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Ausgehend von brennenden Gegenwartsfragen wird das römische Weltreich als eine für die folgenden 2000 Jahre grundlegend gewordene Kultur unter sechs Stichworten analysiert:Einheit, Zentralismus - Regionalismus - Subsidiarität, Eliten, Frieden - wirtschaftlicher Wohlstand - gleichartige Lebensverhältnisse, Integrationsfähigkeit - Abschließung nach außen, Tradition.Dabei wird deutlich, dass dieses Imperium das erfolgreichste der Geschichte war, dessen Strukturen auch für eine neue Ordnung in Europa und der Welt aufschlussreich sind.Prof. Dr. Michael Stahlhatte bis 2011 den Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Technischen Universität Darmstadt. Sein Lehrbuch "Gesellschaft und Staat bei den Griechen" erschien 2003 in zwei Bänden, 2008 präsentierte er "Botschaften des Schönen", Bilder aus der antiken Kultur.
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Seitenzahl: 35
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Fachbereich
ALTE GESCHICHTE
DAS WELTREICH DER RÖMER IN DER KAISERZEIT Perspektiven auf ein Imperium
Was ist Geschichte? – Amerika und Rom – Europäische Orientierungsprobleme – Das Reich als Einheit – Der Prinzeps und das Reich – Militär als Kulturfaktor – Die Reichsverwaltung: Ein persönliches Regime – Das Patronat der Eliten – Subsidiarität und politisches Ethos – Pax Romana – Stadtkultur – Das Amphitheater – Die „augusteische Schwelle“ – Integrationsfähigkeit und Abschließung nach außen – Das Imperium Romanum als Tradition
Geschichte ist nicht die Darstellung der Vergangenheit, da es diese für uns an sich nicht gibt. Geschichte entsteht vielmehr nur dann, wenn eine bestimmte, in unseren Blick genommene Vergangenheit der Gegenwart bewußt wieder zur Anschauung gebracht wird. Das geschieht hauptsächlich in den Erzählungen der Geschichtsschreibung. Durch sie wird Vergangenheit als sinnhaltiges Geschehen erkennbar, das die Gegenwart begreifen und aus dem sie Orientierung finden kann. Geschichte ist immer nur ein begrenzter Ausschnitt aus der prinzipiell unendlichen Vergangenheit, und zwar jener Ausschnitt, der für Gegenwart und Zukunft von Belang ist. Wir müssen uns also auf den Fluchtlinien bewegen, die von der Gegenwart in die antike Vergangenheit und zurück führen, dann sind wir in der Lage, Vergangenheit als Geschichte zu begreifen. Und Geschichte wird dadurch zu einem Teil der Gegenwart.
Der Historiker kann deshalb seine Geschichte als deutende Erzählung immer nur im Hinblick auf sein Publikum finden. Die erste Frage, die die historische Arbeit begleiten muß, lautet demnach: wen interessiert das? Was ist das Interessante, das heißt das Belangvolle und Sinnhaltige an einer Geschichte?
Für den Historiker geht es mit anderen Worten darum, gegenwärtige Probleme und Vorgänge in einen aufschlußreichen Zusammenhang mit geschichtlichen Befunden zu bringen. Die Vergangenheit, mit der wir uns nun beschäftigen wollen, ist die des Weltreichs der Römer. Bezugspunkte, die sich mit Blick auf dieses Thema in der Gegenwart aufdrängen, sind die Weltmachtstellung der USA und das Zusammenwachsen Europas zu einer globalen Macht.
Aufgrund der weltpolitischen Veränderungen seit 1989 wird immer wieder darüber diskutiert, wie wir die Entwicklung der Vereinigten Staaten zu einer globalen Machtstellung als ein zentrales Geschehen in der Moderne und der Gegenwart zu verstehen haben. Könnte dies nicht in der Entwicklung der römischen Weltmacht einen historischen Bezugspunkt besitzen? Was ist also dem historischen Vergleich für die gegenwärtige Weltmachtbildung bzw. für die globale Machtkonstellation zu entnehmen?
Peter Bender, der von Hause aus Althistoriker und ein gebildeter Journalist war, konnte in einem klugen Buch überzeugend aufweisen, daß die römische Expansion in republikanischer Zeit viele Parallelen aufweist zu dem Weg, auf dem die USA in ihre einzigartige Weltstellung gelangten. Bei allen Unterschieden, die Bender zu Recht nicht ausblendet, befinden wir uns nach seiner Rekonstruktion heute in einer historischen Situation, die derjenigen Roms im ersten vorchristlichen Jahrhundert vergleichbar ist.
Damals war der griechische Osten definitiv in Roms Machtsphäre einbezogen worden. Rom hatte damit und Amerika hat heute die größte Macht in der Welt. Aber am Ende der Republik übten die Römer und üben die Amerikaner heute nicht die Herrschaft aus über ein Imperium. Dieser Schritt zur imperialen Herrschaft vollzog sich in Rom erst durch das Prinzipat des Augustus und den Beginn der Kaiserzeit.
So gesehen stünden die USA heute erst am Anfang eines weiteren Weges. Ob sie sich dessen bewußt sind und ob sie ihn beschreiten werden, ist durchaus unsicher. Und ob auch dabei – wie bei der Schaffung der inneren Verfassung der USA vor mehr als zweihundert Jahren – Rom der historische Spiegel werden wird, können wir nicht voraussagen.
Die Diskussion darüber hat aber vor einigen Jahren begonnen. Robert Kagan, der Sohn des Althistorikers Donald Kagan und einer der intelligentesten Kommentatoren der amerikanischen Außenpolitik, spricht offen von den Erfordernissen der amerikanischen Supermacht an die globale Politik. Ein anderer in Harvard lehrender Historiker, Niall Ferguson, geht noch einen Schritt weiter und geißelt in seinen Buch „Colossus, das verleugnete Imperium“ die Verantwortungslosigkeit, mit der Amerikaner, die sich demokratisch-liberal nennen, die Augen vor der historischen Aufgabe ihres Landes verschließen.