Das verlorene Paradies/Das wiedergewonnene Paradies - John Milton - E-Book

Das verlorene Paradies/Das wiedergewonnene Paradies E-Book

John Milton

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Beschreibung

"Das verlorene Paradies" ist zweifelsohne das Meisterwerk des englischen Poeten John Milton (1608–1674) und besteht aus zwölf Büchern (in Anlehnung an Vergils Aeneis). Das Epos festigte Miltons Ruf als einer der größten englischen Dichter aller Zeiten und handelt von der biblischen Geschichte des Sündenfalls: der Versuchung von Adam und Eva durch den gefallenen Engel Satan und ihre Vertreibung aus dem Garten Eden. In diesem Band ebenfalls enthalten ist Miltons Nachfolger "Das wiedergewonnene Paradies", der mit "Das verlorene Paradies" ähnliche theologische Themen teilt; tatsächlich erinnern der Titel, die Verwendung von Blankversen und die Beziehung zur christlichen Geschichte an das frühere Werk. Hier geht es jedoch in erster Linie um die Versuchung Christi, wie sie im Lukasevangelium erzählt wird. Beide Werke folgen der wenig bekannten Übersetzung von Bernhard Schumann und wurden behutsam der modernen Rechtschreibung angepasst.

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Seitenzahl: 363

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Das verlorene Paradies

 

Das wiedergewonnene Paradies

 

JOHN MILTON

 

 

 

 

 

 

 

Das verlorene Paradies, Das wiedergewonnene Paradies, J. Milton

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

Übersetzer: Bernhard Schuhmann

 

ISBN: 9783988681225

 

Druck: Bookwire GmbH, Voltastr. 1, 60486 Frankfurt/M.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Das verlorene Paradies. 1

Erstes Buch.1

Zweites Buch.22

Drittes Buch.49

Viertes Buch.68

Fünftes Buch.94

Sechstes Buch.117

Siebtes Buch.140

Achtes Buch.157

Neuntes Buch.174

Zehntes Buch.204

Elftes Buch.232

Zwölftes Buch.255

Das wiedergewonnene Paradies.272

Erstes Buch.272

Zweites Buch.285

Drittes Buch.298

Viertes Buch.310

Das verlorene Paradies

Erstes Buch.

Des Menschen erste Sünde, den Genuss

Von des verbot'nen Baumes Frucht, die Tod

Und alles Weh erzeugt hat und die Menschheit

Aus Eden bannte, bis ein Größ'rer einst

Sie wieder einführt in den Sitz des Heils

Sing, Himmelsmuse, die du auf des Horeb

Einsamer Höh' und auf dem Sinai

Den Hirten hast begeistert, der zuerst

Dem auserwählten Volke kund getan,

Wie Erd' und Himmel aus dem Chaos stiegen!

Doch liebst du Sion und den Bach Siloah

Am Gott-Orakel mehr, fleh' ich von dort

Um deinen Beistand für mein kühnes Lied,

Das über Aoniens Musenberg hinaus

Sich schwingen will, weil es nach Höh'rem strebt,

Als Vers bisher und Prosa noch gewagt.

Und du, o Geist, vor dem ein reines Herz

Mehr gilt als Tempelpracht, belehre mich!

Du kannst es, denn von Anbeginn warst du;

Die Tiefe deckend, einer Taube gleich

Mit mächt'gen Fittigen, befruchtetest

Du ihren Schoß. Was in mir dunkel ist,

Erhelle, und was niedrig, richt' empor:

Dass, würdig des erhab'nen Stoffes, ich

Die ew'ge Vorsehung und Gottes Wege

Rechtfert'gen und den Menschen künden mag!

Sprich denn vor deinem Blicke birgt sich nichts

Im Himmel noch im tiefen Höllenschlunde

Sprich, was hat unser Elternpaar vermocht,

So hoch beglückt, vom Schöpfer abzufallen

Und wider dessen einziges Verbot,

Sonst Herrn der Erdenwelt, zu sündigen?

Wer, sprich, verführte sie zum Ungehorsam?

Der Höllendrache war es, der, von Neid

Und Rachbegier entflammt, der Menschheit Mutter

Durch List betrog, nachdem sein Hochmut ihn

Herabgestürzt vom Himmel samt dem Heer

Aufrührerischer Engel, mit dess Hilfe,

Nach Herrschaft über seines Gleichen trachtend,

Er sich dem Höchsten gleich zu sein vermaß;

Verruchten Krieg erhob er drum im Himmel,

Krieg wider Gottes Thron und Majetztät,

Bis auf dem Schlachtfeld seines Stolzes Ziel

Vereitelt ward. Die Allmacht schleuderte

Mit grässlicher Zerschmett'rung häuptlings ihn

Vom Himmelssitz in bodenlos Verderben,

Dass er in diamant'nen Ketten dort,

Von Glut gepeinigt, wohne, der's gewagt,

Zum Kampf zu fordern den allmächtigen Gott.

Neunmal die Zeit, die Tag und Nacht ermisst

Den Sterblichen, lag er mit seiner Rotte

Im Flammenpfuhl umhergewälzt, besiegt,

Betäubt, doch sterbend nicht; zu ferner'm Grimm

Spart sein Gericht ihn auf; denn marternd steht

Des Glücks Verlust, des Elends ew'ge Dauer

Vor seinem Sinn. Er rollt die düstern Blicke,

Entsetzen kündend und den tiefsten Gram,

Mit ungebroch'nem Stolz und Hass gemischt,

Und übersieht nun, weit wie Geister sehen,

Erst dieses Ortes ungeheuren Graus:

Ein fürchterlicher Kerker flammt ringsum

Gleich einem mächt'gen Ofen; doch kein Licht

Gibt diese Glut, sichtbare Dunkelheit

Vielmehr, die nur des Grams und Jammers Stätten,

Nur traur'ge Schatten zu enthüllen dient,

Wo Ruh und Friede nimmer weilen kann,

Noch Hoffnung, die sonst Jedem naht, wo Qual

Auf Qual sich endlos drängt, und stets sich neu

Ein Feuermeer mit Schwefelmassen nährt.

Dies war der Ort, den die Gerechtigkeit

Des Ew'gen den Empörern schuf, dies ihr

Gefängnis, finster, und dreimal so weit

Als von des Weltalls Mittelpunkt der Pol

Von Gott und von des Himmels Licht entfernt:

Wie ungleich, ach, dem Ort, aus dem sie fielen!

Bald unterscheidet er, vom Wirbelwind

Der heft'gen Glut erfasst, auch seines Falls

Gefährten und an seiner Seite den,

Der an Gewalt ihm wie an Schuld der nächste,

In Palästina später unter'm Namen

Beelzebub gekannt. Zu ihm begann

Der Erzfeind –– Satan hieß er drum im Himmel ––

Mit trotz'gem Wort das grause Schweigen brechend:

"Bist du's? –– o wie gefallen, o wie ungleich

Dem, der im Reich des Lichts, mit Glanz umwallt,

Myriaden hellster Engel überstrahlte!

Bist du es, den ein wechselseitig Bündnis,

Dieselbe Kühnheit der Gedanken, gleiche

Gefahr und Hoffnung in dem Ruhmeswerk

Mit mir verband und elend jetzt vereint

In gleichem Sturze sieh, von welcher Höh'

In welche Tiefe! So bezwang uns Er

Mit seinem Donner; kannt' auch wer bis da

Der Schreckenswaffe Macht? Doch nicht um sie,

Noch das, was sonst des starten Siegers Zorn

Verhängen mag, bereu' ich oder beuge,

Ob auch an Glanz geschwächt, den festen Sinn,

Den tiefen Groll gekränkten Wertgefühls,

Der mit dem Mächtigsten mich kämpfen hieß

Und zum Gefecht ein zahllos Geisterheer,

Ihm abgeneigt und mir den Vorzug gebend,

Bewaffnete, das seiner Übermacht

Gewalt entgegentrug in offener,

Nicht zweifelloser Schlacht, ja seinen Thron

Erschüttert hat. Verloren ist die Schlacht;

Doch Alles ist nicht hin! Es blieb der Wille,

Der unbezwingliche, der Rachedurst,

Der Hass, der nimmer stirbt, der Mut, der nie

Zurückweicht, nie sich unterwirft. Den Ruhm

Soll seine Macht, sein Zorn mir nicht entwinden!

Vor ihm mich beugen und auf meinen Knien

Um Gnade flehn, vergöttern den, des Reich

Noch jüngst vor'm Schrecken meines Arms gebebt:

Das wäre niedrig, traun! das hieße Schimpf

Und Schmach auf unsre Niederlage häufen.

Nein, da durch kein Geschick die Kraft der Götter

Und ihres Wesens Urstoff schwinden kann;

Da dieses großen Kampfs Erfahrung uns

Nicht schwächer, nur behutsamer gemacht:

So mögen wir mit Hoffnung bessern Glücks,

Gewalt wie List versuchend, unversöhnlich

In Ewigkeit bekriegen unsern Feind,

Der jetzt im Freudenrausche des Triumphs

Als unumschränkter Herr des Himmels herrscht.

So prahlte laut, obgleich von Schmerz gefoltert

Und von Verzweiflung, der gefall'ne Geist,

Und ihm erwiderte sein Kampfgenoss:

"Oh Fürst und Oberhaupt der vielen Mächte,

Die unter deinem Banner Seraphim

Zum Kampf geführt und, furchtlos in Gefahr,

Des Himmels ew'gen König hart bedrängend,

Zu prüfen wagten, ob sein hoher Rang

Auf Stärke, Zufall oder Schicksal ruh'

Zu wohl erkenn' auch ich das Schreckenslos,

Das uns nach schnöder Niederlage Schimpf

Vom Himmel ausschloss; und so grauenhaft

In Trümmer schlug dies ganze mächt’ge Heer:

So weit als Götter nur und Himmlische

Verderben können; denn Gefühl und Geist

Bleibt unbesieglich, Kraft kehrt bald zurück,

Ob unser Glanz auch auslosch, und das Elend

Für immer unsre Seligkeit verschlang.

Doch wie, wenn unser Sieger den ich nun

Allmächtig glauben muss, da kein Gering'rer

Ein Heer wie unsres überwält’gen konnte

Uns Geist und volle Stärke nur beließ,

Auf dass wir stark sei'n, alle Qual zu tragen

Und zu erschöpfen seiner Rache Maß,

Ihm auf Befehl zu dienen, sei's um hier

Im Höllenfeuer ihm zu fronden, sei's

Mit Botschaft zu durchzieh'n die finstre Tiefe:

Wozu dann nützt uns ungeschwächte Kraft,

Wozu des Wesens Unvergänglichkeit,

Als zur Verew'gung unsers Strafgerichts?

Mit schnellen Worten fiel der Erzfeind ein:

Gefall'ner Cherub! Schwach sein ist erbärmlich

Im Leiden wie im Tun. Doch sei gewiss,

Dass Gutes tun nicht unser Zweck, vielmehr

Stets Böses tun uns einz'ge Lust sein wird.

Denn Böses ist der Widerpart von dem,

Was Er will, unser Feind. Wenn Gutes er

Aus unserm Bösen zu erzeugen sucht,

Dann müssen wir vereiteln seinen Zweck

Und Gutes selbst dem Bösen dienstbar machen:

So wird's uns oft gelingen, irr' ich nicht,

Ihm Kränkung zu bereiten, und vom Ziel

Den Ratschluss seines Willens abzulenken.

Doch siehe, der erzürnte Sieger hat

Die Diener seiner rächenden Verfolgung

Zurückgerufen an des Himmels Tor!

Der Schwefelhagel, der uns nachgestürmt,

Hört auf; es sinkt die feur'ge Flut, die uns

Vom Himmel Stürzende verschlang; der Donner,

Mit roten Blitzen ungestüm beschwingt,

Verschoss, so scheint es, alle seine Pfeile

Und brüllt nicht mehr im grenzenlosen Raum.

Lass die Gelegenheit uns nutzen, gleich

Ob Hohn, ob satte Wut des Feinds sie beut!

Schau dort den Plan, verlassen, öde, wüst,

Ein Sitz der Leere, lichtlos, nur vom Schein

Der düstern Flammen unheimlich gebleicht;

Dorthin, heraus aus diesem Feuerstrudel,

Versuchen wir zu flieh'n; dort lass uns ruh'n,

Wenn irgendwo hier Ruhe weilen kann,

Dort wieder sammeln das zerstreute Heer,

Und überlegen, wie wir nun am meisten

Dem Feinde schaden, unsern Schlachtverlust

Ersetzen, wie dies Unheil übersteh'n,

Ob Hoffnung neue Kräfte gibt, wo nicht,

Welch ein Entschluss uns aus Verzweiflung kommt.

Also sprach Satan laut zu dem Genossen,

Das Haupt emporgehoben aus der Flut,

Mit funkensprüh'ndem Aug'. Sein Körper schwamm,

Der ungeheure, lang und breit gestreckt,

Die Wogen viele Hufen weit bedeckend,

Und glich den Riesen aus der Fabelzeit:

Der Zeus bekriegenden Titanen einem,

Briareus oder Typhon, in der Kluft

Beim alten Tarsus hausend, oder auch

Dem Meertier Leviathan, welches Gott

Als größtes schwimmendes Getier erschuf;

Dies, wenn es schläft, in Skandinaviens Schaume,

Hält oft der Steuermann des kleinen Kahns

Bei Nacht, wie Schiffer sagen, für ein Eiland;

Er wirft den Anker in die Schuppenhaut,

Und liegt an seiner Seite windgeschirmt,

Des Morgens harrend auf der dunkeln See.

So unabsehbar lang lag hin gedehnt

Der Erzfeind, an den Flammenteich gekettet;

Wohl nimmer konnt' er draus sein Haupt erheben,

Wenn nicht des Allbeherrschers hoher Wille

Ihm Raum für seine finstern Pläne ließ,

Damit durch wiederholte Frevel er,

Indes er Andre zu verderben trachtet,

Auf sich Verdammnis häuf' und wütend sehe,

Wie seine Bosheit und Verführung nur

Unendliches Erbarmen, Huld und Gnade

Dem Menschen bring', hingegen auf ihn selbst

Dreifache Schmach und Zorn und Rache wälze.

Schnell hebt er seine mächtige Gestalt

Hoch aus dem Pfuhl empor. Die Flammenflut

Senkt ihre spitzen Häupter rechts und links

Und bildet in der Mitt' ein gräulich Tal.

Dann steuert er mit ausgespreizten Schwingen

Durch finstre Luft hinauf, die solcher Last

Ganz ungewohnt ist, bis er Land erreicht:

Wenn Land kann heißen, was in fester Glut

Stets brannte, wie in flüss'gem Feu'r der See,

Und was von Anseh'n einem Felsen glich,

Den unterird'sche Winde vom Pelorus

Losreißen, oder von des brüll'nden Ätna

Geborst'nem Rücken, wenn sein Eingeweid',

Erfüllt von Zünd- und Brennstoff, Feuer fängt,

Der Wind das glühende Gestein entführt

Und einen brand'gen Boden hinterlässt

Voll Dampf und Qualm. Auf solchem Grunde ruht

Des Bösen Fuß. Bald folgte der Genoss;

Sie rühmten sich, der styg’schen Flut wie Götter

Durch eigne Kraft entfloh'n zu sein,

Nicht durch Bewilligung der höher'n Macht.

"Ist dies das Land, der Boden, dies die Luft,"

Rief der verlor'ne Geist, "ist dies die Stätte,

Die für den Himmel, dies das traur'ge Dunkel,

Das wir für Ätherlicht getauscht? Es sei,

Er ist jetzt Herr und Richter über uns:

Am liebsten weil ich, wo am fernsten ihm,

Den, nach Vernunft uns gleich, des Stärker'n Recht

Zum Herrscher über uns erhob. Lebt wohl,

Glücksel'ge Au'n der ew'gen Luft! Gegrüßt

Seid, Schrecknisse der Unterwelt! Du Hölle,

Empfange deinen neuen Herrn, er bringt

Dir ein Gemüt, das Ort und Zeit nicht beugt;

Denn das Gemüt ist selbst sein Ort, es schafft

Aus Himmel Höll', aus Hölle Himmel sich.

Was frag' ich, wo ich bin, wenn ich mir selbst

Getreu, und was ich bin, wenn kleiner doch

Als er, den Donner größer machte? Hier

Zum mind'sten werden frei wir sein; von hier

Wird des Allmächt'gen Neid uns nicht vertreiben;

Hier herrschen sicher wir, und Herrschen ist,

Mich dünkt, ein würdig' Ziel, auch in der Hölle;

Ja, besser in der Hölle Herr, als Knecht

Im Himmel sein! Doch unsre treuen Freunde,

Die Partner und Gefährten unsers Falls,

Bewusstlos liegen sie noch dort im Pfuhl;

Lass uns sie wecken, diesen Ort mit uns

Zu teilen, oder kämpfend zu versuchen,

Was wir im Himmel uns zurückerobern,

Was in der Hölle mehr verlieren können!"

Hierauf erwiderte Beelzebub:

"Oh Führer dieser glanzerfüllten Scharen,

Die Keinem sonst als dem Allmächt'gen selbst

Erliegen konnten! Hören sie die Stimme,

Als Hoffnungspfand in drohender Gefahr

Und höchster Not des heißen Schlachtgewühls,

Als sicherstes Signal zum Angriffssturm

So oft gehört: alsbald wird frischer Mut

Sie neu beleben, die vom Flammensee

Noch überflutet liegen, hingestreckt,

Betäubt und wüst wie wir zuvor: kein Wunder

Nach einem Sturz von solcher Schwindelhöh!"

Kaum schwieg er, als der Feinde Haupt dem Ufer

Sich zubewegte. Sein gewicht'ger Schild,

Von härtstem Stoff, gediegen, breit und rund,

Hing auf den Schultern ihm, dem Monde gleich,

Nach dessen Scheibe der toscan’sche Künstler

Nachts von Valdarno oder Fiesole

Durch das geschliff'ne Sehrohr forschend schaut,

Um auf der fleck'gen Kugel neues Land

Mit Strömen und Gebirgen zu entdecken.

Sein Speer, verglichen dem die stärkste Tanne,

Gefällt auf Norwegs Bergen, die als Mast

Von einem großen Admiralschiff ragt,

Ein Stab nur ist, stützt seine Schmerzensschritte

Auf brennendem Gestein: fürwahr kein Gang

Auf himmlischem Azur, denn glüh'nde Luft

Umschloss ihn rings wie feuriges Gewölb'.

Er aber schritt hindurch bis an den Rand

Des Flammensees; hier stand er still, und rief

Den Legionen seiner Engel zu.

Sie lagen dicht wie Herbstlaub, hingestreut

Auf Vallombrosas Bäche, wo die Schatten

Hetruriens sie umlauben, oder wie

Gehäuftes Schilfgras, wenn mit Sturm Orion

Das Rote Meer gepeitscht, dess Wogenflut

Bufiris und sein stolzes Heer verschlang,

Als treulos sie von Memphis her dem Volk

Aus Gosen folgten, das vom sichren Strand

Im Wasser ihre Leichen und die Trümmer

Zerbroch'ner Wagenräder schwimmen sah.

So dicht die Flut bedeckend lagen sie,

Erstarrt durch grausen Wechsel des Geschicks.

Ihr Feldherr rief, dass in der tiefsten Tiefe

Die Höll' erdröhnte: Fürsten, Herrscher, Krieger

Des Himmels einst; er bleibt verloren euch,

Wenn Schrecken ew'ge Geister dergestalt

Betäuben kann! Sprecht, wähltet ihr den Ort,

Ermattet von des Kampfes Müh'n, zur Ruh,

Weil ihr den Schlummer hier nicht minder süß

Als in des Himmels Tälern findet? Wie,

Verschwort ihr euch, hier in Erniedrigung

Den Sieger anzubeten, der nun schaut,

Wie Cherubim und Seraphim im Pfuhl

Sich zwischen Waffen und Standarten wälzen?

Wollt ihr, dass seine Diener euch so seh'n,

Uns, niedereilend von des Himmels Tor,

Mit Füßen treten, und mit Donnerkeilen

An dieses Strudels Boden heften? Auf!

Erhebt euch! sonst ist ewig euer Sturz!"

Sie hörten ihn, und sprangen auf, beschämt,

Wie Männer, die zum Wachedienst verpflichtet,

Wenn schlafend vom Gebieter überrascht,

Noch völlig wach nicht, taumelnd sich erheben.

Wohl sah'n sie ihrer Lage Jammer ein,

Und wohl empfanden sie die grimme Qual;

Doch schnell gehorchte seines Führers Ruf

Das ganze Heer. Wie, da der Wunderstab,

Den Amram's Sohn zur Plag' Ägyptens schwang,

Heuschrecken einen dichtgedrängten Schwarm

Herbeizog, die wie eine dunkle Wolke,

Wie Nacht auf des verstockten Pharaos Reich

Und alles Land des Nils sich lagerten:

So zahllos schwebten jetzt auf ihren Schwingen

Die bösen Engel unterm Höllendach,

Von Flammen oben, unten, rings umloht,

Bis mit erhob'nem Speer ihr großer Fürst

Die Richtung ihrem Fluge wies, und sie

Geraden Schwunges auf den Schwefelfels

Sich niederließen: ein gewalt'ger Strom,

Wie keinen je der völkerreiche Norden

Aus seinen eis'gen Lenden goss, so oft

Barbarenschwärme über Rhein und Donau

Der Sündflut gleich den Süden bis Gibraltar

Und bis zum Sande Lybiens überschwemmten.

Zur Stelle, wo ihr großer Feldherr stand,

Begaben eiligst sich die Häupter nun,

Die Führer jeder Rotte: Gottgestalten,

Weit über Menschenwuchs, von Fürstenrang,

Beherrscher mächt'ger Throne jüngst im Himmel;

Doch jetzt gedenkt nicht ihrer Namen mehr

Des Himmels Tafel, sie sind ausgelöscht,

Die Abgefall'nen, aus dem Buch des Lebens.

Auch hatten sie noch neue Namen nicht

Von Evas Söhnen; später erst, als sie,

Ersehn von Gott, der Menschen Herz zu prüfen,

Auf Erden wallten, und durch Lug und Trug

Die Menschheit so verderbten, dass sie oft,

Von ihrem Schöpfer abgewandt, die Glorie

Des Unsichtbaren umgestaltete

In Tiergebilde, reich mit Gold verbrämt,

Und unter üppiger Gebräuche Prunk

Zu Teufeln statt zur Gottheit betete

Dann erst erhielten sie verschied'ne Namen

Und Götzentitel von der Heidenwelt.

Nenn', Muse, sie mit diesen Namen, die,

Vom Schlummer aus dem Feuerbett erwacht,

Auf ihres Herrschers Ruf sich nach der Reih'

Und nach dem Würdegrad ihm einzeln nahten,

Indes das Heer noch in der Ferne hielt.

Die Häupter waren Jene, die, der Höll'

Entronnen und auf Erden Beute suchend,

Sich später ihren Sitz und Altar frech,

Als Götter angebetet weit umher,

Nächst Gottes Sitz und Altar gründeten,

Selbst in des donnernden Jehovah Tempel,

Wo zwischen Cherubim er thront, zu Sion,

Die Stätten ihres Greuls sich oft erbauten,

Dort seiner Feste heiligen Gebrauch

Mit Frevelmut entweihten, und sein Licht

Mit ihrer Finsternis zu trüben wagten.

Zuerst trat Moloch vor, befleckt mit Blut

Von Menschenopfern und mit Elterntränen,

Obgleich der Pauken Lärm das Wehgeschrei

Der Kinder übertönte, die das Feuer

Des grimmen Götzen fraß. Ihm opferte

Der Ammonit auf Rabbas feuchter Flur,

Zu Argob und zu Basan, bis zum Strom

Des fernen Arnon. Und befriedigt nicht

Durch so vermess'ne Nachbarschaft, betört' er

Auch Salomos, des Weisen, Herz, dass er

Gradüber Gottes Tempel, auf dem Schandberg

Ihm einen Tempel baute und zum Hain

Ihm Hinnons lieblich Tal verlieh, das drum

Gehenna-Tophet hieß, der Hölle Bild.

Nächst ihm kam Chemos, Moabs Greuelgötze,

Verehrt von Nebo bis nach Aroar,

Im Süd bis Abarim, zu Hesebon

Und Horonaim, Seons Reich, und jenseits

In Sibma's blüh'ndem, rebumkränztem Tal,

Von Eleale bis zum harz'gen See.

Peor ward er von Israels Volk genannt,

Als er's in Sittim, auf dem Zug vom Nil,

Zu üpp'gem, hartbestraftem Dienst verlockte.

Er dehnte seine Schandgelage dann

Auch bis zum Hain und Tempel Molochs aus,

Des Menschenmörders Wollust neben Mord

Bis beide Josia zur Hölle trieb

Die nunmehr folgten, führten einst vom Euphrat

Bis an den Grenzstrom, der Ägyptenland

Von Syrien trennt, gemeinschaftliche Namen:

Wenn männlich: Baal; weiblich: Astarot.

Denn nach Belieben kleiden Geister sich

In ein Geschlecht, in beide oft zugleich;

So zart und einfach ist ihr reiner Stoff,

Gebunden nicht an Glieder und Gelenke,

Noch auf der Knochen morsche Kraft gestützt,

Wie grobes Fleisch, dass sie in jeder Form,

Dicht oder lose, dunkel oder hell,

Ihr luftiges Geschäft vollbringen können

Und Liebes- oder Hasseswerke tun.

Für sie verließen Israels Kinder oft

Den Gottesaltar der lebend'gen Kraft

Und warfen sich vor Götzen in den Staub;

Zur Strafe leckten ihre Häupter dann,

Gesunken vor der schwächsten Feinde Speer,

Den Staub des Schlachtfelds. Unter dieser Schar

War Astoreth, Astarte auch genannt,

Die Himmelskön’gin mit des Halbmonds Schmuck;

Phöniziens Jungfrau'n weihten ihrem Bilde

Gelübd' und Lieder bei des Mondes Schein;

Drauf kam Thammuz,

In Sion auch erschollen ihr Gesänge,

Wo auf dem Frevelberg ihr Tempel stand,

Erbaut von jenem König, der, so weise,

Gleichwohl verlockt durch schöne Heidinnen

In Götzendienst verfiel.

Dess Wunde Syriens Töchter jedes Jahr

Am Berge Libanon verführerisch

Mit Liebesliedern klagend feierten.

Weil der Adonisfluss von seinem Quell

Bis an das Meer in Purpurwellen rann,

Galt er für Thammuz' Blut; die Liebessage

Entfachte gleiche Brunst in Sions Frau'n:

So schaute deren zügellose Lust

Im heil'gen Vorhof selbst Ezechiel,

Als ihm im Geist des wankelmüt'gen Juda

Abgötterei erschien. Jetzt nahte Jener,

Der jammernd sah, wie die gefang'ne Lade

Sein Bild zerschlug und den zerstückten Rumpf.

Zur Schande seiner törichten Verehrer,

Vor seines eignen Tempels Schwelle warf.

Dagon hieß er, ein Meeresungetüm,

Halb Mensch, halb Fisch; zu Ashdod ragte hoch

Ein Tempel ihm; längs Palästinas Strand,

In Gad und Askalon, in Akkaron

Und Gazas Grenzgebiet war er gefürchtet. -

Ihm folgte Rimmon, in dem reizenden

Damaskus wohnend, an den fruchtbar'n Ufern

Von Abbanas und Pharphars klarer Flut.

Auch er erhob sich wider Gottes Haus;

Ein Aussätz'ger fiel von ihm ab; ein König,

Ahas, dagegen ward durch ihn verführt,

Statt Gottes Altar einen syrischen

Ihm zu errichten, Brandopfer zu bringen,

Und Götter anzubeten, die er selbst

Bezwungen hatte. Nunmehr kam herbei

Ein langer Zug, mit Namen alten Rufs:

Osiris, Isis, Horus und ihr Trotz,

Die einst Ägyptens Volk durch Zauberkunst

Und Missgestalten blendeten, so dass

Es seinen Wandergöttern lieber Tier-

Als Menschenformen gab. Auch Israel

Enthielt sich nicht, es goss ein gold'nes Kalb

Am Horeb; zwiefach sündigte sogar

Sein König, der in Bethel und in Dan

Als feisten Stier den Schöpfer bildete:

Jehovah'n, welcher doch in Einer Nacht

Mit Einem Streich Ägyptens Erstgeburt

Und all sein blökend Götzenvieh erschlug.

Zuletzt kam Belial; unreiner fiel

Kein Geist vom Himmel, keiner, der gleich ihm

Das Laster um des Lasters willen liebte.

Ihm stand kein Tempel, rauchte kein Altar,

Doch wer ist öfter drin als er, wenn Priester

Zu Frevlern werden, wie die Söhne Elis,

Die Gottes Haus durch Unzucht schändeten?

An Höfen, in Palästen herrscht er auch,

In üpp'gen Städten, wo des Schwelgens Lärm

Und Frevel und Gewalttat bis hinauf

Zu höchsten Türmen steigt, denn wenn dort Nacht

Die Straßen dunkelt, toben Belials Söhne,

Von Wein und Übermut, berauscht, umher.

Dess zeugen Sodoms Straßen, und die Nacht

In Gibea, wo, Ärg'res zu verhüten,

Des Gastfreunds Tür ein Weib in Schande stieß.

Nach diesen Ersten kamen, gleich berühmt,

Viel andre noch, zu viele sie zu nennen:

Ioniens Götter, Javans Stämmen heilig,

Vom Himmel und der Erde erst gezeugt:

Des Himmels Erstgeborner, Titan; ihn,

Den Älteren, samt seiner Riesenbrut

Vertrieb Saturn, der gleiches Los erfuhr

Von seinem und der Rhea Sohne Zeus;

So herrschte Zeus nun. Kreta kannte sie

Zuerst und Ida; dann auf des Olymps

Beschneitem Gipfel, in der mittler'n Luft,

Als ihrem höchsten Himmel, wohnten sie;

Auf Delphis Felsen auch, und zu Dodona,

Und in der Dorier Land; und mit Saturn

Floh'n sie bis nach Hesperien übers Meer,

Und weiter bis zu fernster Inseln Strand.

Sie Alle kamen an zu Hauf, den Blick

Gesenkt und trübe; heimlich blinkte nur

Ein Strahl der Freude, nicht ihr Oberhaupt

Verzweifelnd, nicht verloren im Verlust

Sich selbst zu sehn. Auch Satan schien verzagt

Und schwankend noch; er aber sammelte

Schnell den gewohnten Stolz und weckte neu

Durch pomphaft klingende, doch hohle Worte

In ihrer Brust den fast erloschnen Mut.

Er gibt Befehl, dass unter'm Kriegesschall

Der Zinken und Drommeten sein Panier

Errichtet werde; diese Ehre heischt

Azazel als sein Amt, ein ries'ger Cherub,

Der auch sofort vom schimmerreichen Schaft

Die Kaiserfahne rollt und hoch erhebt;

Ein Meteor erscheint sie, winddurchwallend,

Mit Edelstein und Goldglanz reich verziert

Und himmlischen Trophä'n. Inzwischen dröhnt.

Aus tönendem Metalle Schlachtmusik

Und vom gesamten Heer ein Feldgeschrei,

Dass die Gewölbe bersten in der Hölle

Und Chaos' altes, nächtiges Reich erbebt.

Blitzschnell entfalten in der finstren Luft

Zehntausend Banner ihrer Farben Pracht;

Ein ungeheurer Lanzenwald steigt auf;

Und Helme drängen sich und blanke Schilde,

Und bilden unermesslich tiefe Reih'n.

Das Heer rückt vor, in dicht geschloss'ner Phalanx,

Bei sanftem Klange dorischer Musik

Von Flöten und Schalmeien. Solcher Klang

Erhob der Vorzeit Helden vor der Schlacht

Auf der Begeisterung Höh', erfülle sie

Statt blinder Wut mit wahrer Tapferkeit,

Die Todesfurcht nicht kennt noch feige Flucht,

Besänftigte durch ernst gemess'ne Töne

Die stürmischen Gedanken, und verscheuchte

Angst, Zweifel, Sorg' und Gram aus sterblichen

Wie unsterblichen Herzen. Also schreiten,

Vereinter Kraft bewusst, mit festem Sinn,

Bei Flötenklang, der ihre Schmerzen mildert,

Sie schweigend auf dem glüh'nden Boden hin.

Nun steh'n sie eine furchtbar lange Front

Und harren, wie die Krieger alter Zeit

Gerüstet und mit Speer und Schild bewaffnet,

Auf ihres mächt'gen Oberherrn Befehl.

Er schickt sein kundig Aug' durch die Kolonnen,

Und überschauend die gesamte Schar,

Bemerkt im Flug er ihre sich're Stellung,

Die göttergleichen Mienen und Gestalten,

Und schätzt dann ihre Zahl. Da schwillt sein Herz

Von Hochmut und verhärtet sich im Trotz

Auf seine Stärke. Denn seit Menschen sind,

Ward noch kein Heer geseh'n, das gegen dieses

Mehr als das schwache Fußvolk gelten dürfte,

Das Kraniche bekriegen; wär' auch Phlegras

Gigantenbrut dem Heldenstamm' vereint,

Der, beiderseits von Göttern unterstützt,

Vor Theben kämpfte und vor Ilium,

Samt König Arthurs tapfrer Ritterschaft,

Von deren Ruhm Gedicht und Sage klingt,

Nebst allen Kämpen, die, Getaufte wie

Ungläub'ge, in Damaskus, Aspramont,

In Trebizond und Mantalban turnierten,

Und dem aus Afrika gesandten Heer,

Als Karl mit aller seiner Edlen Blüte

Bei Fontarabbia fiel. Und doch, so weit

Erhaben über menschlichen Vergleich,

Ihr großer Führer überragte sie

An Wuchs und Haltung alle wie ein Turm;

Noch hatt' er seinen angebor'nen Glanz

Nicht völlig eingebüßt, ein Engelsfürst

Erschien er noch; des Glanzes Übermaß

War nur getrübt, so wie die Sonne wohl

Beim Aufgang strahlenlos durch Nebel blickt

Und, wenn vom Mond gedeckt, bei Finsternissen

Unheimlich Zwielicht auf den halben Teil

Der Erde breitet, das Tyrannenherzen

Mit Furcht und Angst erfüllt. Verdunkelt so,

Strahlt' er am hellsten doch; sein Antlitz war

Vom Donner zwar genarbt, und Kummer zehrte

An seinen Wangen, unter Brauen aber

Voll Kühnheit, kalter Überlegung, Stolz

Und lau'rnder Rache. Grimmig war sein Aug',

Und doch verriet es Reu' und tiefen Gram,

Die Schuldgenoffen, die von ihm verführten,

Die er weit anders, selig einst geschaut,

Durch seine Schuld verdammt zu ew'ger Qual,

Millionen Geister wegen seines Aufruhrs

Vom Himmel ausgestoßen, aus dem Reich

Des Lichts verbannt und dennoch treu zu sehn,

Noch treu ihm nach geschwund'ner Herrlichkeit:

So ragt, wenn Waldeichen des Himmels Blitz

Und Bergestannen traf, ihr kahler Stamm,

Versengten Haupts, noch stattlich auf der Haide.

Jetzt schickt er sich zu reden an, und schnell

Umschließen Doppelreih'n im Halbkreis ihn

Und seine Großen. Spannung hält sie stumm.

Dreimal versucht er's, dreimal unterdrückt

Ein Tränenstrom des Spötters Wort; dann erst

Bahnt es sich unter Seufzern seinen Weg:

"Unsterbliche, und dem Allmächt'gen nur,

An Macht vergleichbar! Unser Kampf mit ihm

War ruhmlos nicht, wie schrecklich auch der Ausgang,

Der uns an so unsäglich grausen Ort

Geworfen hat. Doch welche Geisteskraft,

Aus tiefster Kenntnis der Vergangenheit

Auf Künft'ges schließend, hätte wohl geahnt,

Dass solch vereinte Göttermacht, so stark

Wie unsre dastand, jemals weichen könne?

Und wer mag zweifeln, dass von seinem Fall,

Verbannt aus dem nun leeren Himmel, sich

Dies mächt'ge Heer erheben und zurück

Erobern werde seinen Heimatssitz?

Sprecht und bezeugt mir, all ihr Himmlischen,

Ob ich durch Feigheit oder falschen Rat

Vereitelte, was wir gehofft. Nein, Er,

Der bis dahin auf seinem Himmelsthrone

Gesichert saß, gestützt auf alten Ruf,

Vertrag und Herkunft, er entfaltete

Nur Herrscherprunk und barg stets seine Kraft:

Dies unsers Angriffs Grund und unsers Falls.

Nun kennen seine Macht wir, auch die unsre,

Und werden neuen Krieg nicht selbst beginnen,

Doch auch nicht scheu'n; das Beste bleibt für uns,

Durch heimliches Bemüh'n, durch Trug und List,

Was durch Gewalt missglückte, zu bewirken;

So dass er von uns lerne: halb nur siegte,

Wer seinen Feind durch Stärke überwand.

Der Raum kann neue Welten ja gebären:

Im Himmel hieß es schon, Gott werde bald

Noch eine Welt erschaffen, um darein

Ein neu' Geschlecht zu sehen, das er gleich

Wie seine Himmlischen beglücken wolle.

Dahin, sei's nur zu spähen, richten wir

Den ersten Ausfall, oder sonst wohin:

Denn Himmelsgeister soll der Höllenpfuhl

Nicht länger fesseln, dieses Abgrunds Nacht

Nicht decken. Doch im vollen Rate muss

Der Plan erst reifen. Friede ward unmöglich;

Wer denkt an Unterwerfung? Krieg denn, Krieg,

Versteckter oder off'ner, sei die Losung!"

Er sprach's, und zur Bekräft'gung seines Worts

Erhoben flugs die mächt'gen Cherubim

Millionen Flammenschwerter, deren Blitz

Die Hölle jäh durchzuckte. Wut ergriff

Sie wider Gott; sie schlugen mit den Waffen

Auf die metall'nen Schilde Kriegsgetös'

Und brüllten Ausford'rung zum Himmel auf.

Nicht ferne stand ein Berg; sein gräulich' Haupt

Spie Flammen aus und Rauch, sonst glänzt' er rings

Von einer glatten Kruste: sich'res Zeichen,

Dass Erzmetall, des Schwefels feurig Werk,

Sein Schoß verberge. Dorthin stürmt' in Eil'

Ein starker Trupp, wie wenn vor'm Lager her

Schanzgräber zieh'n, mit Art und Hau' bewehrt,

Um Wälle zu errichten oder Gräben

Durch's Feld zu leiten. Mammon führte sie,

Der niedrigste von den gestürzten Geistern;

Denn selbst im Himmel war sein Blick und Sinn

Nach unten stets gekehrt, bewundernd mehr

Des Bodens Täflung von gedieg'nem Golde,

Als dass er Heil'ges oder Göttliches

Beseligt anschaut'. Er auch hat zuerst

Die Menschen angeleitet und verlockt,

In ihrer Mutter Erde dunklem Schoß

Nach besser dort verborg'nen Schätzen frech

Mit gier'ger Hand zu wühlen. Seine Schar

Schlug tiefe Wunden in den Berg und brach

Ihm gold'ne Rippen aus. Verwundre sich

Niemand, dass in der Hölle Reichtum wächst;

Des kostbar'n Gifts am würdigsten ist sie.

Und wer der Menschen Werke preist, von Babel,

Von Memphis' Königsbauten staunend spricht:

Seh' hier, wie deren größte Ruhmesmäler

An Stärk' und Kunst leicht übertroffen sind

Von bösen Geistern, die in Stundenfrist

Mehr schaffen, als unzähl'ger Hände Fleiß

In einem Menschenalter kaum vollbrächte.

Schnell standen Hütten auf am Fuß des Bergs,

Worein der See durch unterird'sche Rinnen

Sein flüssig Feuer goss; hier schmelzten sie

Mit wunderbarer Kunst die Klumpen Erz,

Von Schaum und Schladen jede Gattung sondernd;

Dann bildeten sie Tiefen in den Grund,

Verschied'ner Form, und leiteten geschickt

Den zähen Guss in jeden hohlen Raum:

So wie beim Orgelspiel ein einz'ger Hauch

Den Ton in lange Reih'n von Pfeifen bläst.

Und nun stieg unter lieblichem Gesang

Und süßen Harmonien aus dem Boden,

Wie hingehaucht, ein riesenhafter Bau

In Tempelform, mit Pfeilern rings umstellt

Und Säulen Doriens, über welchen sich

Das goldene Gebälk erhob; Gesims

Und Fries war Bildwerk von erhob'ner Arbeit,

Das Dach getrieb'nes Gold. Nicht Babylon

Noch auch Alcairo glichen solcher Pracht

Mit allem Glanz der Tempel ihrer Götter

Und der Paläste ihrer Könige,

Als sich Ägypten und Assyrien noch

An Aufwand überboten. Stattlich stand

Und fest der schlanke Bau; jetzt öffneten

Die Pforten ihre ehr'nen Flügel; weit

Hinein sah man die räum'gen Hallen, weit

Den glatten Estrich. Von der Deckenwölbung,

Durch Zauber schwebend, strahlten viele Reih'n

Von hellen Leuchten und gestirnten Ampeln,

Mit Naphta und Asphalt gespeist, ein Licht,

Wie's nur ein Himmel strahlt. Die Menge tritt

Bewundernd ein; der preist das Werk, und der

Den Meister. Wohlberühmt war seine Hand

Im Himmel durch manch hochgetürmten Bau,

Durch manchen Fürstensitz gekrönter Engel,

Die Gott, der höchste König, zu Gewalt

Und Herrschaft über die verklärten Geister,

In seiner Sphäre jeden, auserkor.

Auch Gräcien kannt' und ehrte göttlich ihn,

Und in Ausonien ward er Mulciber

Vom Volk genannt. Der Heidensage nach

Warf Zeus ihn von kristall'ner Himmelszinne

Im Zorn herab; er fiel vom frühen Morgen

Bis Mittag, und von Mittag bis zum Tau

Des Abends, einen ganzen Sommertag,

Bis endlich er nach Sonnenuntergang

Auf Lemnos sank, gleich einem fall'nden Stern.

Doch irrt die Sage; er fiel längst zuvor

Mit Satans Rotte; und nichts frommt' es ihm,

Dass hohe Schlösser er gebaut im Himmel,

Nicht konnt' er sich dem Sturz zur Höll' entzieh'n,

Wo er mit seiner Schar nun bauen muss.

Beschwingte Herolde verkünden jetzt

Auf höchsten Machtbefehl, mit Schaugepräng'

Und bei Trompetenschall, durch's ganze Heer:

Ein feierlicher Rat soll alsobald

Im Pandämonium, Satans Herrschersitz,

Gehalten werden. Das Entbot berief

Von jeder Truppe, jeder Legion

Die Würdigsten nach Stellung oder Wahl.

Von Tausenden begleitet eilten sie

Herbei, und jeder Vorplatz, jedes Tor

War vollgedrängt, zumeist die weite Halle,

Weit wie die Kampfbahn, in der kühne Recken,

Das Schlachtross tummelnd, vor des Sultans Thron

Zu blut'gem Zweikampf oder Lanzenrennen.

Die Ritterschaft der Heiden forderten.

Am Boden wimmelt es, die Luft erbebt

Vom Rauschen schwirr'nder Flügel. Wie die Bienen

Im Frühjahr, wenn im Stier die Sonne steht,

Mit ihrer reichen Brut den Stock umschwärmen,

Bald zwischen Tau und Blumen gaukeln, bald

Sich sammeln auf dem Brett voll frischem Seim,

Dem Söller ihrer strohumflocht'nen Burg,

Und über ihres Staates Wohl beraten:

So schwärmte dichtgehäuft die luft'ge Schar.

Doch, welch ein Wunder! Die soeben noch

An Wuchs der Erde Riesen überragt,

Sie dringen, kleiner jetzt als winz'ge Zwerge,

Auf einmal zahllos in den engen Raum.

Dem Volke der Pygmäen gleichen sie

In Indiens Bergen, oder zarten Elfen,

Die an dem Waldrand oder einem Quell

Um Mitternacht der Wandrer schweben sieht,

Vielleicht zu sehn nur träumt; beim Schein des Mondes,

Der über seinem Haupte bleichen Laufs

Der Erde näher zieht, bezaubert ihn

Des Reigentanzes liebliche Musik,

Und gleich von Lust wie Bangen schlägt sein Herz.

So wandelten unkörperliche Geister

Zur kleinsten ihre riesige Gestalt,

Und fanden Raum, obgleich unzählbar noch,

Im Vorsaal des Palasts. Im Innern aber

Saß, unverändert an Gestalt und Maß,

Gesondert, in geheimer Ratsversammlung,

Die hohe Fürstenschaft der Cherubim,

Ein Tausend Halbgötter, auf gold'nen Stühlen.

Nach kurzer Stille ward das Aufgebot

Verlesen, und der große Rat begann.

 

 

Zweites Buch.

 

Auf einem Thron, dess königliche Pracht

Indiens und Ormus' Schätze, Gold und Perlen,

Die mit verschwenderischer Hand der Ost

Auf seine Kön'ge streut, verdunkelte,

Saß Satan hoch erhoben nach Verdienst

Zu dieser traur'gen Höh gelangt. Doch kaum,

Kaum aus Verzweiflung unverhofft erhöht,

Strebt' er noch höher schon, sann er auf's Neu,

Durch Unglück nicht belehrt, dem Himmel Krieg,

Und tat so seines Stolzes Träume kund:

"Ihr Himmels-Mächte! Himmels-Götter ihr!

Denn weil Unsterbliche, ob auch gestürzt

Und unterdrückt, kein Abgrund fesseln kann,

Geb' ich den Himmel noch nicht auf. Ersteh'n

Von diesem Fall wird unsre Himmelskraft,

Furchtbarer, herrlicher durch Selbstvertrau'n

Und keine zweite Niederlage fürchtend.

Mich schuf des Himmels Recht und Satzung zwar

Zu eurem Führer, freie Wahl sodann,

Und was ich selbst im Rat und in der Schlacht

Mir an Verdienst erwarb; doch unser Sturz,

Nachdem wir uns so weit erholt, hat mich

Auf einen Thron gesetzt, der sich'rer mir,

Weil unbeneidet ist. Mein höh'res Glück,

Mein höh'rer Rang im Himmel mochte leicht

Des Nied'rern Neid erregen; aber wer

Wird hier den neiden, den der höchste Platz

Nur als eu'r Bollwerk und als nächstes Ziel

Des Donnerers hinstellt, nur zum vollsten Maß

Von Pein verurteilt? Wo kein Gut es gibt,

Um das zu streiten, kann Parteiung nicht,

Nicht Streit entsteh'n; Niemand wird in der Hölle

Nach Vorrang trachten; Keines Qualanteil

Ist wohl so klein, dass er aus Ehrgeiz ihn

Vergrößern möchte. Sonach kehren wir

Mit fest'rer Treu und Einigkeit Gewinn,

Als in den Himmeln möglich ist, zurück,

Um unser Recht und Erbteil einzufordern,

Gewisser des Erfolgs, als wir im Glück

Und Wohlsein hoffen durften. Welcher Weg

Der beste sei, ob off'ner Krieg, ob List,

Erwägt nun! Wer zu raten weiß, der rede!"

Er schwieg; und es erhob sich König Moloch,

Des Heeres grimmigster und stärkster Geist,

Noch grimmer aus Verzweiflung jetzt. Dem Ew'gen

Hatt' er an Stärke gleich zu sein gewähnt;

Als Schwäch'rer mocht' er lieber gar nicht sein.

Das Dasein hassend, hielt ihn keine Scheu

Vor Gott zurück mehr, kannt' er keine Furcht

Vor Hölle oder ärger'm Weh. Er sprach:

"Ich stimme für den off'nen Krieg: der List

Begeb' ich mich: drauf mögen Jene sinnen,

Die solcher Kunst bedürfen, doch nicht jetzt!

Indes sie sinnen, sollen Millionen,

Die schon in Waffen steh'n und des Signals

Zum Ausflug sehnlichst harren, müssig hier

Als Flüchtlinge des Himmels weilen, hier

In diesem finstern schmählichen Verlies,

Dem Kerker des Tyrannen, der allein

Durch unser Zögern herrscht? Nein, lasst vielmehr,

Bewaffnet mit der Hölle Hass und Wut,

Den Himmelswall uns stürmen, unsre Pein

Umkehren gegen unsern Peiniger,

Dass er auf sein allmächtiges Geschoß

Antworten höre Höllendonners Lärm,

Auf seine Blitze schwarzer Flammen Graus

Geworfen unter seine Diener sehe,

Ja seinen Thron umringt von Schwefelqualm

und Höllenglut, den uns erfund'nen Martern!

Doch wem zu steil etwa der Aufschwung dünkt,

zu schwer es, gegen einen ober'n Feind

Aufrechten Flugs emporzudringen: er

Bedenke, falls nicht seinen Sinn der Trunk

Aus dem Betäubungspfuhle noch verwirrt,

Dass die Bewegung, die uns eigen ist,

Nach oben steigt, zur Heimat, während Sinken

Uns widerstrebt. Wer fühlte nicht erst jüngst,

Als sich der Feind an unsre Fersen hing

Und wütend durch den Abgrund uns verfolgte,

Mit welcher Mühe wir, mit welchem Zwang

Uns abwärts senkten? Aufflug drum ist leicht.

Man scheut den Ausgang, fürchtet, wenn wir neu

Den Stärker'n reizen, dass vielleicht sein Zorn

Noch Ärg'res über uns als Höllenqual

Verhängen werde. Doch kann's Ärg'res geben,

Als hier zu wohnen, seligkeitberaubt,

Verdammt zu dieses grausen Abgrunds Not,

Wo sonder Hoffnung auf ein Ende Qual

Von unlöschbarer Glut uns foltert, wo,

Vasallen seines Zorns, uns ohn' Erbarmen

Die Marterstunde mit der Peitsche Knall

Zur Zücht'gung ruft? Noch mehr zerstört als jetzt,

Das hieße gänzlich schwinden und vergeh'n.

Was also fürchten wir? Was hält uns ab,

Aufs Äußerste zu steigern seinen Grimm?

Entweder zehrt uns seine Wut, den Stoff

Vernichtend, völlig auf –– willkomm'ner doch

Als ewig sein und elend! ––oder wenn

In Wahrheit unter Wesen göttlich ist

Und nicht vergeh'n kann, sind beim Ärgsten wir

Hier angelangt; und da wir nun erprobten,

dass uns're Kraft genügt, um seinen Himmel

Und seinen uneinnehmbaren Schicksalsthron

Mit immer neuen Angriffen zu schrecken,

So wird uns, wenn nicht Sieg, doch Rache werden!"

Er endete; sein finst'rer Blick verriet

Der Rachgier und Verzweiflung wilden Kampf,

Gefährlich Göttern fast. Entgegen ihm

Stand Belial auf, von sanft'rer, mild'rer Art;

Kein schön'res Wesen stieß der Himmel aus;

Er schien geschaffen für erhab'ne Würde.

Doch falsch und hohl war alles. Manna troff

Von seiner Zunge, um den schlechter'n Grund

Als bessern darzustellen, Wohlerwog'nes

Neu zu verwirren. Niedrig war sein Sinn,

Zum Laster schnell, zum Edlen träg und feig.

Dem Ohr der Hörer schmeichelnd, hub er jetzt

Mit überredender Betonung an:

"Auch ich, ihr Fürsten, wär' für off'nen Krieg,

Der Letzte nicht im Hass, wenn nicht der Grund,

Der zu sofort'gem Kriege stimmen soll,

Mir grad' ihn widerriete, wenn es mir

Nicht Unheil kündend schien' für den Erfolg,

Dass der im Waffenkampf Vortrefflichste,

Misstrauend seinem Rat und seinem Arm,

Nur auf Verzweiflung seinen Mut begründet

Und gänzliche Vernichtung nur erstrebt

Als letztes Ziel, nach ausgeübter Rache.

Doch Rache, wie? Des Himmels Zinnen find

Mit Wachen angefüllt, die jeden Weg

Unnahbar machen; Legionen lagern

Am Rand der Tiefe, oder schwingen sich

Auf Kundschaft weit hinaus ins Reich der Nacht.

Kein Überfall geläng'. Und brächen wir

Auch mit Gewalt uns Bahn, stieg' mit uns auf

Die ganze Höll' in schwärzester Empörung,

Des Himmels Licht verdunkelnd: unser Feind,

Der Unverletzliche, säß' fleckenlos

Auf seinem Thron doch; der Ätherstoff

Unmischbar rein, er stieße schnell den Schmutz

Der Hölle von sich und bezwänge siegreich

Ihr gröb'res Feuer. So zurückgeworfen,

Wär' unser Trost Verzweiflung? müssten wir

Entflammen des allmächt'gen Siegers Zorn,

Big er uns tötete? wir müssten streben,

Nicht mehr zu sein? Nein wer verlöre gern,

Sei's auch von Schmerz erfüllt, dies geist'ge Sein,

Die Ewigkeit durchmessenden Gedanken?

Wer läge gern, verschlungen und verweht

Vom weiten Schoß der unerschaff'nen Nacht,

Sinn und bewegungslos? Gesetzt sogar,

Ein Glück sei dies wer weiß, ob unser Feind

Es geben kann und will? Ob er es könn',

Ist ungewiss; dass er's nicht will, gewiss.

Wird er, der Weise, seinen Zorn entzügeln

Und, sei's aus Schwäche, sei's aus Unbedacht

Erfüllend seiner Feinde Wunsch, uns dann

Vernichten, die für endlose Bestrafung

Sein Grimm erhält? Warum noch zögern wir?

So rufen Jene, die zum Kriege raten

Zu ew'ger Pein sind wir nun doch bestimmt;

Drum was wir tun, was können wir noch mehr,

Was Ärg'res leiden? Aber ist's das Ärgste,

Zu Rate sitzen hier im Waffenschmuck?

Als wir kopfüber floh'n, verfolgt, ereilt

Vom grausen Himmelsdonner, und um Schuss

Die Tiefe flehten, als die Hölle selbst

Uns Zuflucht schien, als wir im Flammenpfuhl

Gefesselt lagen war das ärger nicht?

Wie, wenn der Odem, der dies Schwefelfeuer

Entfacht, zu siebenfacher Wut es blies'

Und uns darein versenkte, oder wenn

Die Rache wieder ihre rote Hand

Zu unsrer Plage waffnete, wenn sie

Des Höllenfirmamentes Schleusen all'

Erschlösse, wenn das feurige Gewölk,

Das über unser'n Häuptern drohend schwebt,

In Flammenbächen auf uns niederstürzte?

Wenn, während wir von Kriegsruhm träumen, uns

Ein feur'ger Sturm ergriff' und einzeln jeden

An einen Felsen bohrte, Wirbelwinden

Zu Spiel und Beute; oder, festgeschnürt,

Auf ewig taucht' in jenes Glutenmeer,

Wo unter immerwährendem Gestöhn

Wir ruhlos, unbedauert, unerlöst,

Ohn' Ende weilen müssten? Dies wär' ärger!

Krieg also, off'nen, sowie heimlichen,

Missrat' ich ganz. Was wider Ihn vermag

Gewalt, was List? Wer täuscht Ihn, der das All

Mit einem Blick durchschaut? Vom Himmelsthron

Sieht und verlacht er unsre nicht'gen Pläne,

Gleich mächtig, unsrer Macht zu widersteh'n,

Als weise, zu vereiteln unsern Trug.

So schmählich sollen wir denn, Himmlische,

Zertreten und verbannt, hier Kettenlast

Und Martern tragen? Besser dies, rat' ich,

Als Ärg'res, dem ein unvermeidlich' Schicksal

Wie des Besiegers allgewalt'ger Spruch

Uns unterwirft. Zum Leiden wie zum Tun

Ward gleiche Kraft uns, und nicht ungerecht

Ist dies Gesetz. Zu beidem mussten wir

Entschlossen sein, wenn gegen solchen Feind

Wir Krieg solch ungewissen Ausgangs wagten.

Ich lache nur, wenn die, so mit dem Speer

Beherzt und kühn sind, misslingt es mit ihm,

Zu tragen scheu'n, was sie vorausgewusst:

Verbannung, Schande, Fesseln oder Pein,

Nach des Besiegers Urteil. Dies ist nun

Uns auferlegt; ertragen duldend wir's,

Mag unser Feind allmählich seinen Zorn

Um vieles mildern und, so weit entfernt,

Begnügt mit der erteilten Strafe Maß,

An uns vergessen. Dann, von seinem Hauch

Nicht mehr geschürt, erschlafft des Feuers Wut,

Bis unser rein'rer Stoff den gift'gen Dunst

Besiegt und uns Gewohnheit fühllos macht.

Zuletzt verändert unser Wesen ganz

Sich diesem Ort gemäß, und ohne Schmerz

Ertragen wir die wohlvertraute Glut.

Dann scheint dies Grau'n uns mild, dies Dunkel licht.

Auch welche Hoffnung künft'ger Tage Flug

Und Zufalls Wechsel uns noch bringen kann,

Ist wert des Harrens, da das jetz'ge Los,

Wie schlimm auch, doch das schlimmste noch nicht ist,

Bereiten wir uns selbst nicht größ'res Weh."

Mit Worten, ins Vernunftgewand gehüllt,

Riet also feige Ruh, Untätigkeit,

Nicht Frieden, Belial. Nach ihm sprach Mammon:

"Krieg soll, wird er beliebt, des Himmels Herrn

Entthronen, oder das verlor'ne Recht

Uns wiederbringen. Zu entthronen ihn

Hofft nur, wofern das ewige Verhängnis

Dem wandelbaren Zufall weicht und Chaos

Entscheidung übt. Da diese Hoffnung, ist

Auch jene nichtig. Denn wo wär' für uns

Im Himmel Raum, wenn wir den Höchsten nicht

Bewältigten? Wollt' er uns selbst verzeih'n

Und Gnade künden, falls wir Unterwerfung

Aufs Neu geloben; könnten demutsvoll

Wir vor ihm steh'n, Gesetze zu empfangen,

Mit Lobgesängen seine Göttlichkeit

Und mit erzwung'nen Hallelujahs feiernd,

Indes er herrlich thront, von uns beneidet,

Und sein Altar von unsern knecht'schen Opfern

Ambrosiaduft und Blumenbalsam haucht?

Dies wär' im Himmel unser einzig Tun,

Dies unsre Lust. Verhasst ist Ewigkeit,

In Huld'gung eines Feindes zugebracht!

Drum lasst uns nicht, was unerzwinglich ist

Und unannehmbar aus der Gnade Hand,

Lasst Knechtschaft, ob auch in des Himmels Glanz,

Uns nicht erstreben; suchen wir vielmehr

Das Heil nur bei uns selbst, und leben wir

Von eigner Müh', in einer Wildnis zwar,

Doch unabhängig! Harte Freiheit steh'

Uns höher als des Diensts bequemes Joch!

Am herrlichsten wird unsre Größe leuchten,

Wenn wir aus Kleinem Großes, Nützliches

Aus Schädlichem, aus Üblem Günstiges

Erschaffen und, an welchem Ort es sei,

Gedeih'n aus Schmerz, Behaglichkeit aus Qual

Durch Müh und Arbeit schöpfen. –– Diese Welt

Der Finsternis schreckt euch? Doch wählt nicht oft

Der Allbeherrscher dunkelstes Gewölk

Zum Sitze seines ungetrübten Glanzes

Und sammelt majetztät’sche Finsternis

Um seinen Thron, von wo mit solcher Wut

Der Donner brüllt, dass Himmel Hölle scheint?

Wie unser Dunkel er, so wollen wir

Sein Licht nachahmen. Diesem Boden fehlt

Verborg'ner Glanz nicht, Gold und Edelstein,

Noch uns Geschick, zu fördern solche Pracht;

Und was hat mehr der Himmel aufzuweisen?

Auch kann im Lauf der Zeiten unsere Pein

Zu unserm Element, die wilde Glut

Gelinder, unser Stoff in ihren Stoff

Verwandelt werden, und das Schmerzgefühl

Dadurch verschwinden. Alles fordert uns,

Nachdem der Stand der Ordnung hergestellt,

Zu friedlicher Erwägung auf, wie wir

Mit Rücksicht dessen, was und wo wir sind,

Die jez'gen Leiden mildern. Drum lasst ganz

Die Kriegsgedanken fahren! Dies mein Rat.“

Er schwieg. Ein Murmeln lief durch die Versammlung,

Wie wenn in Felsenhöhlen das Gesaus

Des Sturmwinds sich verfängt, der auf dem Meer

Die ganze Nacht getobt und heiser'n Tons

In Schlummer nun das müde Schiffsvolk lullt,

Dess Barke nach dem Sturm in einer Bucht

Vor Anker liegt. So rauschte Beifallsruf

Ob seines Rats zum Frieden Mammon zu.

Denn ärger als die Hölle schreckte sie

Ein neuer Kampf; so mächtig wirkte Furcht

Vorm Donner und vor Michael's wucht'gem Schwert

In ihnen noch, und minder nicht der Wunsch,

Ein unt'res Reich zu gründen, das dereinst

Bei kluger Leitung sich dem Himmelsstaat

Im Wettstreit gegenüberstellen möchte.

Dies sah Beelzebub, der Vornehmste

Nächst Satan, und mit Ernst erhob er sich.

Aufrecht, erschien ein Pfeiler er des Staats;

Tief eingeprägt auf seiner hohen Stirn

Saß Urteilskraft und sorgender Gemeinsinn,

Und fürstliche Begabung strahlte noch

Von des Gefall'nen Antlitz; er stand da,

Ein Weiser mit Atlantenschultern, stark,

Der größten Reiche Wucht darauf zu tragen.

Sein Blick schuf Ruh und Schweigen wie bei Nacht

Und Sommermittagsluft, und er begann:

"Ihr Thronen, Mächte, Herrscher, Himmelssöhne,

Ihr Ätherkräfte! Oder heißen wir,

Entsagend diesen Titeln, fortan nur

Der Hölle Fürsten, da die Mehrzahl, seh' ich,

Hier zu verbleiben, hier ein wachsend Reich

Zu bilden wünscht? Fürwahr, wir träumen noch,

Vergessend, dass der Himmelskönig uns

Den Ort zum Kerker anwies, nicht als Freistatt

Vor seinem mächt'gen Arm: nicht dass wir hier,

Des Himmels Richterstuhl entrückt, auf's Neu

Verbündet gegen seine Herrschaft leben;

Nein, dass er fern und doch in strengster Haft

An seinem Zügel unentrinnbar uns

Gefangen halte. Denn allein'ger Herr,

Glaubt nur, wird er in Höh' und Tiefe stets

Der Erst' und Letzte sein; durch unsern Abfall

Nicht an Gebiet verkürzt, herrscht über uns

Sein eisern Zepter in der Hölle hier,

Wie über Himmlische sein gold'nes herrscht.

Was wägen wir, ob Frieden oder Krieg?

Krieg schlug mit unersetzlichem Verlust

Uns nieder; Friede ward uns nicht gewährt,

Auch nicht gesucht; denn welcher Friede würd'

Uns Unterjochten als Gefängnis, Streiche,

Als willkürlich verhängte Züchtigung?

Und welchen Frieden hätten wir zu bieten?

Feindseligkeit und grenzenlosen Hass,

Unzähmbar Widerstreben, Rachbegier,

Ein ewiges Verschwören, wie der Sieger

Am wenigsten des Sieges sich erfreu'

Und dessen, was er uns zur Qual ersinnt.

Was brauchen wir in schwier'gem Kriegeszug

Den Himmel anzugreifen, dessen Wälle

Belag'rung, Sturm nicht scheu'n, noch Hinterhalt?

Ein leichter Unternehmen bietet sich

Uns dar. Es ist noch eine andre Welt

Wenn nicht ein alt prophetisches Gerücht

Im Himmel irrt –– ein wonnevoller Ort,

Sitz eines neu'n Geschlechts, das, Mensch genannt,

Um diese Zeit erschaffen werden sollte:

Uns gleich zwar nicht an Kraft und Hoheit, doch

Vom Herrscher droben mehr als wir begnadet.

Dies war sein Ratschluss, den mit einem Eide,

Den Himmelsraum erschütternd, er beschwor.

Lasst uns erspäh'n, was für Geschöpf' es sind,

Von welchem Stoff gemacht und wie begabt,

Wo ihre Stärk und ihre Schwäche liegt,

Und ob Gewalt, ob List am ersten sie

Uns unterwirft. Verschlossen ist der Himmel,

Der Höchste thront im Schutz der eignen Kraft;

Doch diesen Ort, sein fernst geleg'nes Reich,

Wohl möglich, dass er den Bewohnern nur

Ihn zu verteid'gen überlassen hat.

Dort glückt vielleicht ein kühner Überfall:

Sei's, dass wir diese ganze neue Schöpfung

Mit Höllenglut verwüsten, oder sie

Für uns erobern, und den jungen Stamm,

Wie wir vertrieben wurden, draus vertreiben;

Sei's, dass wir ihn zu uns herüberzieh'n,

Bis Gott ihm feind wird und mit reu'ger Hand

Sein eignes Werk zerstört. Dies überträf'

Gemeine Rach', es hemmte seine Lust

An unserm Sturze; ja sein Kummer wär'

Dann unsre Lust, wenn seine Lieblinge,

Zu uns herabgeschleudert, ihres Seins

Gebrechlichkeit und früh verwelktes Glück

Verfluchen müssten. Prüft, was besser sei:

Dies unternehmen, oder hier im Dunkel

Auf nicht'ge Reiche sinnen!" –– So empfahl

Beelzebub den teuflischen Entwurf,

Den Satan erst erfunden; denn von wem

Als ihm, dem Stifter alles Bösen, konnte

So tiefe Bosheit stammen: das Geschlecht

Der Menschen in der Wurzel zu verderben,

In eins zu mischen Höll' und Erdenwelt?

Doch was der Feind zum Hohn des Schöpfers tut,

Erhöht nur Gottes Ruhm! –– Der kühne Plan

Gefällt den Höllenfürsten so, dass Freude

In Aller Augen glänzt. Sie stimmen laut

Dem Redner bei, der also weiter spricht:

"Wohl habt den langen Wortstreit ihr entschieden,

Versammelte! Euch selber, Göttern gleich,

Beschlosst ihr was uns, dem Geschick zum Trotz,

Aus tiefstem Abgrund wieder heben wird.

Der Heimat näher und im Angesicht

Der Himmelsgrenze, dringen wir vielleicht

Zu ihr empor; wir werden wenigstens

In einem milden Himmelsstriche wohnen,

Nicht unbesucht vom schönen Himmelslicht,

Wo sicher uns von dieses Dunkels Flecken

Der Strahl des Aufgangs läutert, und der Hauch

Balsam'scher Lüfte die von Höllenglut

Gebrannten Wunden heilt. Doch nun, wen senden wir,

Zu suchen diese neue Welt? Wer ist's,

Der es vermag? Wer soll mit irrem Fuß

Durchwandern dieses bodenlose Dunkel?

Wer findet in der greifbar'n Finsternis

Den unbekannten Pfad? Wess Flügel schwingt

Sich auf der öden Tiefe unermüdlich,

Bis er die sel'ge Insel hat erreicht?

Wie große Stärke, welche Kunst genügt?

Und welche List führt sicher durch der Engel

Rings aufgestellte Wachen ihn hindurch?

Hierbei bedarf der größten Vorsicht er,

Wie wir nicht minderer bei unsrer Wahl;

Denn wen wir senden, es beruht auf ihm

Die ganze Last und unsre letzte Hoffnung.“

Er schwieg und setzte sich. Sein Blick jedoch

War voll Erwartung, wer dafür, dawider

Auftreten oder zu dem Wagnis sich

Erbieten werde. Alle saßen stumm,

In sich gekehrt, erwägend die Gefahr,

Und in des Andern Augen las ein Jeder

Die eigne Bangigkeit. Nicht Einer war

Von all den Himmelsstürmern kühn genug,

Zu wagen diese schreckensvolle Fahrt,

Bis endlich Satan, über die Genossen

Jetzt weit erhöht, mit königlichem Stolz

Und seines höchsten Wertes sich bewusst,

In ruhig sicher'm Ton zu ihnen sprach:

"Ihr Himmelseingeborne, Ätherfürsten!

Mit Recht fasst, wenn nicht Furcht, doch schweigendes

Bedenken uns. Lang ist der Weg und rau,

Der aus der Hölle Grund zum Lichte führt,

Fest unser Kerker; neunfach rings ummauert

Uns dieses gierig flammende Gewölb',

Und diamant'ne Pforten über uns

Verschließen jeden Ausgang. Käm' auch wer

Durch sie hindurch, dahinter gähnt ihn an

Die Leere wesenloser Nacht und droht,

Ihn mit des Daseins gänzlichem Verlust

In ihren unfruchtbaren Schlund zu senken.

Entränn' er selbst von da, was wartet sein

In einer fremden, unbekannten Welt

Als andere Gefahren, neue Flucht?

Doch schlecht, ihr Fürsten, ziemte mir der Thron,

Geschmückt mit Glanz und Oberherrlichkeit,

Bewaffnet mit Gewalt, wenn ein Entwurf

Und wichtiger Beschluss für's Wohl des Reichs

Ob der Gefahr und Schwierigkeit mich schreckte.

Warum nahm ich die Königswürden an,

Warum die Herrschaft, weigert' ich mich jetzt,

In gleichem Maß wie Ehren auch Gefahr

Mir zuzuteilen? So gebührt's dem Herrscher,

Und so viel mehr gebührt ihm an Gefahr,

Als hochgeehrt er über Allen thront.

Geht also, Mächt'ge, auch gefallen noch

Des Himmels Schreck, sinnt nach daheim –– weil hier

Nun unsre Heimat sein soll ––wie zunächst

Der Hölle Qualen uns erträglicher

zu machen sei'n, wenn's einen Zauber gibt,

Der dieses Ortes Pein beschwichtigen

Und bannen kann. Wachsam ist unser Feind,

Drum lasst nicht nach im Wachen, während ich

An allen Küsten dieser finstern Öde

Befreiung für uns suche. Keiner soll

Dies Wagnis mit mir teilen." –– Er stand auf

Und schnitt so jede Antwort klüglich ab,

Damit nicht, angeregt durch seinen Mut,

Sich Andre, jetzt der Ablehnung gewiss,

Zu dem, was sie vorhin gescheut, erböten

Und, seine Nebenbuhler scheinend, sich

Wohlfeil bekränzten mit dem hohen Ruhme,

Den er durch Wagen sich erringen muss.

Doch scheuten sie die Reise minder nicht

Als sein Verbot, und standen mit ihm auf;

Ihr Aufsteh'n glich entfernten Donners Rollen.

Mit Ehrfurcht neigten sie sich tief vor ihm,

Ja, sie erhoben ihn als einen Gott,

Des Himmels Höchstem gleich, und priesen es

Dankbaren Sinns, dass er sein eignes Heil