Das Wunder der wilden Insel - Peter Brown - E-Book

Das Wunder der wilden Insel E-Book

Peter Brown

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Beschreibung

Preisgekrönt und bezaubernd: ein moderner Klassiker

Als das Robotermädchen Roz erstmals die Augen öffnet, findet sie sich auf einer wilden, einsamen Insel wieder. Wie sie dorthin gekommen ist und warum, weiß sie nicht. Das Wetter und ein wilder Bär setzen ihr übel zu, und Roz begreift, dass sie sich ihrer Umgebung anpassen muss, wenn sie überleben will. Also beobachtet sie, erlernt die Sprache der Tiere und entdeckt, dass Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft sie weiterbringen. Viele würden das Blechmonster zwar am liebsten verjagen, aber Roz gibt nicht auf. Sie zieht ein Gänseküken auf, und endlich fassen die Tiere Vertrauen. Als Roz dann in großer Gefahr schwebt, stehen sie ihr als Freunde bei.

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Seitenzahl: 183

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PETER BROWN

Mit Illustrationen vom Autor

Aus dem Englischen vonUwe-Michael Gutzschhahn

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1. Auflage 2017

Copyright © 2016 by Peter Brown

Copyright © für die deutschsprachige Ausgabe 2017

cbt Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel »The Wild Robot« by Little, Brown and Company, einem Imprint der Hachette Book Group, 1290 Avenue of the Americas, New York, NY 10104

Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn

Illustrationen von Peter Brown

Umschlaggestaltung: Geviert Grafik & Typografie

Umschlagillustration: Peter Brown

TP · Herstellung: eS

Satz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-19446-8V001www.cbt-buecher.de

Für die Roboter der Zukunft

KAPITEL 1Das Meer

Unsere Geschichte beginnt auf dem Meer, mit Regen und Sturm, Blitz und Donner, tosenden Wellen. Ein Hurrikan heulte und tobte durch die Nacht. Und mitten in diesem Chaos sank ein Schiff

tiefer

tiefer

tiefer

bis auf den Meeresgrund.

Das Schiff hinterließ Hunderte von Kisten an der Wasseroberfläche. Doch so wie der Hurrikan sie herumpeitschte und -wirbelte, sanken allmählich auch sie in die Tiefe. Eine Kiste nach der andern wurde von den Wellen verschluckt, bis nur noch fünf übrig waren.

Am nächsten Morgen war der Hurrikan vorbei. Keine Wolken, keine Schiffe, kein Land in Sicht. Nur die ruhige See, der klare blaue Himmel und die fünf Kisten, die träge schaukelnd einer Meeresströmung folgten. Tage vergingen.

Dann erschien ein grüner Streifen am Horizont. Als die Kisten näher herantrieben, wurde der grüne Schemen deutlicher sichtbar und zeigte die steilen Klippen einer wilden Felseninsel.

Die erste Kiste ritt taumelnd auf einer grollenden Welle heran und krachte schließlich mit solcher Wucht gegen die Felsen, dass sie komplett zerschellte.

Was ich noch nicht erwähnt habe, lieber Leser: Fest verpackt in jeder Kiste befand sich ein nagelneuer Roboter. Der Frachter hatte Hunderte von ihnen geladen, als er in den Sturm geriet. Nun waren nur noch fünf davon übrig. Genau genommen waren es nur noch vier, denn als die erste Kiste gegen die Felsen krachte, zerbarst auch der Roboter im Innern.

Das Gleiche passierte mit der nächsten Kiste. Sie krachte gegen die Felsen und die Roboterteile flogen in alle Richtungen auseinander. Und so erging es auch der nächsten Kiste. Und der übernächsten. Robotergliedmaßen und -körper wurden auf Felsvorsprünge geschleudert. Ein Roboterkopf klatschte in einen Gezeitentümpel. Und ein Roboterfuß wurde zurück in die Wellen gespült.

Und dann kam die letzte Kiste. Sie folgte der gleichen Richtung wie die andern, doch anstatt gegen die Felsen zu krachen, schwappte sie gegen die Überreste der vier vorherigen Kisten. Bald darauf katapultierten sie neue Wellen aus dem Wasser. Sie segelte durch die Luft, wirbelte gleißend umher und landete schließlich in einer großen Felsmulde. Die Kiste war zerquetscht und aufgebrochen, doch der Roboter im Innern war heil geblieben.

KAPITEL 2Die Otter

Die Nordküste der Insel war zu einer Art Roboterfriedhof geworden. Überall zwischen den Felsen lagen die zerstörten Körperteile von vier toten Robotern. Sie funkelten metallisch im frühen Morgenlicht. Und ihr Funkeln erregte die Aufmerksamkeit einiger sehr neugieriger Inselgeschöpfe.

Eine Gruppe von Seeottern tollte durch das seichte Uferwasser, als einer von ihnen plötzlich die funkelnden Teile entdeckte. Die Otter erstarrten. Sie hoben ihre Nasen in den Wind. Doch sie rochen nur Meer. Deshalb krochen sie neugierig über die Felsen, um das Ganze genauer zu untersuchen.

Vorsichtig näherte sich die Gruppe einem der Roboterkörper. Der größte Otter streckte die Pfote aus, schlug das schwere Teil und sprang eilig zurück. Doch nichts passierte. Also schlängelten sie sich weiter zu einer Roboterhand. Ein zweiter mutiger Otter streckte die Pfote aus und drehte rasch die Hand um. Die Hand machte auf den Steinen ein herrlich klimperndes Geräusch und die Otter fiepten vor Begeisterung.

Sie verteilten sich und spielten mit Armen, Beinen und Füßen der Roboter. Weitere Hände wurden umgedreht. Einer der Otter entdeckte in einem Gezeitentümpel einen Roboterkopf und alle tauchten ins Wasser, um ihn über den Grund des Tümpels zu rollen.

Und dann entdeckten sie etwas Neues. Über dem Friedhof der Roboter stand die eine Kiste, die überlebt hatte. Die Wände der Kiste waren zerkratzt und zerbeult und ein breiter Riss ließ die Oberseite aufklaffen. Die Otter sausten die Felsen hinauf und kletterten auf die große Kiste. Zehn pelzige Gesichter spähten durch den Riss, um zu sehen, was sich darin befand. Was sie entdeckten, war ein weiterer nagelneuer Roboter. Doch dieser Roboter war anders als die andern. Er war noch heil. Und er war eingebettet in fludrigen Verpackungs-Schaumstoff.

Die Otter griffen durch den Riss und zerrten an dem Schaumstoff. Das Zeug war so weich und fluffig! Sie fiepten, während sie nach dem Schaumzeug schnappten. Einige der fludrigen Teile schwebten in der Meeresbrise davon. Und in der ganzen Begeisterung traf eine der Otterpfoten aus Versehen einen wichtigen kleinen Knopf auf der Rückseite des Roboterkopfs.

Klick.

Es dauerte eine Weile, ehe die Otter merkten, dass sich in der Kiste irgendwas tat. Doch dann hörten sie es. Ein dumpfes, brummendes Geräusch. Alle hielten inne und starrten hinein. Und dann schlug der Roboter die Augen auf.

KAPITEL 3Der Roboter

Das Computerhirn des Roboters fuhr hoch. Die Programme gingen online. Und dann, noch immer in seiner Kiste, begann er zu sprechen.

»Hallo, ich bin ROZZUM, Ausführung Nr. 7134, aber ihr könnt mich gern Roz nennen.« Er sprach das Wort weich aus, dass es eher wie Rose klang, nur ohne »e«.

»Während meine Robotersysteme aktiviert werden, erzähle ich euch von mir. Sobald ich voll aktiviert bin, werde ich in der Lage sein, mich zu bewegen, zu kommunizieren und zu lernen. Gebt mir einfach eine Aufgabe und ich werde sie lösen. Im Laufe der Zeit werde ich immer bessere Möglichkeiten finden, meine Aufgaben zu erledigen. Ich werde ein immer perfekterer Roboter werden. Wenn ich nicht gebraucht werde, ziehe ich mich zurück und überprüfe meine Funktionen.

Danke, dass ihr mir zugehört habt.

Ich bin jetzt komplett aktiviert.«

KAPITEL 4Der Roboter schlüpft

Wie ihr vielleicht wisst, haben Roboter keine echten Gefühle. Jedenfalls nicht so wie Tiere. Und doch spürte Roz etwas wie Neugier, während sie in ihrer verbeulten Kiste saß. Sie war interessiert an dem warmen Lichtball, der von oben herabschien. Also fing ihr Computerhirn an zu arbeiten und die Roboterdame Roz identifizierte das Licht. Es war die Sonne.

Roz spürte, wie ihr Körper die Sonnenenergie aufnahm. Mit jeder Minute, die verstrich, fühlte sie sich wacher. Als ihr Akku voll aufgeladen war, sah sich Roz um und merkte, dass sie in einer Kiste steckte. Sie versuchte ihre Arme zu bewegen, doch sie waren mit Gurten festgezurrt. Deshalb forderte sie mehr Kraft ab, die Motoren in ihren Armen brummten ein bisschen lauter und die Gurte sprangen auf. Dann hob sie die Hände und drückte die Kiste auseinander. Wie ein Küken, das aus der Schale bricht, stieg Roz hinaus in die Welt.

KAPITEL 5Der Roboterfriedhof

Die Otter versteckten sich hinter einem Felsen. Ihre runden Köpfe zuckten nervös in die Luft und beobachteten, wie das funkelnde Monster aus seiner Kiste stieg. Das Monster drehte langsam den Schädel und scannte den Strand. Der Kopf drehte und drehte sich, komplett um die eigene Achse und hörte nicht auf, bis er direkt in Richtung der Otter schaute.

»Hallo, Otter, ich bin Roz.«

Die Roboterstimme war einfach zu viel für die scheuen Geschöpfe. Der stärkste Otter fiepte und plötzlich jagte die ganze Gruppe davon. Sie sprinteten zurück über den Roboterfriedhof, stürzten sich ins Meer und schossen so schnell sie konnten durch die Wellen.

Roz sah den Ottern hinterher, doch ihr Blick blieb an den funkelnden Gegenständen hängen, die am Ufer verstreut lagen. Die Gegenstände wirkten merkwürdig vertraut. Die Roboterdame schwang zuerst das linke Bein vor, dann das rechte, und machte problemlos ihre ersten Schritte. Sie stampfte fort von der Kiste, über die Felsen hinweg und durch den Friedhof, bis sie vor einem zerstörten Roboterleib stand. Sie beugte sich hinab und registrierte das Wort ROZZUM, das in den Körper gestanzt worden war. Sie erkannte das Wort an allen Roboterleibern, auch an ihrem eigenen.

Roz erforschte weiter den Friedhof, bis eine ausgelassene kleine Meereswelle über die Felsen spülte. Roz trat automatisch einen Schritt zurück. Dann schwappte eine größere Welle auf sie zu und Roz machte wieder einen Schritt zurück. Und dann krachte eine gigantische Welle über die Felsen und verschlang den ganzen Friedhof. Mit Wucht schlug das Wasser gegen Roz’ Körper und stieß sie zu Boden.

Zum ersten Mal leuchteten ihre Schadenssensoren auf, und als die Welle sich wieder zurückgezogen hatte, lag Roz da, triefnass und verbeult, umgeben von toten Robotern.

Roz spürte ihren Überlebensinstinkt – den Teil ihres Computerhirns, der sie Gefahren vermeiden ließ und wollte, dass sie auf sich aufpasste, damit sie weiter einwandfrei funktionierte. Ihr Instinkt drängte sie, sich vom Meer zu entfernen.

Vorsichtig stand sie auf und sah, dass hoch über dem Strand das Land voller Bäume, Wiesen und Blumen war. Dort oben schien es angenehm und sicher. Es schien ein weitaus besserer Ort für unseren Roboter zu sein. Um dort hinaufzukommen, würde Roz aber die Klippen hochklettern müssen.

KAPITEL 6Der Aufstieg

Knirsch!

Dong!

Schepper!

Roz hatte ein bisschen Probleme, die Klippen hinaufzusteigen. Sie zog sich eine neue Beule am Rücken zu und einen langen Kratzer an der Seite. Und als plötzlich unter einem Stück Treibholz ein Krebs hervorkrabbelte, hätte sie beinahe die nächste Delle bekommen.

Der Krebs schaute hoch und zeigte sofort seine riesigen Scheren. Jeder hatte Angst vor diesen Scheren. Doch nicht unser Roboter. Roz schaute nur zu ihm hinab und stellte sich vor.

»Hallo, Krebs, ich bin Roz.«

Nach kurzem Kräftemessen zog sich der Krebs vorsichtig zurück. Und in diesem Moment registrierte Roz, wie leicht er sich über die Felsen bewegte. Mit seinem breiten Körper und den rutschfesten Füßen kam der Krebs locker jede Felsoberfläche hoch und runter. Deshalb entschloss sich Roz, die Klettertechnik des Krebses auszuprobieren. Sie breitete ihre Arme weit aus und krallte ihre beiden Hände in die Klippenwand. Dann stieß sie einen Fuß in einen Felsspalt, hob den andern Fuß auf einen schmalen Vorsprung und plötzlich gelang es ihr, die Steilwand hinaufzuklettern.

Zuerst bewegte sie sich noch unsicher. Ein Stück Fels zerkrümelte in ihrer Hand und sie hatte Probleme, ihre Füße zu platzieren. Doch je höher sie stieg, desto besser lernte sie, wie es ging.

Möwen schrien aus ihren Klippennestern und flogen davon, wenn der Roboter ihnen zu nahe kam. Aber Roz beachtete sie gar nicht. Sie war ganz darauf konzentriert, nach oben zu kommen. Immer höher stieg sie und kletterte systematisch an Nestern, Vorsprüngen und kleinen Bäumchen vorbei, die aus den Felsspalten wuchsen. Und nach kurzer Zeit fühlte unser Roboter die weiche Erde der Insel unter den Füßen.

KAPITEL 7Die Wildnis

Tiergeräusche erfüllten den Wald. Getschilpe, ein Schlagen von Flügeln, Geraschel im Unterholz. Dann plötzlich drangen von den Meeresklippen neue Geräusche herüber. Schwere, knirschende Schritte. Die Waldtiere verstummten, und aus ihren Verstecken heraus beobachteten sie, wie ein funkelndes Monster vorbeistampfte.

Doch der Wald war kein angenehmer Ort für Roz. Spitze Steine, umgestürzte Bäume und das dickichthafte Unterholz machten ihr das Gehen schwer. Sie taumelte vorwärts und mühte sich, das Gleichgewicht zu halten, bis sich ihr Fuß verfing und sie steif wie ein Stück Holz einfach umfiel. Es war kein schlimmer Sturz. Keine Dellen, keine Beulen, nur Erde. Aber Roz war darauf programmiert, alles funktionsfähig zu halten, deshalb fing sie, kaum dass sie wieder auf den Beinen stand, sofort an, sich sauber zu machen. Ihre Hände jagten am Körper entlang, bürsteten ihn eilig ab und entfernten jedes Fitzelchen Dreck. Erst als der Roboterkörper wieder funkelte, setzte Roz ihren Weg durch den Wald fort.

Sie stolperte vorwärts, bis sie ein flaches und freies Stück Boden gefunden hatte, das mit Kiefernnadeln bedeckt war. Es schien ein sicherer Ort zu sein, und Sicherheit war genau das, was der Roboter wollte, deshalb blieb Roz stehen und rührte sich nicht. Ihre gerade und rechtwinklige Gestalt setzte sich deutlich von den ganzen unregelmäßigen Formen der Wildnis ab.

KAPITEL 8Die Kiefernzapfen

Wenn ihr lange genug in einem Wald steht, wird euch irgendwann garantiert etwas auf den Kopf fallen. Und Roz hatte lange genug in dem Wald gestanden. Ein leichter Windhauch fuhr flüsternd durch die Baumwipfel und dann – plopp! – sprang ein Kiefernzapfen von ihrem Schädel weg. Der Roboter schaute nach unten und betrachtete den Zapfen, wie er ein Stück fortrollte und schließlich liegen blieb. Er wirkte harmlos, deshalb versank Roz sofort wieder in Nichtstun.

Ein paar Stunden später fuhr eine Windbö durch die Baumwipfel und dann – plopp! Der Roboter schaute zu Boden, als ein weiterer Kiefernzapfen davonkullerte.

Und dann, ein paar Stunden nach diesem Ereignis, heulte ein scharfer Wind durch die Wipfel. Er bog Baumstämme, schüttelte Äste und plötzlich – plopp plopp plopp! – regnete es geradezu Kiefernzapfen. Plopp plopp! Roz spürte etwas wie Verärgerung. Plopp! Blitzschnell scannte sie die Gegend nach etwas, wo sie vor den Kiefernzapfen sicher war. Und dann, als sie an dem riesigen Felsgebilde hochschaute, das über dem Wald aufragte, entdeckte sie den perfekten Ort.

KAPITEL 9Der Berg

Roz stapfte also den Berg hinauf. Dichter Wald und vorspringende Felsnasen zwangen den Roboter, im Zickzack zu gehen und immer wieder zurückzuweichen, doch nach einer Stunde Marsch erreichte Roz den zerklüfteten Gipfel.

Gras, Blumen und Sträucher sprossen aus jeder Erdmulde. Aber hier oben gab es wenigstens keine Bäume. Roz war jetzt vor den nervigen Kiefernzapfen sicher. Sie wischte sich sauber und stieg danach eine schräge Steinwand hinauf zum höchsten Punkt des ganzen Bergs.

Langsam drehte Roz ihren Kopf einmal um die eigene Achse. Sie sah, wie sich das Meer in alle Richtungen bis zum Horizont erstreckte. Und in diesem Moment lernte sie, was wir, ihr und ich, schon seit Anfang dieser Geschichte wissen. In diesem Moment merkte Roz, dass sie auf einer Insel war.

Sie schaute hinab und musterte die Insel. Von ihrer sandigen Südspitze aus weitete sie sich, wurde grüner und bergiger, bis sie sich schließlich zu dem felsigen Bergkegel erhob. An manchen Stellen brach der Berg steil ab und bildete nackte Klippen. Ein Wasserfall stürzte über eine dieser Klippen und speiste einen Fluss, der sich durch eine große Wiese in der Mitte der Insel schlängelte. Der Fluss strömte an Wildblumen, Weihern und Felsbrocken vorbei und verschwand dann im Wald.

Verschwommene Formen jagten auf einmal durch das Bild, das der Roboter vor Augen sah. Roz stellte ihre Augen neu ein und entdeckte Geier, die über den Ausläufern des Berges kreisten. Dann entdeckte sie Eidechsen, die sich auf einem entfernten Felsen wärmten. Ein Dachs spähte aus einem Brombeerbusch. Ein Elch watete durch einen Bach. Ein Spatzenschwarm drehte in absoluter Einheit über den Bäumen ab. Die Insel wimmelte nur so von Leben. Und jetzt besaß sie noch eine neue Art von Leben. Eine merkwürdige Art von Leben. Künstliches Leben.

KAPITEL 10Erinnerung

Ich sollte euch vielleicht daran erinnern, liebe Leser, dass Roz keine Ahnung hatte, wieso sie auf der Insel gelandet war. Sie wusste nicht, dass sie in einer Fabrik gebaut wurde und danach in einem Lagerhaus gestanden hatte, bevor sie auf einem Frachter das Meer überquerte. Sie wusste nicht, dass das Schiff in einem Hurrikan gesunken und ihre Kiste tagelang auf den Wellen getrieben hatte, ehe sie schließlich hier ans Ufer gespült wurde. Sie wusste nicht, dass sie aus Versehen von den neugierigen Seeottern aktiviert worden war. Während Roz über die Insel schaute, kam ihr nicht mal der Gedanke, dass sie vielleicht überhaupt nicht hierhergehörte. Soweit Roz wusste, war sie hier zu Hause.

KAPITEL 11Der Roboter schläft

Roz stand auf dem Gipfel und beobachtete, wie die Sonne hinter dem Meer versank. Sie beobachtete, wie sich langsam Schatten über die Insel und die Berghänge legten. Sie beobachtete, wie die Sterne einer nach dem andern zu leuchten begannen, bis der Himmel mit Millionen von Lichtpunkten übersät war. Es war die erste Nacht im Leben des Roboters.

Roz aktivierte ihre Scheinwerfer und plötzlich traten helle Lichtstrahlen aus ihren Augen und erleuchteten die ganze Bergspitze. Zu hell. Also dimmte sie die Strahlen. Und dann schaltete sie sie ganz ab, setzte sich in die Dunkelheit und lauschte dem Chor nächtlichen Zirpens.

Nach einer Weile beschloss das Computerhirn unseres Roboters, dass es ein guter Zeitpunkt sei, Energie zu sparen. Deshalb setzte sich Roz hin und verankerte ihre Hände im felsigen Boden. Ihre nicht lebenswichtigen Programme schalteten ab und so schlief der Roboter auf seine Weise ein.

KAPITEL 12Der Sturm

Roz fühlte sich auf der Bergspitze sicher. Deshalb hockte sie die nächsten Tage und Nächte auf dem Gipfel. Doch eines Nachmittags änderte sich alles, als eine tief hängende Wolke den Berg hinaufkroch und Roz sich plötzlich von lauter Weiß umgeben sah. Als die Welt langsam wieder auftauchte, entdeckte sie weitere Wolken, die in Richtung Süden an der Insel vorbeizogen. Dann hörte sie plötzlich hinter sich ein tiefes Grollen. Der Roboter drehte den Kopf herum und sah, dass der Himmel von einer wogenden schwarzen Wand erfüllt war. Hier und da flackerte Licht. Und wieder grollte es.

Ein Sturm zog auf, und es war nicht irgendein Sturm. Er war so stark wie der, der den Frachter auf den Meeresgrund geschickt hatte. Der Wind nahm zu und die ersten Regentropfen hämmerten gegen den Roboter. Es war Zeit zu gehen. Roz löste ihre Hände und rutschte vom Gipfel hinab.

Heiße Funken flogen auf, wo ihr Körper an der schrägen Felswand entlangschrappte. Sobald Roz Boden unter ihren Füßen spürte, rannte sie los.

Der Regen prasselte stärker.

Der Wind blies heftiger.

Die Blitze zuckten heller.

Der Donner krachte lauter.

Es fiel so viel Regen, dass überall Sturzbäche losbrachen. Roz platschte den Berg hinab und suchte in der Dunkelheit nach einem Unterschlupf. Doch sie hätte aufpassen sollen, wo sie hintrat. Ihre schweren Füße rutschten weg, strauchelten und schließlich taumelte sie mitten in eine Schlammlawine hinein.

Unser Roboter hatte keine Chance. Der Schlammstrom wirbelte ihn den Berg hinab, schlug ihn gegen Felsen, zerrte ihn durch Gebüsch und schwemmte ihn direkt auf die Klippen zu! Wie ein Wasserfall stürzte der Schlamm von der Felskante hinab in die Tiefe! Roz krallte sich panisch in den Boden und versuchte nach irgendetwas zu greifen, woran sie sich festhalten konnte. Doch der Strom trieb sie nur weiter auf den Abbruch zu. Aber gerade als sie glaubte, über den Rand zu stürzen, blieb sie mit einem heftigen Ruck liegen.

Der Schlamm wogte um sie herum, sprühte ihr ins Gesicht und presste sie gegen irgendetwas Festes. Blind tastete sie mit ihren Händen umher und spürte plötzlich die dicken Wurzeln und den Stamm einer Kiefer. In Sekundenschnelle zog sie sich in die Äste hinauf. Der Sturm peitschte über den Berghang und Roz hörte das vertraute Plopp! der Kiefernzapfen, die ihr gegen den Körper prasselten. Doch das war ihr nun egal. Sie war einfach nur froh, vor der Schlammlawine in Sicherheit zu sein. Roz schlang ihre Arme und Beine um den Baumstamm und wartete, dass der Sturm aufhörte.

KAPITEL 13Die Nachwehen

Tagesanbruch, und der Sturm hatte sich gelegt, doch die Wassergeräusche waren noch überall zu hören. Die Luft war erfüllt von den Tropflauten der nächtlichen Sturzfluten über die Felsen und dem Gurgeln der über die Ufer getretenen Bäche. Und dann gab es noch ein ganz anderes Geräusch. Es war das Scheppern, das entsteht, wenn ein Roboter über einen nassen Felsen rutscht. Das Scheppern war an diesem Morgen ziemlich oft zu hören.

Während sich Roz den Berg hinabquälte, scannte sie die Auswirkungen des Sturms. Unter den Klippen hatten sich riesige Haufen aus Schlamm und Geröll gebildet. Der zentrale Fluss der Insel war über die Ufer gestiegen und hatte sich in die nahen Wiesen und Wälder ergossen. Einige Bäume waren entwurzelt. Andere waren versunken, und nur die obersten Zweige ragten noch gerade so eben aus dem Wasser, während zwischen den unteren Ästen Fische statt Vögeln umherschwärmten.

Nach so einem Sturm würdet ihr vielleicht erwarten, in all der Verwüstung auch Tierleichen zu finden. Doch die Tiere schienen das Ganze gut überstanden zu haben. Irgendwie mussten sie gewusst haben, dass das Gewitter nahte, und lange bevor es losbrach, Schutz gesucht haben. Die im Flachland lebenden Tiere hatten Zuflucht in höheren Gegenden genommen, wo sie geduldig warteten, bis das Wasser zurückging. Wild watete durch die überschwemmten Wiesen. Biber sammelten fleißig die für sie so wertvollen herabgestürzten Äste. Gänse schrien am Himmel, ehe sie klatschend in dem unter Wasser stehenden Teil des Waldes landeten.

Die Tiere waren eindeutig Meister im Überleben.

Der Roboter war es eindeutig nicht.

Roz war von einer Kruste aus Schlamm und Kieseln überzogen, deshalb reinigte sie sich wieder gründlich, doch dadurch kamen nur all ihre neuen Beulen und Schrammen zum Vorschein. So langsam wurden es ziemlich viele. Roz hatte mit dem perfekten Roboter, der erst vor einer Woche am Strand aufgetaucht war, nicht mehr viel gemeinsam.

Die Wildnis verlangte ihren Preis von der armen Roz. Deshalb spürte sie so etwas wie Erleichterung, als sie plötzlich eine verschwiegene Nische in der Felswand entdeckte. Es sah nach einem sicheren Ort für einen Roboter aus. Also stampfte sie den Berg entlang hinauf zu der Höhle, doch während des ganzen Wegs fragte sie sich, was wohl in der Höhle lauern mochte.

KAPITEL 14Die Bären

Roz stampfte in die Höhle. Und dann stampfte sie gleich wieder hinaus.