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Regeln und Gesetze zu brechen ist nichts Neues für den Demon Horde Motorradclub. Aber um das Sorgerecht für seinen Sohn zu bekommen, geht Clubmitglied Skeeter ausahmsweise den legalen Weg. Die Anwältin Miriam Englestein soll seine Probleme lösen - doch stattdessen beschert sie ihm Probleme ganz anderer Art. Ein Blick auf Miriam und Skeeters gespielte Gutmenschen-Fassade zerbröckelt, denn wo seine Seele verdorben ist, ist Miriams Seele rein und weiß. Skeeter will seine zugeknöpfte Anwältin erst auf sein Motorrad, und dann in sein Bett ziehen. Alles, was Miriam interessiert, ist ihr Job auf der richtigen Seite des Gesetzes. Männer spielen in ihrem Leben keine Rolle. Vor allem mit einem Motorradclub voller Gesetzesbrecher will sie keinesfalls in Verbindung gebracht werden, doch ihr Vater steht auf der Gehaltsliste des Demon Horde MC. Nachdem ihre erste Begegnung mit Skeeter in einem Pfefferspray-Massaker endet, ist irgendetwas an Skeeters Bitte - an Skeeter selbst - dem sie sich nicht verschließen kann. Obwohl sie Skeeter gerne nachgeben und ihn unglaublich leidenschaftliche und köstliche Dinge mit ihrem Körper anstellen lassen möchte, hat sie nicht nur Angst davor, ihre Kanzlei, sondern auch ihr wehrloses Herz aufs Spiel zu setzen. Schnell verschwimmen die Grenzen zwischen Geschäftlichem und Privatem, und während Miriam und Skeeter ihrer Anziehung nachgeben, kommt ein Stalker Miriam gefährlich nahe ...
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Seitenzahl: 374
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Sarah Hawthorne
Demon Horde MC Teil 2: Rebel Custody
Aus dem Amerikanischen ins Deutsche übersetzt von Julia Weisenberger.
© 2017 by Sarah Hawthorne unter dem Originaltitel „Rebel Custody (The Demon Horde Motorcycle Club Series Book 2)“
© 2022 der deutschsprachigen Ausgabe und Übersetzung by Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels
www.plaisirdamour.de
© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg
(www.art-for-your-book.de)
© Coverfoto: Shutterstock.com
ISBN Print: 978-3-86495-560-0
ISBN eBook: 978-3-86495-561-7
Dieses Werk wurde im Auftrag von Harlequin Books ULC vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Alle Rechte vorbehalten. Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Darsteller, Orte und Handlung entspringen entweder der Fantasie der Autorin oder werden fiktiv eingesetzt. Jegliche Ähnlichkeit mit tatsächlichen Vorkommnissen, Schauplätzen oder Personen, lebend oder verstorben, ist rein zufällig.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Epilog
Autorin
Widmung
Skeeter
Ich mochte es, den Rücken zur Wand zu haben. Das hatte ich mir während meines Einsatzes in der Wüste von Registan angewöhnt. Aber heute Abend war ich in einem Stripclub namens Jiggles, einem Treffpunkt in der Nachbarschaft. Ich überblickte ihn von einer Ecke in der Nähe der Billardtische aus. Eine Frau tanzte auf der Bühne, während ein Rocksong lief. Der dröhnende Bass ertönte mit einem leichten Schnarren. Im Soundsystem des Stripclubs hatten letztes Jahr ein paar Lautsprecher den Geist aufgegeben, aber niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie zu ersetzen.
Als ich an der Reihe war, lehnte ich mich über den grünen Filz. Stoß über die Bande. Kugel drei in die Ecktasche. Ich schloss die Augen und ließ den Queue durch meine Finger gleiten. Die Kugeln knallten zusammen. Ich hörte den Aufprall gegen das Seitenpolster und dann das Klappern, als die Kugel in die Tasche sank. Das war einfach gewesen.
Ich öffnete die Augen, um meinen nächsten Stoß vorzubereiten.
„Hey, du Genie.“ Clint lachte. „Du hast die Halben. Aber danke, dass du dich um einen meiner Bälle gekümmert hast.“
Scheiße. Ich schaute auf den Tisch. Er hatte Recht; ich hatte die Kugeln mit den farbigen Streifen. Ich hatte nicht aufgepasst. Anstatt auf meinen Lieblingsplatz an der Wand zurückzukehren, setzte ich mich auf einen Hocker vor der Bar.
„Hi, Baby.“ Asia, eine der Nutten, die ich am liebsten buchte, lehnte sich dicht zu mir. „Ich kümmere mich gerne um deine Bälle, aber wie wäre es, wenn du mir zuerst einen Drink spendierst?“
Ich verdrehte die Augen und bat den Barkeeper, ihr ein Bier zu geben.
„Du hast mich seit Wochen nicht angerufen.“ Asia schob schmollend ihre Unterlippe vor. „Ich könnte eine Freundin anrufen und wir drei könnten unsere eigene persönliche Party feiern. Weißt du noch, wie lustig das damals war?“
Verlockend. Asia war immer enthusiastisch und bereit, im Bett zu gefallen, vor allem, wenn es ihr ein großes Trinkgeld einbrachte.
„Eigentlich erinnere ich mich nicht an wirklich viel von dieser Nacht.“ Ich nippte an meinem Bier. „Ich war in letzter Zeit nicht in der Stimmung.“
„Oh!“ Sie lächelte und begann, in ihrer riesigen Handtasche zu wühlen. „Dafür habe ich was.“
Ich legte meine Hand auf ihre Schulter. „Das habe ich nicht gemeint. Ich bin einfach nicht interessiert, okay?“
Was zum Teufel war mit mir los? Asia war groß und hatte lange Beine, die sie in jede gewünschte Richtung biegen konnte. Und ihr Preis war angemessen. Aber der Sex hatte einfach seinen Reiz verloren. Es war die gleiche alte Scheiße. Frauen in knappen Kleidern, die mich zum Kauf verführen wollten, was ich auch oft tat. Dann ein bedeutungsloses Treffen in meinem Zimmer im Clubhaus und ein Vormittag allein.
Vielleicht konnte ich die Abfuhr abmildern. „Warum hängst du nicht mit Clint ab?“
Wir sahen beide zu ihm hinüber – er unterhielt sich mit einer blonden Stripperin in einem lila Kleid. Asia runzelte die Stirn.
„Na ja, vielleicht lerne ich heute Abend einfach einen neuen Freund kennen. Danke.“ Sie ging weg, die Hüften schwingend. Ich wusste, sie wollte, dass ich einen Blick auf ihren Hintern warf und meine Meinung änderte, aber das war mir egal.
Ich lehnte mich an die Theke, trank mein Bier aus und behielt den Raum im Auge. Ständig in einem Stripclub abzuhängen, wurde langsam ermüdend. Der konstante Lärm und das nichtssagende Flirten … Ich sehnte mich nach einer Nacht zu Hause, und nicht nur nach einem Abend in meinem Zimmer im Clubhaus. Letztes Jahr hatte ich ein Haus gekauft und war verdammt noch mal nie dort. Ich war ständig am Feiern. Vielleicht war es an der Zeit, umzuziehen.
Ich versuchte, Clints Blick auf mich zu lenken; ich überlegte, die lange Fahrt zu mir nach Hause anzutreten. Er sprach immer noch mit der Blondine, also beschloss ich, aufs Klo zu gehen.
Die Toiletten in Stripclubs waren seit jeher ekelhaft. Ganz gleich, wie viel Dekokram sie reinstopften, es war immer noch ein Pissoir in einem Tittenhaus.
Als ich den Reißverschluss schloss, berührte mich etwas im Nacken.
Kalt. Hart. Stahl.
Scheiße.
„Ich dachte mir, dass ich dich hier finden würde.“
Der schwere Cajun-Akzent des Mannes brachte mich sofort zurück nach Hause. Die Stimme kam mir vage bekannt vor. Das Gesicht meines Vaters schwebte in meinem Kopf, bevor ich mich an die verdammte Waffe erinnerte, die mir an den Hals gedrückt wurde.
„Kenne ich dich?“ Ich begann mich umzudrehen, um zu sehen, wer dieser Scheißkerl war.
Er spannte den Hahn. Ich erstarrte. Es war ein unverwechselbares Klicken und wenn die Waffe direkt unter das Ohr gedrückt wurde, klang es verdammt laut.
„Okay, steck die Waffe weg und wir gehen ein Bier trinken.“ Der Druck des Laufs in meinem Nacken wurde etwas weniger und ich hörte, wie der andere den Hahn wieder löste. „Ich drehe mich jetzt um“, sagte ich.
Die Pistole hielt Davide Lavernge. Er war in der Schule ein oder zwei Jahre hinter mir und der Klassenclown gewesen, der nebenbei ein bisschen mit Gras gedealt hatte.
„Wie wär’s mit dem Drink?“ Er grinste.
Davide folgte mir an die Bar und wir bestellten eine Runde. Ich nuckelte an meinem Bier und studierte den Drecksack neben mir. Sein saurer Atem wehte von zwei Barhockern entfernt herüber. Er roch wie Langusten drei Tage nach dem Kochen.
Davide leckte sich das Salz von den Lippen und kämmte sich die Erdnussschalen aus dem Bart. Sein Gesicht war faltig und verwittert, seine Zähne gelb. Er war nicht mehr der fröhliche Typ, den ich von früher gekannt hatte.
„Tacoma, Washington, ist verdammt weit von Breaux Bridge, Louisiana, entfernt. Was machst du so weit im Norden, Davide?“
Er stellte das Bier ab, das ich bezahlt hatte, und wandte sich mir zu. „Ich bin wegen der Unterhaltszahlungen hier.“
Er musste in großen Schwierigkeiten stecken, wenn er mich um Hilfe bat. Ich zuckte mit den Achseln. „Wie viel bist du schuldig?“
Er schüttelte den Kopf. „Du schuldest mir was, Skeeter. Vierzig Riesen. Ich habe mich um dein Kind gekümmert.“
Die Welt wurde unscharf, also blinzelte ich. Dann noch einmal. Meine Sicht war klar, aber mein Gehirn begriff nicht ganz, was Davide gerade gesagt hatte.
„Va te faire foutre!“ Leck mich am Arsch. Ich drückte mich von der Bar zurück. „Ich war seit Jahren nicht mehr in Breaux Bridge. Ich habe kein Kind.“
Davide kratzte sich an seinem Bart. „Nachdem du zur Armee gegangen warst, stellte Delphie fest, dass sie schwanger war. Sie beschloss, dass sie es allein aufziehen wollte. Deshalb hat sie mit dir Schluss gemacht.“
Delphie. Meine erste Liebe. Wir waren neunzehn Jahre alt und voller Träume gewesen. Nun, ich war voller Träume und sie war voll mit Meth, Gras und allem anderen gewesen, was sie in die Finger bekommen hatte. Ich hatte ihr einen winzigen Ring an den Finger gesteckt und mich dann auf den Weg ins Trainingscamp gemacht. Der Brief war zwei Tage nach meiner Ankunft in Afghanistan gekommen. Ein klassischer Laufpassbrief. Ich hatte ihn in meiner Koje gelesen und mir dann ein privates Plätzchen suchen müssen, um auf etwas einzuschlagen. Ein Captain hatte mich gesehen und ich hatte die nächsten drei Wochen damit verbracht, Latrinen in der Wüste von Registan zu putzen.
Ich kniff die Augen zusammen. Ich hatte nicht vor, auf seinen Scheiß hereinzufallen. „Sie hat mir nie gesagt, dass sie schwanger ist.“
„Das ist doch egal. Du hast ein Kind, für das du nie Unterhalt gezahlt hast. Nach meiner Rechnung schuldest du mir also vierzig Riesen.“ Davide zuckte die Achseln und stopfte sich noch mehr Erdnüsse in den Mund.
Ich rollte mit den Augen. Darum ging es also. „Das ist eine verdammte Erpressung. Wenn es ein Kind gäbe, würde Delphie mir mit gerichtlichen Schritten drohen. Du verarschst mich und das weißt du auch.“
Davide starrte mich an, kalt und hart. Das war nicht der Mann, den ich früher gekannt hatte. Damals hatte er ein bisschen Gras verkauft und viel Ärger gemacht. Er war immer zu Späßen aufgelegt gewesen, hatte das Leben in vollen Zügen genossen. Was auch immer er jetzt machte, es hatte ihn verändert.
„Delphie hatte vor etwa sechs Jahren eine Überdosis. Aber das ist unwichtig. Du hast ein verdammtes Kind und ich will mein verfluchtes Geld. Wenn du das kapiert hast, ruf mich an. Sonst finde ich dich wieder. Das verspreche ich dir.“ Er reichte mir eine altmodische Streichholzschachtel mit dem Namen eines Motels und einer mit Bleistift hingekritzelten Handynummer. „Das Kind ist mit mir hier.“
Davide stand auf und überließ mir die Rechnung.
Das Streichholzbriefchen war blau mit einem roten, stilisierten Pferd. Cowboy Motel. Auf der Rückseite war eine Karte aufgedruckt. Es lag direkt am Highway, südlich der Stadt, inmitten einer Reihe von Apfelplantagen. Touristen würden direkt vorbeifahren und sich ein Zimmer in Seattle oder Tacoma suchen. Dieses Motel war nur für Trucker gedacht oder für Leute, die sich nicht mit der Gesellschaft abgeben wollten. Die Art von Leuten, die von jemandem Unterhalt für ein Kind erpressen würden, das gar nicht existierte.
Das war nur eine weitere Möglichkeit für die Familie Lavernge, mich aufs Kreuz zu legen. Delphie hatte mich abserviert, sobald sie einen Typen mit mehr Kohle kennengelernt hatte und jetzt versuchte Davide, mich nach allen Regeln der Kunst auszubeuten. Ich hatte genug, um über die Runden zu kommen, aber vierzig Riesen hatte ich nicht mal so eben für schlechte Zeiten zurückgelegt.
Ich fuhr mit dem Daumen über die Oberseite des Streichholzbriefs und fühlte Rillen. Im Licht der Bar konnte ich gerade noch die Einkerbungen eines Stiftes erkennen. Irgendetwas war auf der Innenseite geschrieben. Ich klappte den verdammten Streichholzbrief auf und sah eine Zeichnung. Es war nicht viel Platz, aber jemand hatte eine Sonne mit Sonnenbrille gezeichnet. Die Strahlen der Sonne waren nicht ganz gleichmäßig und die Linien waren alle verwackelt. Ein Kind hatte es gezeichnet.
Was, wenn ich wirklich ein Kind hätte? Was wäre, wenn Delphie schwanger gewesen wäre, als ich nach Afghanistan geschickt worden war? Ich machte ein paar schnelle Berechnungen. Das Kind wäre neun oder zehn Jahre alt. Ich dachte an mich selbst in diesem Alter, mit aufgeschürften Knien und schmutzigen Händen. Wenn ich ein Kind hätte, wie wäre er oder sie?
Ich drehte die Streichholzschachtel um und starrte auf die Karte, die auf der Rückseite abgedruckt war. Derselbe beschissene Ort, direkt an der Interstate. Davide musste ziemlich verzweifelt sein, wenn er den ganzen Weg hierher nach Washington gekommen war, in der Hoffnung, eine Menge Geld zu bekommen. Ich wusste nicht, in was für Schwierigkeiten er steckte, aber es war schlimm und kein Kind sollte darin verwickelt werden.
Ich bezahlte meine Rechnung und ging zu Clint an den Billardtisch. Wenn das eine Erpressung war, brauchte ich Verstärkung.
* * *
Eine Stunde später stellten Rip, Clint und ich unsere Motoren ab und parkten auf einem Feld hinter dem Motel. Es war leicht, herauszufinden, welches Zimmer Davide gehörte. Ein verbeulter blauer Truck mit Louisiana-Kennzeichen parkte am anderen Ende, so weit wie möglich vom Motel-Büro und der Überwachungskamera entfernt.
Also kauerten wir im Efeu, der uns bis zu den verdammten Schultern reichte, und warteten. Das Licht im Raum flackerte, als ob jemand fernsehen würde.
„Scheiße, Skeeter, es ist schon fünfundvierzig Minuten her“, murmelte Clint in unserem Efeuloch.
Ein Lichtschimmer erhellte das dunkle Motel, als jemand seine Tür öffnete. Es war eine Frau, die herauskam, um eine zu rauchen. Sie ließ sich in einen Plastikstuhl auf der Terrasse fallen und zündete sich einen Joint an. Zu klein, um Delphie zu sein, dunkles Haar. Zerfurchtes Gesicht. Zerrissene Jeansshorts. Davides Freundin vielleicht? Unter dem Hyperfokus des Fernglases sah sie verbraucht aus.
Dann kam Davide heraus und setzte sich auf den anderen Stuhl. Sie reichten einen Joint hin und her. Die Tür öffnete sich wieder und zeigte eine kleine, dunkle Gestalt. Im hellen Licht des Innenraums waren die Gesichtszüge der Person nur schemenhaft zu erkennen. Der Schatten reichte nur etwa dreißig Zentimeter über den Türknauf. Ein Kind.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich versuchte, zu atmen, aber es kam nur ein gutturales Geräusch heraus. Auch wenn ich das Kind nicht deutlich sehen konnte, wusste ich es. Es war wie ein Pinselstrich in meinem Gehirn, der die Wahrheit verbreitete. Davide war nicht den ganzen Weg quer durchs Land gereist, nur um mich zu erpressen. Er hatte die Wahrheit gesagt.
Heilige Scheiße.
Ich hatte ein Kind.
Miriam
Sheena räusperte sich an der Tür zu meinem Büro. Sie hatte ihren Notizblock nicht dabei, also musste es das Ende des Tages sein. Ich hatte das Zeitgefühl verloren. In meinem winzigen Büro mit seinen Glaswänden, durch die jeder hereinsehen konnte, gab es keine Fenster, aber ich war die Tochter des Chefs, daher hatte ich ohnehin keinen Anspruch auf Privatsphäre.
„Ich bin auf dem Sprung.“ Sheena machte ein trauriges Gesicht. „Ist er immer noch nicht da?“
Gott sei Dank gab es Sheena. Der Rest von Dads Firma war spießig und steif. Aber ich hatte meine eigene Assistentin einstellen dürfen. Im Büro wurde manchmal über ihre blauen Haare gelästert, doch sie war eine hervorragende Anwaltsgehilfin – und meine Freundin.
„Danke.“ Ich lächelte. „Ich bin sicher, er verspätet sich nur.“
„Ich habe das Telefon der Rezeption an deinen Schreibtisch weitergeleitet.“ Sie hängte sich ihre Handtasche höher auf die Schulter. „Vergiss nicht, es zurückzustellen, wenn du gehst, sonst bekommst du alle Anrufe am Morgen.“
Ich nickte. Die Firma meines Vaters hatte vier Partner und fünfzehn Mitarbeiter, von denen ich einer war. Die Mandanten riefen morgens immer an, um sich über ihre Fälle zu informieren. Die meisten davon waren straf- oder gesellschaftsrechtlicher Natur, doch ich bearbeitete auch Familienrecht. Mein Stundensatz war niedriger als der der anderen, aber wenigstens verteidigte ich keine Mörder.
„Ich mach das schon. Wir sehen uns dann morgen.“ Ich winkte sie weg.
Um siebzehn Uhr dreißig packte ich meine Sachen zusammen. Mein Kunde hatte anderthalb Stunden Verspätung und es war Zeit für mich zu gehen. Sobald ich zu Hause war, hatte ich noch mehr Arbeit vor mir.
Ich fuhr mir durch die Haare, löste meinen Dutt und griff nach meiner Tasche. Ich schlüpfte aus meinen hohen Schuhen und zog mir flache an – meine kleine Rebellion am Ende des Tages. Ich hasste das Geräusch, das meine Absätze machten, wenn ich abends durch das leere Parkhaus lief.
Ich bog links in den Gang ein und ging in Richtung Tiefgarage.
Tapp, Tapp, Tapp.
Ich blieb stehen. War jemand mit mir auf dem Flur? Ich warf einen Blick auf mein Mobiltelefon. Keine verpassten Anrufe von meinem abwesenden Kunden. Dann war er es wohl nicht.
Meine Schritte hallten von den kahlen Wänden und dem Linoleumboden wider, während ich weiterging. Die Geräusche wurden immer lauter und kamen näher. Abends lief niemand diesen Flur entlang. Verfolgte mich jemand? Ich verdrehte die Augen über meinen Gedankengang. Wahrscheinlich war es nur das Reinigungsteam oder ein Wachmann. Ich versuchte, es zu verdrängen, aber ich beschleunigte meinen Schritt.
Die Geräusche kamen in schneller Folge den Flur hinunter.
Ich prallte gegen die Brandschutztür, die zur Garage führte, und rannte direkt los.
„Hey!“, rief eine männliche Stimme hinter mir.
Scheiße, mein Auto war zu weit weg. Ich würde es nie schaffen. Zeit für einen neuen Plan. Während ich sprintete, griff ich in meine Handtasche. Sonnenbrille, Lippenstift, Portemonnaie, alles hüpfte herum wie verrückt. Mein Geldbeutel sprang aus der Tasche und flog zu Boden. Ich rannte weiter. Meine Finger schlossen sich um den kalten Zylinder.
Jackpot. Ich holte das Pfefferspray aus meiner Handtasche.
„Ich will nur mit Ihnen reden!“
Es war die Stimme eines Mannes mit einem seltsamen Akzent. Sie klang fast europäisch, aber nicht ganz. Ich würde es nie schaffen, vor ihm wegzulaufen. Vielleicht war das Überraschungsmoment zu meinen Gunsten. Ich blieb stehen und drehte mich um. Zielte. Sprühte.
Das Pfefferspray kam in einem Strahl heraus und verbrannte mein Gesicht. Ich hatte die verdammte Flasche verkehrt herum gehalten. Tränen brannten bereits in meinen Augen, aber das war mir egal. Ich musste ihn erwischen. Meine Hände zitterten, als ich den oberen Teil der Flasche abtastete, um herauszufinden, wohin ich sie richten sollte.
„Hey, beruhigen Sie sich. Ich werde Ihnen nichts tun. Ich will nur reden“, sagte der Mann wieder.
Es war mir egal, warum er hier war. Ich wollte nur, dass er verschwand. Ich schnappte nach Luft, drehte die Flasche und drückte erneut auf den Knopf. Diesmal erwischte ich ihn. Er schrie auf und hielt sich die Hände vors Gesicht. Ich stoppte jedoch nicht, sondern stolperte weiter zu meinem Auto.
Das Brennen in meinen eigenen Augen wurde stärker und meine Sicht begann zu verschwimmen. Meine Tränen brannten wie Säure in meinen Augen und auf meinen Wangen. Ich musste einfach nur zu meinem Auto kommen. Dort konnte ich mich wenigstens hinsetzen und die Tür abschließen.
Seine Finger schlossen sich um meinen Unterarm, ich fiel und landete hart auf dem Asphalt.
„Mein Gott, Lady“, keuchte er. „Wir waren um sechzehn Uhr verabredet.“
Wir rangen beide um Atem und mein Herz schlug nicht mehr so schnell. Er war der Termin, der sich verspätet hatte? Shit. Ich hatte einen Kunden besprüht. Dad würde nicht glücklich darüber sein.
Ich hielt die Dose vor mich, und schaute ihn durch meine Tränen hindurch an. Er hatte zotteliges Haar und trug eine schwarze Lederweste. Ich musste sicher sein, dass er tatsächlich mein Mandant war und nicht ein Vergewaltiger, der im Parkhaus auf eine ahnungslose Frau wartete.
„Ach ja?“ Ich schnappte nach Luft und wischte mir die brennenden Tränen weg. „Wer hat Sie weiterempfohlen?“
Meine Kehle, meine Nase, meine Augen, sogar meine Ohren brannten, mein Sehvermögen verschwamm.
„Er ist der Anwalt unseres Clubs. Demon Horde, Tacoma Chapter. Er hat meinen Fall seiner Tochter Miriam Englestein übertragen.“ Er griff den Saum seines Shirts und tupfte sich damit über das Gesicht. „Ich war zu spät und sah Sie den Flur entlanggehen, als ich ankam.“ Er wischte sich die Tränen ab, die ihm die Wangen herabliefen. „Packen Sie bitte das verdammte Pfefferspray weg. Ich wollte Sie nicht erschrecken.“
Gerald Englestein war der beste Strafverteidiger zwischen Seattle und Los Angeles. Wenn man sich aus einer Mordanklage herauswinden wollte, rief man ihn an, und dann bezahlte man ihn. Und zwar viel. Mein Vater mochte Luxusjachten und schnelle Autos und er hatte einen Stundensatz, der das alles finanzierte. Er verlangte mehr für eine Stunde, als ich in einer Woche verdiente.
Die meiste Zeit waren Dads Kunden genauso reich wie er selbst. Sie spielten Golf, während sie ihren Fall besprachen, oder aßen drei Stunden lang in einer Martini-Bar zu Mittag. Aber nicht alle waren aus dem Countryclub. Dad hatte schließlich Rechnungen zu berappen und das organisierte Verbrechen zahlte gut. Die Mafia war vor allem an der Ostküste zu Hause, also spezialisierte sich Gerald-Englestein-Esquire auf Motorradclubs und Straßenbanden – im Grunde jeden, der im Voraus bar bezahlen konnte.
Nachdem ich das College abgeschlossen hatte, hatte ich die Stelle in der Kanzlei meines Vaters mit der Voraussetzung angenommen, dass ich niemals Strafsachen übernehmen würde. Ich wollte einfach keine Mörder verteidigen. Mein Vater steckte mich ins Familienrecht und übertrug mir die Scheidungen und Sorgerechtsstreitigkeiten. Solche bekamen wir nicht oft, nur etablierte Mandanten, die bereits ihren Vorschuss für ein anderes Problem bezahlt hatten, wurden von uns in dieser Angelegenheit vertreten.
Da saß ich nun mitten auf dem Parkplatz mit einem von Dads Bargeld-Kunden, keuchend und weinend wegen dem Pfefferspray. Sein Haar reichte ihm bis zu den Schultern und er trug eine schwarze Lederweste und verblichene Jeans. Dieser Typ würde sich nicht so bald unter die Oberschicht von Seattle mischen.
„Wenn Sie der Kunde meines Vaters sind, warum hat er Sie dann zu mir geschickt?“ Ich hielt die Dose immer noch fest in meinem Griff.
Er wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. „Ich brauche einen Anwalt für einen Sorgerechtsfall. Für mein Kind.“ Er atmete ein und aus. „Der beste Weg, mit Pfefferspray umzugehen, ist, es einfach auszuweinen. Haben Sie ein paar Taschentücher?“ Ich fischte eine Packung aus meiner Handtasche und reichte sie ihm. Meine Haut kribbelte. War er schon einmal mit Pfefferspray besprüht worden? Hoffentlich war er nicht gefährlich.
„Gibt es eine Möglichkeit, dass Sie mich wieder reinlassen, damit ich die Toilette benutzen kann?“, fragte er und tupfte sich die Wangen ab. „Ich glaube, ich habe das Zeug in meinen Haaren, und ich muss einen Helm tragen, wenn ich nach Hause fahre.“
„Es gibt ein Fitnessstudio mit Duschen“, erklärte ich. „Dort können wir uns waschen.“
Ich weinte immer noch von dem Pfefferspray, als wir durch das Gebäude gingen. Meine Haut kribbelte bei jedem Schritt. Logischerweise wusste ich, dass der Mann neben mir ein Kunde war und mir nicht wehtun würde, aber das kleine Mädchen, das in dem gutbürgerlichen Viertel Queen Anne in Seattle aufgewachsen war, hatte große Angst.
Das Trainingsstudio befand sich im Erdgeschoss, also mussten wir nach oben gehen. Da ich mich nicht in einem geschlossenen Raum mit den Überresten des Pfefferspraydampfes aufhalten wollte, verzichtete ich auf den Aufzug und entschied mich für das Treppenhaus. Unsere Schritte hallten wider, während wir hinaufgingen, was deutlich machte, wie allein ich mit diesem Kunden war. Nur er und ich. Keiner, der mich schreien hören würde.
„Also, woher kommen Sie?“, fragte ich im Bemühen, Konversation zu betreiben. Sein Akzent war ungewöhnlich und ich konnte ihn nicht zuordnen.
„Ich bin in Louisiana aufgewachsen“, antwortete er. „Aber jetzt lebe ich in Tacoma.“
Ich zitterte. Tacoma hatte eine der höchsten Mordraten im ganzen Land. Er war ein Kunde, erinnerte ich mich. Er verdiente denselben Kundenservice, den ich jedem angedeihen ließ, egal wie er bezahlte. Ich wiederholte das noch einmal, als wir schweigend den Treppenabsatz erreichten.
Auf der letzten Stufe blieb ich mit dem Zeh hängen und stolperte. Ich griff nach dem Geländer, um mich zu stützen, aber etwas packte meinen Arm.
Das war er. Er hatte nach meinem Arm gegriffen und mich auf den Treppenabsatz gezogen, um mich vor dem Sturz zu bewahren. Wir standen einen Moment dort und seine Hand ruhte auf meiner Schulter. Sein Griff war fest, tat aber nicht weh. Ich wusste, dass er mich nicht fallen lassen würde.
Seine Augen waren braun, honigfarben. Er hatte ein paar Sommersprossen auf der Nase. Ich wollte den Rest seines Gesichts sehen, doch es war von einem riesigen Bart bedeckt. Ich hatte noch nie einen so wilden Bart gesehen.
„Geht es Ihnen gut?“ Er blickte mich suchend an. „Ich dachte schon, ich verliere Sie auf der Treppe.“
„Alles gut.“ Ich zog am Kragen meines Pullovers. Mir musste heiß geworden sein, als ich die Stufen hinaufgegangen war. Ich machte einen Schritt auf die Tür zu. „Zum Trainingsraum geht es da lang.“
Wir kamen am Cardio-Trainingsbereich vorbei, wo die Laufbänder aufgereiht und leer waren.
Ich blieb vor der Männerumkleide stehen.
„Ich war noch nie da drin, aber neben den Damenduschen liegen Handtücher, also nehme ich an, dass es für die Männer dasselbe ist.“ Ich runzelte die Stirn. Ich hatte den armen Kerl mit Pfefferspray besprüht, und das war alles, was ich tun konnte? „Rufen Sie mich einfach, wenn Sie Hilfe brauchen.“
„Ich bin sicher, dass ich unter der Dusche keine brauchen werde“, erwiderte er.
Dann lächelte er, und ich spürte, wie mir die Knie zitterten. Grübchen zeigten sich durch den schweren Bart und sein ganzes Gesicht veränderte sich. Er war nicht mehr der bedrohliche Typ, der mich im Parkhaus gejagt hatte.
Er verschwand in der Umkleidekabine. Nachdem ich in die Damentoilette geflüchtet war, starrte ich mich im Spiegel an. Mein Haar war ein einziges Durcheinander und auf der Seite zerzaust, wo mich das Spray getroffen hatte. Das war völlig inakzeptabel. Nach einer Dusche lieh ich mir einen der Haartrockner des Trainingsstudios und schaffte es, meine Strähnen zu einem Dutt zu flechten. Wenigstens sah ich jetzt professionell aus.
Da er nicht wusste, wo sich mein Büro befand, wartete ich in der Halle, bis er aus der Umkleidekabine kam. Ohne Hemd. Ich erschrak. Eine große Tätowierung bedeckte seine Schulter und lief seinen Arm hinunter. Auf seinem anderen Arm hatte er ein Pin-up im Stil der 1940er-Jahre mit dunklem Haar.
„Oh.“ Er neigte den Kopf und legte sich ein Handtuch um die Schultern. „Tut mir leid, mein Shirt ist durchnässt und ich habe nichts anderes dabei. Ich wollte Sie nicht erschrecken.“
„Sie haben mich nicht erschreckt.“ Ich schnaubte. „Ich habe schon mal einen Mann oben ohne gesehen.“
„Nur einen?“, fragte er lachend.
Ich presste die Lippen zusammen und versuchte zu lächeln. Kundenservice. Ich konnte das. Nur weil er umwerfend gut aussah, hieß das nicht, dass ich mich in eine sabbernde, liebeskranke Idiotin verwandeln würde.
„Mein Büro ist hier entlang.“ Ich drehte mich um und ging zurück zum Treppenhaus, ohne darauf zu warten, dass er mir folgte. Meine Wangen waren heiß, und ich war mir sicher, dass das nicht von meiner Dusche kam. Ich hantierte mit meiner Handtasche und zog im Gehen meine Strickjacke aus. In meinem Büro würde es nicht kühler sein.
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und lud ihn ein, auf dem ledernen Gästesessel Platz zu nehmen. Ich lächelte, griff nach einem Notizblock und tat so, als sei es völlig normal, dass ein Kunde halbnackt in meinem Büro saß. Vollkommen normal. Kundenbetreuung. Ich konnte das.
„Jean Luc Devaneaux.“ Er streckte mir die Hand entgegen. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Ma’am.“
„Miriam Englestein.“ Ich nahm seine Hand. Genau wie beim Treppenabsatz war sein Griff fest, aber nicht hart. Ich setzte mein professionellstes Lächeln auf. „Ich möchte mich für das, was passiert ist, entschuldigen. Ich hoffe, wir können es hinter uns lassen und eine sehr erfolgreiche Arbeitsbeziehung haben.“
„Klingt großartig.“ Sein Lächeln wirkte allerdings nicht mehr ganz so strahlend wie noch im Flur.
Ich runzelte die Stirn. Warum hatte sich sein Lächeln verdunkelt? Hatte ich etwas falsch gemacht?
„Also, was kann ich für Sie tun?“, fragte ich.
„Ich werde um Unterhalt für ein Kind erpresst, von dem ich bis gestern Abend nicht wusste, dass ich es habe.“ Er verschränkte die Arme, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und wartete auf meine Reaktion.
Ich zog die Augenbrauen hoch, während er mir eine Geschichte über ein dunkles Motel, einen Parkplatz und Schatten erzählte. Bei meinen Fällen handelte es sich in der Regel um Scheidungen oder Klagen gegen einen Ehepartner auf zusätzliche Unterhaltszahlungen.
„Sie wollen also das Sorgerecht beantragen?“, fragte ich und schrieb eine kurze Liste von Punkten auf meinen Block. „Das ist ziemlich einfach. Wir stellen die Vaterschaft fest, dann klagen Sie auf das Sorgerecht. Wenn das Kind die gleiche DNA hat wie Sie, stehen die Chancen gut, dass Sie in irgendeiner Form das Sorgerecht bekommen. Wie viel Verantwortung wollen Sie?“
„Wenn ich ein Kind habe, will ich das volle Sorgerecht – wenn die Mutter wirklich tot ist. Ich will es kennenlernen, mehr als alles andere.“ Er nickte, räusperte sich dann jedoch. „Aber so einfach ist das nicht. Ich kann ihn nicht einfach auf das Sorgerecht verklagen oder das Gericht einschalten. Er wird verdammt schnell abhauen. Er hat wahrscheinlich einige Haftbefehle, und wenn jemand kommt und herumschnüffelt, dann ist mein Kind weg.“
„Oh.“ Ich runzelte die Stirn. Es lag Schmerz in seiner Stimme. Er wollte sein Kind wirklich kennenlernen und mein Herz zog sich ein wenig für ihn zusammen. „Ich bin Anwältin – Gerichte sind sozusagen mein Metier. Ich möchte Ihnen helfen, aber was genau wollen Sie?“
Er lehnte sich über meinen Schreibtisch. Meine Haut erhitzte sich, während sich diese kräftigen Schultern auf mich zubewegten. „Ich könnte es einfach mitnehmen, aber dann mache ich mich des Kidnappings schuldig, richtig? Ich will nicht, dass mein Kind denkt, ich hätte es der einzigen Familie weggenommen, die es je gekannt hat. Ich muss das richtig machen. Ich will nicht, dass es mir jemand wegnehmen kann.“
Er streckte die Hand aus und ergriff meine. Der Schmerz war deutlich in seinen Augen zu sehen, als er darüber sprach, dass er sein Kind nicht kannte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihm helfen konnte, ohne das Gerichtssystem einzuschalten, aber ich wusste, dass ich es versuchen musste.
Ich drückte seine Finger.
Skeeter
Ich wusste sofort, dass es meine Anwältin war, als das Auto auf den Parkplatz fuhr, wo Davide untergekommen war. Das perlweiß lackierte Mercedes-Coupé passte überhaupt nicht auf den mit Schlaglöchern übersäten Motelparkplatz. Hoffentlich würde niemand versuchen, ihn zu stehlen, während wir unser Vorhaben umsetzten. Sie trug einen marineblauen Hosenanzug und wirkte genauso deplatziert wie ihr Auto. Verdammt. Vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen.
„Er ist in dem da.“ Ich zeigte ihr Davides Zimmer. Es war das mit den billigen Plastikstühlen und dem Metalleimer für die Zigarettenkippen vor der Tür. „Davides Truck ist weg. Aber wir sollten trotzdem klopfen.“
„Lassen Sie mich das machen.“ Sie berührte meinen Arm. „Wenn das Kind allein dort ist, wirke ich weniger bedrohlich.“
Ich nickte. Ja, sie hatte Recht. Es war wohl das Beste, das Kind nicht gleich bei der ersten Begegnung zu erschrecken. Ich stellte mich an die Seite, während Miriam an die Tür des Motelzimmers klopfte. Es waren Stimmen zu hören, dann ein kleiner Knall. Zur Sicherheit schob ich Miriam hinter mich und wir warteten darauf, dass jemand öffnete.
Die Tür ging auf und die Brünette von neulich Abend schaute heraus. Ihr Haar war ungekämmt und ihre Augen fokussierten sich kaum, bis sie mich erblickte. „Skeeter?“, fragte sie und lachte.
Ich kannte sie irgendwoher. War sie vielleicht auf meiner Highschool gewesen? Allerdings Jahre später. Ihre Stimme wurde flach, ihre Augen verengten sich. Sie war nicht erfreut, mich zu sehen.
„Davide ist nicht da.“ Sie verdrehte die Augen und zündete sich eine Zigarette an. „Warum kommst du nicht später wieder?“
„Ist das Kind hier?“, fragte ich und versuchte, an ihr vorbei in den Raum zu schauen.
„Davide ist nicht hier.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Das ist das Wichtigste.“
Ich kramte ein Bündel Bargeld heraus. „Fünfzig Mäuse. Betrachte es als Anzahlung in gutem Glauben.“ Ich winkte ihr mit den Scheinen und beobachtete, wie ihre abnorm kleinen Pupillen der Bewegung folgten. „Ich will das Kind sehen.“
Sie nahm mir das Geld aus der Hand und steckte es in ihren BH. Sie drehte sich um und schrie in das Motelzimmer. „Christophe, komm raus. Il est ton papa.“ Es ist dein Vater.
Cajun-Französisch – ich rief meine Mutter einmal im Monat oder so an, nur um diese Sprache zu hören. Ich hatte Louisiana vor zehn Jahren verlassen. Ich hatte Französisch, Langusten und mein Erbe zurückgelassen. Das Einzige, was mir geblieben war, war mein Dialekt.
„Englisch“, knurrte ich. Meine Anwältin musste alles verstehen, was wir sagten.
Sie starrte mich böse an. Ich versuchte, um sie herum in das dunkle Motelzimmer zu schauen, aber alles, was ich sehen konnte, waren zwei ungemachte Betten und ein Haufen Wäsche. Im hinteren Teil des Zimmers öffnete sich die Badezimmertür und ein kleiner Junge stolperte in den Raum. Er hatte einen roten Haarschopf und Sommersprossen.
Verdammte Scheiße.
Dieses Kind war eine Mini-Version von mir.
Ich musste ihn berühren, ihn kennenlernen.
Etwas strich über meine Schulter und ich blieb stehen. „Noch nicht“, murmelte Miriam. „Lassen Sie ihn rauskommen.“
Mein Sohn brauchte genau zwölf Schritte, um das winzige Motelzimmer zu durchqueren und zur Tür zu kommen. Ich ging in die Hocke und sah ihn an. Rotes Haar, Sommersprossen, meine Nase, mein Mund. Delphies Augen. Er war neun. Das musste er sein. Dann wäre Delphie gerade erst schwanger geworden, als ich zur Armee gegangen war.
„Hi.“ Was hätte ich sonst sagen sollen?
Das Kind lächelte. Mein Lächeln. Ich riss mich zusammen, als ich ins Schwanken geriet.
„Hi“, antwortete er.
Irgendwann hatte sich Miriam zu mir gesellt und hockte auf der Veranda des Motelzimmers. „Hi, mein Kleiner, ich bin Miri. Und wie heißt du?“
Der Junge sah mich an und dann wieder zu Miriam. „Christophe.“ Er sagte es genau so, wie ich es getan hätte, mit einem starken Vokal auf französische Art.
„Wie heißt dein Vater, Christophe?“, fragte Miriam weiter.
Fuck. Ich stützte mich mit der Hand auf dem Beton ab, um mich zu beruhigen. Ich musste Christophe meinen Namen sagen hören.
Er zuckte mit den Achseln. „Ich weiß es nicht. Onkel Davide sagte, er ist gestorben, als ich noch sehr klein war. Genau wie meine Mama.“
Es war, als hätte er mir ins Herz gestochen. Er war in dem Glauben aufgewachsen, seine Eltern seien beide tot. Ich nahm alles an meinem Sohn in mich auf. Alles, von seinen nackten Füßen bis zu seinem gewellten Haar. Es war nicht zu leugnen, dass er mein war. Ich wollte ihn nur an mich pressen und nicht mehr loslassen. Ich wollte die Hand nach ihm ausstrecken, aber Miriam zerrte an mir.
„Noch keine Umarmungen. Sie würden ihn erschrecken“, flüsterte sie.
Ich nickte und holte tief Luft. Mein Kind. Mein Sohn. Ich hatte einen Sohn.
„Vielleicht sollten wir uns in einem Park treffen?“, schlug Miriam vor. „Wir könnten mit Davide sprechen und Christophe ein wenig kennenlernen?“
Die Brünette nahm das Geld aus ihrem BH und begann es zu zählen. „Ja, ich denke, das ist eine gute Idee. Ich sage Davide Bescheid und er wird euch anrufen. Ich denke, ihr solltet jetzt gehen. Keine Zeit mehr ohne Davides Anwesenheit.“
Ich nickte, trat zurück und gab der Frau meine Telefonnummer. Ich konnte meinen Blick nicht von Christophe losreißen. Seine Sommersprossen waren genau wie meine.
Fuck. Ich hatte einen Sohn und jetzt musste ich ihn verlassen? Er war mein Sohn und ich wollte ihn bei mir haben. Ein beschissenes Motelzimmer mitten im Nirgendwo war kein Ort für ein Kind. Ich hasste es, dass Davide hier alle Trümpfe in der Hand hielt.
„Wir sollten gehen“, sagte Miriam und unterbrach meine Gedanken.
Ich sah an mir herunter und bemerkte, dass wir den ganzen Weg zu ihrem Auto gegangen waren und ich immer noch ihre Hand hielt.
„Scheiße, tut mir leid!“ Ich ließ sie los. Ich hatte sie schon zu Tode erschreckt, als wir uns getroffen hatten. Ich wollte nicht, dass sie sich bei ihrem Vater beschwerte. „Ich habe es nicht bemerkt.“
„Oh, das ist schon in Ordnung.“ Sie lächelte. „Es war ziemlich emotional für Sie. Denken Sie sich nichts dabei. Also, machen Sie ein Treffen mit Davide und Christophe aus. Ich will dabei sein, okay?“ Sie kramte in ihrer Handtasche und reichte mir ihre Visitenkarte. „Rufen Sie an und sagen Sie meiner Assistentin, wann alles stattfinden soll.“
Ich nahm ihre Karte. Schwarzer Schriftzug auf Weiß. Schlicht, professionell. Es passte zu ihr. Sie trug eine marineblaue Hose und eine Jacke. Davide würde wissen, dass etwas nicht stimmte, wenn sie das nächste Mal in einem ähnlichen Outfit auftauchte.
Ich konnte Davide noch nicht sagen, dass ich eine Anwältin hatte. Er würde sofort abhauen, falls er es erfuhr. Ich betrachtete sie von oben bis unten. Selbst unter dem ordentlichen Hosenanzug konnte ich erkennen, dass sie einen guten Körper hatte.
„Ich glaube, wir brauchen eine Tarngeschichte.“ Ich steckte die Visitenkarte in meine Tasche. „Ich kann ihm nicht sagen, dass Sie meine Anwältin sind, sonst macht er sich aus dem Staub und ich werde Christophe nie wieder sehen.“
„Guter Punkt.“ Sie nickte und biss sich auf die Lippe.
„Sie könnten meine Freundin sein.“ Ich schnallte meinen Helm fest und zwinkerte ihr zu.
Ihr Mund formte ein entzückendes kleines O, während sie mich schockiert anstarrte.
„Ich rufe dich an.“ Ich grinste. Es machte Spaß, meine Anwältin in Verlegenheit zu bringen.
Ich ließ den Motor aufheulen und freute mich darauf, auf die Autobahn zu fahren. Die offene Straße hatte sich immer wie ein Ort angefühlt, an dem ich keine Verantwortung und keine Sorgen hatte. Ich spürte, wie der Wind mich umwehte, aber dieses Mal verschwanden meine Probleme nicht. Das würden sie nie mehr. Ich war ein Vater von jemandem, der von mir abhängig war.
Miriam
Mir blieb der Mund offen stehen, als Jean Luc mit seinem Motorrad den Parkplatz verließ. Manchmal engagierte die Firma einen Privatdetektiv, wenn es für einen Fall nötig war, aber ich war noch nie selbst undercover unterwegs gewesen. Und er wollte, dass ich so tat, als wäre ich seine Freundin? Wahrscheinlich ging er mit Frauen aus, die gut aussahen und selbstbewusst genug waren, um enge Kleidung zu tragen.
Ich zog an meinem marineblauen Jackett. Das könnte ich auf keinen Fall durchziehen. Außerdem, was würde mein Freund von diesem Plan halten? Er würde ihn sicher nicht gut finden.
Jean Luc ließ den Motor seiner Maschine ein wenig aufheulen, bevor er auf die alte Landstraße fuhr. Selbst aus dieser Entfernung hatte er ein schönes Paar Schultern. Das Bild von ihm ohne Hemd tauchte in meinem Kopf auf, und ich schüttelte ihn, verbannte diesen Gedanken sofort wieder. Er war ein Kunde und ich musste es professionell halten.
Ich blickte zurück zur Tür des Motelzimmers. Ein kleines Kind mit bezaubernden roten Haaren wuchs ohne seinen Vater auf. Ich seufzte. Es war nur ein winziger Trick, um ihm zu helfen, das Sorgerecht für seinen Sohn zu bekommen. Was konnte es schon schaden?
* * *
Als ich in mein Büro zurückkehrte, ging die Sonne bereits unter und die Straßen füllten sich mit dem Feierabendverkehr. Ich dachte immer noch über den Fall von Jean Luc nach. Es musste schwer gewesen sein, seinen Sohn zum ersten Mal zu sehen und ihn dann zurücklassen zu müssen.
Ich gab einen Zuckerwürfel in meine Tasse und rührte um. „Was machst du da?“ Sheena schnappte sich die Tasse Tee von meinem Schreibtisch. „Du musst jetzt los. Du bist spät dran.“
„Los?“ Ich hatte keine weiteren Termine für den Tag. Ich hatte geplant, Papierkram zu erledigen. „Habe ich eine Anhörung vergessen?“
Sheena rollte mit den Augen. „Du hast heute Abend ein Date, schon vergessen?“ Sie nahm mein Jackett vom Haken.
„Oh!“ Ich erstarrte. Ich hatte Pete völlig vergessen. Wir hatten für heute Abend einen Tisch reserviert.
Sheena warf mir das schwarze Kleid zu, das ich im Büro aufbewahrte, und ich zog mich in Rekordzeit um. Ich kontrollierte mein Haar mit den Händen, bevor Sheena mich am Arm packte und zur Tür zog. „Keine Zeit. Der letzte Zug zur King Street Station fährt in zwanzig Minuten. Mach dir unterwegs die Haare.“
Im Berufsverkehr von Seattle zu fahren, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ich schaffte es, die Bahn zu nehmen, und verbrachte die dreißigminütige Reise mit dem Versuch, die Gedanken an Jean Luc und seinen Sohn zu verdrängen. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie Jean Luc sich gefühlt hatte, als er seinen Sohn zum ersten Mal getroffen hatte. Auch Christophe hatte erstaunt und verängstigt gewirkt. Ich wollte bei ihnen sein, während sie lernten, einander zu lieben. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich die Anwältin war und nicht Teil der Familie. Alle meine anderen Fälle spielten sich in Form von Zeugenbefragungen und in Gerichtssälen ab. Ich hatte noch nie einen Fall gehabt, bei dem sich die Familie direkt vor meinen Augen formte.
Ich musste mich daran erinnern, dass sie nur ein Job waren.
Als ich an der King Street Station aus dem Nahverkehrszug stieg, entdeckte ich Pete in der Menge. Er war der Einzige, der einen Anzug trug. Alle anderen Geschäftsleute hatten ihre Züge für den Abend schon erwischt.
Er gab mir einen kurzen Kuss auf die Wange und nahm meinen Ellbogen. „Hast du Taschen dabei?“, fragte er und zog eine Augenbraue hoch.
Ich schüttelte den Kopf. „Äh, nein. Ich habe morgen ein paar Termine. Ich kann nicht bleiben.“
Pete machte ein Geräusch. Es war nicht wirklich ein Grunzen, denn Pete war dafür nicht ungehobelt genug, aber es war der Laut, den er von sich gab, wenn er unzufrieden war.
Als wir zum Parkhaus hinausgingen, bettelte ein alter Mann um Kleingeld. Ich steckte einen Dollar in seinen Schaumstoffbecher und rannte dann, um Pete einzuholen.
„Audi hat ein neues Sportcoupé, das perfekt zu dir passen würde. Lass es mich einfach leasen.“ Er entriegelte die Türen seines Autos mit einem Knopfdruck und hielt mir die Beifahrertür auf.
Ich setzte mich hinein und ballte die Fäuste, nachdem ich den Sicherheitsgurt angelegt hatte. „Mein Auto ist erst fünf Jahre alt. Ich brauche kein neues. Außerdem macht es mir nichts aus, mit dem Zug zu fahren.“
Er sah zu mir hinunter und hob eine Augenbraue. „Wenn du mit deinem Auto fahren würdest, müsste ich nicht den Pennern ausweichen, um dich abzuholen.“ Er schloss die Beifahrertür für mich.
Das Abendessen war eine mehrgängige Angelegenheit in einem französischen Restaurant mit Blick auf South Lake Union. Am Ende des Abends hielten wir vor meinem Gebäude und Pete stellte den Wagen ab. Oh, oh. In den meisten Nächten ließ er ihn einfach im Leerlauf, bis ich in meine Wohnung gekommen war. Er wollte reden.
„Hat dir das Essen geschmeckt?“, fragte er. „Dein Lachs sah fantastisch aus.“
Ich nickte. „Er war sehr lecker.“
„Du hattest Wolfsbarsch“, erwiderte er trocken.
Ich zuckte zusammen und drehte mich auf meinem Sitz. „Tut mir leid, ich weiß, ich war den ganzen Abend abgelenkt. Ich habe gerade einen wirklich schwierigen Fall hereinbekommen. Du verstehst das sicher.“
Pete war stellvertretender Bezirksstaatsanwalt der Stadt Seattle. Es gab viele Nächte, in denen er wegen eines Falls oder seines Interesses an der Lokalpolitik abgelenkt war. Er plante, in ein paar Jahren als Bürgermeister zu kandidieren, und verlor sich oft in Gedanken an seine Kampagne.
„Ich verstehe schon. Aber ich wünschte mir, ich müsste dich nicht so absetzen. Es ist, als wären wir in der Highschool.“ Er machte ein verärgertes Geräusch. „Warum kommst du das nächste Mal nicht zu mir?“
Ich lehnte meinen Kopf gegen den Sitz und ließ die Stille auf mich wirken. Er verlangte mehr als nur einen kurzen Besuch in seiner Wohnung. Es war eine andauernde Diskussion.
Er seufzte. „Wir sind seit einem Jahr zusammen. Ein Jahr, Miriam. Irgendwann musst du doch bereit sein.“
„Ich weiß, es tut mir leid. Versuchen wir es ein anderes Mal“, flehte ich. „Ich bin heute Abend so in diesen Fall vertieft. Ich will dich nicht enttäuschen.“ Ich lächelte und hoffte, er würde meine Entschuldigung annehmen.
„In Ordnung, gut. Ich werde mir etwas Besonderes einfallen lassen, okay?“ Er nahm meine Hand und küsste meine Knöchel. Genau wie ein Prinz im Märchen. „Wir werden etwas Romantisches machen.“
Ich beugte mich vor, gab ihm einen kurzen Kuss auf die Wange und wartete darauf, dass er mich für einen tieferen Kuss an sich ziehen würde. Er tat es nicht.
„Vergiss nicht die Benefizveranstaltung für das Büro des Bürgermeisters morgen“, sagte er. „Sie steht in deinem Kalender.“
Ich nickte. „Ich werde da sein.“
Ich stieg aus dem Auto aus und rannte durch den Frühlingsnieselregen in meine Wohnung. Lizzy, meine Mitbewohnerin, sah sich ihren Lieblingsfilm an – Casablanca. Sie schaltete den Ton ab und hob ihren Kopf über die Lehne der Couch.
„Und, wie ist es gelaufen?“, fragte sie.
„Gut.“ Ich beugte mich vor und zog meine High Heels aus.
„Ja?“ Sie schob sich ein Popcorn in den Mund. „Hast du es endlich hinter dir?“
„Nein.“ Ich lachte. „Wir sind in ein neues Restaurant gegangen.“
„Ihr seid wie ein altes Ehepaar, nur dass ein altes Ehepaar bereits Sex hatte.“ Sie rollte mit den Augen. „Warum probierst du ihn nicht einfach aus? Leg los. Du bist ja keine Jungfrau mehr. Er wartet schon seit einem Jahr auf dich. Er steht auf dich, das schwöre ich dir.“
Ich setzte mich neben sie auf die Couch und bediente mich an ihrem Popcorn. Es war an der Zeit, zu gestehen. Wenn ich es Lizzy erzählte, würde die Sache vielleicht etwas weniger beängstigend wirken.
„Ich bin noch Jungfrau“, gab ich zu.
Lizzy starrte mich mit heruntergefallener Kinnlade an. „Du bist dreißig. Du warst sechs Jahre lang auf dem College.“ Sie zog eine Augenbraue hoch. „Du bist wirklich noch Jungfrau?“