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»Das verlorene Paradies« ist John Miltons großes Epos über den Sündenfall und die Vertreibung des Menschen aus dem Paradies. In Blankversen erzählt John Milton vom göttlichen Heilsplan, an dessen Ende die Befreiung des Menschen durch das Opfer Jesus Christi steht. Die Heilsgeschichte schildert John Milton in »Das verlorene Paradies« als Kampf zwischen himmlischen und satanischen Mächten, zwischen denen sich der Mensch entscheiden muss.
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Seitenzahl: 391
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Vollständige deutsche Ausgabe
Des Menschen erste Schuld und jene Frucht
Des strengverbotnen Baums, die durch Genuss
Tod in die Welt gebracht und jeglich Weh,
Die Eden raubte, bis ein größrer Mensch
Des Heiles Sitz uns wiederum errang:
Besing' o Himmelsmuse, die auf Horebs,
Auf Sinai's verborgnem Gipfel einst,
Den Hirten entflammte, der zuerst belehrt
Das auserwählte Volk, wie Erd und Himmel
Im Anfang aus dem Chaos sich erhob;
Von dorther, oder wenn des Sion Hügel,
Siloah's Quell, der bei des Herrn Orakel
Hinfloss, dich mehr erfreut, so ruf ich dich
Von dort herab, mein kühnes Lied zu weih'n,
Das nicht gemeinen Flugs Äoniens Berg
Mit solchen Dingen überschweben will,
An die sich Vers und Prosa nie gewagt.
Vor Allem du beseele mich, o Geist,
Der offne Herzen mehr als Tempel liebt:
Du bist allwissend, warst vom Anbeginn
Und ruhtest brütend einer Taube gleich
Mit mächtig ausgespreiztem Flügelpaar,
Den ungeheuern Abgrund fruchtbar machend.
Was in mir dunkel ist, erleuchte du,
Was in mir niedrig, heb' und stütze du;
Dass ich gemäß dem hohen Gegenstand
Die Wege Gottes zu den Menschen preisend
Die ewige Vorsehung verteid'gen mag.
O sprich zuerst – denn Nichts verbirgt der Himmel,
Die tiefe Hölle Nichts vor deinem Blick –
O sprich, was unser erstes Elternpaar
In jener Seligkeit und Himmelsgunst
Bewog, von ihrem Schöpfer abzufallen,
Um ein Verbot sein Wort zu übertreten,
Sie, die doch sonst die Herrscher dieser Welt?
Sprich! Wer verführte sie zu dieser Schuld?
Der Höllendrache, Jener, dessen List
Von Rach' und Neid erregt, der Menschen Mutter
Zu einer Zeit betrog, als ihn sein Stolz
Herab vom Himmel stürzte samt der ganzen
Rebellischen Engelschar, mit deren Hilfe
Er glorreich seines Gleichen zu beherrschen
Und Gott sich gleich zu stellen trachtete,
Da er durch Widerstand und ehrsuchtvoll
Verruchten Krieg im Himmel gegen Gottes
Alleinherrschaft erhob, und stolzen Kampf,
Der fruchtlos blieb. Des Allerhöchsten Macht
Stieß häuptlings ihn aus den äther'schen Höh'n
Furchtbaren Sturzes glutumflammt hinab
Zum bodenlosen Abgrund, dort zu wohnen
In Demantketten und in Feuerpein,
Da dem Allmächtgen er gewagt zu trotzen.
Neun Mal die Zeit, die bei den Sterblichen
Den Tag, die Nacht bezeichnet, lag er dort
Besiegt mit seiner schaudervollen Horde,
Im Feuerpfuhl sich wälzend, sinnverwirrt,
Und doch unsterblich; denn zu größrer Qual
War er verdammt, nun martert der Gedanke
Verlornen Glückes ihn, und ew'ger Pein;
Die düstern Augen wirft er rund umher,
Die Angst und tiefe Traurigkeit verraten,
Worein verstockter Stolz und Hass sich mischt;
Er sieht, so weit als Engel können sehn,
In seiner Lage wüst' und elend sich,
Ein furchtbarlich Gefängnis flammt um ihn,
Gleich einem Feuerofen, doch den Flammen
Entstrahlt kein Licht; nur sichtbar finstre Nacht
Enthüllt ihm hier die Gruppen tiefen Weh's,
Die Gegenden der Sorgen, düstre Schatten,
Wo Friede nicht, noch Ruhe je verweilt,
Wohin selbst Hoffnung, die sonst Allen naht,
Nicht kommen kann; nur endlos grimme Pein
Mischt sich der Feuerflut, genährt von Schwefel,
Der ewig brennt und nimmer sich verzehrt.
Solch einen Ort erschuf der ewge Richter
Für die Empörer, deren Kerker hier
Aus tiefstem Dunkel gähnt, dass sie von Gott
Und Himmelslicht drei Mal so weit entfernt,
Als wie der Mittelpunkt vom letzten Pol.
Wie ungleich jenem Raum, aus dem sie fielen!
Dort sieht er die Genomen seines Fall's
Von Flut und Wirbelwind der Feuermassen
Verschlungen, und an seiner Seite wälzen
Den Einen, an Verbrechen und Gewalt
Ihm selbst der nächste, der bekannt dereinst
In Palästina ward als Beelzebub.
Zu diesem wandt der Erzfeind jetzo sich,
Der in dem Himmel Satan wird genannt,
Mit trotzigem Wort das grause Schweigen brechend:
»Wenn Du es bist, – doch o! wie tief gefallen,
Wie ungleich Dem, der in den Lichtgefilden
Mit höchstem Glanz bekleidet, Myriaden
An Schimmer überstrahlte – wenn Du's bist,
Den wechselseitig Bündnis, gleicher Plan,
Hoffnung und Wagnis in der großen Tat
Mit mir verband, und Elend nun im Sturz –
Du siehst, in welchen Pfuhl, aus welcher Höhe
Gestürzt wir sind, so mächtig war sein Donner,
Wer hat vorher auch dieser grausen Waffe
Gewalt gekannt? doch weder dies, noch auch
Was sonst des mächtigen Siegers Grimm verhängt,
Lässt mich beräuen und meinen Willen ändern,
Ob ich verändert auch im äußern Glanz,
Groll fühl ich ob beleidigten Verdienstes,
Was mit dem Höchsten mich zu kämpfen zwang,
Und mich zum Streit die unermessne Macht
Bewehrter Geisterscharen führen hieß,
Die seine Herrschaft wagten zu verschmähn,
Die mich erwählten, seiner Allgewalt
Sich widersetzten, auf den Himmelsau'n
In zweifelhaften Treffen seinen Thron
Erschütternd. Ob das Schlachtfeld auch verloren,
Ist doch nicht Alles hin; der Wille nicht,
Der unbesiegbar, nicht der Rache Durst,
Der ewge Hass und Mut, sich nie zu beugen,
Und was noch sonst unüberwindlich ist:
Den einen Ruhm soll nimmer mir sein Grimm
Und seine Macht entreißen. Wollt' ich jetzt
Kniebeugend ihn um seine Gnade flehn
Und seine Macht vergöttern, dessen Reich
Jüngst vor dem Schrecken dieses Arms erbebte,
So wär' es wahrlich niedrig, wäre Schmach
Und größre Schande noch als unser Sturz,
Da nach dem Schicksal nie die Macht der Götter,
In uns das Himmlische nie schwinden kann;
Weil die Erfahrung dieses großen Kampfs
An Kräften uns nicht schwächer; ja nur stärker
An Vorsicht machte, können wir mit mehr
Erfolg und Hoffnung ewge Fehde wagen,
Die unversöhnlich mit Gewalt und List
Den größten unsrer Feinde soll bekriegen,
Der triumphierend jetzt im Freudentaumel
Des Himmels Herrschaft ganz allein besitzt.«
So sprach der abgefallnen Engel Herr
Laut prahlend, doch gefoltert von Verzweiflung
Und keck entgegnet ihm sein Mitgenoss:
»O Fürst und Haupt so vieler Herrschermächte,
Die in den Krieg die Seraphim geführt,
Die furchtlos bei der schreckenvollsten Tat
Des ewgen Himmelskönigs Thron bedrohten,
Zu prüfen seiner Oberherrschaft Kraft,
Ob sie auf Zufall oder Macht gestützt:
Wohl seh ich und beklag' ich dies Ereignis,
Das durch der Niederlage grausen Sturz
Den Himmel uns verlor und unser ganzes
Gewaltiges Heer furchtbar zertrümmerte,
So weit als Götter oder Himmelswesen
Zu Grunde gehn, denn Geist und Seele bleibt
Unüberwindlich; bald auch kehrt die Kraft,
Ob unser Ruhm auch schwand und unser Glück
Von endlos arger Pein verschlungen ward.
Doch wie, wenn unser Sieger (dessen Kraft
Ich anerkennen muss, da nicht geringere
Die unsern Kräfte je besiegen konnte)
Uns Geist und Stärke ließ, um unsre Qual
Ganz kräftig zu erdulden und zu leiden,
Dass seinem Rächerzorne wir genügen,
Und ihm als Knechte nach dem Kriegesrecht
Zu Dienste stehn; gleichviel, zu welchem Frohn,
Um hier im Hag der Hölle bei dem Feuer,
Ob in dem Pfuhl als Boten mitzuwirken:
Was frommt es uns, dass unvermindert wir
Die Stärke so wie ewges Dasein fühlen,
Um ewige Bestrafung auszustehn?«
Worauf der Erzfeind rasch erwiderte:
»Gefallner Cherub, schwach zu sein ist elend
Im Tun und Leiden; doch versichert sei,
Nie wird mehr Gutes unser Handeln sein,
Das Böse tun wird unsre höchste Lust,
Als seines hohen Willens Gegenteil,
Den wir bekriegt. Wenn seine Vorsehung
Aus unserm Bösen Gutes schaffen will,
So müssen diesen Zweck wir ihm vereiteln,
Im Guten Stoff zum Bösen stets zu finden.
Dies wird uns oft gelingen, und vielleicht
Ihn öfters kränken, und wenn ich nicht irre
Vom Ziel ihm den geheimsten Willen lenken.
Doch sieh, der grimmige Sieger hat die Diener
Der Rache schon zum Tor des Himmels wieder
Zurückgewinkt; die Schwefelhagelflut,
Die uns im Sturme nachgeschüttelt ward,
Hat ausgetobt, im wilden Flammenmeer,
Das uns umwogt, als wir vom Himmel stürzten;
Der Donner, mit dem roten Blitz beschwingt
Und ungestümer Wut, hat seinen Köcher
Vielleicht erschöpft, und lässt allmählich nach,
Zu brüllen durch den endlos wüsten Schlund.
Lass die Gelegenheit uns nicht versäumen,
Die uns des Feinds gesättigte Wut verschafft.
Siehst du die furchtbar öde Haide dort,
Die Wohnung der Verzweiflung, ohne Licht,
Bis auf den Schimmer dieser fahlen Flammen,
Die blass und schrecklich flimmern? Dorthin lass
Uns retten aus der Feuerwogen Stößen,
Lass dort uns ruhn, wenn irgend Ruhe dort,
Und sammelnd unser tiefbetrübtes Heer
Erwägen, wie wir unsern Schaden bessern,
Und unser furchtbar Elend überstehn,
Wie aus der Hoffnung wir Verstärkung schöpfen,
Wo nicht, Entschlossenheit aus der Verzweiflung.«
Satan erweckt die rebellischen Engel
So sprach der Satan zu dem Leidgefährten,
Das Haupt der Flut enthoben, und die Augen
In Flammen funkelnd; niederwärts gebeugt
Schwamm mehre Hufen weithin ausgestreckt
Sein Körper auf den Wogen lang und breit,
An Größe jenen Riesen gleich der Fabel,
Wie die Titanen oder Erdgebornen,
Die Zeus bekriegt, wie Typhon und Briareus,
Die einst die Schlucht beim alten Tarsus barg,
Wie jenes Seegetier, der Leviathan,
Den Gott als allergrößtes Wesen schuf,
Das in des Ozeans Gewässern schwimmt,
Den, wenn er in Norwegens Schaume schlummert,
Der Schiffer einer nachtereilten Barke
Oft für ein Eiland hält, und, wie man sagt,
Wirft dann der Seemann in die Schuppenhaut
Den Anker, und liegt vor dem Wind geschützt
An seiner Seite, wenn noch nachtumhüllt
Dem Meer nicht der ersehnte Morgen lacht.
So ausgestreckt lag jetzt der Satan da,
Gekettet an den Feuersee; wohl nimmer
Hätt' er sein Haupt erhoben, wenn der Wille
Und die Erlaubnis des Allwaltenden
Ihm Raum zu seinem finstern Werke ließ,
Damit er selbst durch wiederholten Frevel
Verdammnis auf sich häufe, da er Andern,
Zu schaden sucht' und dann voll Grimm gewahrt,
Wie alle Bosheit Gutes nur erschuf,
Und den durch ihn verführten Menschenkindern
Unendlich Huld und Gnad' erwiesen wird,
Doch wälzt auf ihn sich dreifach Rach' und Wut, –
Jetzt richtet aus dem Pfuhl er sich empor,
Gewalt'gen Wuchses, von den beiden Seiten
Zurückgetrieben, senken sich der Flammen
Hochzackige Gipfel, rollen in die Wogen
Und lassen mittendrin ein schrecklich Tal.
Dann steuert er mit ausgespannten Schwingen
Im Flug empor, auf finstern Lüften schwebend,
Die ungewohnte Last empfinden, bis er dann,
Das trockne Land erreicht, wenn Land es war,
Wo immerfort ein festes Feuer glimmt,
So wie der See von flüssigen Flammen glühte:
An Farbe schien es so, als ob die Kraft
Der unterirdischen Winde Felsen reißt
Von dem Pelorus und dem donnernden
Geborstnen Ätna, dessen Eingeweide
Brandträchtig und verbrennbar Feuer fängt,
Das, durch die Wut der Lava noch erhöht,
Vereint dem Sturme, nur versengten Boden
Voll Qualm und Rauch zurücklässt. Solchen Ort
Der Ruh fand des verfluchten Fußes Sohle!
Ihm folgte schnell sein treuer Mitgenoss,
Frohlockend prahlten Beide jetzt als Götter
Durch eigne neuerlangte Kraft, und nicht
Durch die Erlaubnis einer höhern Macht
Dem stygischen Glutenmeer entflohn zu sein.
Dann sprach der Mund des tiefgefallnen Engels:
»Ist dies die Gegend, dies das Land und Klima,
Der Sitz, den mit dem Himmel wir vertauschen,
Das trübe Dunkel für das Himmelslicht?
So sei's, weil er, der jetzt Gebieter ist,
Verfügen kann, was er als Recht gebeut:
Am besten ist's, recht fern von ihm zu sein,
Den, an Vernunft uns gleich, nur die Gewalt
Erhoben über Gleiche! Fahre wohl
Glückselig Feld, der ew'gen Freude Sitz!
Heil Schrecknis Dir! Heil Dir o Unterwelt!
Und Du o tiefste Hölle huldige jetzt
Dem neuen Herrn, der einen Geist besitzt,
Der unverändert bleibt durch Raum und Zeit.
Es ist der Geist sein eigner Raum, er kann
In sich selbst einen Himmel aus der Hölle,
Und aus dem Himmel eine Hölle schaffen.
Was gilt das Wo, bin ich nur immer ich,
Und was ich sein soll, doch nur größer nicht,
Als er, der durch den Donner mächt'ger ward!
Hier sind wir frei; hier baute nicht der Herr,
Um Neid zu wecken, wird uns nicht von hier
Vertreiben; sicher können hier wir herrschen,
Und wie mich dünkt, ist Herrschen würd'ger Lohn
Und wär's auch in der Hölle; besser ist
Der Hölle Herr sein, als des Himmels Sklave.
Doch warum lassen wir die treuen Freunde,
Die Kampfgenossen und des Falles Brüder,
Betäubt im Pfuhle der Vergessenheit,
Und rufen sie nicht her, um die Behausung
Die unglückselige mit uns zu teilen;
Ha! oder noch ein Mal vereinten Kampfs
Zu wagen, ob vom Himmel wir gewinnen,
Ob in der Hölle noch verlieren können?«
So sprach der Satan, und Beelzebub
Erwidert ihm: »Du Führer dieser Scharen,
Die der Allmächtige nur bezwingen konnte,
Wenn sie nur ein Mal Deine Stimme hören,
Die in Gefahr der Hoffnung Unterpfand,
Und oft in Not gehört ward, in des Kampfes
Gewühle, wutentbrannt, die beste Losung:
Dann wird sie bald ein neuer Mut beleben,
Die krümmend jetzt im Feuermeer sich wälzen,
Wie wir so eben noch, betäubt, erschreckt;
Kein Wunder, nach so schwindeltiefem Sturz!«
Kaum schwieg er still, als schon der Satan sich
Zum Ufer wandte, den gewichtigen Schild,
Groß, breit und rund, und von ätherischem Stoff
Am Rücken tragend. Hing der breite Kreis
Doch auf den Schultern, wie des Mondes Scheibe,
Wann sie durch's Glas Toscaniens Künstler sieht
Des Abends von Fiesole's Gebirg
Und von Valdarno, neues Land entdeckend
Samt Fluss und Bergen auf dem fleckigen Kreise.
Sein Speer, wogegen selbst die höchste Tanne,
Gefällt auf Norwegs Bergen, sie als Mast
Im größten Admiralschiff aufzupflanzen,
Ein schwaches Stäbchen wär', dient ihm als Stütze
Bei seinem Gang auf glühendem Gestein,
Ungleich dem Gang auf dem Azur des Himmels.
Die heisse Luft umloht mit Feuer ihn;
Doch ruhig hielt er's aus bis an's Gestad
Des Feuermeers, hier rief er seiner Horde,
Den Engeln, die betäubt in Scharen lagen,
Herbstblättern gleich, auf Valombrosa's Bäche
Gestreut, wo die Etrurischen Schatten sich
In Bogen wölben, oder so dicht, wie Schilf,
Wann mit entfesseltem Wind bewehrt Orion
Des roten Meeres Küste peitscht, des Wogen
Busiris samt den Reisigen aus Memphis
Versenkt dereinst, als Gosens Gäste sie
Treulosen Grolls verfolgten, die am Strand
Die Leichen schwimmend auf dem Meere sahn
Samt den zerbrochnen Wagen; so verstreut,
Zerrüttet und verloren lagen diese,
Die Flut bedeckend und betäubt ob ihrer
So schmählichen Verwandlung. – Da
Rief er so laut, dass hohl der Hölle Tiefen
Es widerhallten: »Fürsten, Herrscher, Krieger,
Des Himmels Blüten, des euch jetzt verlornen,
Wenn ein Entsetzen ew'ge Geister je
Erschüttern kann; habt ihr den Ort gewählt,
Um nach des Krieges Mühn euch Ruh zu gönnen
Und eurem Mut, weil ihr den Schlummer hier
So süß, wie in den Himmelsthalen findet?
Schwurt ihr, in dieser hingeworfnen Stellung
Den Sieger anzubeten, der nun Seraph
Und Cherub in der Glut sich wälzen sieht,
Mit ringsverstreuten Waffen, bis behend
Der Diener Schar vom Himmelstor den Vorteil
Erblickt und niederstürmt, um uns Erschöpfte
In Grund zu treten, mit verketteten
Blitzkeulen an den Grund des Pfuhls zu schmieden?
Erwacht! erhebt euch oder bleibt gestürzt!«
Sie hörten ihn beschämt, erhoben sich
Auf ihren Schwingen, so wie Menschen wohl,
Die Wache halten, schlafend von dem Obern
Gefunden werden, den sie fürchten, rasch
Auftaumeln, ehe ganz erwacht sie sind.
Noch kannten sie die traurige Lage nicht,
Noch fühlten sie die grenzenlose Pein;
Doch schnell gehorchten wohl Unzählige
Des Herrschers Stimme. Wie der mächtige Stab,
Von Amrams Sohn geschwungen um die Küste,
Einst an Ägyptens unheilvollem Tage
Ein schwarz Gewölk Heuschrecken herbeschwor,
Vom Ost zusammengeblasen gleich der Nacht
Auf jenes frechen Pharao Reiche hängend,
Des Nils Gestad verdunkelnd: so auch schwebten
Zahllos jetzt unter ihrer Hölle Kuppel
Die bösen Engel in den Flammengluten,
Die sie von allen Seiten rings umflossen,
Bis als ein Zeichen den erhobnen Speer
Ihr Sultan schwang, um ihren Flug zu leiten,
Dann ließen sie auf festen Schwefelgrund
Im Gleichgewicht sich nieder und erfüllten
Die ganze Flur, ein Schwarm, wie nie der Norden
Aus seinen Eisgefilden einen sandte,
Die Donau und den Rhein zu überschreiten,
Als die barbarischen Söhne gleich der Sündflut
Nach Süden kamen, unter Gibraltar hin
Bis zu dem Sande Libyens sich verbreitend,
Nun eilten gleich von jeglicher Partei
Die Häupter dahin, wo ihr Führer stand;
Gestalten, die als Götter menschliche
Gebilde weithin übertrafen, würdig,
Gewaltig, die im Himmel früher thronten
Obwohl ihr Name dort nicht mehr verzeichnet,
Denn ausgelöscht sind sie und ausgetilgt,
Seit der Empörung aus dem Buch des Lebens.
Noch führten sie die neuen Namen nicht,
Die unter Eva's Söhnen sie empfingen,
Als sie durch Gottes hohe Zulassung
Auf Erden wallten zu der Menschen Prüfung,
Durch Lug und Trug der Menschheit größten Teil
Verführten, Gott den Schöpfer zu verleugnen,
Und dessen unsichtbare Herrlichkeit
In eines Tieres Bildnis umzuwandeln,
Das sie geschmückt mit heitrer Frömmelei
Voll Pomp und Gold ja Teufel göttlich selbst
Anbeteten. Sie wurden dann bekannt
Der Heidenwelt in mannichfacher Form.
O Muse, nenne jetzt die Namen Jener,
Die aus dem Schlummer in dem Feuerbett
Auf ihres großen Kaisers Ruf erwachten,
Wie einzeln sie nach ihrem Würdegrad
Hinschritten, wo am öden Strand er weilte,
Indes der niedre Haufe ferne blieb.
Die Häupter waren Jene, die, der Hölle
Entsteigend, ihren Raub auf Erden suchten
Und später ihren Sitz bei Gottes Thron
Und ihren Altar bei dem seinen nahmen,
Von Völkern rings als Götter angebetet,
Sie wagten frech Jehovah sich zu nahn,
Der donnernd unter Cherubscharen thronte
Auf Zion, stellten selbst im Heiligtum
Oft ihre Götzen auf, entheiligten
Mit fluchbeladnen Dingen die Gebräuche
Und hehre Gottesfeier, um sein Licht
Mit ihrem Dunkel kecklich zu verhöhnen.
Moloch zuerst, der schreckenvolle Fürst,
Befleckt mit Menschenblut und Älternthränen,
Obwohl durch das Gelärm' der Pauk' und Trommel
Das laute Schrein der Kinder ward betäubt,
Die durch das Feuer zu dem Götzen gingen.
In Rabba und in dessen Wasserfläche
Ehrt ihn der Ammonit, zu Argob und
Zu Basan bis zum Strom des fernen Arnon.
Mit trotziger Nachbarschaft noch nicht zufrieden,
Bethört er auch durch Ränke Salomo's
Hochweises Herz, dass er ihm Tempel baute,
Dem Tempel Gottes gegenüber just
Auf jenem Hügel, der mit Greul bedeckt,
Dass er das reizendholde Tal von Hinnon,
Tophet und schwarz Gehenna dann genannt,
Ein Höllenvorbild, ihm als Hain erteilte. –
Dann nahte Chemos, Schreckbild Moabs Söhnen,
Von Aroer bis Nebo, bis zur Wüste
Von Abarim im Süden weithinein,
In Hesebon und Horonaim Herrscher;
In Seons Reich, noch weiter als das Tal
Von Sibma, welches blüht' und weinumkränzt,
Und Eleale bis zum Asphalt-Sumpf.
Auch Peos hieß er, als er Israel
Auf seinem Zug vom Nil zu Sittim reizte
Ihn anzubeten, was sie schwer dann büßten.
Von da dehnt er die üpp'gen Orgien aus
Bis an den Hain des mörderischen Moloch
Auf jenem Greuelhügel, Wollust wohnte
Dicht bei dem Hasse; bis sie Beide dann
Der fromme Josiah zur Hölle trieb.
Dann kamen jene, die einst von der Flut
Des alten Euphrat bis zu jenem Bach,
Der Syriens Boden von Ägypten scheidet,
Baalim und Astaroth als Namen führten,
Die männlichen, die weiblichen Geschlechts,
Denn Geister können, wenn sie irgend wollen,
Ein jegliches Geschlecht, ja beide führen,
So zart und einfach ist ihr reiner Stoff:
Durch Glieder und Gelenke nicht gezwängt,
Noch auf der Knochen spröde Kraft gestützt,
Wie plumpes Fleisch; nein, was auch für Gestalt
Sie wählen, ob verdichtet, ob gedehnt,
Licht oder dunkel, sie vermögen doch
Die luftigen Geschäfte zu vollziehn
Sowohl des Hasses Werke, wie der Liebe.
Für sie verließ der Stamm von Israel
Oft die lebendge Kraft, und ließ verödet
Den heiligen Altar, sich tiefer beugend
Vor tierischen Götzen; dafür wurden tief
Auch ihre Häupter in der Schlacht gebeugt
Und sanken vor den Speeren schnöder Feinde.
Mit dieser Schar kam Astaroth heran,
Astarte von Phöniciern genannt,
Die Himmelskönigin mit Mondeshörnern,
Vor deren Bild nächtlich bei Mondenschein
Sidoniens Jungfrau'n beteten und sangen;
In Zion auch blieb sie nicht unbesungen,
Wo auf dem Berg der Schmach ihr Tempel stand,
Erbaut von jenem buhlerischen König,
Des großes Herz, von schönen Heidinnen
Verführt, in niedern Götzendienst verfiel.
Nach ihn kam Thammuz, dessen Wunde jährlich
Zum Libanon die Töchter Syriens lockte,
Um einen ganzen Sommertag hindurch
In Liebesklagen sein Geschick zu singen,
Und weil der Quell Adonis aus dem Felsen
Ganz purpurn floss zur See, vermeinten sie,
Es sei das Blut des jährlich wunden Thammuz.
Dies Liebesmärchen weckte gleiche Glut
In Zions Töchtern, deren Leidenschaft
Ezechiel im heiligen Vorhof sah,
Als durch Visionen seinem Auge ward
Des falschen Juda Götzendienst gezeigt.
Dann folgte der, des Trauer ernstlich klagte,
Als die gefangne Bundeslade wild
Sein Bild zermalmte, Haupt und Hände selbst
Im eignen Tempel ihm am Fußgesims
Abschlug, dass rasch es auf den Boden stürzte
Zur Schande der Verehrer, – dies war Dagon,
Ein Ungeheuer des Meers, halb Fisch, halb Mensch,
Doch hat er seinen Tempel hoch erbaut
Zu Azot, längs dem Strande Palästina's,
Gefürchtet auch, in Gad und Askalon,
In Akkaron bis an die Grenzen Gaza's.
Ihm folgte Rimmon, dessen Lieblingsort
Damaskus war, an dem fruchtbaren Strand
Abbana's, Pharphars, der kristallnen Ströme.
Auch er war gegen Gottes Tempel frech,
Verlor einst einen Kranken und gewann
Dort einen König Abas, jenen Narren,
Den keck er zwang, des Herrn Altar zu schänden,
Und einen syrischen dafür zu baun,
Auf dem man die verhassten Opfer brannte,
Und Götter ehrte, die er überwunden.
Dann naht ein Zug mit Namen alten Rufs
Osiris, Isis, Orus und ihr Tross.
Mit Zauberei'n und rätselhaften Bildern
Betrogen sie Ägypten samt den Priestern,
Dass das fanatische Volk in Tiergestalt
Anstatt in Menschenform die Götter suchte.
Auch Israel entging nicht dieser Pest,
Als ihr geborgtes Gold das Kalb erschuf
Am Horeb, und der wildempörte König
Die Sünd' in Bethel und in Dan verdoppelt',
Als er den Schöpfer gleich dem Stiere formte,
Jehovahn, der in einer Nacht zugleich,
Als an Ägypten er vorüberzog,
Die Erstgebornen samt den blöckenden
Abgöttern schlug. – Zuletzt kam Belial,
Gemeinrer Geist fiel von dem Himmel nie,
Der nur das Laster um das Laster liebte;
Ihm stand kein Tempel, rauchte kein Altar,
Doch wer ist mehr in beiden wohl als er,
Wenn selbst der Priester Gottesleugner wird,
Wie Eli's Söhne, die mit Wollust einst
Und mit Gewalttat Gottes Haus beschimpften?
An Höfen und Palästen herrscht er auch,
In üppigen Städten, wo des Schwelgens Jubel
Und Schuld sich über ihre höchsten Türme
Erhebt. Wenn Nacht die Straßen dunkel hüllt,
Dann wanken Belials Söhne wild heraus
Von Wein und frechem Übermut erfüllt.
Die Straßen Sodoms waren Zeugen des,
Und jene Nacht in Gibeah, wo ein Weib
Gastfrei man preisgab, Ärgres zu verhüten.
Die Ersten waren dies an Rang und Macht,
Die Übrigen zu nennen wär' zu lang.
Wenn auch die Namen weit und breit berühmt,
Ioniens Götter, von dem Stamme Javan's
Verehrt als Götter, doch nach eigner Beichte
Weit spätern Ursprungs als wie Erd und Himmel,
Die hohen Eltern; Titan, Erstgeborner
Des Himmels mit der ganzen Riesenbrut,
Dem von dem jüngern Bruder, vom Saturn
Das Recht der Erstgeburt entrissen ward.
Saturn empfing von seinem Sohn mit Rhea,
Vom Jupiter dafür ein gleiches Los;
So herrschte Jupiter! Zuerst bekannt
War diese Schar in Creta und auf Ida,
Beherrschte dann auf des Olympus Schnee
Die Mittelluft, als ihren höchsten Himmel,
Auch auf der Klippe Delphis, zu Dodona,
Entlang die Grenzen all des Dorerlands;
Dann jene, welche mit Saturn entflohn
Hesperien zu, hin über Adria,
Der Celten fernstes Inselmeer durchstreifend.
Sie all' und Andre kamen scharenweis
Doch mit gesenktem und betrübtem Blick,
Worin ein schwacher Freudestrahl nur glänzte,
Dass sie verzweifelt nicht ihr Haupt gefunden
Und im Verlust sich selber nicht verloren.
Zweideutige Röte färbte sein Gesicht,
Doch schnell den alten Stolz zusammennehmend
Erhob er schmeichelnd ihren schwachen Mut
Mit hohen Worten, die nach Würde klangen
Ob sie gehaltlos auch, und bannte so
Der Seinen Furcht. Sogleich befahl er dann,
Dass unter lautem, kriegerischen Klang
Der Zinken und Trompeten sein Panier
Erhoben werde; dieser Ehre wert
Hielt Azazel, ein stolzer Cherub, sich,
Der unverweilt am glanz'gen Stabesschaft
Die königliche Fahn' entrollt, die frei
Ein Meteor im Windeszuge blitzte,
Mit goldnem Prunk und Gemmen reich besetzt,
Den Waffen und Trophän der Seraphim.
Nun schallt aus lauterklingendem Metall
Der kriegerische Ton, drin allgemein
Der Krieger Schrei sich mischt, dass die Gewölbe
Der Hölle dröhnen, und das Reich des Chaos,
Die alte Nacht von außen selbst erschüttert.
Im Nu sah man zehntausend Banner wehn,
Durch's Dunkel in den hellsten Farben flatternd,
Ein Wald von Speeren hob sich hoch empor,
Es drängten Helme sich, geschlossne Schilde
In dichten Reihn aus unermessner Tiefe.
In regelrechtem Phalanx schritten sie,
Nach dorischen Flöten und Schalmeienklängen,
Die vor der Schlacht des Altertumes Helden
Dereinst zum edelsten Gefühl erhob,
Wut ward gemildert zur Besonnenheit,
Dass unbewegt sie Flucht und Rückzug mehr
Als Sterben fürchteten; auch war's die Macht
Der Töne den verstörten Sinn zu stillen,
Und Zweifel, Furcht und Angst und Schmerz zu bannen
Aus menschlichen und göttlichen Gemütern.
So rückten sie, vereinte Stärke hauchend,
Mit festem Sinne, schweigend, unter sanftem
Getön der Flöten an, das ihre Pein
Beim Schreiten auf dem Glutgrund linderte.
Jetzt hielten sie, als näher sie gerückt,
In einer Schreckensfronte grauser Länge,
Mit blendenden Waffen, wie sie Krieger tragen,
Die lang bei Schild und Speer ergraut, erwartend,
Was ihres mächtigen Oberhaupts Befehl.
Rundum schweift sein erfahrnes Auge jetzt,
Durchfliegt gewandt die ganze Kriegerschar,
Die Ordnung und ihr Äußeres, wie Götter;
Dann überzählt er sie, und Stolz erfüllt
Sein Herz, und pocht verhärtet auf die Stärke.
Denn nie, seitdem der Mensch erschaffen, ward
Ein großes Heer gesehn, das im Vergleich
Mit diesem nicht ein kleines Völkchen wär',
Von Kranichen bekriegt, und wenn sich auch
Mit ihm vereint die Riesenbrut von Pflegra,
Die Helden, die bei Ilion und Teben
Gefochten unter Götterschutz und Schirm,
Ob auch mit ihm vereint die Ritterschaft
Britaniens und Armorica's, die einst
Mit Artus kämpfte, wie Romanzen melden,
Samt allen Gläub'gen und Ungläubigen,
Die in Asparamont und Montalban,
Damaskus und Marocco, Trapezunt
Seitdem gefochten, oder samt den Truppen,
Die einst Biserta sandt' aus Afrika,
Als Karl der Große mit den Palatinen
Bei Fontarabia fiel. – So weit dies Heer
Auch den Vergleich mit Menschen übertraf,
So fügt es doch dem Führer sich, der Alle
An Wuchs und Haltung, einem Turme gleich
Stolz überragte, denn noch hatte seine
Gestalt nicht all den frühern Glanz verloren.
Er sah wie ein gestürzter hoher Engel,
Des Glanzes Übermaß nur war verdunkelt;
Wie wenn die eben aufgegangne Sonne
Durch nebelhafte Luft des Horizonts,
Beraubt der hellen Strahlen, schimmert, oder
In düsterer Verdunklung hinterm Mond
Ein Zwielicht wirft auf unsrer Erde Hälfte,
Mit Furcht vor Wechsel Könige bedrohend:
Also verdunkelt, doch vor Allen strahlend
Stand Satan, auf der Stirne zwar die Narben
Des Donners, und auf seiner welken Wange
Das Mal des Kummers, aber wilder Mut
Und Stolz lag in den Augenbrauen, die
Auf Rache harrten; grimmig blickt das Auge,
Doch reuig auch und schmerzlich, wenn es jetzt
Die Mitgenossen seiner Schuld erblickt
– Wie anders waren sie im Heil zu schaun –
Verdammt zu gleichem, ewigen Los der Pein;
Millionen Geister, die durch seine Schuld
Vom Himmel ausgestoßen, und dem ew'gen Licht
Verschlossen waren, blieben doch ihm treu,
Nach dem Verlust der ew'gen Glorie selbst:
So streckt sich, wann des Himmels Glutenstrahl
Waldeichen oder Bergesfichten trifft,
Ihr stolzer Wuchs mit dem versengten Wipfel
Und laubentblößt auf öder Haid' empor.
Jetzt regt er sich zu sprechen, rasch umgeben
Die Doppelreihen ihn und schließen dann
Im Halbkreis ihn mit seinen Großen ein.
Aufmerkend schweigen sie. Drei Mal beginnt,
Und drei Mal bricht er, seinem Stolz zum Trotz,
In Tränen aus, sowie sie Engel weinen;
Zuletzt, gemischt mit Seufzen, fand er Worte:
»O Myriaden von Unsterblichen,
Ihr Mächte, die nur den Allmächtigen
Als Gleichen haben – und mit ihm war selbst
Der Kampf nicht ohne Ruhm, wiewohl zuletzt
Furchtbar, wie dieser Ort bezeugt und Wechsel,
Fluch! es zu sagen; doch welch eine Kraft
Des Geistes, die des Wissens Quell, Vergangnes
Und Gegenwärtiges enthüllen mochte,
Ließ fürchten, dass solch einige Göttermacht
Wie unsre, je vertrieben werden könnte?
Denn wer kann jetzt, nach dem Verluste selbst
Wohl glauben, dass die Legionen all,
Durch deren Sturz der Himmel leer geworden,
Nicht wieder eigenmächtig sich erheben
Und ihren Heimatsitz erobern würden?
Das ganze Heer des Himmels zeuge mir,
Ob ich voll Widerspruch geraten, oder
Gefahren scheuend, Hoffnung je verlor?
Doch Er, der als Monarch des Himmels herrscht,
Saß sicher auf dem Thron bisher, gestützt
Auf alten Ruhm, Gewohnheit und Vertrag,
Und prunkte mit dem königlichen Pomp,
Doch barg er seine Kraft, was uns zum Kampfe
Verlockt und unsern Sturz herbeigeführt.
Nun kennen seine Macht wir und die unsre,
So dass wir weder Ihn zum Kampfe reizen,
Noch auch gereizt uns fürchten vor dem Krieg;
Das Beste bleibt verborgen nun zu wirken
Durch List und Trug, was nicht Gewalt vermocht;
Damit er endlich von uns lerne, dass
Wer durch Gewalt den Feind besiegt, nur halb
Ihn überwunden hat. Erzeugen kann
Der Raum noch neue Welten, denn die Sage
Ging schon im Himmel, dass er eine Welt
In Kurzem schaffen wolle, drin ein neues
Geschlecht zu pflanzen, das mit gleicher Gunst
Er segnen würde, wie des Himmels Söhne.
Dahin vielleicht geht unser erster Ausfall,
Und sei's als Späher. Sei's auch anderswo!
Denn dieser Höllenpfuhl soll nimmermehr
Des Himmels Geister ketten, noch das Dunkel
Des Abgrunds lang sie decken. Doch der Plan
Erfordert, dass im vollen Rat er reife,
Dem Frieden Fluch! Wer denkt an Unterwerfung?
Zum Kriege! Krieg! sei's offen oder heimlich!«
Er sprachs, und zu bestätigen seine Worte,
Erblitzten Millionen Flammenschwerter,
Von mächtgen Cberubshüften rasch gezückt,
Erleuchtet war die Hölle weitherum;
Sie ras'ten gegen den Allmächtgen wild,
Und schlugen grimmig mit geschwungnen Waffen
Auf ihren klingenden Schilden Kriegeslärm,
Zum Himmelsdom die stolze Fordrung brüllend.
Unweit davon erhob ein Hügel sich,
Des großer Gipfel Rauch und Feuer spie,
Sonst war der Berg von glanz'ger Rind' umstrahlt,
Ein sichres Zeichen, dass in seinem Bauch
Metallisches Erz, das Werk des Schwefels, war.
Dort eilt beflügelt hin ein dichter Trupp
Schanzgräbern gleich, mit Spaten und mit Schaufeln,
Die vor dem königlichen Heere laufen,
Das Feld mit Wall und Graben zu umziehn.
Mammon voran, er, der gebeugteste
Der Geisterschar, die aus dem Himmel fiel.
Im Himmel selbst war immer niederwärts
Bei ihm Gedank' und Blick, bewundernd mehr
Des Himmels reiches Gold auf dem Getäfel,
Als all' das Heilige, was sich göttlich wies
In seligen Visionen; erst durch ihn
Erlernt der Mensch, die Tiefen zu durchplündern,
Und mit verruchter Hand die Eingeweide
Der Mutter Erde zu durchwühlen, nur
Der Schätze halb, die besser drin verborgen.
Geräumige Wunde hatte bald sein Trupp
Im Berg geschlagen und des Goldes Rippe
Herausgegraben. Niemand staun' etwa,
Dass Reichtum in der Hölle Tiefe wachse,
Des teuern Fluchs ist dieser Boden wert.
Lasst Jene hier, die irdische Dinge preisen,
Von Babel staunend reden und von Werken
Der Könige von Memphis; lernen, wie
Des Ruhmes größtes Monument voll Kraft
Und Kunst von der verworfnen Höllenschar
Leicht übertroffen wird in einer Stunde,
Was voller Fleiß kaum in Jahrhunderten
Zahllose Menschenhände bilden können.
Nah bei der Ebne schmelzt' in mancher Zelle,
Auf deren Grund ein flüssig Feuer quoll
Aus jenem See, ein zweiter Haufe künstlich
Erzmassen, von dem Gold die Schlacken sondernd;
Ein dritter hat im Boden schon gebildet
Verschiedne Formen und erfüllt die Rinnen
Durch wundersame Gäng' aus jenen Zellen:
So wie der Schall in einer Orgel schnell
Vom Windeshauch aus mancher Pfeife tönt.
Dann aus der Erde stieg ein Riesenbau
Gleich einem schnellen Dunst empor, beim Klang
Der zartsten Melodien und reinsten Stimmen,
In Tempelform, mit Pfeilern ringsumbaut,
Und dorischen Säulen, deren Architrav
Von Golde war; auch fehlte weder Fries,
Kranzleisten, noch erhabene Skulptur,
Das Dach war echtes Gold. Nicht Babylon
Noch Alcairo reicht' an diese Pracht,
Wenn sie im größten Flor für ihre Götter
Belus, Serapis Tempel bauten oder
Paläste für die Fürsten, als an Reichtum
Und Pomp Ägypten mit Assyrien stritt.
Die Säulen standen stattlich und vollendet,
Die ehernen Flügel öffnet schon das Tor,
Enthüllt den weithin ausgedehnten Raum
Auf glattem Estrich; vom gewölbten Dach
Hängt durch Magie so manche Reihe Leuchter
Und Sternenlampen, von Asphalt und Naphta
Genährt und voller Glanz wie Himmelslicht.
Bewundernd trat der hastige Haufen ein,
Der pries das Werk und jener dort den Meister,
Des Hand berühmt durch manchen hohen Bau
Im Himmel war, wo ihren Thron die Engel
Mit Szeptern hatten und wie Fürsten saßen,
Weil sie der höchste Herr mit Macht begabt,
Der sie beherrschen ließ die lichten Scharen,
Und Jeden zwar im eigenen Bezirk.
Sein Name war bekannt und hochgeehrt
In Griechenland; und in Ausonien
Ward er vom Volke Mulciber genannt,
Und da er aus dem Himmel stürzte, ging
Die Sage, dass ihn Zeus geschleudert habe
Im Zorn herab von den kristallnen Zinnen,
Wo er vom Morgen bis zum Mittag fiel,
Und immerfort bis zum betauten Abend;
Worauf er mit der Sonne vom Zenith
Ein fallender Stern herab auf Lemnos sank, –
Doch irrte das Gerücht, denn dieser fiel
Schon lang vorher mit der Rebellenschar,
Nichts frommt es ihm, dass er erhab'ne Dome
Im Himmel türmte, denn mit allen Künsten
Ward häuptlings er mit seiner ems'gen Schar
Herabgestürzt, die Hölle zu bebaun.
Indes verkünden auf Befehl des Satans
Beschwingte Heroldsboten mit Trompeten
Und hohem Pomp dem Heere feierlich:
Dass sich der höchste Rat versammeln möge
In Pandämonium, als dem hohen Sitz
Des Satans und der Seinen; ihre Ladung
Berief von jeder Schar und Legion
Die Würdigsten nach Stellung oder Wahl.
Gleich nahten sie von Tausenden begleitet,
Durch jeden Zugang war Gedräng. Die Tore,
Vorhallen, und zumeist die große Halle
(Sie glich mehr einem überdeckten Feld,
Wo Kämpfer sich auf Rossen tummelten
Und vor des Sultans Thron die besten Ritter
Der Heiden in den Zweikampf forderten)
War dicht umschwärmt, und Erd' und Luft erklang
Vom Rauschen ihrer Flügel. Wie die Bienen
Im Lenz, wann in den Stier die Sonne tritt,
Ihr zahlreich Völkchen aus dem Stock in Schwärmen
Aussenden, und auf Blumen hin und her
Im Taue fliegen, oder auf dem Bret,
Dem glatten Hof der strohgeflochtnen Burg,
Mit Balsam neu bestrichen, die Geschäfte
Des kleinen Staats beraten: also dicht
Drängt sich das luftige Heer, bis ein Signal
Ertönt – und sieh ein Wunder! die vorhin
Der Erde Riesen überragten, sie
Sind kleiner als die kleinsten Zwerge jetzt,
Und dringen zahllos in den engen Raum,
Wie die Pygmä'n, jenseits von Indiens Bergen;
Wie Elfen, deren mitternächtigen Tanz
Bei einem Waldplatz oder einem Quell
Der Landmann sieht, vielleicht auch träumt zu sehn;
Indes der Mond herrscht über seinem Haupt,
Im blassen Gange sich der Erde naht,
Ergötzen jene, nur auf Scherz bedacht,
Das Ohr ihm mit der lieblichsten Musik,
Dass Lust und Furcht zugleich im Herzen wallen.
So schufen diese körperlosen Geister
Aus Riesenform die niedlichste Figur,
Und saßen ganz geraum, wiewohl unzählig,
Inmitten dieser unterirdischen Halle.
Doch tiefer drin, und im gehörigen Maß
Sich selbst gleich, saßen im verborgnen Raum
Geheim die Seraphim und Cherubschar,
Zahlreich auf goldnen Sesseln, wohl an tausend
Halbgötter. Dann begann nach kurzem Schweigen,
Verles'nem Aufgebot der große Rat.
Hoch auf dem Thron von königlichem Prunk,
Der all den Reichtum Indiens und Ormuz's,
Wie den, wodurch des Ostens reiche Hand
Mit Perl' und Gold die Fürsten überströmt,
Weit überstrahlte, saß der Satanas.
Durch sein Verdienst zu solcher Höh' erhoben
Und durch Verzweiflung über alles Maß
Gestiegen, strebt er höher noch hinaus,
Um unersättlichen, doch eitlen Krieg
Mit Gott zu führen, achtlos des Erfolgs,
Enthüllt er seine stolzen Pläne so:
»Ihr Herrschermächte, Herrn und Himmelsgötter,
Weil keine Tief' im Abgrund ew'ge Kraft,
Wenn auch gestürzt sie ist, erhalten kann,
Geb' ich noch nicht den Himmel für verloren.
Von diesem Fall erstehend, wird die Kraft
Die himmlische, weit herrlicher erscheinen,
Und hat den zweiten Fall nicht zu befürchten.
Zwar hat mich Recht und himmlisches Gesetz
Zu eurem Haupt erwählt, dann freie Wahl,
Nebst dem, was ich im Rat und im Gefecht
Mir an Verdienst erwarb; doch der Verlust,
So weit er wiederum ersetzt, hat mir
Den Thron, noch unbeneidet, mehr befestigt,
Den volle Beistimmung mir übergab.
Des Himmels Heil, von Würde stets begleitet,
Mag im Geringern wohl den Neid erregen,
Doch wer beneidet Den, des höchster Stand
Zum Ziel des Donnerers zuerst ihn stellt,
Als euer Bollwerk, und verdammt zur Fülle
Endloser Pein? Wo keine Güter winken
Als Kampfesziel, regt sich kein Streit zur Spaltung;
Denn Keiner wünscht der Hölle Vorzug wohl,
Und Keiner, dessen Qual nur wenig wiegt,
Wird größre noch verlangen. Einigkeit
Und feste Treue, wie sie kaum im Himmel,
Lässt unser altes rechtes Erbe fordern,
Gewisser des Erfolgs, als je das Glück
Uns zuerteilte; was der beste Weg,
Ob offnes Kämpfen, ob verdeckte List,
Erwägen wir: wer Rat weiß, möge sprechen.«
Er schwieg, und ihm zunächst stand Moloch auf,
Ein szeptertragender Fürst, der stärkste Geist,
Der wild im Himmel focht, und wilder jetzt
Noch aus Verzweiflung war; er hielt an Stärke
Dem Ewigen sich gleich und wollte lieber
Nicht sein, als weniger; bei diesem Glauben
Schwand alle Furcht, um Gott, um Höll' und Ärg'res
Ganz unbekümmert, sprach er diese Worte:
»Mein Rat ist offner Krieg, nicht rühm' ich mich
Der List, worin ich unerfahren bin;
Lasst Dem sie, wem sie nötig, oder wenn
Sie nötig, nur nicht jetzt. Soll, während Solche
Nachgrübelnd sitzen, die bewaffnete
Million, die das Signal zum Kampf ersehnt,
Als Flüchtlinge des Himmels müßig schmachten,
Als Wohnsitz diesen dunkeln Pfuhl der Schmach,
Den Kerker seiner Tyrannei, der nur
Durch unsre Zögerung regiert, empfangen?
Nein, lasst uns lieber mit der Hölle Feuer
Und Wut uns waffnen, um auf Einmal all'
Unwiderstehlich zu des Himmels Zinnen
Vorschreitend unsre Marterqual als Waffe
Dem Peiniger entgegen zu verwandeln.
Dann soll auf seines Wurfgeschosses Tosen
Der höllische Donner dröhnen; statt des Blitzes
Nur schwarze Glut, mit gleicher Wut geschossen,
Die Engelschar umlodern und sein Thron
Mit Schwefel sich und fremdem Feuer, erst
Als Folter uns erwählt, umflutet sehn.
Doch Manchem scheint vielleicht der Weg zu steil
Mit ausgespreizten Schwingen gegen jenen
Gewalt'gern Feind; drum lasst bedenken uns,
Wenn nicht der Trank aus dem Vergessenspfuhl
Sie noch umnebelt, dass wir in die Heimat
In uns gebührender Bewegung steigen,
Zu fallen, wär' zuwider unserm Wesen.
Wer fühlte jüngst nicht, als der trotz'ge Feind
An des geschlagnen Heeres Nachtrab hing,
Uns in die Tiefe trieb, mit welchem Zwang
Und mühevollem Flug so tief wir sanken?
Aufsteigen ist drum leicht, der Ausgang ist
Gefürchtet; reizten wieder wir den Stärkern,
Kann schlimmre Wege zum Verderben uns
Sein Zorn erwählen, wenn wir in der Hölle
Noch Furcht vor ärgerer Zerstörung kennen.
Was gibt es Schlimmres wohl, als hier zu wohnen,
Fern von der Seligkeit, in grauser Tiefe,
Zu grenzenlosem Weh verdammt zu sein?
Wo unauslöschbar quälend Feuer uns
Ganz ohne Hoffnung eines Endes foltert,
Als seines Zorns Vasallen, wenn die Peitsche
Und Folterstund' uns ruft zur Züchtigung?
Noch mehr zerstört, als jetzo, würden wir
Durchaus vernichtet sein und aufgerieben.
Was fürchten wir, was zaudern wir, den Zorn
In ihm auf's Äußerste zu reizen? Wenn
Zur größten Wut wir ihn entflammen, wird
Er uns zerstören und in Nichts verwandeln,
Ein größer Glück, als ewig elend sein!
Wenn aber unser Wesen göttlich ist,
Nicht lassen kann zu sein, so droht uns auch
Nichts Schlimmres mehr, und die Erfahrung spricht
Für unsrer Kräfte Fülle, seinen Himmel
Zu stören und mit stetem Kampfe seinen
Zwar unersteiglich grausen Thron zu schrecken.
Ist dies nicht Sieg, so ist's doch mind'stens Rache.«
Er endete mit finstrer Stirn, sein Blick
Verkündet Rache der Verzweiflung, Krieg,
Gefährlich für Geringere, denn Götter.
Drauf regt sich Belial auf der andern Seite,
Mehr zierlich, so wie menschlich an Gebärde.
Wohl schönern Geist verlor der Himmel nie,
Er schien gebildet nur für würd'ge Taten,
Doch Alles war noch falsch und hohl an ihm,
Obwohl ihm Manna von der Zunge floss,
Dass selbst die schlimme Sache besser schien,
Womit der reifste Rat vereitelt ward.
Sein Sinn war niedrig, nur für Laster emsig,
Bei edlern Taten aber feig und träg';
Dem Ohre schmeichelt seine Rede wohl,
Und überredend sprach er sanften Tones:
»Ich stimme ganz für offnen Krieg, ihr Herrn,
Denn in dem Hasse steh' ich Keinem nach,
Wenn nicht der Grund, der angeführet ward,
Um unbedingt den Krieg uns anzuraten,
Mir ihn am meisten widerriet' und schlimme
Vorahnung dem Erfolg zu drohen schien;
Wenn er, der in den Waffen ausgezeichnet,
Dem eignen Rat, so wie dem Krieger selbst
Misstrauend auf Verzweiflung und Vernichtung
Den Mut begründet, als ob dies der Zweck,
Das ganze Streben grauenvoller Rache.
Doch welche Rache! Sind ja doch die Zinnen
Des Himmels mit Bewaffneten besetzt,
Die jeden Zugang unerreichbar machen.
Oft lagern Legionen an dem Rand
Des Abgrunds, mit den dunkeln Schwingen tief
Und weit in's Reich der Nacht hinein zu spähn,
Des Überfalles spottend. Könnten wir
Bahn brechen uns zum Himmel mit Gewalt,
Und folgte mit der schrecklichsten Empörung
Die Höll' uns auf den Fersen, um des Himmels
Licht zu vertilgen, würde dennoch unser
Gewalt'ger Feind unüberwindlich auf
Dem ewig unbefleckten Throne sitzen,
Und der äther'sche Stoff, der Flecken bar,
Vermöchte bald das Unheil auszustoßen,
Vom niedern Feuer glorreich sich zu läutern.
Zurückgeschlagen so, bleibt unsre Hoffnung
Verzweiflung nur; wir müssen den Allmächt'gen
Erbittern und zu höchster Wut ihn reizen,
Die uns vernichtet und dann unser Nichtsein
Als Heilung bringt; o schreckenvolle Heilung!
Wer würde wohl, wenn er auch voller Qual,
Dies geist'ge Sein verlieren, die Gedanken,
Die durch die Ewigkeiten wandern, nur,
Um zu vergehn, verloren und verschlungen
Vom weiten Schoß der unerschaffnen Nacht,
Bewegungslos und des Gefühls beraubt?
Wer weiß, wenn dies ein Gut auch selber wär',
Ob der ergrimmte Feind es geben kann,
Und ob er's jemals will? Ob er es kann,
Ist zweifelhaft; dass er's nicht will, gewiss.
Wird er, der Weise, seinen Zorn auf einmal
Entzügeln, um aus Unbedacht und Schwäche
Den Feinden ihr Begehren zu erfüllen?
Im Grimm sie zu vernichten, die sein Grimm
Endlosen Strafen aufbewahrt? Was zaudern!
So rufen Jene, die zum Kriege raten,
Wir sind zu ew'gen Leiden ja bestimmt,
Was wir auch immer tun, was können wir
Noch mehr erdulden und wohl Schlimm'res leiden?
Ist es das Ärgste, dass beratend wir
Also im Waffenschmuck hier niedersitzen?
Wie, wenn wir schnell entflöhn, verfolgt, getroffen
Vom Himmelsdonner und die Tiefe bäten,
Uns zu beschirmen? Dann erscheint die Hölle
Uns Zuflucht für die Wunden. Oder wenn
Gekettet auf dem Feuersee wir lägen?
Dies wär' ja ärger noch. Wie, wenn der Hauch,
Der dieses grimm'ge Feuer zündete,
Zu siebenfacher Wut er steigern wollte,
Um in die Flammen uns zu stürzen? Oder
Von oben die beruhigte Rache wieder
Die rote rechte Hand bewaffnete,
Uns neu zu quälen? Wie, wenn alle Räume
Geöffnet und der Hölle Firmament
In Feuerkatarakten sich ergösse
Und niederhängende Schrecken unsre Häupter
Mit grausevollem Einsturz einst bedrohten,
Indessen wir vielleicht glorreichen Kampf
Beraten, und ein Feuerstrudel uns
Ergriff und an die Felsen heftete,
Ein Spiel und Raub der wilden Wirbelwinde,
Wenn wir in Ketten für die Ewigkeit
In jenen siedenden Ocean versänken,
Dort unter ew'gem Stöhnen, unerleichtert,
Mitleidlos, unerlöst, jahrtausendlang
Ganz hoffnungslos zu weilen? Ärger wär's!
Zum Krieg, zum offnen, zum verborgenen,
Mag ich mit meiner Stimme drum nicht raten.
Was täte List und Stärke wider Den,
Der Alles ja auf Einmal übersieht?
Von Himmelshöhn verlacht er all die eitlen
Empörungen, und macht all' unsre Pläne
Zu nichte, weil er der Gewalt durch Allmacht
Zu widerstehn vermag. Im Elend leben,
Wie sollten wir's, ein Volk des Himmels, das
Gedrückt, verstoßen, Qual und Ketten trägt?
Eh' dies als Ärg'res – ist mein Rat, dieweil
Ein unvermeidlich Schicksal uns bewältigt,
Der Wille des Besiegers und sein Rat.
Und leiden, so wie handeln können wir;
Gerecht ist das Gesetz, das es befiehlt.
Wenn klug wir waren, rieten wir dazu
Schon damals, als wir mit dem mächt'gen Feind
Es wagten, wo der Sieg so ungewiss.
Ha! lachen muss ich, zittern solche, die
Kühn auf die Waffen trotzten, wenn sie fehlen,
Und Jenes fürchten, was doch, wie sie wussten,
Erfolgen musste: Schande, Ketten, Elend
Und Pein, wozu der Sieger sie verdammt.
Dies ist nun unser Los, und wenn wir's dulden,
Wird unser höchster Feind vielleicht dereinst
Ablassen von dem Zorn, und so entfernt
Von ihm beleid'gen wir ihn nicht, und er
Begnügt mit der erteilten Strafe sich.
Dann wird sich mindern auch des Feuers Wut,
Sobald sein Atem nicht die Flammen facht
Das rein're Wesen überwindet dann
Den grassen Dampf; vielleicht auch würden wir,
Daran gewöhnt, ihn nicht mehr fühlen, oder
Verändert und mit diesem Ort vertraut,
Die Schmerzen nicht der grimm'gen Hitze fühlen;
Der Schrecken wird uns mild, das Dunkel hell.
Wer weiß, welch eine Hoffnung die beständ'ge
Flucht künft'ger Tage mit sich bringen kann,
Welch einen Wechsel, wert, darauf zu warten,
Da unser jetzig Los zwar glücklich nicht,
Nur schlimm ist; schlimm jedoch das schlimmste nicht,
Wenn wir uns selbst nicht größres Weh erzeugen.«
Also riet Belial, gehüllt die Worte
In der Vernunft erborgtes Kleid, zur Ruh',
Zu freudevoller Trägheit, doch nicht Frieden,
Und nach ihm redete der Mammon so:
»Entweder streiten wir, wenn Krieg das Beste,
Damit den Himmelskönig wir entthronen
Und wiederum verlornes Recht gewinnen.
Ihn zu entthronen können dann wir hoffen,
Sobald das ew'ge Schicksal sich in Zufall
Verwandelt und das Chaos Richter wird.
Das Erstere zu erhoffen, ist zu eitel
So wie das Letztre. Welchen Platz im Himmel
Vermögen zu erringen wir, wenn nicht
Den höchsten Herrn des Himmels wir bezwingen?
Wenn er besänftigt uns auch Gnade böte,
Sobald Gehorsam wir und Treu verhießen,
Mit welcher Stirne beugten wir uns ihm,
Um des Befehls zu lauschen, seinen Thron
Mit Hymnen hoch zu feiern, seiner Gottheit
Gezwung'nes Halleluja singend, während
Als Herr er auf dem Thron beneidet herrschte,
Und sein Altar ambrosisch duftete
Von Blumen, die wir sklavisch opferten?
Dies wär' im Himmel unser Tagsgeschäft
Und unsre Lust; welch eine Ewigkeit,
Wenn, den wir hassen, wir verehren müssten.
Drum lasst uns nicht den frühern prächtigen
Vasallenstand auf's Neue jetzt erstreben,
Da wir unmöglich durch Gewalt ihn zwingen,
Und ihn verschmähn, wenn selbst ihn Gnade reicht.
In uns allein sei unsre Seligkeit,
Für uns allein zu leben, sei es auch
In dieser Wüste hier, damit wir frei
Und unabhängig statt des leichtern Jochs
Des Sklavenpomps die schwere Freiheit wählen.
Im schönsten Licht wird unsre Größe glänzen,
Wenn Großes wir aus Kleinem, Nützliches
Aus Schädlichem und Heil aus Unheil schaffen,
Und wo es sei, wenn unter Übeln wir
Zunehmen und durch Leiden und durch Mühen
Vergnügen aus der Marter ziehen können?
Und graut es uns vor dieser tiefen Welt
Der Finsternis? Wie oft erwählt der Höchste
In dichten dunkeln Wolken seinen Sitz,
Ganz unbeschadet seines Glorienscheins,
Wann er den Thron mit aller Majestät
Der Finsternis umzieht, mit Donnerbrüllen,
So dass an Wut der Himmel gleicht der Hölle!
Wie unser Dunkel er nachahmen kann,
So werden wir's wohl auch mit seinem Licht!
Auch diese Wüste hat verborgnen Glanz
An Gold und Edelstein, uns fehlt es nicht
An Kunst und an Geschick, vortreffliche
Gebäude zu vollenden, und vermag
Der Himmel mehr? Was unsre Pein jetzt ist,
Wird mit der Zeit zu unserm Element;
Mild wird das Feuer, das uns jetzo quält,
Nach seinem Wesen ändert sich das unsre,
Was auch das Schmerzgefühl entrücken wird.
Kurz Alles mahnt zu friedlichen Gedanken,
Lässt uns erwägen, wie in unserm Jammer
Wir uns am besten helfen, wohl bedenkend,
Was jetzt und wo wir sind; doch ferne sei
Die kriegerische Lust. Dies ist mein Rat.«
Kaum schwieg er, als ein solch Geräusch entstand
In der Versammlung, als ob hohle Felsen
Den Schall von brausenden Winden fangen, so
Die ganze Nacht die See durchwühlt und jetzt
Ermüdete Matrosen heisern Tons
Einschläfern, wann die Barke nach dem Sturm
In felsiger Bai durch Zufall ankerte:
Ein solcher Beifall klang nun allgemein,
Als Mammon schloss, denn es gefiel der Rat
Zum Frieden Allen, welche vor der Hölle
Nicht so erbebten, als vor neuer Schlacht.
So wirkte jene Furcht vor Michaels Schwert
Und seinem Donner noch in ihrem Innern,
So wie der Wunsch, das Höllenreich zu gründen,
Das sich durch Politik im Lauf der Zeit
Wetteifernd mit dem Himmel heben könnte.
Als Beelzebub, der Höchste neben Satan
Die Stimmung sah, erhob er sich mit ernstem
Antlitz, als wie der Pfeiler eines Staats.
Auf seiner Stirn war Überlegung tief
Und Sorge für's Gemeinwohl eingegraben,
Entschlossenheit erglänzte majestätisch
Auf seinem Antlitz, selbst noch im Verfall.
Ein Weiser stand er mit des Atlas Schultern,
Stark das Gewicht des größten Reichs zu tragen.
Sein Blick gebot Gehör und Ruhe rings,
Wie die der Mitternacht und Mittagsluft
Im Sommer, während er die Worte sprach:
»Ihr Herrschermächte, die vom Himmel stammen,
Voll Ätherkraft! Wie, sollten diesen Titel
Wir jetzt verändern und uns Höllenfürsten
Mit einmal nennen, denn des Volkes Stimme
Scheint dies zu wollen, um uns hier ein Reich,
Das mit der Zeit erwachse, zu erbauen.
Es träumt und weiß nicht, dass des Himmels König
Zum Kerker uns nur diesen Raum erwählt,
Als Zuflucht nicht vor seinem mächt'gen Arm,
Wo frei wir von des Himmels Herrschaft leben
Im neuen Bunde gegen seinen Thron:
Nein, dass wir in den strengsten Banden hier
Verbleiben, und, ob ferne selbst von ihm,
Im unvermeidlich harten Joche stehn
Als wohl verwahrte, schwer gefang'ne Schar.
Denn in der Höh' und Tiefe wird allein
Er als der erst' und letzte König herrschen
Und durch Empörung keinen Teil des Reichs
Jemals verlieren, sondern sein Gebiet
Bis in der Hölle tiefen Raum erweiten
Und uns mit einem Eisenszepter hier,
Dem goldnen gleich im Himmel, stets regieren.
Was raten wir auf Krieg und Frieden noch?
Der Krieg hat unser Schicksal schon bestimmt,
Den unersetzlichsten Verlust gebracht.
Den Frieden hat noch Niemand uns geboten,
Noch suchten wir ihn je, denn nimmer wird
Uns Sklaven andrer Frieden wohl gewährt,
Als Ketten, Geißel und der Willkür Strafe.
Und welchen Frieden gäben wir dafür,
Als Feindschaft nur und Hass nach unsrer Macht,
Nur unbezähmten Widerstand und Rache,
Die, langsam zwar, doch stets auf Pläne sinnt,
Des Sieges Lust dem Sieger zu entziehn,
Dass Ihn am mindesten erfreuen möge,
Was er uns tut, und wir am meisten leiden?
Gelegenheit wird uns dazu nicht fehlen,
Auch brauchen wir nicht mit Gefahr des Kampfs
Den Himmel anzugreifen, dessen Mauern
Nicht Sturm noch Überfall der Tiefe fürchten.
Wie, wenn wir einen leichtern Plan erdächten?
Es gibt ja einen Ort, (wenn jenes alte
Weissagende Gerücht im Himmel wahr!)
Die sel'ge Welt des neuerschaffnen Volkes,
Das man die Menschen nennt und das schon jetzt
Geboren ward nach unserm Ebenbild;
Nur nicht wie wir so herrlich und gewaltig,
Doch von dem Herrscher droben mehr begünstigt.
Denn so erklärt' er Göttern seinen Willen,
Bekräftigt' ihn mit einem solchen Eide,
Dass rings des Himmels Kreis erschütterte.
Darauf geh' unser ganzes Denken jetzt,
Was für Geschöpfe dort wohl wohnen mögen,
Von welchem Stoff und welchen Gaben sie,
Was ihre Macht und ihre Schwäche sei,
Und wie am besten sie zu hintergehn;
Ob mit Gewalt, vielleicht auch wohl mit List.
Obwohl der Himmel uns verschlossen ist,
Der ew'ge Richter in dem Himmel thront
In seiner eignen Stärke, kann doch immer
Uns dieser Ort mehr offen sein, als Grenze
Von seinem Reich, und die Verteidigung drin
Den eigenen Bewohnern überlassend.
Hier wird vielleicht ein Vorteil rasch erreicht;
Wenn plötzlich seine ganze Schöpfung wir
Mit Höllenglut verderben oder Alles
Als unser Eigentum zu nehmen suchen,
Und dann, wie wir vertrieben wurden, auch
Die schwächlichern Bewohner dort verjagen,
Und geht es nicht, sie dort zu unsrer Schar
Verleiten, dass sie ihren Gott befeinden,
Bis reuig er sein eignes Werk zerstört.
Gemeiner Rache käme dies nicht gleich:
Und seine Lust an unsrer Schande wich',
Indem wir seines Grolls uns freuen würden,
Wenn die geliebten Seelen zu uns nieder
Gestürzt, ihr schwaches Urbild und ihr Glück
So früh gewelkt, verfluchten. O bedenkt:
Ob dieses des Versuches würdig sei,
Und besser wohl, als in der Finsternis
Zu sitzen hier, auf eitle Reiche brütend.«
So teuflisch gab Beelzebub den Rat,
Den Satan erst zum Teile vorgeschlagen;
Denn von dem Urquell alles Bösen konnte
Solch eine tiefe Bosheit nur entspringen;
Um bis zur Wurzel das Geschlecht der Menschen
Verderbend, Erd' und Hölle zu vermischen;
Und dies dem großen Schöpfer nur zum Trotz;
Doch mehrt ihr Trotz nur seine Herrlichkeit.
Der kühne Plan gefiel der Höllen Schar,
In jedem Auge funkelte die Freude.
Einmütig stimmten Alle sie dafür,
Worauf er dann auf's Neue redete:
»Mit Recht entschiedet ihr den langen Streit,
Und habt als Götter eurer Größe nach
Die größte Tat beschlossen, die dereinst
Zum Trotz dem Schicksal aus der tiefsten Tiefe
Zu unserm alten Sitz uns heben wird
Vielleicht zu jenen klaren Grenzen auf,
Von wo wir mit den nachbarlichen Waffen
Bequem den Himmel wieder stürmen können;
Und wenigstens in mildrer Zone dann,
Verlassen nicht vom schönen Himmelslicht,
Verweilen, um am Strahl des Orients
Dies Dunkel wegzubaden, wenn die Luft
Uns sanft und lieblich all die Narben dieser
Glutklumpen heilt, indem sie Balsam haucht.
Wer aber soll die neue Welt erspähn,
Und wer genügt, den finstern, bodenlosen
Abgrund gewandten Schritts zu untersuchen,
Und wer soll durch die fühlbar dichte Nacht
Den ungebahnten Weg ergründen, oder
Den luft'gen Flug entfalten, unermüdlich
Die Schwingen über wüste Klüfte tragen,
Eh jenes Eiland er des Glücks erreicht?
Und welche Kunst und Stärke gnügte dann,
Und welche List, um jene scharfen Wachen
Der aufgestellten Engelschar zu täuschen?
Hier braucht es Vorsicht wie bei unsrer Wahl,
Denn Jener, den wir dorthin ausgesandt,
Trägt das Gewicht der ganzen letzten Hoffnung!« –
Er sprach's und setzte sich. Erwartung hielt
Erhoben seinen Blick: wer wohl erschien,
Wer loben oder widerraten würde
Und wagen den gefährlichen Versuch.
Doch Alle saßen stumm, – mit ernstem Sinn
Erwägend die Gefahr; und Jeder las
Bestürzt in seines Nachbars Angesicht
Die eigne Furcht. Und Keiner ward gefunden
Von dieser besten Schar der Himmelsstürmer,
Der keck sich zu der schreckenvollen Reise
Erbieten wollte, bis der Satan endlich,
Den jetzt ein klarer Glorienschein erhob,
Monarch'schen Ruhm's und Wertes sich bewusst,
Zu seinen niedrigern Gefährten sprach:
»Nachwuchs des Himmels! Lichtverklärte Throne!
Mit Recht hat tiefes Schweigen uns ergriffen
Und Bangigkeit, obwohl wir unverzagt.
Lang ist der Weg und hart, der aus der Hölle
Zum Lichte führt, und unser Kerker fest,
Dies ungeheure flammende Gewölbe,
Das uns zu schlingen droht, ummauert uns
Neunfach; und Tore brennender Demanten,
Geschlossen drohen starr sie jeden Ausgang.
Käm' Einer durch, so fängt ihn gleich die Tiefe
Der wesenlosen Nacht, die öde gähnt;
Und drohet ihm mit dem Verlust des Seins,
Sobald er den fruchtlosen Schlund erfüllt.
Naht dann er einer unbekannten Welt,
Wo sie auch sei, was bleibt ihm als Gefahren,
Die er nicht kennt und wo er kaum entrinnt?
Doch würd' ich diesen Thron entweih'n ihr Fürsten,
Die königliche Herrschaft glanzgeschmückt,
Wenn mich ein Plan für's allgemeine Wohl
Gleich durch den Schein von Wagnis und Gefahr
Vom Unternehmen abzuschrecken wagte!
Warum erhielt ich diese Königswürde,
Und schlage sie nicht aus, wenn ich mich weig're
Jetzt die Gefahr so wie den Ruhm zu teilen,
Wie's einem Herrscher ziemt, dem mehr Gefahr
Gebührt, da hoch er über Andre thront.
Geht drum gewalt'ge Mächte, zwar gefallen,
Doch stets des Himmels Schrecken, und bedenkt
Daheim, weil hier doch unsre Heimat ist,
Was wohl am Besten unser Elend lindern
Und uns die Höll' erträglich machen kann,
Wenn Heilkunst oder Zauberei die Pein
Wird mindern, stillen oder bannen können.
Auch unterlasst nicht, auf den Feind zu achten,
Der wachsam ist, indes ich alle Küsten
Der nächtigen Verwüstung rings durchschweife,
Errettung uns zu suchen; denn es soll
Niemand dies Unternehmen mit mir teilen.«
Dies sprechend hob sich der Monarch empor
Und hinderte, dass Jemand ihm erwid're;
Weil einige Häupter jetzt, da sie wohl wussten
Dass sie nur abgewiesen würden, sich zu dem
Erböten, was sie erst mit Furcht erfüllt,
Und abgewiesen selbst, doch in den Ruf
Als Nebenbuhler kämen, und den Ruhm,
Den er durch hartes Wagnis ernten musste,
Wohlfeil gewönnen. Doch sie fürchteten,
Wie die Gefahr – auch seines Worts Verbot;
Und All' erhoben sich mit ihm zugleich,
So dass es ringsum rauschte wie der ferne
Hinrollende Donner. Darauf beugten sie
Sich ehrfurchtsvoll vor ihm zur Erde, priesen
Als einen Gott ihn, der dem Höchsten gleich.
Auch rühmten sie als eine Heldentat,
Dass er zu Aller Heil sein eigenes
Aufopferte; denn die verdammten Geister
Verlieren nimmer gänzlich ihre Tugend,
Auf dass die schlechten Menschen sich nicht rühmen
Der bessern Tat, wozu sie Ruhmbegier,
Ehrgeiz im Schein des Eifers nur bewogen.
So schlossen sie den zweifelvollen Rat,
Ihr unvergleichlich Haupt mit Jauchzen preisend:
Wie wenn die düstren Wolken von den Gipfeln
Der Berge steigen und der Nordwind schläft,
Das Angesicht des Himmels überwallend,
Und dann ein trübes Element auf's Land
Schnee oder Regenschauer schüttet, und sodann
Der Sonne letzter Strahl zum lieblichen
Lebwohl erglänzt, das Feld sich neu belebt,
So dass die Vögel singen, Herden blöken,
Und Berg und Tal die Freude widerhallt.
O Schmach der Menschen! Selbst die Teufel hält
Eintracht und Frieden mit einander fest:
Die Menschen nur von den vernunftbegabten
Geschöpfen spalten sich, wiewohl sie unter
Des Himmels Gnade. Gott verkündet Frieden, –
Sie aber hegen Feindschaft, Hass und Kampf,
Und führen Krieg, die Erde krass verwüstend,
Um sich einander zu zerstören; als ob nicht
Der Mensch genug der Höllenfeinde hätte,
Die Tag und Nacht auf sein Verderben lauern,
Was just zur Einigkeit ihn leiten sollte.
So aufgehoben war der Hölle Rat.
In Ordnung kamen nun die hohen Fürsten
Den mächtigen Satan in der Mitte führend,
Der schon allein ein Himmelsstürmer schien,
Und furchtbar war als Herr des Höllenreichs;
Ein Kreis von feurigen Seraphim umschloss
Mit Pomp und nachgeahmtem Himmelsstaat
Ihn rings, in hellen Wappenröcken strahlend;
Dann ward befohlen, dass der Reichsbeschluss
Verkündet werde mit Trompetenschall,
Flugs gegen die vier Winde setzten vier
Der schnellsten Cherubim an ihren Mund
Das klingende Metall, und bliesen drein.
Die Heroldstimmen künden den Beschluss,
Die hohle Tiefe hört sie fern und nah;
Das Höllenheer erwidert jauchzend ihm
Mit Beifallsschrei'n. Beruhigt und von falscher
Hoffnung ermuntert, teilten sich die Mächte,
Ein Jeglicher nahm seinen eignen Weg,
Wie Neigung oder Wahl ihn irre führte,
Um Ruhe dem unsteten Geist zu suchen,
Dass er die trüben Stunden froh verbringe,
Bis jenes hohe Haupt zurückgekehrt.
Wetteifernd auf der Ebne mit einander,
Versuchten sie im schnellen Laufe sich,
Und schwangen in der Luft sich mit den Flügeln,
Wie im Olympischen Spiel auf Pythons Feld.
Die Andern zähmten ihre Feuerrosse,
Umfuhren mit der Wagen Flug das Ziel,
Und bildeten aus Scharen Vorderreihn:
Wie wenn zur Warnung stolzer Städte, Krieg
In trüber Luft erscheint und in den Wolken
Zum Kampfe Heere stürzen, rücken vorn
An jeden Flügel luftige Kämpfer an,
Mit eingelegtem Speer bis dichtre Scharen
Sich bilden, und der Himmel von den Taten
Von einem Ende bis zum andern glüht.
Ein andrer Teil noch grimmiger gestimmt,
Reißt mit typhonisch ungeheurer Wut
Die Felsen aus, und fährt auf Wirbelwinden;
Die Hölle fasst dies wilde Toben kaum:
So riss einst der Alcide, sieggekrönt,
Zurückgekehret von Öchalia,
Das Giftgewand mit Schauderqualen fühlend,
Thessaliens Tannen samt der Wurzel aus,
Und schleuderte den Lichas von dem Gipfel
Des Öta in Euböa's fernen See.
Noch Andre, die von sanfterem Gemüt,
Ziehn sich in stilles Tal zurück und singen
Mit Engeltönen zu der Harfe Klang
Die eignen Heldentaten, ihren Sturz
Durch Kriegeslos, und klagen das Geschick,
Dass freie Tugend der Gewalt erliegt.
Selbstsucht war ihr Gesang, doch Harmonie
(Denn diese kommt ja von Unsterblichen)
Vermochte selbst der Hölle Graus zu bannen,
Und bracht' Entzücken in der Hörer Schar.
In lieblichern Gesprächen (es bezaubert
Wohlredenheit den Geist, Gesang
Den Sinn,) saß abgesondert noch ein Teil
Auf einem Hügel in erhabnem Denken,
Sie reden über Vorsehung und Wissen,
Schicksal und Willen und Vorherbestimmung,
Verloren ganz in diesem Labyrinth;
Auch sprechen sie vom Guten und vom Bösen,
Von Glück, von Elend und von Seligkeit,
Von Leidenschaft und Unempfindlichkeit,
Von Ruhm und Schmach, was alles leere Klugheit
Und falsche Weisheit, die auf Zeiten doch
Bezaubernd schnell die Angst und Qual verjagt
Und trügerische Hoffnung noch erregt,
Und mit Geduld das schon versteinte Herz
Sowie mit dreifach hartem Stahl bewaffnet.
Ein andrer Teil durchstreift in dichten Banden
Die weite, düstre Welt, ob sich vielleicht
Ein andrer Strich als bessre Wohnung finde.
Vierfachen Weges geht ihr luftger Zug
Am Strande der vier Höllenströme hin,
Die giftig in das Flammenmeer sich winden:
Der Styx, die Flut des tödlich bittern Hasses,
Der Acheron, der schwarzen Sorge Strom,
Cocytus, von der Klage so benannt,
Die stets an seiner Reue Wasser tönt,
Und Phlegethon, des Feuer Wut entzündet.
Von diesen ferne rollt ein stiller Strom,
Lethe die Quelle der Vergessenheit,
Sein Wasserlabyrint. Wer daraus trinkt,
Vergisst im Nu sein Wesen, seinen Stand
Und Lust und Leid, Vergnügen so wie Qual.
Jenseits des Stromes liegt ein eisig Land,
Wild, dunkel und von ew'gem Sturm gepeitscht,
Mit Wirbelwind und grauser Hagelflut,
Die auf dem festen Lande nimmer schmilzt,
Nein, sich zu Bergen häuft, und nur wie Trümmer
Uralter Säulen scheint. Rings tiefer Schnee
Und Eis, ein Schlund so wie Serbona's Sumpf,
Der zwischen Damiat und Casius lag,
Wo ganze Heere drin versunken sind.
Die Luft brennt eisig dort, und arge Kälte
Bewirkt, was sonst nur Feuerglut vermag.
Dahin von Furien mit Harpyenfüßen
Geschleppt, gelangen die Verdammten all',
Und fühlen wechselweis den bittern Tausch
Der ärgsten Grade, durch den Wechsel nur
Fühlbarer noch; – von Flammenbetten stürzen
In's Eis sie nieder, dass die Ätherwärme
Erstirbt in ihnen; regungslos zu schmachten,
Und festgebannt und ringsum eingefroren,
Bis man zurück sie in die Flammen stürzt.
Sie schreiten über diesen Lethesund,
Nur ihre Qual vermehrend, hin und wider,
Bestreben sich im Fluge nach den Strom,
Um mit dem kleinsten Tropfen im Moment
All ihre Pein und Schmerzen zu vergessen.
Doch ob sie nah auch dem Gestade, streitet
Das Schicksal wider sie; Medusa wacht
Mit dem Gorgonenhaupte bei der Flut:
Das Wasser flieht von selbst vor jeglichem
Lebendigen Wesen, wie dereinst es floh
Den Mund des Tantalus. Bei solchen Streifen
Im wirren Zug verloren, sahen jetzt
Bestürzten Blickes die verwegnen Banden,
Von Schreck und Schauer bleich, ihr jammervolles
Geschick und fanden nirgends eine Rast,
Sie zogen durch manch dunkles, ödes Tal,
Durch manche Jammergegend, über viele
Eisalpen, Glutenfelsen, Klippen, Höhlen,
Moräste, Strudel, Grüfte, Todesschatten,
Des Todes Welt, die Gott im Fluch erschuf,
Die gut für Böses nur, wo Tod nur lebt
Und alles Leben stirbt, und die Natur
Verkehrtes nur erzeugt, bloß ungeheure,
Abscheuliche, ganz namenlose Dinge,
Wie niemals sie die Fabel wohl ersann,
Noch Furcht sie jemals dachte, nur Chimären,
Und scheußliche Gorgonen so wie Hydern.
Satan, Sünde und Tod: Satan kommt zur Höllenpforte
Satan, der Gegner Gottes und der Menschen,
Erhebt indessen sich auf raschen Flügeln,
Entflammt von hochaufstrebenden Gedanken,
Und sucht einsamen Flugs der Hölle Pforte;
Bald kreuzt er nach der rechten Hand die Küste,
Bald nach der linken, jetzt mit flachen Schwingen
Die Tiefe streifend, schwingt er sich empor,
Hinauf zum hochgetürmten Flammenbogen,
Wie wenn zur See von ferne man entdeckt
Hoch an den Wolken hängend eine Flotte,
Die mit dem Wind der Nacht- und Tagesgleiche
Gesellig von Bengalen segelt, oder
Von Tidor und Ternate, von woher
Kaufleute teure Specereien holen,
Durch Äthiopien zum Cape fahrend
Und nach dem Nordstern Nachts die Richtung lenkend:
Also erschien von fern des Satans Flug.
Endlich erblickt die Grenzen er der Hölle:
Hoch ragen bis an's fürchterliche Dach
Neunfache Pforten, deren drei von Erz,
Von Eisen drei, und drei von Demantfelsen.
Ein furchtbar Wesen saß auf jeder Seite
Der Pforten; eine schien ein reizend Weib
Bis an den Leib, doch endete sie hässlich
In vielen schuppgen weitgewundnen Ringen,
Als eine Schlange mit dem Todesstachel.
Rings um den Leib bellt' unaufhörlich laut
Ein Rudel Höllenhunde mit dem Rachen
Des Cerberus und machte wilden Lärm;
Willkürlich konnten sie bei jeder Störung
Sich in den Bauch verbergen, wo sie immer
Fortheulend, wenn auch ungesehen, bellten.
Weit minder Scheussliche wie diese, plagten
Die Scilla, als im Meer sie badete, das von
Trinacriens Gestad Calabrien scheidet;
Nicht Ärgre folgen Nachts der Zauberin,
Wenn auf geheimen Ruf sie durch die Luft
Im Ritte fliegt, gelockt durch Kinderblut
In Lappland mit der Hexen Schar zu tanzen,
Indes der Mond vor ihren Sprüchen dunkelt.
Die andre Nachtgestalt, wenn man so nennt,
Was ohne Glieder und Gestalt sich zeigt,
Und wenn man Wesen nennt, was Schatten schien,
Ja oder Beides ganz vereint, erhob
Schwarz wie die Nacht sich, wie zehn Furien grimmig,
Und wie die Hölle furchtbar; in der Hand
Schwang sie das fürchterlichste Wurfgeschoss;
Was etwa einem Haupte gleichen konnte:
Trug etwas einer Königskrone gleich.
Jetzt nahte Satan, und von seinem Sitz
Schritt ihm das Ungeheuer schnell entgegen,
Mit krassem Schritt, von dem die Hölle bebte.
Der unverzagte Feind erstaunte nur
Was dieses sei, doch ferne blieb ihm Furcht,
Nur Gott und dessen Sohn, sonst scheut er kein
Erschaffnes Wesen; und verächtlich sprach er:
»Was bist Du, und woher, verfluchtes Bild,
Dass Du Dich wider mich erhebst und mir,
Wenn grimmig auch und gräulich, Deine Stirn,
Die missgeschaffne, vor den Weg der Pforte
Zu stellen wagst? Ich gehe doch hindurch,
Und ohne Dich zu bitten um Erlaubnis.
Zurück! Sonst magst Du Deine Tollheit fühlen,
Und aus Erfahrung lernen, Höllenbild,
Dass schlechtes Kämpfen ist mit Himmelsgeistern.«
Mit voller Wut erwidert das Gespenst:
»Bist Du nicht der Verräter jener Engel,
Der jüngst zuerst den Himmelsfrieden brach
Und Treue, welche nie zuvor gebrochen,
Und der mit stolzen Waffen sich empörend
Der Himmelssöhne dritten Teil bewog
Sich wider den Allmächt'gen zu verschwören,
Für welchen Frevel Du sowohl, wie sie,
Von Gott verstoßen wurden und verdammt,
Die Ewigkeit in Qual und Pein zu leben?
Und Du zählst selbst Dich zu den Himmelsgeistern,
Verdammter Du der Hölle, bietest Trotz,
Hier wo ich König bin, und Dir zum Ärger
Dein Herr und König! Falscher Flüchtling Du,
Zurück zur Qual und eile schnell beflügelt,
Damit ich nicht mit Geißeln von Scorpionen
Dich Zaudernden verfolgen muss, und wenn
Dich dieser Speer berührt, ergreift Dich Angst
Und ungewohntes Weh, wie nie Du fühltest.«
So sprach das Schreckensbild und ward dabei,
So sprechend und so drohend, an Gestalt
Noch zehn Mal gräulicher und hässlicher.
Von Zorn entflammt, stand Satan andrerseits,
Doch unerschrocken, wie ein Glutkomet,
Der längs dem ungeheuren Ophiuchus
Am Himmel flammt; und aus den grassen Haaren
Pest schüttelt so wie Krieg. Ein Jeder zielt
Mit Todesstreichen nach des Andern Haupt.
Sie sinnen nicht auf einen zweiten Schlag,
Verächtlich blicken sie einander an.
Wie wenn zwei schwarze Wolken mit des Himmels
Geschütz beladen, rasselnd rücken über
Das caspische Meer und Stirn an Stirn gekehrt,
Ein Weilchen schweben, bis die Winde blasen,
Worauf in mittler Luft die Schlacht beginnt:
So finster blickten sich die Streiter an,
Dass von dem Groll die Hölle dunkelte.
Gleichartig waren sie, denn Keinem sollte
Ein solcher Feind wohl jemals noch begegnen,
Gewalt'ge Taten wären jetzt gediehn,
Wovon die Höll' erklungen wäre, wenn
Die Schlangenzauberin an der Höllenpforte,
Die den verhängnissvollen Schlüssel trug,
Sich nicht erhoben hätte, mit gewalt'gem
Geschrei die beiden Drohenden zu trennen.
»O Vater!« schrie sie, »was beginnt Dein Arm
Jetzt gegen Deinen einz'gen Sohn? Und was
Heißt Dich o Sohn nach Deines Vaters Haupt
Den Pfeil des Todes richten? Weißt Du nicht
Für wen? Für ihn, der droben Deiner lacht,
Indem er Dich zu seinem Schergen wählt,
Und das zu tun, was je sein Zorn befiehlt,
Den er Gerechtigkeit benennt, sein Zorn,
Der einst Euch Beide noch vertilgen wird!«
So sprach sie, und es wich die Höllenpest
Bei ihren Worten; Satan aber sagte:
»Dein seltsam Schrei'n, Dein sonderbares Wort
Tritt zwischen uns, dass meine schnelle Hand
Noch zögerte Dir durch die Tat zu sagen,
Was sie beginnt; bis Du mir erst gekündet,
Was für ein Wesen Deine Doppelform,
Warum Du mir den Namen Vater gibst,
Die wir uns doch zum ersten Mal begegnen,
Und diesem Schemen hier den Namen Sohn?
Dich kenn' ich nicht, und sah auch nie bisher
Verflucht're Wesen wohl als ihn und Dich.«
Die Pförtnerin der Hölle sprach darauf:
»Vergaßest Du mich denn, und schein' ich jetzt
So hässlich Deinen Augen? die ich doch
Im Himmel einst so hold erschien, als Dich
Im Rat der Seraphim, die sich mit Dir
Kühn gegen Gottes Macht verschworen hatten,
Ein wilder Schmerz so plötzlich überkam,
Dein Auge dunkel nur in Nächten schwamm,
Indes Dein Haupt die dicksten Flammen schoss,
Bis ich die linke Seit' eröffnete
Und ich, ganz gleich Dir an Gestalt und Mienen
An Glanze himmlisch schön, aus Deinem Haupt
An's Licht hervorsprang, dass die ganze Schar
Des Himmels sich entsetzte, schreckensvoll
Damals den Namen mir der Sünde gab,
Mich für ein unheilvolles Zeichen haltend.
Doch später mehr vertraut, gefiel ich ihnen,
Gewann durch Reiz die ärgsten Feinde selbst,
Vor Allen Dich, Du sahst Dich – ganz in mir,
Und triebst mit mir geheime Liebeslust,
Dass eine Bürde bald mein Leib empfing.
Indes ward Krieg im Himmel, und die Schlacht
Worin (wie konnt es anders sein?) der Sieg
Dem Allgewalt'gen wurde, trug Verlust
Und Flucht uns ein im weiten Himmelsraum.
Häuptlings hinunter stürzten sie vom Himmel
In diesen tiefen Schlund, und ich zugleich.
Damals kam dieser mächt'ge Schlüssel hier
In meine Hand mit dem Befehl, die Tore
Verschlossen stets zu halten. Niemand kann
Eingeh'n, wenn ich nicht öffne. Brütend saß
Ich hier allein; doch lange saß ich nicht
Als sich mein Leib von Dir befruchtet trug,
Bewegung fühlte, so wie grause Wehen.
Zuletzt brach dies verhasste Wesen sich,
Du siehst Dein eigen Kind, gewaltsam Bahn,
Dass ich durch Angst und Schmerz zerrissen
Verwandelt ward an meinen untern Gliedern.
Der Feind, den ich geboren, sprang heraus
Und schwang den Pfeil unseliger Zerstörung!
Tod! rief ich aus, und floh – es zitterte
Die Hölle bei dem schaudervollen Namen
Und seufzt aus allen ihren Höhlen, laut
Den Namen Tod im Echo widerhallend.
Ich floh, doch er verfolgt mich, (wie es schien
Von Wollust mehr, als wie von Wut entzündet)
Schnellfüßig überholt er seine Mutter
Und in erzwungner grässlicher Umarmung
Erzeugt er diesen ungeheuren Schwarm,
Die unaufhörlich heulend mich umringen,
Wie Du gesehn, die stündlich stets empfangen
Und stündlich auch gebären, unaufhörlich
Mir Schmerz bereiten, denn wenn sie's gelüstet,
Kehrt diese Brut in meinen Leib zurück
Und nagt an meinem Eingeweid' als Speise;
Dann brechen sie von Neuem wieder vor,
Umstürmen mich mit innerlichen Schrecken,
So dass mir weder Rast noch Ruhe bleibt.
Mir gegenüber sitzt der krasse Tod,
Mein Sohn und Feind, der jene hetzt, und mich,
Die eigne Mutter längst verschlungen hätte,
Aus Mangel andrer Beute, wüsst' er nicht,
Dass er mit meinem Ende seines findet.
Er weiß, dass ich für ihn ein bittrer Bissen
Und Gift ihm werde, sei es wann es will,
Denn so sprach das Verhängnis über uns. Darum
Warn' ich o Vater Dich vor seinem Pfeil,
Und hoffe nicht, dass Du in diesen Waffen,
Wie wohl sie himmlisch, unverwundbar sei'st,
Denn Niemand widersteht der Todesspitze –
Als der allein, der rings das All beherrscht.«
Sie endet, und der schlaue Feind, belehrt,
Ward milder nun und sprach mit glattem Wort:
»O Tochter, Deinen Vater nennst Du mich
Und zeigst mir meinen Sohn, das teure Pfand
Des trauten Umgangs, den mit Dir ich pflog,
Der süßen Wonne, jetzo grausen Wechsels,
Der ungeahnt und unversehns uns traf,
So wisse, dass ich nicht als Feind gekommen,
Nein, nur um ihn und Dich, samt jenem Heer
Der Himmelsgeister aus dem finstern Haus
Der Qualen und der Schmerzen zu befrei'n,
Denn all' die Geister griffen zur Verfechtung
Des Rechtes zu den Waffen, da sie fielen.
Für sie betrat ich diesen rauen Grund,
Und für sie Alle duld' ich die Gefahr,
Und wag' allein die bodenlose Tiefe,
Das ungemessne Leere zu beschreiten
Und suche den vorhergesagten Ort,
Der uns durch manche Zeichen als erschaffen
Dort schon verkündet ward, ein Platz der Wonne
In dem Bezirk des Himmels, einem neuen
Geschlecht von Wesen eingeräumt, die uns
Vielleicht ersetzen, wenn auch jene weiter
Vom Himmel fern, damit sich übervölkert
Dereinst kein neuer Aufruhr bilden möge.
Ob dies der Zweck, ob ein geheim'rer sei,
Erforsch' ich jetzt, und wenn ich es erspäht,
Kehr' ich zurück und bring' Euch an den Ort,
Wo Du so wie der Tod gemächlich wohnst
Und in der weichen, balsamreichen Luft
Still, ungesehen auf und nieder fliegst.
Dort werdet unermesslich ihr gesättigt,
Und alle Dinge werden Euer Raub.«
Er schwieg, und Beide schienen hoch entzückt;
Der Tod auch grinste furchtbar schauerlich,
Dass er den Hunger einmal stillen würde,
Er pries den Schlund, dem diese gute Stunde
Beschieden sei, nicht minder freute sich
Boshaft die Mutter, die zum Vater sprach:
»Den Schlüssel trag' ich zu dem Höllengrund
Aus Pflicht und auf Befehl des Himmelsfürsten,
Der mir verbot, die diamantnen Tore
Je zu eröffnen, gegen die Gewalt
Steht rüstig mit dem Pfeile schon der Tod
Furchtlos vor jeder Macht der Lebenden,
Doch brauch' ich ihm gehorsam wohl zu sein,
Der mich voll Hass in diesen Tartarus
Herunter stieß, verhassten Dienst zu tun,
Die ich vom Himmel stamme, dorten wohnte,
Und hier in ew'ger Qual und Angst verweile
Vom Grausen meiner eignen Brut umringt,
Die heulend mir am Eingeweide nagt?
Du bist mein Vater, gabst mir ja das Sein,
Wem soll ich sonst gehorchen, wenn nicht Dir?
Wem folgen? Du wirst in die neue Welt
Des Heiles und des Lichtes bald mich führen,
Zu Göttern, die nach Wunsch in Freuden leben,
Wo ich zu Deiner Rechten üppig herrsche,
Endlos, wie Deiner Tochter es geziemt.«
Drauf nahm sie den verhängnisvollen Schlüssel,
Das Werkzeug unsers Jammers, von der Seite,
Und ihren Schweif bis zu der Pforte rollend
Zog sie das ungeheure Gatter auf,
Das außer ihr die ganze Macht des Styx
Nicht heben konnte. Darauf drehte sie
Den Schlüssel in dem innern Schloss herum
Und schob die Riegel von massivem Eisen
Und festen Felsen ohne Mühe weg.
Die Höllentore flogen plötzlich auf
Mit ungestümem Prallen und Geräusch;
In ihren Angeln kracht ein dumpfer Donner,
Dass tief der Hölle Grund erzitterte,
Sie öffnet, doch vermag sie nicht zu schließen.
Weit offen stand das Tor, dass mit den Bannern
Mit ausgedehnten Flügeln wohl ein Heer
Durchziehen konnte, samt den Pferd' und Wagen:
So weit geöffnet waren sie und spieen
Gleich einem Ofen Rauch und Flammenglut.
Vor ihre Augen traten nun der Tiefe
Geheimnisse, das dunkle ewige Meer,
Das grenzenlos und ohne Länge, Breite
Und Höh' und Zeit und Raum sich dehnt, wo Chaos
Und ewige Nacht, Urahnen der Natur
Gesetzlos herrschen, mitten in dem Lärmen
Des Kampfes durch Verwirrung sich erhalten;
Dort ringen Hitze, Kälte, Dürr' und Nässe
Gewaltig um die Herrschaft, führen
Der ungeborenen Atome Schar
Zur Schlacht, die schwärmend um das Banner sich
Nach den verschied'nen Reih'n und Horden sammeln,
Leicht oder schwer bewaffnet, scharf und sanft,
Schnell oder träge, zahllos wie der Sand
Von Barka oder von Syrene's Boden,
Der aufgewühlet von der Stürme Kampf
Der Winde leichtre Schwingen schwerer macht.
An wem die meisten der Atome hängen
Herrscht auf Momente dann; das Chaos sitzt
Schiedsrichterlich und wirrt durch die Entscheidung
Nur mehr den Kampf, der ihm die Herrschaft gibt.
Als zweiter an Gewalt, regiert der Zufall.
An diesem wilden Schlunde, – wo Natur
Erschaffen ward, und der vielleicht ihr Grab,
Wo weder See noch Strand, noch Luft und Feuer,
Ja alle nur in ihrem Keim verworren,
Und die gemischt sich stets bekämpfen müssen,
Bis dem allmächtigen Schöpfer einst gefällt,
Mehr Welten aus dem finstern Stoff zu bilden, –
An diesem wilden Schlunde stand der Feind,
Behutsam an dem Höllenrand, und schaute
Hinunter, seine Reise wohl erwägend,
Denn einen weiten Raum musst' er durchkreuzen.
Auch traf sein Ohr ein laut erschütterndes
Getös, als wenn Bellona wütend stürmt,
(Wenn Großes man mit Kleinem darf vergleichen,)
Und alle Kriegsmaschinen gegen große
Hauptstädte, sie von Grund zu schleifen, pflanzt,
Als wenn der Bau des Himmels niederstürzte
Und die empörten Elemente rings
Die Erd' aus ihrer Axe reißen wollten.
Zuletzt erhebt er seine breiten Flügel
Zum Flug und spornt den Boden, keck getragen
Von Dampfeswolken; manche Meile fährt
Er wie in einem Feuerwagen auf,
Doch bald entschwindet dieser Sitz, er kommt
In unermessne Leere, flatternd wanken
Die Schwingen, und zehntausend Klaftern tief
Stürzt er hinunter, und er sänke noch,
Hätt' ihn durch Zufall nicht der Gegenstoß
Von einer feuerschwangern Donnerwolke
So viele Meilen just emporgeschleudert.
Als ihre Wut erschöpft in Sumpfeswüste,
Die weder See noch trocknes Land erschien,
Versank er fast in jener dichten Masse
Halb schreitend und halb fliegend, um zugleich
Die Ruder und die Segel zu gebrauchen.
Wie wenn ein Greif in schnellem Flügellauf
Hoch über Hügel und durch sumpfig Tal
Dem Arimaspen folgt, der seiner Hut
Heimlich vertrautes Gold entwendete:
So wild verfolgt der Satan seinen Weg
Durch Moor und über Berge, Schlucht und Haide,
Mit Haupt und Händen, Flügeln oder Füßen,
Er schwimmt und sinkt, er wadet oder fliegt,
Bis endlich an sein Ohr ein wild Getös
Gemischter Töne wie verworrner Stimmen
Mit Heftigkeit durch's hohle Dunkel dringt.
Dort eilt er hin, um ungeschreckt zu forschen,
Was für ein Geist des allertiefsten Schlundes
In diesem Lärme haust, um ihn zu fragen,
Wo er des Dunkels nächste Küste treffe,
Die an das Lichtmeer grenzt. Da plötzlich sieht
Er jenen Thron des Chaos und das Zelt,
Das dunkel über öder Tiefe gähnt.
Bei ihm saß auf dem Thron in schwarzem Kleid
Die Nacht, das älteste von allen Dingen,
Die Teilerin seines Reichs, und dabei standen
Orkus und Hades, und das Schreckensbild
Von Demogorgon. Zufall und Gerücht,
Aufruhr, Verwirrung standen um sie her,
Und Zwietracht mit den tausendfachen Zungen.
Zu ihnen wandt' sich Satan kecklich so:
»Ihr Mächt' und Geister dieses tiefen Schlundes,
Chaos und alte Nacht, ich komme nicht,
Als Späher, in der Absicht, eures Reichs
Geheimnis zu ergründen und zu stören,
Nein, nur gezwungen wandl' ich durch die dunkle
Und wüste Gegend, da mich just mein Weg
Zum Licht hierher führt, wo ihr herrschend thront.
Allein und ohne Führer, halb verloren
Such' ich den Pfad dahin, wo euer Reich
An's Licht des Himmels grenzt. Ja gibt es einen
Noch andern Raum, der Euch entrückt, und jüngst
Vom Himmelskönig in Besitz genommen,
So geht mein Weg durch diese Tiefe hin;
Zeigt mir den Weg und wenn ihr dieses tut,
Wird euch kein schlechter Lohn dafür, denn wieder
Einnehmen will ich das verlorne Reich,
Wenn ich die Anmaßung des Herrn vertilgt,
Und in ursprünglich Dunkel wieder führen,
Und was der Reise Ziel, auf's Neu' das Banner
Der alten Nacht noch einmal dort errichten.
Euch sei der Vorteil, mein die Rache nur.«
Also sprach Satan, und Erwiderung gab
Ihm der Anarch betreten und nur stammelnd:
»Wohl weiß ich Fremdling wer Du bist, der Engel
Gewalt'ges Haupt, der jüngst dem Himmelskönig
Sich widersetzt und dann vernichtet ward.
Ich sah und hört es, denn solch zahlreich Heer
Wie Deines, floh nicht schweigend durch die Tiefen,
Mit Sturz auf Sturz, Zerrüttung auf Zerrüttung,
Verwirrung, die sich ärger noch verwirrt,
Da aus den Himmelspforten Millionen
Siegreicher Horden euch verfolgten. Hier
Auf meinen Grenzen halt' ich meinen Sitz,
Ob mir's gelingt, das Wenige, was mir blieb,
Zu schirmen, das durch Euern innern Zwist
Stets angegriffen ward, wodurch das Szepter
Der alten Nacht noch mehr geschwächt. Zuerst
Verlor die Höll' ich, euern Kerker, der
Sich unten weit und breit erstreckt und jüngst
Noch Erd' und Himmel, eine neue Welt,
Die über meinem Reiche hängt, geschmiedet
An goldne Ketten, an des Himmels Seite,
Wo eure Legionen niederstürzten: –
Geht dort Dein Gang hin, hast Du nicht mehr weit,
Und näher die Gefahr. Beeile Dich;
Verwüstung, Raub und Sturz sind mein Gewinn.«
Er schwieg; und Satan stand nicht Antwort ihm,
Sprang aufwärts, hocherfreut, dass auf einmal
Sein Meer ein Ufer finden sollte, frisch
Und mit erneuter Kraft und Munterkeit
Gleich einer Feuerpyramide nach dem Raum
Und schlägt sich durch der Elemente Kampf,
Die ihn umringten, seinen Weg hindurch;
Gefährlicher und enger war die Bahn,
Als wie die Argo sie bestanden einst,
Da sie durch Felsen fuhr im Bosporus, –
Und wie Ulysses die Charybdis mied
Und auch vorbei der Scilla steuerte:
So mühsam setzt er seine Reise fort
Mit harter Schwierigkeit, doch als er endlich
Hindurch gedrungen, welch ein eigner Wechsel
Erschien auf einmal nach des Menschen Fall:
Denn Tod und Sünde folgten seiner Spur
Mit aller Macht, so war's des Himmels Wille,
Und bahnten hinter ihm bequemen Weg
Durch jenen finstern Schlund, des wilder Golf
Geduldig eine Brücke schlagen ließ
Von wunderbarer Länge, die sich stracks
Bis zu dem Außenring der Erde dehnt.
Auf dieser wandeln die gefallnen Geister
Gemächlich hin und her, um bald die Menschen
Zu locken, bald zu strafen, wenn nicht Gott
Und Engel sie besonders gnädig schirmen.
Jedoch zuletzt erscheint der heil'ge Strom
Des Lichts, und flutet von den Himmelsmauern
Bis in den Busen jener dunkeln Nacht
Mit Dämmerschein; und hier beginnt zuerst
Die fernste Grenze der Natur, – es weicht
Zurück das Chaos, wie ein Feind geschlagen
Aus seinen Schanzen wird; auch das Getöse
Ist minder feindlich hier und minder laut,
Dass Satan mit geringern Mühen auch
Behaglich auf den stillen Wellen schwebt
Bei zweifelhaftem Licht, er fährt mit Lust
Zum Hafen wie ein Schiff, das von dem Sturm
Zerrüttet Tau und Mast verloren hat.
Die ausgespannten Schwingen wiegt er nun
Im leeren Raume, so der Luft vergleichbar:
Um so von fern das Strahlenreich zu schauen,
Das weit sich dehnt, von unbestimmter Form,
Mit Türmen von Opal und mit lebendigen
Saphiren rings die Zinnen ausgeschmückt,
Einst seine Heimat – und nicht fern davon
An goldner Kette hing die neue Welt,
Ein Stern in kleinster Größe, dicht am Mond.
Boshafter Rache voll eilt er dahin,
Er selbst verflucht, und in verfluchter Stunde.