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William Shakespeares Das Winter-Mährchen (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch) ist ein Meisterwerk der Renaissance-Literatur, das eine faszinierende Mischung aus Tragödie und Komödie bietet. Die Geschichte handelt von Eifersucht, Vergebung und Schicksal, während sie die Themen Liebe und Familie erforscht. Shakespeares unverwechselbarer Stil der Versdichtung und sein geniales Talent für Charakterentwicklung machen dieses Stück zu einem zeitlosen Klassiker. Das Winter-Mährchen ist in dieser zweisprachigen Ausgabe sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch verfügbar, was es zur idealen Lektüre für Sprachliebhaber und Liebhaber der klassischen Literatur macht. Diese Ausgabe bietet einen reichhaltigen literarischen Kontext und ein tieferes Verständnis für Shakespeares Werk.
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(german)
Inhalt
PERSONEN
ERSTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
ZWEYTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
DRITTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
SIEBENDE SCENE
VIERTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
SIEBENDE SCENE
ACHTE SCENE
NEUNTE SCENE
FÜNFTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
SIEBENDE SCENE
Leontes, König von Sicilien.
Polixenes, König von Böhmen.
Mamillius, Erbprinz des Leontes.
Florisell, Erbprinz von Böhmen.
Camillo, Antigonus, CleomenesundDion, Sicilianische Herren.
Andre Sicilianische Herren.
Archidamus, ein böhmischer Herr.
Roger, ein Sicilianischer Edelmann.
Ein Bedienter des Prinzen Mamillius.
Beysizer bey dem Hof-Gericht.
Ein alter Schäfer, vermeynter Vater der Perdita.
Hans Wurst, sein Sohn.
Ein Schiffmann.
Ein Kerkermeister.
Ein Knecht des alten Schäfers.
Autolicus, ein Spizbube.
Die Zeit, statt des Chors.
Hermione, Königin von Sicilien.
Perdita, Tochter des Leontes und der Hermione.
Paulina, Gemahlin des Antigonus.
Emilia, Kammerfrau der Königin.
Zwoo andre Kammer-Frauen.
MopsaundDorcas, zwoo Schäferinnen.
Satyren zu einem Tanz, Schäfer, Schäferinnen, Trabanten und andere stumme Personen.
Der Schau-Plaz ist zuweilen in Sicilien, zuweilen in Böhmen.
Ein Vorzimmer in Leontes Pallast.
Die Scene eröfnet sich mit einem höflichen Complimenten-Wechsel zwischen Archidamus, einem böhmischen Edelmann, (der mit seinem Herrn, dem König Polixenes sich an dem Hofe des Königs von Sicilien auf einen Besuch aufgehalten, und im Begriff ist denselben wieder zu verlassen) und Camillo, einem Sicilianischen Cavalier. Man erfährt dadurch, daß zwischen beyden Königen vor ihrer Jugend an die vertrauteste Freundschaft obgewaltet, und bisher aufs sorgfältigste unterhalten worden; und daß der König in Sicilien gesonnen sey, seinem Freunde auf den nächsten Sommer den Gegen-Besuch abzustatten – – In dem Rest dieser Scene ist die Rede von dem Prinzen Mamillius. Ihr seyd sehr glüklich (sagt Archidamus) einen so vortreflichen jungen Prinzen als Mamillius ist, zu haben; niemals hab ich einen jungen Herrn von so grosser Hoffnung gesehen. Ich bin eurer Meynung (versezt Camillo) es ist ein liebenswürdiges Kind: in der That, es ist ein Vergnügen ihn anzuschauen, und alte Leute dünken sich bey seinem Anblik wieder jung: Leute, die auf Krüken giengen, eh er gebohren ward, wünschen izt zu leben, bis er ein Mann seyn werde. Würden sie sonst gerne sterben, wenn das nicht wäre? erwiedert Archidamus. Ja (sagt Camillo) wenn sie keinen andern Vorwand hätten. Hätte der König keinen Sohn, (versezt Archidamus) so würden sie so lange auf ihren Krüken leben wollen, bis er einen hätte.
Das Königliche Zimmer eröffnet sich.
Leontes, Hermione, Mamillius, Polyxenes und Gefolge treten auf.
Polixenes. Es sind nun neun Monate seitdem wir unsern Thron ledig verlassen haben: Wir würden eben so viele Monate, mein Bruder, mit Danksagungen ausfüllen, und dennoch als euer ewiger Schuldner von hinnen gehen: Lasset also ein einziges Wir danken euch, gleich einer Cypher die an einem vielbedeutenden Plaz steht, die Bedeutung von den vielen Tausenden haben, die wir euch schuldig sind.
Leontes. Sparet eure Danksagung noch eine Weile und erstattet sie, wenn ihr abreiset.
Polixenes. Das wird morgen seyn, mein Herr: Ich kan mich nicht entbrechen Zufälle zu besorgen, welche meine Abwesenheit veranlassen könnte – – und wenn auch das nicht wäre, so hab' ich mich schon lange genug aufgehalten, um Eurer Majestät beschwerlich zu seyn.
Leontes. Wir sind von keiner so schwachen Composition, Herr Bruder, daß ihr uns sobald zu schwer seyn solltet.
Polixenes. Ich kan mich nicht länger aufhalten.
Leontes. Nur noch eine Woche.
Polixenes. In vollem Ernst, es muß morgen seyn.
Leontes. So wollen wir wenigstens noch einen Tag dazu thun: Ihr sehet, daß ich keinen Vortheil bey dieser Theilung habe.
Polixenes. Sezet nicht weiter in mich, ich bitte euch: Es ist keine so beredte Zunge in der Welt, nein in der ganzen Welt nicht, die mich so bald gewinnen könnte als die eurige: Und sie würde mich auch izt gewinnen, wenn ihr meiner Gegenwart benöthiget wäret, so nöthig es immer auf meiner Seite seyn möchte, wieder abzureisen. Meine Angelegenheiten ziehen mich nach Hause: Eine längere Abwesenheit würde mir, gegen eure freundschaftliche Absicht, nachtheilig seyn; so wie ein längerer Aufenthalt euch nur zur Beschwerde gereicht – – es wird also beydem abgeholfen, mein Bruder, wenn wir uns von euch beurlauben.
Leontes. Ist euch die Zunge gebunden, meine Königin? Redet ihr – –
Hermione. Ich dachte, mein Herr, ich wollte nicht eher reden, bis ihr ihn genöthigt haben würdet zu schwören, daß er nicht länger bleiben wolle. Ihr bittet ihn zu kaltsinnig. Sagt ihm, ihr seyd versichert, daß in Böhmen alles wohl stehe; ihr hättet erst gestern Nachrichten erhalten; sagt ihm das, so habt ihr ihn aus seinem besten Posten getrieben.
Leontes. Wol gesprochen, Hermione.
Hermione. Wenn er sagte, es verlange ihn seinen Sohn wieder zu sehen, das wäre was gesagt; und so bald er das sagt, so laßt ihn gehen; und schwört er es sey so, so soll er nicht länger bleiben; wir wollten ihn eher selbst mit Steken forttreiben – – (zu Polixenes.) Ich will es doch wagen, nur noch eine Woche von Eurer Königlichen Gegenwart zu entlehnen. Wenn ihr dereinst meinen Herrn in Böhmen aufnehmen werdet, so will ich's euch dagegen schriftlich geben, daß ihr ihn einen Monat über den bestimmten Tag der Abreise behalten sollet: Und doch, sey versichert, Leontes, daß ich dich nicht weniger lieb habe als irgend eine Frau in der Welt ihren Herrn liebt. Wollt ihr bleiben?
Polixenes. Nein, Madam.
Hermione. Ich lasse mich nicht so kurz abweisen.
Polixenes. Ich kan nicht, wahrhaftig.
Hermione. Wahrhaftig? Das ist ein zu sanfter Schwur um mich abzuschreken; aber wenn ihr auch die Sterne aus ihren Kreisen herunterschwören wolltet, so würd' ich doch sagen: »Nein, mein Herr, ihr sollt wahrhaftig nicht gehen;« einer Dame ihr Wahrhaftig gilt so viel als eines Herrn seines. Wollt ihr nun dennoch gehen? So zwingt ihr mich, daß ich euch als einen Gefangnen, nicht als einen Gast zurükbehalten muß; dann könnt ihr bey eurer Abreise euer Kostgeld bezahlen, und euch eine Danksagung damit ersparen. Was sagt ihr dazu? Was wollt ihr lieber seyn, mein Gefangner oder mein Gast? Bey euerm furchtbaren Wahrhaftig, eines von beyden müßt ihr seyn.
Polixenes. Also euer Gast, Madam: Euer Gefangner zu seyn, würde eine Beleidigung voraussezen, und diese zu begehen würde mir schwerer fallen als euch, sie zu bestraffen.
Hermione. So bin ich denn auch nicht eure Kerkermeisterin, sondern eure gute freundliche Wirthin. Kommt, ich muß euch nach meines Herrn Schelmereyen fragen, wie ihr noch Knaben waret: Ich denke, ihr waret ein paar hübsche junge Herrchens damals?
Polixenes. Schöne Königin, wir waren ein paar Jungens, die sich nicht einfallen liessen weiter hinaus zu denken, als daß morgen wieder so ein Tag kommen werde wie heute, und daß wir ewig kleine Jungens bleiben würden.
Hermione. War nicht mein Herr der grössere Springinsfeld unter euch beyden?
Polixenes. Wir waren wie zwey Zwillings-Lämmer, die in der Sonne herumhüpfen und einander anblöken: Was wir tauschten, war Unschuld gegen Unschuld; wir hatten noch keinen Begriff von der Kunst Böses zu thun; und liessen uns auch nichts davon träumen, daß ein andrer einen haben könne: Hätten wir so fortgelebt, und wären unsre schwachen Geister von einem feurigem Blut niemals höher getrieben worden, so würden wir dem Himmel getrost haben antworten können, nicht schuldig; die Erb-Sünde gleichwol ausgenommen.
Hermione. Hieraus ist zu schliessen, daß ihr seitdem gestrauchelt habt.
Polixenes. O meine verehrenswürdigste Freundin, diese gute Zeit konnte nicht immer dauern; es kam eine Zeit der Versuchungen: Denn damals war mein Weib noch ein Mädchen, und eure schönen Augen hatten meinem jungen Spiel-Gesellen ihre Macht noch nicht fühlen lassen.
Hermione. Gut, gut; wenn wir die ersten sind, mit denen ihr gesündigt habt, und wenn ihr seitdem mit keiner andern gefallen seyd, so wollen wir die Verantwortung auf uns nehmen.
Leontes(der sich eine Weile von ihnen entfernt hatte, um sie zu beobachten, und izt wieder auf sie zugeht, zu Hermione.) Ist er nun gewonnen?
Hermione. Er will bleiben, mein Herr.
Leontes. Von mir wollt' er sich nicht erbitten lassen. Hermione, meine Theureste, du hast niemals besser gesprochen.
Hermione. Niemals?
Leontes. Ein einzigmal ausgenommen – –
Hermione. Was? Hab ich zweymal was gutes gesagt? Wenn war's das erste mal? Ich bitte recht schön, sagt mir's; einer guten That gebührt ihr Lob. Das ist aller Sold, den wir dafür verlangen. Ihr könntet uns mit einem einzigen freundlichen Kuß hundert Meilen lauffen machen, wenn wir durch Spornen nicht hundert Schritte fortzubringen sind. Aber zur Sache. Wenn war's das erste mal? Es hatte eine ältere Schwester, oder ich versteh euch nicht – – Ich sagte also noch einmal was kluges? Wenn? Nein, ich muß es wissen; ich kan es kaum erwarten.
Leontes. Wie, das war als nach drey langen schwermüthigen Monaten, in denen ich dich nicht dazu bringen konnte, deine weisse Hand zu öffnen und in die meinige einzuschlagen, du dich endlich erbitten liessest mir zu sagen, daß du auf ewig die Meinige seyn wollest.
Hermione. Das war wohl gesprochen, in der That. Seht ihr nun? Ich habe zwey mal was gutes gesagt, und habe jedesmal damit gewonnen; das erste mal einen Gemahl, und das andre mal auf einige Zeit einen Freund.
Leontes(für sich.) Zu warm, zu warm – – zu warme Freundschaft ist mehr als Freundschaft – – mein Herz tanzt, aber nicht vor Freude – – gewiß nicht – – Man kan freylich einem solchen Umgang ein schönes Gesicht geben; man kan es die natürliche Freymüthigkeit eines edeln Gemüths, die Würkung eines guten Herzens, und einer lebhaften Empfindung nennen; es mag an sich selbst schön seyn, und der Person, die so handelt, sehr wohl anstehen – – ich geb' es zu – – aber da stehen, und einander die Hände tätscheln, und die Finger zwiken, wie sie's izt machen, und einander so bedeutungsvoll anlächeln, wie in einen Spiegel in einander hineinschauen – – und dann seufzen – – Nein, wahrlich, das ist ein Umgang der weder nach meinem Geschmak noch für meine Stirne ist – – Mamillius.
Maximillius. Hier, Gnädigster Papa.
Leontes. Wie, kleiner Vogel, hast du dir die Nase beschmiert? Sie sagen, es sey die Copey von der meinigen – – Komm, Hauptmann, wir müssen reinlich seyn – – (er beobachtet immer Polixenes und Hermione.) Immer auf seiner Hand Clavier-gespielt – – nun wie? du muthwilliges Kalb! Bist du mein Kalb?
Maximillius. Ja, wenn ihr wollt, lieber Papa.
Leontes. Du solltest die Nase stärker eingedrükt haben, und die Schmarren, die ich dran habe, um mir völlig gleich zu sehen – – Und doch sagen sie, wir gleichen einander wie ein Ey dem andern; Weibsleute sagen so, und die sagen was man will, aber wären sie so falsch wie Wind und Wasser, so falsch als sich Einer Würfel wünschen möchte, der keinen Unterscheid zwischen mein und dein macht; so wär' es doch wahr, daß mir dieser Junge gleich sieht. Komm, kleiner Junker, sieh mich mit deinen Himmel-blauen Augen an, holdseliger Spizbube – – Allerliebst – – Mein Zukermännchen – – Kan deine Mutter – – ist's möglich – – Imagination! Du bohrest deinen Dolch bis in den Mittelpunkt des Herzens – – Du machst die blosse Möglichkeit wirklich, Träume zu Wahrheiten, Nichts zu etwas. Wie leicht muß es dir dann seyn, aus etwas mehr zu machen als es ist – – Ich erfahr' es nur zu wol, was du kanst; sowol, daß mir der Kopf davon schwindelt und die Stirne jukt – –
Polixenes(zu Hermione.) Was fehlt dem Könige?
Hermione. Er sieht aus, als ob ihm was im Kopf herum gehe.
Polixenes(zu Leontes.) Wie steht's, mein Herr?
Leontes(der sich schnell recolligiert.) Wie ists? was macht ihr Gutes, mein liebster Bruder?
Hermione. Ihr seht aus, als ob ihr eure Gedanken ganz anderswo habet! Fehlt euch was, mein lieber Gemahl?
Leontes. Nein, in vollem Ernst. Auf was für läppische Einfälle die väterliche Zärtlichkeit manchmal bringen kan! Wie gern die Natur sich selbst hintergeht! Ich betrachtete die Gesichts-Züge meines Jungen hier, und da däuchte mir, ich sehe mich selbst um drey und zwanzig Jahre jünger, ohne Hosen, in meinem grünen Sammet-Kittelchen; mit einem kleinen Hirschfänger an der Seite, der nicht aus der Scheide gieng, damit er seinen Herrn nicht beisse, und so, wie Zierrathen öfters thun, gefährlich werde – – Wie gleich, däuchte mich, war ich damals dieser kleinen Krabbe hier! – – Guter Freund, sag mir einmal, wolltest du dir Eyer-Schaalen für Münze geben lassen?
Maximillius. Nein, Papa, ich wollte mich schon wehren.
Leontes. Wolltest du? – – ein braver Junge! – – Mein Bruder seyd ihr auch so verliebt in euern jungen Prinzen, wie wir in den unsrigen zu seyn scheinen?
Polixenes. Wenn ich zu Hause bin, mein Herr, so macht er alle meine Beschäftigung und meinen Zeitvertreib aus; ist izt mein geschworner Freund, dann wieder mein Feind; mein Hofschranze, mein Soldat, mein Minister, alles; er macht mir einen Sommertag so kurz als den kürzesten December, und vertreibt mir durch seine kindische Lebhaftigkeit Gedanken, welche mein Blut verdikern würden.
Leontes. Dieser kleine Junker hat das nemliche Amt bey mir: Wir beyde wollen einen Spaziergang mit einander machen, und euch, mein Herr, euerm ernsthaftem Zeitvertreib überlassen. Hermione, du kanst uns deine Liebe nicht besser als durch Freundschaft für unsern Bruder beweisen: Laß was in Sicilien das kostbarste ist, zu seiner Bewirthung verschwendet werden; nach dir und meinem kleinen Schwärmer hier, ist niemand meinem Herzen näher.
Hermione. Wenn ihr uns suchen wolltet, so werdet ihr uns im Garten antreffen; Sollen wir euch dort erwarten?
Leontes. Disponiert über euch nach euerm eignen Belieben – – (vor sich.) Wir wollen euch schon finden, ihr werdet doch immer unter dem Himmel bleiben müssen: Ich angle izt, wenn ihr's schon nicht merket – – Geht nur, geht nur – – Wie sie den Schnabel gegen ihn hinstrekt! – – (Polixenes, Hermione und Gefolge gehen ab; Leontes, Mamillius und Camillo bleiben.) Wie hurtig sie davongehen – – Zolldik, Knie-tief – – über Kopf und Ohren gehörnt – – Geh spiele, Junge, spiele – – Deine Mutter spielt, und ich auch; aber eine so unglükliche Rolle, daß ihre Entwiklung mich ins Grab zischen wird – – Spott und Hohngelächter wird mein Todten-Geläut seyn. Geh, spiele, Junge, spiele – – Es hat doch von jeher, oder ich müßte mich sehr irren, immer Hahnreyen gegeben; und wie mancher Mann hält, in diesem Augenblik da ich diß rede, sein Weib im Arm, der wenig daran denkt, von wem sie in seiner Abwesenheit – – daß sein nächster Nachbar in seinem Teich gefischt hat, Sir Lächler, sein Nachbar – – Nun, es ist eine Art von Trost darinn, daß andre Männer auch Thüren haben, und daß diese Thüren, wie die meinige, wider ihren Willen, aufgehen. Wenn alle verzweifeln wollten, denen ihre Weiber ungetreu sind, so müßte sich der zehnte Theil des männlichen Geschlechts aufhängen. Das ist ein Uebel, wofür kein Mittel in der Natur ist – – Es ist ein gewisser kupplerischer Planet, dessen Wirkung nicht zu vermeiden ist, wo er einmal die Oberhand hat – – Viele tausende sind mit diesem Uebel behaftet, und fühlen's nicht – – He, wie geht's, Junge?
Maximillius. Ich sehe euch so gleich, sagen sie – –
Leontes. Nun, das ist einiger Trost – – Wie? Ist Camillo hier?
Camillo. Ja, Gnädigster Herr.
Leontes. Geh, Mamillius, mach' dich lustig – – Du bist ein ehrlicher Kerl.
(Mamillius geht ab.)
Leontes. Camillo, dieser grosse Matador will noch länger bey uns bleiben.
Camillo. Ihr hattet viel zu thun, seinen Anker halten zu machen; er hatte immer eine Ausrede – –
Leontes. Merktest du das?
Camillo. Er wollte sich durch euer Bitten nicht bewegen lassen zu bleiben; seine Geschäfte schlugen immer vor.
Leontes. Hast du das beobachtet – – (vor sich.) Es war ein Gelispel und Gemurmel um mich herum, wie sie noch hier waren; ich weiß nun was ich bin – – es ist weit gekommen, wenn ich der lezte bin der es merkt – – Wie kam es denn, Camillo, daß er blieb?
Camillo. Auf das Anhalten der guten Königin.
Leontes. Der Königin, das mag seyn – – gut, ist eine andre Frage – – Gut sollte immer so seyn – – Aber sind noch mehr Leute als du, die das gemerkt haben? Dein Verstand ist von einer feinern Composition als gewöhnliche Köpfe – – du und einer oder zween, welche weiter sehen als andre, können es ausfündig gemacht haben – – Die übrigen werden doch vielleicht nichts von der Sache gewahr worden seyn? Sprich.
Camillo. Von der Sache, Gnädiger Herr? Ich denke, das kan jedermann gewahr werden, daß der König von Böhmen länger hier bleibt.
Leontes. Ha?
Camillo. Länger hier bleibt.
Leontes. Ja, aber warum?
Camillo. Um Euer Majestät, und unsrer gnädigsten Königin zu willen zu seyn.
Leontes. Um der Königin zu willen zu seyn – – zu willen? Mehr brauch ich nicht – – Höre Camillo; ich habe dir immer das Innerste meines Herzens anvertraut – – Du bist immer in meinen besondern Angelegenheiten wie in meinen öffentlichen, mein Beichtiger gewesen; ich habe dich für einen rechtschaffnen Mann gehalten: Aber nun seh ich, daß ich mich betrogen habe, daß mich der Schein betrogen hat.
Camillo. Das verhüte der Himmel, Gnädiger Herr – –
Leontes. Nein, du bist kein ehrlicher Mann, oder wenn du ja ehrlich bist, so bist du eine furchtsam Memme, und das hindert die Ehrlichkeit immer, daß sie den Weg nicht geht den sie gehen sollte: Du bist also entweder ein Verräther, der sich durch sträfliche Nachlässigkeit meines Vertrauens unwürdig gemacht hat; oder ein Thor, welcher ruhig zusieht, wie ich betrogen werde, und alles für blossen Spaß hält.
Camillo. Mein Gnädigster Oberherr, ich kan nachlässig, thöricht und furchtsam gewesen seyn; das sind Gebrechen, von deren jedem kein Mensch in der Welt zu allen Zeiten frey bleibt – – Ich bitte Eu. Majestät deutlicher mit mir zu reden, und mich meinem Verbrechen ins Gesicht sehen zu lassen; wenn ich es verläugne, so ist es nicht mein.
Leontes. Hast du nicht gesehen, Camillo, (aber das braucht nur nicht gefragt zu werden, du must es gesehen haben oder dein Augapfel ist diker als ein Hahnrey's-Horn) oder gehört, (denn bey einer Sache, die so offenbar in die Augen fällt, kan das Gerücht nicht stumm seyn) oder gedacht, (denn wer bey solchen Umständen nichts dächte, müßte gar nichts denken können) daß meine Gemahlin mir ungetreu sey – – Gesteh es wenn du willst – – oder sey unverschämt genug mir abzuläugnen, daß du Augen, Ohren oder Gedanken habest – – Gesteh es, und sage also, mein Weib sey ein Steken-Pferd, verdiene einen garstigern Namen, als irgend ein Flachs-Mensch, die sich beschlaffen läßt, eh sie zu Kirchen und Strassen gegangen ist – – Sag es, und rechtfertige dich.
Camillo. Wenn ein andrer meine Königliche Gebieterin so lästerte, so würde ich nicht so da stehen, und zuhören, ohne ihn auf der Stelle zur Rechenschaft zu ziehen – – Gütiger Himmel! was für Reden! Sie zu wiederholen wäre eine grössere Sünde als was ihr argwohnet, wenn es sich auch so befände.
Leontes. Ist Flüstern nichts? Ist die Baken an einander anlehnen, ist Nasen-zusammensteken – – mitten im Lachen mit einem Seufzer innhalten – – ist Fuß auf Fuß sezen – – in Winkel zusammenkriechen – – wünschen, daß die Gloke schneller, daß Stunden Minuten – – daß der Mittag, Mitternacht, und alle Augen, ausser den ihrigen, stokblind wären – – ist das nichts? Nun, wenn das nichts ist, so ist die ganze Welt und alles was drinn ist nichts; so ist dieser umwölbende Himmel nichts; der Böhme nichts; mein Weib nichts; so ist kein Unterscheid zwischen nichts und etwas, wenn das nichts ist.
Camillo. Mein Gnädiger Herr, laßt euch in Zeiten von dieser kranken Einbildung heilen; denn sie ist sehr gefährlich.
Leontes. Sag, es sey so, denn es ist so.
Camillo. Nein, nein, Gnädigster Herr.
Leontes. Du lügst, es ist so; du lügst; ich sage du lügst, Camillo, und ich hasse dich; gesteh, daß du ein plumper Tölpel, ein gedankenloser Sclave, oder ein wankender Temporisierer bist, der nach Zeit und Umständen, die nemliche Sache für gut und böse ansehen kan. Wäre meines Weibs Leber so angestekt, wie ihre Sitten, sie hätte keine Stunde mehr zu leben.
Camillo. Wer ist dann ihr Verführer?
Leontes. Kanst du fragen? Wer anders als der, der sie wie eine Medaille um seinen Hals hangen hat – – der Böhme, der wenn ich Diener hätte, die mir getreu wären, und eben so wohl auf ihren eigenen Vortheil als auf meine Ehre sähen – – Sie würden sich nicht lange mahnen lassen das zu thun, was mich allein gegen das was er thut, sicherstellen kan – – Du, sein Mund-Schenke, (du den ich aus dem niedrigen Stande hervorgezogen, und zu Würde und Ansehen erhoben habe; du, der so gewiß als der Himmel die Erde und die Erde den Himmel sieht, sehen mußt, wie ich beleidiget werde) du könntest meinem Feind einen Becher zubereiten, der ihn auf ewig einschläfern und für mich eine Herzstärkung seyn würde.
Camillo. Mein Gnädigster Herr, es ist gewiß, daß ich das könnte, und mit einer Art von langsam-würkendem Gift, welches zu keinem Argwohn Anlaß geben würde – – Aber ich kan nicht, nein, ich kan nicht glauben, daß die Königin zu einer so niederträchtigen Verrätherey herabgesunken seyn könne.
Leontes. Ich liebte dich – – Denke der Sache nach – – Meynst du, daß ich fähig sey aus blosser Laune und leerem Argwohn mir selbst einen so garstigen Handel zuzuziehen? Die Reinigkeit meines Ehebettes zu besudeln – – Die Ehre des Prinzen meines Sohnes, zweifelhaft zu machen, den ich für mein halte, und als mein liebe – – Denkst du daß ich das thun würde, wenn ich nicht die wichtigsten Gründe vor mir hätte? Welcher Mann könnte sich so weit vergehen?
Camillo. Ich muß mich überwunden geben, mein Königlicher Herr; ich will es thun – – ich will den König von Böhmen aus dem Wege schaffen; aber mit dieser Bedingung, daß wenn er fort ist, ihr eure Gemahlin wieder in eure Liebe aufnehmen, und wenn es auch nur aus Liebe zu euerm Sohne wäre, eben so halten sollet wie vorher, damit alle Zungen versiegelt, und keine nachtheilige Gerüchte in auswärtige und befreundete Höfe ausgestreut werden mögen.
Leontes. Du rathest mir das nemliche, was ich selbst schon bey mir festgesezt hatte; ihre Ehre soll keinen Fleken bekommen.
Camillo. So lasset nun mich für alles sorgen, Gnädigster Herr; und nehmet indessen gegen den König und eure Gemahlin ein so offnes Betragen an, wie die Freundschaft bey einem vertraulichen Gastmahl zeigt: Ich bin sein Mund-Schenke; wenn ihm der Trank, den ich ihm mischen will, wohl bekommt, so haltet mich nicht mehr für euern Diener.
Leontes. Das ist alles was ich will; thu es, so hast du die Hälfte meines Herzens; thu es nicht, so zersplitterst du dein eignes.
Camillo. Ich will es thun, Gnädiger Herr.
Leontes. Und ich mich freundlich stellen, wie du mir gerathen hast.
(Er geht ab.)
Camillo(allein.) Unglükliche Dame! Aber in was für einem Falle befind' ich mich selbst? Ich soll der Vergifter des rechtschaffnen Polixenes seyn, und was mich dazu bewegen soll, ist der Gehorsam gegen meinen Herrn; der in der Wuth seiner Leidenschaft haben will, daß alle die ihm angehören, von ihr erfüllt seyn sollen. Thu ich's, so folgt Beförderung. Aber wenn ich tausend Exempel von solchen, die ihre Hand an gesalbete Könige gelegt hätten, und glüklich dadurch worden wären, finden könnte, so wollt' ich's nicht thun – – Nun aber, da weder Erzt, noch Stein, noch Pergament nur eines aufweisen kan, muß die Ruchlosigkeit selbst eine solche That verschwören! Ich muß nur dem Hof gute Nacht sagen – – Gehorsam und Ungehorsam würde mir beydes den Hals brechen – – O, was für ein glüklicher Stern regiert! Hier kommt Polixenes – –
Polixenes bezeugt dem Camillo seine Befremdung über die Veränderung die er an dem König von Sicilien wahrnehme; er sieht nicht anders aus, (spricht er) als ob er eine Provinz verlohren hätte, und eine Provinz, die er wie sich selbst geliebt hätte – – Das trokne, verdrießliche und durch einen sichtbaren Zwang nur wenig bedekte Betragen seines Freundes beunruhigt ihn desto mehr, da er gewahr worden, daß es ihn angehe, ohne daß er begreiffen kan, warum. Camillo läßt sich eine Weile bitten, bis er auf des Polixenes dringendes Anhalten, ihm den erhaltnen Auftrag und die Eifersucht des Königs ohne Umschweiffe entdekt. Der bestürzte Polixenes schwört eine ganze Reihe poetischer Eidsformeln herab, daß er unschuldig sey: Aber Camillo versichert ihn, daß er mit so vielen Schwüren als Sterne am Himmel seyen, die einmal gefaßte Meynung aus dem Gehirn des rasenden Leontes nicht wegschwören könnte. Er schlägt ihm also zu ihrer beyder Rettung vor, daß sie sich, ohne Abschied zu nehmen, in der nemlichen Nacht heimlich davon machen wollten. Polixenes läßt es sich gefallen – – ich habe, (sagt er zu Camillo) die Bestätigung dessen was du mir entdekt hast, in seinen Augen gesehen – – Seine Eifersucht hat eine höchst liebenswürdige Creatur zum Gegenstand; so vortreflich diese ist, so groß muß jene seyn; da er Macht hat, so ist natürlich, daß er auf Rache bedacht ist; und da er sich gerade vor dem Mann, der sich jederzeit für seinen besten Freund ausgegeben hat, beleidigt hält, so muß dieser Umstand seine Rache um so viel bittrer machen – – Polixenes macht aus diesen Prämissen den Schluß, daß er alle Ursache habe, sich in der äussersten Gefahr zu glauben. Er verspricht dem Camillo, daß er ihn als einen Vater ehren wolle, wenn er ihn lebendig von Palermo wegbringen werde. Zu gutem Glüke liegen die Schiffe des Königs zur Abreise bereit, und Camillo hat, seines Hof-Amts wegen, über alle Schlüssel zu disponieren. Weil sie nun keine Zeit zu verliehren haben, so gehen sie ab.
Der Pallast.
Hermione, Mamillius, und einige Kammer-Frauen treten auf.
Hermione. Nehmt mir den Knaben ab; er macht mir so viel Unruhe daß es nicht auszustehen ist.
1. Kammerfrau. Kommt, Gnädiger Herr; wollt ihr mich nicht zu eurer Spiel-Gesellin?
Maximillius. Nein, ich mag nichts mit euch zu thun haben.
1. Dame. Warum nicht, mein allerliebstes Prinz?
Maximillius. Ihr würdet mich immer küssen wollen, und mit mir reden als ob ich noch immer ein Wiegen-Kind wäre – – Euch hab' ich lieber.
2. Dame. Und warum das, Gnädiger Herr?
Maximillius. Um eurer schwarzen Augbraunen willen nicht; und doch sagen die Leute, schwarze Augbraunen lassen den Weibsbildern am besten; aber es muß nicht zuviel Haar daran seyn, sondern sie müssen einen halben Zirkel machen, oder einen halben Mond, und so fein, wie mit der Feder gezogen.
2. Dame. Wer lehrte euch das?
Maximillius. Das hab ich aus Weiber-Gesichtern gelernt: Seyd so gut, ihr, und sagt mir, was für eine Farbe haben eure Augbraunen?
1. Dame. Blau, Gnädiger Herr.
Maximillius. Ihr wollt euern Spaß mit mir treiben; ich habe wol eine Frau gesehen, die eine blaue Nase hatte, aber keine mit blauen Augbraunen.
1. Dame. Hört ihr, die Königin eure Frau Mutter wird bald niederkommen: Dann werden wir unsre Dienste einem hübschen neuen Prinzen anbieten; und dann werdet ihr uns noch recht schön thun, wenn wir euch nur haben wollen.