Den Menschen zu schaffen - Josef von Stackelberg - E-Book

Den Menschen zu schaffen E-Book

Josef von Stackelberg

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Beschreibung

Die Schöpfungsgeschichte erzählt auf heitere Art, wie Gottvater den Menschen erschafft und ihm wesentliche Eigenschaften wie die Liebesfähigkeit und die kreative Intelligenz einpflanzt. Gottvater ist Ingenieur mit einem Hang zur Skurrilität, sein Auftraggeber für die Erschaffung des Menschen ist die übergeordnete Intelligenz, ein Wesen, das Gottvater übergeordnet ist, wie schon der Name sagt. Nebenbei heisst Gottvaters Gattin Luzifer. Die Geschichte nimmt einige Bezüge auf die alttestamentarische Mythologie und vermischt sie locker mit anderen, zum Beispiel der altgriechischen oder der hinduistischen. Ansonsten beschreibt sie das Leben eines introvertierten, wenig auf Äußerlichkeiten achtenden Schöpfers, der sich neben den Ärgernissen mit seinen Schöpfungsprojekten mit den Alltäglichkeiten einer Ehe und eines Himmels voller Engel (Putten, Cherubimen, Seraphinen) herumschlagen muss. Unter anderem erläutert die Geschichte, warum die Programmfunktion Liebe beim Menschen immer wieder für Konfusionen sorgt und warum der Mensch keine Seele hat.

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Seitenzahl: 62

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Inhaltsverzeichnis

Zur Schöpfungsgeschichte

Das Wort am Anfang

Der Seelenstreit

Die Komplikation der Liebe

Geistesblitze und Ideen

Zur Schöpfungsgeschichte

Mit der Frage, wie es wohl damals abgelaufen sein mochte, als Gott die Erde schuf und den Menschen dazu, beschäftigte ich mich lange, nicht zuletzt wollte ich die Diskrepanz auflösen zwischen den rauschenden Bildern, die die Bibel als Buch der Bücher diesem Thema widmete, und den trockenen Jahreszahlen, die wir während unseres schulischen Geschichtsunterrichts um die Ohren gefegt bekamen.

Während eines längeren Flughafenaufenthalts überfiel sie mich dann, die nachfolgende Geschichte, in glasklaren Bildfolgen, die ich nur noch zu beschreiben brauchte.

Das Wort am Anfang

An einem jener trübsinnigen Tage, an denen nichts passiert und alle nur zusehen, mit sich selbst und ihren Unzulänglichkeiten fertig zu werden, saß Gottvater in seiner Werkstatt und schnitzte lustlos an einem Stück Holz herum. Gerade hatte er einen Brief gelesen, in dem sein wichtigster Kunde, die ÜBERGEORDNETE INTELLIGENZ, ihm seine Unzufriedenheit mit Gottvaters letzter Schöpfung mitgeteilt hatte. Die ÜBERGEORDNETE INTELLIGENZ hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass er mit dem Homo Erectus die Anforderungen des Auftrages nicht im Geringsten erfüllt hatte. Seit dem Urknall vor dreizehn Milliarden Jahren war es Gottvater immer noch nicht gelungen, ein System zu entwickeln und zu programmieren, welches imstande war, mit stark veränderlichen Lebensbedingungen fertig zu werden, indem es sich entsprechend anpasste oder die Lebensbedingungen an seine Anforderungen anglich. Sicher, Gottvater hatte ein paar Mikroorganismen geschaffen, deren Reproduktionsrate so hoch war, dass sie mit extrem kurzzeitig auftretenden Veränderungen evolutiv zurechtkamen, aber diese Mikroorganismen konnte man auch nicht annähernd als komplexe Strukturen bezeichnen, beim besten Willen nicht. Gottvater seufzte, dann packte er plötzlich voller Wut sein Messer und warf es gegen die Wand. Zitternd blieb das Messer im Holz stecken. Kurz darauf öffnete sich die Tür und seine Frau Luzifer steckte den Kopf herein: „Was ist denn schon wieder los? Musst Du unbedingt die Wände ruinieren? Wenn Du zu viele überschüssige Kräfte hast, kannst Du lieber mal in den südlichen Hemisphären der Lichtstraße ein bisschen Ordnung machen. Dort scheint sich eine größere Implosionswelle anzubahnen und eine Reihe von schwarzen Löchern zu entstehen. Ich habe Dir schon vor hunderttausend Jahren gesagt, dass das System dort nicht stabil ist!“ Gottvater drehte sich um und sah betreten an die Wand, in der sein Messer stak. „Entschuldige bitte mein Aufbrausen, aber ich habe einfach noch keine Lösung für die ÜBERGEORDNETE INTELLIGENZ gefunden. Sie hat sich gerade über die schlechte Performance des Homo Erectus in einem Brief geäußert und möchte Nachbesserung. Ich weiß, dass dort in der Milchstraße ein paar Sternenhaufen unordentlich schwingen und daher unstabil sind, aber das hält sicherlich noch zehntausend Jahre.“ Luzifer drohte mit dem Zeigefinger und zeterte: „Wehret den Anfängen! Anstatt so viel Neues und Unfertiges zu schaffen, solltest Du lieber mal alle angefangenen Projekte beenden und ein paar Rechnungen schreiben. Mir geht schon langsam das Manna aus. Die Cherubim und die Seraphinen grölen und saufen Tag und Nacht. Gibt es für sie denn keine anderen Aufgaben als Dich zu preisen?“ Gottvater starrte Luzifer entgeistert an: „Ja, wofür sonst soll ich sie von der ÜBERGEORDNETEN INTELLIGENZ zugewiesen bekommen haben, wenn nicht, um mich zu loben und zu preisen?“ – „Und mich lobt und preist kein einziger? Was hattest Du mir damals vor dem Traualtar versprochen? Mich zu achten und zu ehren, Freud und Leid mit mir zu teilen und zu mir zu stehen in guten und in schlechten Tagen!“ Luzifer begann zu schluchzen: „Und was ist heute? Sorgen habe ich ohne Ende, weil Du den Himmel nicht voll genug kriegen kannst mit all diesen sinnlosen und fetten Putten und Engeln, weil Du alles nur anfängst und halb fertig machst und nur an Dich denkst! Hätte ich doch nur damals auf meine Mutter gehört, welche der Meinung war, dass Brahma besser zu mir passt, auch wenn ich dort nur Getreide zu essen bekomme und diese widerliche Kali dauernd mit ihren Blutopfern die Wohnung besudelt.“ Gottvater sah Luzifer nachdenklich an und meinte dann langsam: „Meiner Erinnerung zufolge war es zwar etwas anders, aber das sei nun dahingestellt. Was willst Du haben? Wie meinst Du, soll unsere Zukunft aussehen? Oder willst Du Dich scheiden lassen?“ – „Ich möchte gerne einen großen Raum haben und viele Töpfe, in denen ich für viele Seelen kochen kann. Was hältst Du davon, dass wir uns die Seelen teilen? Diejenigen, welche Du nicht haben willst, kriege ich alle. Und sie sollen dann MICH verehren und anbeten.“ Gottvater starrte Luzifer an, bis diese erschrocken zurückwich. „Was sagtest Du da eben? Seelen?“ Plötzlich glitt ein Leuchten über sein Gesicht: „Verdammte Axt, das ist die Idee! Seelen! Hahaha! Mann, Luzifer, Du bist doch meine bessere Hälfte! Heureka, ich hab’s!“ Immer noch lachend schob Gottvater mit einer Handbewegung all die Werkzeuge, Metall- und Holzstücke, Schrauben und Nägel von seinem großen Schöpfertisch, holte einen Block und einen Bleistift aus einer Schublade und begann zu zeichnen. Dabei murmelte er unentwegt vor sich hin: „Genau, die Seele, das fehlte bislang. Der aufrechte Gang war schon richtig, und die Konstruktion der Hände und Füße auch, so und so, genau. Aber für das Hirn brauche ich noch ein bisschen Platz, ja, so ungefähr. Und dann muss er weniger Haare haben. Schämen soll er sich.“ Er riss das Blatt ab und begann auf dem nächsten Symbole und Linien zu kritzeln: „Er muss kritisch werden und bösartig. Und Neid muss er empfinden. Das ist die Wurst, nach der er immer schnappen soll und welche ihn antreiben soll, seine Intelligenz zu nutzen. Und nachtragend muss er werden. Er soll sich alles merken können. Dafür brauche ich Speicherplatz ..." Bis tief in die Nacht kritzelte Gottvater ein Blatt nach dem andern voll. Luzifer begann sich nach einer Weile Sorgen zu machen. Sie hatte ihren Mann schon öfters erlebt, wenn er in seinem Schaffenswahn gefangen war, aber so schlimm wie dieses Mal hatte es ihn noch nie gepackt. Gegen halb zwei Uhr morgens schickte sie einen Putten mit einem Krug Manna zu ihm in die Werkstatt und ging dann seufzend zu Bett.

Als sie später von des Tages Helligkeit an der Nase gekitzelt aufwachte, lag Gottvater friedlich neben ihr und schlief. Luzifer strich sich die Haare aus dem Gesicht und betrachtete ihn liebevoll. Ob er für sie wohl die Hölle bauen würde? Oder hatte er ihren sehnlichsten Wunsch schon wieder vergessen? Endlich ein eigenes Reich haben, in das sie sich zurückziehen konnte. Sie seufzte, schlug die Bettdecke vorsichtig zurück, um Gottvater nicht zu wecken, und richtete sich auf. Sie tastete mit den Füßen nach den Pantoffeln. Als sie hineinschlüpfte, verzog sie unwillkürlich das Gesicht. Es wurde Zeit, wieder mal zum Einkaufen in die Stadt zu fahren. Sie brauchte dringend neue Schuhe. Und neue Pantoffeln. Am schönsten wäre ja dieses hufförmige Modell. Oder gar die Stiefel mit der Hufsohle und dem Lockenhaarbesatz. Sie würde natürlich wieder sehr unfreundlich mit Gottvater sein müssen, ehe er ein paar Sterntaler herausrückte, aber das war kein Problem. Plötzlich hatte sie gute Laune. Sie stand auf, warf sich den Morgenmantel um die Schultern und ging summend in die Küche. Der Erzengel Michael saß gerade am Küchentisch. Er hatte einen dampfenden Krug frisch gebrühten Mannas vor sich