre Schönheit, die in der Tat mehr geistig als körperlich war, hatte, ungeachtet der natürlichen Sanftheit und Güte ihres Charakters, mehr von Zurückhaltung als Fröhlichkeit in ihrem Gefolge, selbst wenn sie mit Ihresgleichen in Gesellschaft war, und der Eifer, mit welchem sie alle religiösen Pflichten erfüllte, brachte viel Leute zu dem Glauben, Katharina Glover hege im Stillen den Wunsch, sich von der Welt zurückzuziehen und sich in die Einsamkeit des Klosters zu begraben. Aber gesetzt auch, es wäre in der Tat ihre Absicht gewesen, ein solches Opfer zu bringen, so ließ sich doch nie annehmen, daß ihr Vater, der für reich galt und außer ihr kein Kind weiter hatte, freiwillig seine Zustimmung geben würde.
In ihrem Entschlusse, die Höflichkeiten der artigen Höflinge zu vermeiden, ward die gefeierte Schönheit von Perth durch die Gesinnung ihres Vaters bestärkt. »Laß sie gehen,« sagte er, »laß sie gehen, Katharina, diese edlen Herren mit ihren munteren Rossen, ihren glänzenden Sporen, ihren Federhüten und wohlgepflegten Schnurrbärten; sie gehören nicht in unsern Stand und wir wollen uns nicht zu ihnen zu erheben suchen. Morgen ist St. Valentin, der Tag, an welchem jeder Vogel sein Weibchen wählt; aber du wirst weder den Hänfling mit dem Sperber, noch das Rothkehlchen mit dem Geier sich paaren sehen. Mein Vater war ein ehrsamer Bürger von Perth, und wußte die Nadel so gut zu führen wie ich. Wenn sich aber den Toren unserer guten Stadt der Krieg nahte, warf er Nadel, Faden und Gemshaut weg, holte aus dem dunkeln Winkel, wo er sie aufgehängt hatte, Pickelhaube und Schild und nahm seine lange Lanze vom Kamine. Nenne mir Jemand einen Tag, wo ich oder er gefehlt hätten, wenn der Hauptmann Musterung hielt! So haben wir's gehalten, mein Mädchen, gearbeitet, um Brot zu gewinnen, und gefochten, es zu verteidigen, und ich mag keinen Schwiegersohn, der sich einbildet mehr zu sein, denn ich; und was jene Herren und Ritter betrifft, so hoffe ich, du werdest dich stets erinnern, daß du zu niedrig bist, um ihre Gemahlin, und zu hoch, um ihre Buhldirne zu sein. Und nun lege deine Arbeit bei Seite, Mädchen, denn es ist heiliger Abend und es ziemt uns, in die Vesper zu gehen, um den Himmel zu bitten, daß er dir morgen einen guten Valentin sende.«
Das schöne Mädchen von Perth legte demnach den prächtigen Jagdhandschuh, den sie für Lady Drummond stickte, bei Seite, warf ihr Festtagskleid um und machte sich bereit, ihren Vater in das Dominikanerkloster zu begleiten, welches nicht weit von der Curfewstraße, wo sie wohnten, entfernt lag. Unterwegs empfing Simon Glover, ein allgemein geachteter Bürger von Perth, der in den Jahren schon bedeutend vorgerückt war, aber auch seinen Reichtum mit seinen Jahren sich zugleich hatte mehren lassen, von Jung und Alt die Huldigungen, die seinem Samtrock und seiner goldnen Kette zukamen, während vor Katharina's Reizen, obwohl durch ihren Mantel (ähnlich den noch in Flandern üblichen Mänteln) verhüllt, sich Jung und Alt verbeugte und die Mützen zog.
Während das Paar Arm in Arm vorwärts ging, folgte ihnen ein hochgewachsener, hübscher, junger Mann, gekleidet in die einfachste Tracht, die jedoch seine wohlgeformten Glieder vorteilhaft hervorhob und edle, regelmäßige Züge blicken ließ, die neben dem reich gelockten Haar und der kleinen Scharlachmütze, welche zu diesem Kopfputz trefflich stand, noch angenehmer in's Auge fielen. Er hatte keine andere Waffe als einen Stab in der Hand (denn er war Lehrbursche beim alten Glover), und man hielt es nicht für schicklich, daß Leute seines Standes mit dem Degen oder Dolche bewaffnet in den Straßen erschienen, ein Vorrecht, welches die Jackmanns, d.h. die im besondern Dienst der Edlen stehenden Söldner, für sich allein in Anspruch nahmen. Er begleitete seinen Meister zur Kirche, einmal, weil er gewissermaßen sein Bedienter war, und sodann, um ihn zu verteidigen, wenn dies die Umstände nötig machen sollten; indes ließ sich aus der Aufmerksamkeit, die er der Katharina Glover zollte, leicht abnehmen, daß vorzüglich ihr seine Dienste gelten sollten. Gewöhnlich fand sich jedoch keine Gelegenheit, seinen Diensteifer an den Tag zu legen; denn ein gemeinsames Gefühl der Achtung bewog die Begegnenden, dem Vater und der Tochter auszuweichen.
Als sich aber die Stahlhauben, Barette und Federn der Knappen, Schützen und Reisigen unter der Menge zu zeigen begannen, ließen diejenigen, welche jene auszeichnenden Merkmale des Kriegergewerbes trugen, Sitten blicken, welche minder fein waren, als die der friedlichen Bürger. Mehr als einmal, wenn einer von jenen, sei es zufällig oder im Bewußtsein eingebildeter höherer Würde, auf der Seite der Mauer sich an Simon vorüberdrängte, runzelte der junge Lehrling drohend die Stirn, als brenne er vor Begierde, seinen Diensteifer für seine Gebieterin an den Tag zu legen. So oft Conachar, dies war des Jünglings Name, also tat, erhielt er von seinem Meister einen Verweis, der ihm merken ließ, daß er sich in dergleichen nicht mischen sollte, bevor man seine Vermittlung verlange. »Närrischer Bursche,« sagte er, »bist du nicht lange genug in meiner Werkstatt gewesen, um zu wissen, daß aus einem Schlag eine Schlägerei entsteht, und daß ein Dolch so schnell durch die Haut fährt, als eine Nadel durch's Leder? Weißt du nicht, daß ich den Frieden liebe, ob ich gleich den Krieg nie gefürchtet habe, und daß ich mich wenig darum kümmere, auf welcher Seite der Straße ich und meine Tochter gehen, wenn wir nur ruhig und friedlich wandeln können?« Conchar entschuldigte sich mit dem Eifer, die Ehre seiner Meisters zu schirmen, aber diese Antwort genügte dem alten Bürger von Perth nicht.– »Was haben wir mit der Ehre zu schaffen?« sagte Simon Glover; »willst du in meinem Dienst bleiben, so mußt du ehrbar gesinnt sein und die Ehre den prahlerischen Toren lassen, die Sporen an den Stiefeln und Stahl auf den Schultern tragen. Willst du dich mit ähnlichem Zierrat schleppen, so magst du's tun, aber in meinem Hause und in meiner Gesellschaft wird es nimmer geschehen.«
Conachar schien durch diesen Vorwurf eher erbittert zu werden, als sich zu fügen. Aber ein Zeichen von Katharina, wofern die leichte Bewegung, die sie machte, indem sie den kleinen Finger aushob, wirklich ein solches war, machte auf den Jüngling mehr Eindruck, als die Vorwürfe seines erzürnten Meisters. Er legte die kriegerische Miene, die ihm natürlich anstand, bei Seite und wurde wieder der bescheidene Diener eines ruhigen Bürgers.
Inzwischen holte die kleine Gesellschaft ein junger, schlanker Mann ein, in einen Mantel gehüllt, welcher einen Teil seines Gesichts beschattete oder verhüllte, was die Liebesritter jener Zeit häufig im Gebrauch hatten, wenn sie auf Abenteuer ausgingen und nicht erkannt sein wollten. Kurz, er schien ein Mann, welcher zu aller Welt sagen mochte: »ich wünsche für jetzt nicht erkannt und nicht meinem Titel gemäß angeredet zu sein; wie ich aber, außer mir selber, Niemand von meinem Tun Rechenschaft zu geben habe, nehme ich das Incognito nur der Form wegen an und kümmere mich wenig d'rum, ob Ihr mich kennt oder nicht.« Er kam an die rechte Seite Katharinens, die am Arm ihres Vaters hing, und mäßigte seine Schritte, als wolle er sich zu ihr gesellen.
»Guten Abend, Vater!«
»Dasselbe wünsch' ich Euer Gnaden und dank' Euch.– Darf ich Euch bitten, voranzugehen? Unser Schritt ist zu langsam für Euer Gnaden– unsere Gesellschaft zu gering für die des Sohnes Eures Vaters.«
»Meines Vaters Sohn kann das am besten beurteilen, Alter. Ich habe Geschäfte mit Euch zu besprechen, so wie mit meiner schönen St. Katharina hier, der lieblichsten und grausamsten Heiligen im Kalender.«
»Mit aller Ehrerbietung, Mylord,« sagte der alte Mann, »möcht' ich Euch erinnern, daß heut der heilige Abend zu St. Valentinstag ist und also keine Zeit zu Geschäften, und daß ich Euer Gnaden Befehle durch einen Diener erhalten kann, so früh es Euch gefällig ist, sie zu senden.«
»Es ist keine Zeit dazu, als die gegenwärtige,« sagte der beharrliche junge Mann, dessen Rang von der Art zu sein schien, daß er ihn aller Zeremonie überhob. »Ich wünsche zu wissen, ob das Koller von Büffelleder fertig ist, welches ich vor einiger Zeit bestellte; und Euch, schöne Katharina (hier sank seine Stimme zu einem Flüstern herab), bitte ich, mir zu sagen, ob Eure niedlichen Finger dabei geschäftig gewesen find, wie Ihr es verspracht? Doch ich darf Euch nicht befragen, denn mein armes Herz hat jeden Nadelstich empfunden, den Ihr dem Kleide, das es bedecken soll, gabt. Grausame, wie willst du die Qual des Herzens verantworten, das dich so innig liebt!«
»Laßt mich Euch dringend ersuchen, Mylord,« sagte Katharina, »solche Worte zu unterlassen– es ziemt Euch nicht, so zu sprechen, noch mir, es anzuhören. Wir sind von geringem Stande, aber ehrbaren Sitten, und die Gegenwart des Vaters sollte das Kind gegen solche Reden, selbst von Euer Gnaden, schützen.«
Dies sprach sie so leise, daß weder der Vater noch Conachar verstehen konnten, was sie sagte.
»Wohl, Grausame,« antwortete der beharrliche Ritter, »ich will Euch jetzt nicht länger quälen, wofern Ihr Euch mir morgen an Eurem Fenster zeigen wollt, sobald die Sonne den ersten Blick über die östlichen Berge wirft, und wofern Ihr mir das Recht gebt, das Jahr hindurch Euer Valentin zu sein.«
»Nicht doch, Mylord; mein Vater sagte mir so eben erst, daß sich keine Falken, geschweige denn Adler mit dem bescheidenen Hänfling paaren. Sucht Euch eine Hofdame, die Eure Begünstigung ehren wird;– mir– Eure Hoheit muß mir gestatten, die schlichte Wahrheit zu sagen– kann sie nur Unehre bringen.«
Als sie so sagte, langte die Gesellschaft an der Kirchtüre an. »Euer Gnaden erlauben uns hier hoffentlich, uns von Euch zu verabschieden?« sagte der Vater. »Ich weiß recht gut, daß die Ungelegenheiten und Beschwerden, die Euer Vergnügen uns verursacht, Euch das Letztere nicht aufzugeben nötigen; aber aus der Menge von Dienern, die an der Tür stehen, könnt Ihr abnehmen, daß in der Kirche noch andere Personen sind, die auch Ansprüche auf Respekt, und selbst von Seiten Eurer Gnaden, haben.«
»Ja– Respekt; und wer hat denn vor mir Respekt?« sagte der hochmüthige, junge Herr. »Ein erbärmlicher Handwerker und seine Tochter, nur zu sehr geehrt durch die Notiz, die ich nehme, haben die Unverschämtheit, mir zu sagen, daß meine Aufmerksamkeit sie entehrt. Gut, meine Prinzessin von Elensleder und blauer Seide, ich will Euch das bereuen lassen.«
Während er so murmelte, betraten der Handschuhmacher und seine Tochter die Dominikanerkirche, und ihr Begleiter Conachar, der ihnen sofort folgen wollte, stieß, vielleicht nicht zufällig, an den jungen Herrn. Der Ritter, aus seinen unangenehmen Gedanken erweckt, faßte, weil er sich vorsätzlich beleidigt glaubte, den jungen Mann an der Brust, schlug ihn und warf ihn unsanft zurück. Conachar stolperte und hielt sich mit Mühe aufrecht; dann fuhr er mit der Hand an die Seite, als suchte er einen Degen oder Dolch an der üblichen Stelle, machte, als er keinen von beiden fand, eine Gebärde der Wut und Erbitterung und ging in die Kirche. Inzwischen blieb der junge Ritter, die Arme über die Brust gekreuzt, stehen, und lächelte mit Verachtung, als wolle er seiner drohenden Miene Hohn sprechen. Nachdem Conachar verschwunden war, zog sein Gegner den Mantel dichter zusammen, so daß er sein Gesicht noch mehr verhüllte, und gab, indem er einen seiner Handschuhe abzog, ein Zeichen. Sofort traten zwei Andere zu ihm, die, gleich ihm vermummt, in einiger Entfernung seines Befehls gewärtig gewesen. Sie begannen ein lebhaftes Gespräch, worauf der junge Edle sich nach der einen, seine Freunde oder Diener sich nach der andern Seite entfernten.
Simon Glover hatte, bevor er die Kirche betrat, einen Blick auf diese Gruppe geworfen, sodann aber seinen Platz unter der Gemeinde eingenommen, ehe sie sich getrennt hatten. Als er niederkniete, schien seine Miene anzudeuten, daß ihm eine schwere Last auf dem Herzen ruhe; als aber der Gottesdienst beendet war, erschien er frei von aller Sorge, als hätte er sich und seinen Kummer der Fügung des Himmels anheimgestellt. Das Hochamt wurde feierlich gehalten, und eine große Zahl Herren und Damen von hohem Rang war dabei anwesend. Man hatte zum Empfang des guten alten Königs selbst das Nötige veranstaltet, allein ein Unwohlsein hatte Robert III. verhindert, der Messe beizuwohnen, wie er sonst pflegte. Als die Versammlung auseinander ging, blieb der Handschuhmacher mit seiner schönen Tochter noch eine Weile in der Kirche, um in einen Beichtstuhl zu treten. So war es Nacht geworden und die Straßen bereits einsam, als sie sich auf den Weg machten, um heimzukehren. Diejenigen, die sich noch jetzt in den Straßen umhertrieben, waren Nachtschwärmer, müßige, liederliche Diener stolzer Edelleute, welche häufig friedliche Vorübergehende zu beleidigen pflegten, weil sie auf Straflosigkeit rechneten, welche ihnen durch die Gunst, die ihre Herren bei Hofe genossen, gesichert sein konnte.
Vielleicht geschah es aus Besorgnis eines Mißgeschicks solcher Art, daß Conachar, zu dem Handschuhmacher tretend, sagte: »Meister, geht schneller– man verfolgt uns.«
»Verfolgt uns, sagst du? wer tut es, und wie Viele?«
»Ein in seinen Mantel vermummter Mann, der uns folgt, wie unser Schatten.« »So werd' ich meinen Schritt in der Curfewstraße nicht ändern, und wenn der Beste käme, der sie je betrat.«
»Aber er trägt Waffen,« sagte Conachar.
»Wir ebenfalls, und Hände, Beine und Füße. Ei, Conachar, du fürchtest doch wohl nicht einen Mann?«
»Fürchten!« antwortete Conachar, unwillig über den Verdacht; »Ihr sollt bald sehen, wie ich mich fürchte.«
»Schon wieder aus dem rechten Wege, du närrischer Bursche – dein Gemüt kennt keinen Mittelweg, da gibt's keinen Anlaß, einen Streit anzufangen, wenn wir auch nicht davonrennen. Geh' du mit Katharina voraus und ich will deine Stelle einnehmen. Wir können so nahe an unserem Hause keiner Gefahr ausgesetzt sein.«
Der Handschuhmacher blieb demnach zurück und bemerkte allerdings einen Mann, der ihnen dicht genug folgte, um, in Betracht der Stunde und des Orts, einigen Verdacht zu rechtfertigen. Wenn sie quer über die Straße gingen, so tat der Fremde auch so, und beschleunigten oder hemmten sie ihre Schritte, so unterließ er nicht, desgleichen zu tun. Dieser Umstand wäre für Glover ganz unbedeutend gewesen, wenn er sich allein befunden hätte; aber die Schönheit seiner Tochter konnte diese zum Gegenstande verbrecherischer Absichten machen, besonders in einem Lande, wo die Gesetze denen, die sich nicht selber schützen konnten, nur schwachen Schutz gewährten. Indessen langte Conachar mit seiner schönen Gefährtin an der Haustür an, die ihnen durch eine alte Magd geöffnet wurde, und nun war der Handschuhmacher aller Sorgen ledig. Um sich jedoch, sofern es geschehen könnte, zu versichern, ob er wirklichen Grund zu Besorgnissen gehabt habe, rief er dem, dessen Bewegungen ihn unruhig gemacht hatten, mit lauter Stimme zu; der Mensch blieb stehen, wiewohl er, wie es schien, sich im Schatten zu halten suchte. »Kommt vorwärts, mein Freund, und spielt nicht Versteckens; weißt du nicht, daß sie, die gleich Gespenstern im Finstern wandeln, sich wohl für den Gruß eines hübschen Stockes eignen? Vorwärts, sag' ich, und zeig' uns deine Gestalt, Mensch!«
»Ei, das kann ich wohl, Meister Glover,« sagte eine der tiefsten Stimmen, die je auf eine Frage antworteten; »ich kann Euch meine Gestalt recht wohl zeigen, nur wünsche ich, sie könnte das Licht etwas besser vertragen.«
»Meiner Seel'!« rief Simon, »die Stimme sollt' ich kennen! – Und bist du es, in deiner leibhaften Person, Harry Gow?– Nur wahrlich, mit trocknen Lippen darfst du nimmer an dieser Tür vorbei. Wie, Mann, die Abendglocke hat noch nicht geläutet, und hätte sie auch, so wäre das kein Grund, daß Vater und Sohn sich trennen sollten. Komm herein, Mensch; Dorothea soll uns was zu essen schaffen und wir wollen eine Kanne leeren, eh' du uns verläßt. Komm herein, sag' ich; meine Tochter Katie wird sich recht freuen, dich zu sehen.«
Während dem hatte er die Person, die er so herzlich bewillkommte, in eine Art von Küche gezogen, die auch bei gewöhnlichen Gelegenheiten als Besuchszimmer diente. Die Zierde derselben waren Zinnteller, vermischt mit einem Paar Silberbechern, die, höchst sauber aufgestellt, eine Reihe von Gesimsen einnahmen, ähnlich denen eines Schenktisches, gewöhnlich »Vink« genannt. Ein gutes Feuer verbreitete, unterstützt von einer angezündeten Lampe, Licht und Freundlichkeit im Gemache, und ein angenehmer Duft von Speisen, die Dorothee bereitete, beleidigte durchaus nicht die Geruchsnerven derjenigen, deren Eßlust dadurch befriedigt werden sollte.
Ihr unbekannter Begleiter stand nun in vollem Lichte unter ihnen, und obwohl sein Ansehen weder anständig noch hübsch war, so verdienten nicht allein Gesicht und Gestalt Aufmerksamkeit, sondern schienen sie gewissermaßen sogar zu fordern. Er war fast unter mittlerer Größe, aber die Breite seiner Schultern, Länge und Kräftigkeit der Arme, und das muskulöse Ansehen des ganzen Mannes, deuteten eine ungewöhnliche Stärke an und einen Körper, dessen Kraft durch beständige Übung erhalten war. Seine Beine waren etwas gebogen, jedoch auf eine Art, die nichts Widriges hatte und sogar mit der Stärke seiner Glieder im Einklange zu stehen schien, obwohl sie ihrem Ebenmaße in gewissem Grade Eintrag taten. Er trug ein Koller von Büffelleder und einen Gürtel, woran ein Schwert und ein Dolch befestigt waren, gleichsam zum Schütze der Börse, die, nach der üblichen Sitte des Bürgerstandes, gleichfalls am Gürtel hing. Sein schwarzes, krauses Haar war kurz verschnitten, der Kopf rund und wohlgebildet. Seine schwarzen Augen sprachen von Muth und Entschlossenheit, aber sonst schienen seine Züge eine mit Schüchternheit gepaarte gute Laune auszudrücken, und deuteten sichtbar die Freude an, seinen alten Freunden wieder zu begegnen. Abgesehen von dem, nur augenblicklichen, schüchternen Ausdruck, war die Stirne Harry Gow's, oder Schmieds (denn so ward er ohne Unterschied genannt), hoch und edel, aber der untere Teil des Gesichts war minder glücklich gebildet. Der Mund war groß und wohlversehen mit einer Reihe fester und schöner Zähne, deren Ansehen mit der Miene persönlicher Gesundheit und muskulöser Kraft im Einklänge stand, welche der ganze Körper anzeigte. Ein kurzer, dichter Bart und Schnurrbart, der kürzlich mit einiger Sorgfalt geordnet war, vollendeten das Gemälde. Er mochte das achtundzwanzigste Jahr noch nicht überschritten haben.
Die Familie schien sehr wohl zufrieden mit dem unerwarteten Erscheinen eines alten Freundes. Simon Glover schüttelte ihm die Hand einmal über's andere, Dorothee machte ihre Komplimente, und selbst Katharina bot ihm von freien Stücken die Hand, welche Harry mit seiner kräftigen so fest hielt, als beabsichtigte er sie an die Lippen zu führen, aber nachdem er einen Augenblick gezögert, ließ er davon ab, aus Furcht, seine Freiheit möchte übel genommen werden. Nicht als ob von Seiten der kleinen Hand, welche in seiner gewaltigen lag, ein Widerstand stattgefunden hätte; aber es mischte sich mit dem Erröten auf ihrer Wange ein Lächeln, welches die Verwirrung des artigen Herrn zu steigern schien. Ihr Vater aber rief, als er seines Freundes Bedenklichkeit sah, frei und offen:
»Auf die Lippen, Mensch, auf die Lippen! und das ist ein Anerbieten, welches ich nicht Jedem machen würde, der meine Schwelle überschreitet. Aber, beim guten St. Valentin (dessen Festtag morgen anbricht), ich bin so froh, dich in der guten Stadt Perth wiederzusehen, daß es schwer zu nennen sein möchte, was ich dir abschlagen könnte.«
Der Schmied– denn dies war, wie gesagt, das Gewerbe dieses stattlichen Handwerkers– ward dadurch ermutigt, das schöne Mädchen bescheiden zu küssen, welches die Artigkeit mit einem zärtlichen Lächeln, wie es sich für eine Schwester gepaßt hätte, entgegennahm, indem sie zu gleicher Zeit sagte: »Laßt mich hoffen, daß ich einen reuigen, gebesserten Menschen in Perth wieder willkommen heiße.«
Er hielt ihre Hand, als wollte er antworten, und ließ sie darauf plötzlich los, wie Einer, der in dem Augenblicke den Mut verliert; und indem er zurücktrat, wie erschrocken über das, was er getan, glühte sein dunkles Gesicht vor Scham, gemischt mit Freude, während er sich am Feuer, der Stelle gegenüber, die Katharina einnahm, niedersetzte.
»Rasch, Dorothee, beeile dich mit dem Essen, Alte;– und Conachar– wo ist Conachar?«
»Er ist zu Bett gegangen, Herr, weil er Kopfweh hat,« sagte Katharina zögernd.
»Geh', ruf ihn, Dorothee,« sagte der alte Glover; »er soll sich nicht gegen mich vergessen; sein hochländisch Blut ist vermutlich zu vornehm, um einen Teller vorzusetzen oder ein Tischtuch zu breiten, und er gedenkt in unsere alte, ehrsame Zunft zu treten, ohne in allen Punkten schuldigen Gehorsams seinem Meister und Lehrer zu folgen! Geh', ruf' ihn, sag' ich; ich will nicht so vernachlässigt sein.« Dorothee hörte man alsbald die Treppe, oder wahrscheinlicher eine Leiter hinaufschreien, die zum Boden führte, wohin sich der Lehrling zur Unzeit zurückgezogen hatte; eine murmelnde Antwort ward vernommen und bald nachher erschien Conachar im Speisezimmer. Auf seinen stolzen, aber schönen Zügen lag eine düstere Wolke der Unzufriedenheit, und während er ein Tuch über den Tisch breitete, und Teller, Salz und Pfeffer und anderes Zubehör aufsetzte, kurz, die Pflichten eines heutigen Bedienten erfüllte, die nach der Sitte der Zeit jedem Lehrling oblagen, war er über die knechtischen Dienste, die er zu verrichten hatte, sichtbar aufgebracht und erbittert. Das schöne Mädchen von Perth betrachtete ihn nicht ohne Unruhe, als fürchtete sie, seine sichtbare üble Laune möchte die Unzufriedenheit seines Meisters erhöhen, und erst, nachdem Conachars Augen Katharinens Blick zum zweiten Male begegnet waren, konnte er's über sich gewinnen, seinen Widerwillen einigermaßen zu verbergen und eine größere Bereitwilligkeit bei Diensten, die er zu vollziehen hatte, an den Tag zu legen. Und hier müssen wir unserm Leser mitteilen, daß, obwohl die zwischen Katharina Glover und dem jungen Hochländer gewechselten Blicke anzeigten, daß sie an dem Lehrling einigen Anteil nehme, doch der aufmerksamste Beobachter in Verlegenheit gewesen wäre, wenn er hätte entdecken sollen, ob ihr Gefühl stärker war, als dasjenige, das bei einem Mädchen, gegenüber einem jungen Manne ihres Alters, mit dem sie unter einem Dache wohnt und in freundlichem Umgange lebt, sich von selber versteht.
»Du hast eine lange Reise gemacht, Sohn Harry,« sagte Glover, der, obwohl durchaus nicht verwandt mit dem jungen Handwerker, ihn immer mit diesem freundlichen Namen nannte; »hast auch viele andere Flüsse gesehen, außer dem Tay, und manch' andere schöne Stadt, außer St. Johnston.«
»Aber doch nichts, was mir halb so gut gefallen hätte, und auch nichts, was halb so wert wäre, mir zu gefallen,« antwortete der Schmied; »ich versichere Euch, mein Vater, als ich über die Wicks von Baiglie ging und unsere schöne Stadt vor meinen Blicken ausgebreitet sah, wie die Feenkönigin in einem Märchen, die der Ritter auf einem Lager wilder Blumen eingeschlafen findet, da war mir's wie einem Vogel, der die ermatteten Schwingen sinken läßt, wenn er sich auf sein eigen Nest niedersenkt.«
»Aha! du kannst also noch den Dichter spielen?« sagte der Handschuhmacher. »Ei, werden wir unsre Balladen und Rundgesänge wieder haben? unsere lustigen Weihnachtslieder und die fröhlichen Frühlingsgesänge?«
»Solche Possen können wohl vorkommen, Vater,« sagte Harry, »obwohl das Blasen der Bälge und die Schläge der Hämmer auf den Ambos keine sehr passende Begleitung für den Minnesang sind; aber ich kann's nicht besser machen, da ich mein Glück versuchen muß, obwohl meine Verse schlecht sind.«
»Wohlgesprochen – mein werter Sohn, sagte Glover, »und ich hoffe, deine Reise hat dir 'was eingetragen!«
»Ei, sie war vorteilhaft, Vater – ich verkaufte das stählerne Panzerhemd um 400 Mark dem englischen Ritter Sir Magnus Redman. Er handelte gar nicht darum, nachdem ich ihm gestattet hatte, es durch einen Schwerthieb zu prüfen. Der bettelhafte, hochländische Räuber, der es bestellt hatte, wollte die Hälfte abdingen, obwohl es mich ein Jahr Arbeit gekostet hatte.«
»Was hast du emporzufahren, Conachar?« sagte Simon, indem er sich an seinen hochländischen Schüler wendete. »Wirst du nie lernen das tun, was man dich heißt, ohne auf das zu horchen, was um dich her vorgeht? Was geht's dich an, wenn ein Engländer das für wohlfeil hält, was einem Schotten teuer dünken mag?«
Conachar wandte sich, um zu sprechen; nach kurzem Nachdenken aber schlug er die Augen nieder und suchte die Ruhe wiederzugewinnen, welche die verächtliche Art, mit welcher der Schmied den Kunden aus dem Hochland erwähnt, gestört hatte. Harry fuhr fort, ohne irgend auf ihn zu achten.
»Ich verkaufte zu hohem Preis einige Schwerter und Säbel, als ich zu Edinburgh war. Man sah dort einem Kriege entgegen; und gefällt's Gott, ihn zu senden, so wird meine Ware ihren Preis wert sein. Dank dem heiligen Dunstan, der von unsrer Zunft war. Kurz, dieser Bursche da« (dabei legte er die Hand auf die Börse), »der, wie du weißt, Vater, etwas schlaff und mager war, als ich vor vier Monaten wegging, ist nun so rund und voll, wie ein sechswöchig Ferkel.«
»Und jener andere lederscheidige Bursch mit eisernem Griff, der jenem zur Seite hängt,« sagte der Handschuhmacher, »ist der die ganze Zeit müßig gewesen? – Nun, lieber Schmied, gesteh' die Wahrheit – wie viel Balgereien hast du gehabt, seit du über den Tay gingst?«
»Ach, jetzt tut Ihr mir Unrecht, Vater,« erwiderte der Waffenschmied mit einem Blick auf Katharina, »daß Ihr mich in solcher Gesellschaft so fragt. Ich mache Schwerter, aber ich überlasse Andern das Geschäft, sie zu brauchen. Nein, es kommt sehr selten vor, daß ich eine bloße Klinge in die Hand bekomme, außer um sie zu polieren oder zu schleifen. Und man verleumdete mich bei Eurer Tochter Katharina, daß sie glaubte, der ruhigste Bürger von Perth sei ein Händelmacher. Ich wollte nur, daß der Beste auf dem Kinnoul solch' ein Wort zu sagen wagte und kein Mensch dabei wäre, außer er und ich.«
»Ja, ja,« sagte der Handschuhmacher lachend, »wir würden dann ein schönes Beispiel von Eurem geduldigen Wesen haben. – Ei, Harry, wie kannst du einem Manne, der dich so gut kennt, dergleichen Dinge sagen! Du siehst Katie an, als wüßte sie nicht, daß in diesem Lande der Mann eine starke Faust nötig hat, wenn er sein Haupt ruhig schlafen legen will. Wohlan, gesteh' mir, ob du nicht eben so viele Rüstungen niedergeschlagen hast, als du verfertigt hast.«
»Ei, der müßte ein schlechter Waffenschmied sein, Vater Simon, der nicht mit seinem eigenen Hiebe sein eigen Werk prüfen könnte. Würde ich nicht dann und wann einen Helm spalten, oder die Blöße eines Panzers entdecken, so wüßt' ich nicht, welchen Grad von Stärke ich den Rüstungen, die ich mache, zu geben habe, und würde Pfuschwerk liefern, wie sie die Edinburgher Schmiede in die Welt zu schicken sich nicht schämen.«
»Aha, nun wollt' ich eine goldne Krone d'ran setzen, daß du über den Punkt mit einem Edinburgher Grobschmied einen Streit gehabt.«
»Einen Streit! – nein Vater,« erwiderte der Waffenschmied von Perth; »aber eine Klinge hab' ich mit einem von ihnen auf St. Leonhards Berg gemessen für die Ehre meiner guten Stadt, das gesteh' ich. Gewiß meint Ihr nicht, daß ich in einen gemeinen Streit mit einem Zunftgenossen gerate.«
»Ei, ganz gewiß nicht. Aber wie kam Euer Zunftgenosse davon?«
»Nun, wie Einer mit einem Blatt Papier auf der Brust vor'm Stich einer Lanze davon käme – oder vielmehr, er kam in Wahrheit überhaupt gar nicht davon; denn als ich ihn verließ, lag er in der Einsiedlerhütte, täglich den Tod erwartend, denn Pater Gervis sagte, er bereite sich auf den Himmel vor.«
»Gut – und maßest du sonst noch die Klinge?« sagte der Handschuhmacher.
»Ei, allerdings, ich schlug mich mit einem Engländer bei Berwick, wegen des alten Streites über die Obergewalt, wie sie es nennen – ich bin überzeugt, Ihr würdet mich von diesem Streit nicht zurückgehalten haben! – und ich war so glücklich, ihn am linken Knie zu verwunden.«
»Wohlgetan bei St. Andreas! – Mit wem hattet Ihr zunächst zu tun?« sagte Simon, lachend über die Taten seines friedfertigen Freundes.
»Ich schlug mich mit einem Schotten im Torwood,« antwortete Harry Schmied, »wegen eines Streites, wer der bessere Fechter sei, was, Ihr wißt ja wohl, sich nicht ohne eine Probe entscheiden ließ. Der arme Schelm verlor zwei Finger.«
»Gut genug für den friedlichsten Burschen in Perth, der nie ein Schwert anrührt, außer in seinem Berufe. – Wohlan, was gibt's sonst zu erzählen?«
»Wenig – denn die Züchtigung eines Hochländers ist eine Sache, nicht der Rede wert.«
»Warum hast du ihn gezüchtigt, o Mann des Friedens?« forschte der Handschuhmacher.
»Aus keinem Grunde, so viel ich mich entsinne,« erwiderte der Schmied, »außer, weil er sich auf der Südseite der Stirlingbrücke zeigte.«
»Nun, so trink' ich dir zu, und du bist mir willkommen nach all' diesen Taten. – Conachar, rühr' dich. Laß die Kannen bereit sein, und du sollst einen Becher vom Nußbraunen für dich selbst haben, mein Junge.«
Conachar schenkte das gute Getränk mit schuldigem Gehorsam für seinen Meister und Katharina ein. Aber so wie dies geschehen, stellte er den Krug auf den Tisch und setzte sich nieder.
»Was soll das, Bursche? – ist dies deine Sitte? fülle meinem Gaste, dem ehrsamen Meister Harry Schmied!«
»Meister Schmied mag sich selber einschenken, wenn er trinken will,« antwortete der junge Kelte. »Der Sohn meines Vaters hat sich für einen Abend schon genug erniedrigt.«
»Das heißt gut gekräht für einen jungen Hahn,« sagte Harry; »aber du hast so weit recht, mein Junge, daß der Mann verdient, Durstes zu sterben, der ohne Mundschenk nicht trinken will.«
Aber sein Wirt ertrug den Trotz des jungen Lehrlings nicht so geduldig. »Nun, bei meinem ehrlichen Wort und dem besten Handschuh, den ich je machte,« sagte Simon, »du wirst ihn mit Getränk aus dem Becher und Krug versehen, wenn du und ich unter einem Dache schlafen sollen.«
Finster erhob sich Conachar, nachdem er diese Drohung gehört, und näherte sich dem Schmied, der bereits einen Becher in der Hand hatte, und füllte diesen; während jedoch Harry den Arm hob, um den Becher zum Munde zu führen, tat Conachar scheinbar einen falschen Tritt und stieß daran, daß das schäumende Ale dem Waffenschmied über Gesicht und Kleider floß. Gutmütig, wie er trotz seiner Kampflust war, verlor derselbe bei solcher Herausforderung doch die Geduld, ergriff den Jüngling an der Kehle, die ihm unter die Hände kam, schnürte diese zusammen und rief, während er den Burschen zurückwarf: »Wär' dies an einem andern Orte geschehen, junger Galgenvogel, so hätt' ich dir die Ohren vom Kopfe geschnitten, wie ich Manchem von deinem Clan vor dir getan.«
Conachar erhob sich mit der Behendigkeit eines Tigers und rief: »Des sollst du dich nicht noch einmal rühmen können!« Mit diesen Worten zog er ein kleines, scharf geschliffenes Messer aus dem Busen, stürzte auf Harry los und suchte es ihm über dem Schlüsselbein in den Hals zu stoßen, wodurch er ihn tödlich verwundet haben würde; aber sein Gegner wußte ihm mit solcher Gewandtheit in den Arm zu fallen, daß die Spitze des Messers ihm bloß die Haut streifte und ein wenig Blut floß. Den Arm des Lehrlings mit der einen Hand so fest wie mit einer Zange haltend, entwaffnete er ihn augenblicklich. Als sich Conachar in der Hand seines furchtbaren Gegners sah, fühlte er, wie Todesblässe die Röte verdrängte, womit der Zorn seine Wangen gefärbt hatte, und blieb stumm vor Scham und Furcht. Endlich ließ der Schmied seinen Arm los und sagte mit Ruhe: »Gut für dich, daß du mich nicht zornig machen kannst – du bist nur ein Knabe, und ich, ein erwachsener Mann, hätte dich nicht reizen sollen. Aber laß dir's eine Warnung sein.«
Conachar stand einen Augenblick, wie im Begriff zu erwidern, dann verließ er das Gemach, bevor Simon sich hinreichend gesammelt hatte, um zu sprechen. Dorothee lief hin und her nach Salben und heilsamen Kräutern. Katharina war bei dem Anblick des rieselnden Blutes in Ohnmacht gesunken.
»Laßt mich Abschied nehmen, Vater Simon,« sagte Harry Schmied traurig; »ich hätte merken sollen, daß mein altes Geschick mit mir ginge, und daß ich Streit und Blutvergießen brächte, wo ich am meisten wünsche, Frieden und Glück zu bringen. Sorgt nicht um mich – seht nach der armen Katharina; das Entsetzen über solch' einen Vorgang hat sie getötet und Alles durch meine Schuld.«
»Deine Schuld, mein Sohn! – Es war die Schuld jenes hochländischen Mörders, mit dem mich ein Fluch beladen hat; aber morgen soll er nach seinen Bergen zurückgehen, oder das Stadtgefängnis kosten. Ein Angriff auf das Leben des Gastes seines Meisters, und zwar in seines Meisters Hause! – Es zerreißt alle Bande zwischen uns. Aber laßt mich nach Eurer Wunde sehen.«
»Katharina,« wiederholte der Waffenschmied; »seht nach Katharina.«
»Dorothee wird für sie sorgen,« sagte Simon; »Staunen und Schrecken töten nicht – das tun Dolche und Messer. Und sie ist nicht mehr die Tochter meines Blutes, als du, mein lieber Harry, der Sohn meiner Neigung bist. Laß mich die Wunde sehen. Das Messer ist eine böse Waffe in eines Hochländers Hand.«
»Es kümmert mich nicht mehr, als ob mich eine wilde Katze geritzt hätte,« sagte der Waffenschmied. »Und nun auf Katharinen's Wangen die Farbe zurückkehrt, sollt Ihr mich in einem Augenblick als gesunden Mann sehen. Er wandte sich nach einem Winkel, wo ein kleiner Spiegel hing, nahm schnell etwas trocknes Linnen aus seiner Börse, um es auf die leichte Wunde, die er empfangen, zu legen, und schlug das Lederkoller von Hals und Schultern zurück. Seine männlichen Formen traten nicht so auffallend hervor, als die Weiße seiner Haut an denjenigen Teilen seines Körpers, die nicht, wie seine Hände und sein Gesicht, dem Wechsel der Luft und den Folgen seines anstrengenden Handwerks ausgesetzt gewesen waren. Schnell verwendete er etwas Linnen, um das Blut zu stillen, und nachdem er mit etwas frischem Wasser alle Spuren, die jenes zurückgelassen, vertilgt hatte, knöpfte er das Koller wieder zu und wendete sich an Katharina, die, wenn auch noch bleich und zitternd, sich doch von ihrer Ohnmacht erholt hatte.
»Werdet Ihr mir aber auch Verzeihung dafür gönnen, daß ich Euch in der ersten Stunde meiner Wiederkehr beleidigte? Der Bursche war töricht, mich zu reizen, und doch war ich törichter, mich von seines Gleichen reizen zu lassen. Euer Vater ist mir nicht böse, Katharina, und könnt Ihr mir verzeihen?«
»Ich habe keinen Anlaß, zu verzeihen,« antwortete Katharina, »wo ich kein Recht habe, mich beleidigt zu fühlen. Wenn es meinem Vater beliebt, dieses Haus zum Schauplatz nächtlicher Händel zu machen, so muß ich sie mit ansehen – ich kann mir nicht helfen. Vielleicht war's unrecht von mir, daß ich ohnmächtig ward und wohl damit die Fortsetzung des ehrenwerten Kampfes unterbrach. Meine Entschuldigung ist, daß ich kein Blut sehen kann.«
»Und ist dies die Weise,« sagte ihr Vater, »mit welcher du meinen Freund nach langer Abwesenheit empfängst? Meinen Freund, sagt' ich? nein, meinen Sohn. Er entgeht der Ermordung von der Hand eines Burschen, von dem ich morgen das Haus säubern will, und du behandelst ihn, als hätt' er Unrecht getan, indem er die Schlange von sich schleuderte, die ihn stechen wollte?«
»Es ist nicht meine Sache, Vater,« erwiderte das Mädchen von Perth, »zu entscheiden, wer bei diesem Streite Recht oder Unrecht hatte; auch sah ich nicht genau genug, was geschah, um sagen zu können, wer angriff und wer sich verteidigte. Aber gewiß wird unser Freund, Meister Harry, nicht leugnen, daß er in einer vollkommenen Atmosphäre von Streit, Blut und Händeln lebt. Er hört von keinem Fechter, dessen Ruhm er nicht beneidet und an dem er nicht seinen Mut prüfen muß. Er sieht keine Schlägerei, wo er nicht mitten drunter muß. Hat er Freunde, so kämpft er mit ihnen aus Liebe und um der Ehre willen – hat er Feinde, kämpft er mit ihnen aus Haß und Rache. Und Leute, die weder seine Freunde noch Feinde sind, bekämpft er, weil sie sich auf dieser oder jener Seite eines Flusses befinden. Seine Tage sind Kampftage und ohne Zweifel wiederholt er sie in seinen Träumen.«
»Tochter,« sagte Simon, »deine Zunge spricht allzu frei. Streitigkeiten und Gefechte sind der Männer Sache und nicht der Frauen, und es ist nicht jungfräulich, daran zu denken und davon zu reden.«