Den Schatten umarmen - Teal Swan - E-Book

Den Schatten umarmen E-Book

Teal Swan

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Beschreibung

Teal Swan überlebte jahrelangen Missbrauch durch ein Sektenmitglied, bevor sie im Alter von 19 Jahren ihrem Peiniger entkommen konnte und ihren persönlichen Heilungs- und Transformationsprozess in die Wege leitete. In diesem Buch nimmt sie die Leser mit auf diese Reise der Heilung und Befreiung - eine Möglichkeit für alle traumatisierten Menschen, sich selbst wieder zur Ganzheit zu führen und die Blockaden der Vergangenheit ebenso wie die Angst vor der Zukunft zu überwinden. Aufbauend auf ihren großen außersinnlichen Fähigkeiten sowie Aspekten der Arbeit mit dem inneren Kind und der Schattenarbeit, hat Teal Swan einen revolutionären 18-Schritte-Prozess zur Heilung jeglicher Verletzungen aus der Vergangenheit, aber auch aktueller Probleme entwickelt. Nach dem Durchlaufen dieses "Completion"-Prozesses genießen wir ein höheres Selbstwertgefühl und die Sicherheit, dass das Leben wieder gut werden kann.

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Teal Swan

Den Schatten umarmen

Verletzungen der Seele heilen

Wichtiger Hinweis
Die im Buch veröffentlichten Empfehlungen wurden von Verfasserin und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung der Verfasserin bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ausgeschlossen.
Aus dem Englischen von Maria Müller-de Haën
Titel der Originalausgabe:
The Completion Process.
Copyright © 2016 by Teal Swan
English language publikation 2016 by Hay House Inc. USA
Deutsche Ausgabe:
© 2016 KOHA-Verlag GmbH Burgrain
Alle Rechte vorbehalten
Cover: Guter Punkt, München
Lektorat: Nayoma de Haën
Gesamtherstellung: Karin Schnellbach
ebook
ISBN 978-3-86728-755-5
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Teil I
1. Auf der Suche nach der großen Versöhnung
2. Verschüttetes ausgraben
3.Verdrängtes ins Bewusstsein holen
4. Wie Körper, Emotionen und Zeit zusammenhängen
Teil II
5. Vorbereitung auf den Completion Process
6. Schritte 1–6: Sicherer Hafen und Zugang zur Erinnerung
7. Schritte 7–13: Anerkennung und Befreiung
8. Schritte 14–18: Ganzwerdung und Abschluss
Teil III
9. Wie der Completion Process Ihr Leben verändern kann
Nachwort
Anhang A
Anhang B
Danksagung

Einleitung

Es war im Jahr 2001. Ich saß in einem Erdloch, meine Hand- und Fußgelenke waren zusammengebunden. Ich hatte eigentlich keine Angst, denn die vielen Jahre des Missbrauchs hatten mich gegenüber Gefahren unempfindlich gemacht. Vielmehr hatte ich mein Leben aufgegeben. Ich sah keinen Sinn mehr darin. In der von mir akzeptierten Realität war mein Leben eine Folterkammer, aus der ich niemals lebendig entkommen würde.
Als ich in die Grundschule ging, geriet ich ins Visier eines Bekannten meiner Familie; er war ein Psychopath, was meine Eltern nicht wussten. Nach außen präsentierte er sich als geachtetes, führendes Mitglied der Gemeinde und als Gesundheitsexperte, aber er hatte eine viel dunklere Seite. Er nahm an Sektenritualen teil, was nur wenige Leute wussten. Er wurde zu meinem Mentor und hatte freien Zugang zu mir. Meine Eltern vertrauten ihm und hatten keine Ahnung, dass er mich quälte. Sie sahen zwar die roten Warnflaggen, aber sie missverstanden sie. Mein Peiniger drohte damit, meine Familie umzubringen, wenn ich es jemals wagen sollte, jemandem zu erzählen, was er mit mir machte, und ich wusste, er war zu einem Mord fähig. Dieser rituelle Missbrauch dauerte dreizehn Jahre lang an.
Ich verbrachte viel Zeit in diesem Loch im Boden sitzend, genannt »der Raum des Geistes«; es war gerade einmal groß genug für eine sitzende Person. Das Loch wurde von einem zusammengenagelten, verwitterten Holzgitter verdeckt. Im Sommer war der Boden von Brennnesseln überzogen; das war seine Vorstellung eines »geistigen Trainings« für mich. Bevor ich in dieses Loch gebracht wurde, wurde ich meistens nackt ausgezogen und mir wurden Hand- und Fußgelenke zusammengebunden. Ich hatte keine Ahnung, wie lange er mich da drinsitzen lassen wollte, und wusste auch nie, ob er womöglich beschlossen hatte, mich auf immer in diesem Loch einzusperren, mich umzubringen oder mich später am Abend zu meinen Eltern zurückzubringen.
Ich war so oft in diesem Höllenloch eingesperrt gewesen, dass es sich trotz der schmerzlichen Ungewissheit wie normal anfühlte. Ich hatte mich an das Leiden gewöhnt – bis auf eine Sache: Wenn ich in den »Raum des Geistes« gebracht wurde, war ich mit mir allein, und das konnte ich nicht ertragen. Ich spürte nichts als innere Leere, und noch schlimmer, es war ein vollkommen leerer Raum, dessen Ränder von Leid und Kummer gefärbt waren.
Jahrelang tat ich alles, um dieses Leid zu vermeiden und mich von dieser Leere fernzuhalten. Und eines Tages geschah es: Ich saß im »Raum des Geistes« und verspürte die bereits vertraute Verzweiflung. Doch dieses Mal war etwas anders. Ich erkannte: Wenn mein Gefühl der Verzweiflung in Bewegung war, dann war ich auf dem Weg zu einer neuen Emotion. Je mehr ich über die Verzweiflung nachdachte, desto klarer wurde mir, dass Bewegung auf etwas hin eine Bewegung hin zu etwas Gewünschtem und weg von etwas Nichterwünschtem ist.
Also fragte ich mich: »Was von dem, was in mir ist, will ich nicht?« Oder vielmehr: »Von was in meinem Innern bewege ich mich weg?« Und siehe da: Wie ich herausfand, hielt mich ein Gefühl der »Verzweiflung« von dem Gefühl vollkommener Hoffnungslosigkeit ab. Die Hoffnung zu verlieren ist das stärkste Gefühl der Ohnmacht in der Bandbreite menschlicher Emotionen. Ein Teil von mir war davon überzeugt, Hoffnungslosigkeit wäre gleichbedeutend mit Tod, und dieser Teil von mir hatte dieser Hoffnungslosigkeit widerstanden, um überleben zu können.
Ich könnte nun behaupten, an diesem Tag hätte ich mich dafür entschieden, mutig zu sein, doch in Wirklichkeit gab ich einfach die Hoffnung auf. Ich stand am Rand eines Abgrunds. Ich war emotional von fast dreizehn Jahren des Martyriums erschöpft. Die Hoffnungslosigkeit verfolgte mich wie ein Tornado überall hin, egal wohin ich rannte, und ich hatte es satt, davonzurennen. Ich wollte tot sein.
Und so machte ich genau das Gegenteil von dem, was ich sonst immer gemacht hatte: Ich drehte mich um und rannte geradewegs auf den Tornado zu. Ich beging emotionalen Selbstmord. Ich wusste nicht, was passieren würde, aber ich tat es trotzdem. Und mir stand eine Überraschung bevor.
Einen Augenblick lang versank ich in tiefem Elend und ärgsten Ängsten. Ich hatte das Gefühl, zermalmt, zerquetscht und zerbrochen zu werden. Ich holte tief Luft, und anstatt mich abzuwenden, ging ich tiefer, gab dem Gefühl die Erlaubnis, mich voll und ganz einzunehmen, als ob es einen guten Grund für seine Anwesenheit gäbe. Und schon bald fühlte ich eine große Leichtigkeit, eine Erleichterung, wie wenn Sonnenstrahlen in die Tiefen des Meeres dringen. Durch meine Entscheidung, in das Gefühl einzutauchen, löste sich die Angst vor dem eigentlichen Gefühl in Luft auf.
Ich sonnte mich eine Weile in diesem Gefühl der Erleichterung. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich mich nicht im Stich gelassen. An diesem Punkt hatte ich keine Ahnung, warum das, was ich da gemacht hatte, tatsächlich funktioniert hatte. Ich wusste nur, es hatte funktioniert. Und so probierte ich es immer wieder, fast immer, wenn ich mit einem unangenehmen Gefühl konfrontiert war, vor dem ich am liebsten davongelaufen wäre.
Schließlich schaffte ich es, dem Mann, der mir meine Kindheit gestohlen hatte, zu entkommen; danach versuchte ich jahrelang, mich zu heilen, versuchte zu verstehen, warum diese Technik, über die ich da gestolpert war, funktioniert hatte. Als mir klar war, wie ich mich geheilt hatte, erkannte ich: Das war ein Durchbruch, der die Welt verändern konnte.
Der Zeitpunkt hätte gar nicht besser sein können. So viele Seelen auf dieser Welt bedürfen der Heilung, und wie ich entdeckt hatte, beginnt alles damit, unsere Emotionen wirklich zu fühlen. Im Mutterleib haben wir Menschen Empfindungen aus der Welt da draußen wahrgenommen, noch bevor wir sie erblickten. Wenn wir als winzige Babys in dieses Leben treten, erfahren wir die Welt ausschließlich über unsere Wahrnehmung. Wir gehen durchs Leben und tragen den emotionalen »Ton«, die Klangfarbe unserer Kindheit mit in unser Leben als Erwachsene; das ist eine angelernte Schwingung, auf die wir aufbauen und die wir weiter ausbauen.
Wir lernen, mit anderen Menschen im Wesentlichen über diesen emotionalen Ton in Verbindung zu treten, was durchaus positiv ist, wenn der emotionale Ton unserer Kindheit ein positiver ist. Ist er jedoch negativ und schmerzvoll, dient diese negative und schmerzliche emotionale Verfassung als Filter, durch den wir die Welt als Erwachsene wahrnehmen. Sie ist das emotionale Grundtrauma, über das wir anscheinend nie hinwegkommen. Unser ganzes Leben lang versuchen wir, unsere »Störungen« zu beheben, aber leider mit nur wenig oder gar keinem Erfolg.
In meinem Fall machte ich fünf Jahre lang eine Traumatherapie mit verschiedenen Therapeuten, die auf rituelle Traumata spezialisiert waren. Ich unterzog mich den allerneuesten Therapien und den üblichen Vorgehensweisen und fand heraus, was funktionierte und was nicht.
Durch die traditionelle Traumatherapie lernte ich auch die Arbeit mit dem inneren Kind kennen, und das war für mich eine Offenbarung. Die dahinterstehende Theorie und Heilmethode beruht auf der Überzeugung, dass alle Menschen auf der Erde die Essenz des Kindes, das sie einst waren, in sich tragen. Im Laufe unseres Reifeprozesses wird ein Teil von uns erwachsen, der andere Teil dagegen bleibt ein Kind. Dieses innere Kind symbolisiert unser emotionales Selbst. Egal, ob wir in der Kindheit nun gute oder schlechte Erfahrungen gemacht haben – unser erwachsener Anteil wächst heran, obwohl er als Kind nicht alles bekommen hat, was er brauchte. Deshalb hält der erwachsene Anteil den Schlüssel zur Heilung in der Hand.
Während meiner eigenen Traumatherapie fühlte ich mich durch die Art und Weise der Arbeit mit dem inneren Kind nie ganz. Erst als ich schon als international erfolgreiche spirituelle Lehrerin tätig war, verstand ich voll und ganz, warum die Technik, die ich im »Raum des Geistes« entdeckt hatte, wirklich funktionierte und warum die Arbeit mit dem inneren Kind wirkte. Und noch wichtiger – und das ist der Knackpunkt – wie beides zusammenpasste.
Mir wurde klar: Ich hatte den heiligen Gral gefunden. Ich entwickelte einen Prozess, mit dessen Hilfe auch äußerst verletzte, zerbrochene Menschen wieder heil und ganz werden können. Zunächst probierte ich ihn an mir selbst aus, um ihn zu vervollkommnen, dann an meinen Klienten.
Ich wünsche meinen Lesern, dass sie das freudvolle Leben erfahren, welches nur denjenigen offensteht, die bereit sind, sich voller Mut auf die Reise nach innen zu begeben, ganz tief hinein, und diejenigen Aspekte ihrer selbst wieder zum Leben zu erwecken, die verloren gegangen sind. Wenn dieser Prozess jemanden heilen kann, der rituellen Missbrauch in vielerlei Form überlebt hat, kann er jeden Menschen heilen. Ich nenne diesen Ansatz den Completion Process.

Teil I

Einstimmung

1. Auf der Suche nach der großen Versöhnung

Der Completion Process ist das Tor zur Befreiung, eine Möglichkeit, sich selbst wieder »zusammenzusetzen«, also ganz zu machen und dadurch die Blockaden der Vergangenheit und die Angst vor der Zukunft zu überwinden. Dieser Prozess ist für alle Menschen gleichermaßen geeignet, denn wir alle tragen Wunden aus der Vergangenheit mit uns herum, die geheilt werden müssen, und oft sehen wir nicht einmal, dass Symptome, die in unserem gegenwärtigen Leben auftreten, etwas mit diesen vergangenen Verletzungen zu tun haben. Aber genauso ist es. Auch wenn wir den Zusammenhang nicht erkennen.
Fast alle Menschen wünschen sich eine Welt voller Harmonie und Freude. Doch die Wirklichkeit sieht meist anders aus: Auf der Erde gibt es zwar sehr wohl Harmonie und Freude, aber auch Konflikte und Leiden. Tag für Tag kehren traumatisierte Soldaten aus dem Krieg zurück. Menschen, die in Kriegsgebieten leben, versuchen verzweifelt, die Scherben ihres Lebens aufzuklauben und weiterzumachen. Kinder werden missbraucht, Frauen vergewaltigt, Naturkatastrophen lassen Menschen ohne alles zurück. Notfallteams, beispielsweise Ärzte in der Notaufnahme, Rettungsmannschaften und Feuerwehrkräfte, leisten anderen Menschen Beistand in fürchterlichen Situationen und schaffen es oft nicht, den damit zusammenhängenden eigenen Stress zu verarbeiten. Andere verfallen einer Sucht, um den Schmerz der Leere zu betäuben. Und alle schwierigen Umstände, mit denen wir zu kämpfen haben, haben eines gemeinsam: Trauma. 
Ein Trauma kann sich in vielfältigen Symptomen manifestieren, zum Beispiel Rückblenden, Albträumen, Schlaflosigkeit, lähmender Angst, Süchten, Ängsten oder Depressionen, aber auch durch unablässiges Denken an ein bestimmtes vergangenes Geschehen oder auch eine ganze Reihe von Ereignissen. Manche Leute haben mit einem mangelnden Selbstwertgefühl zu kämpfen, andere fügen sich selbst Schaden zu, leiden unter chronischen Schmerzen, einer psychischen Störung oder einfach nur unter einem insgesamt unbefriedigenden und schmerzerfüllten Leben. Oft ist den Betroffenen die Ursache ihrer Symptome nicht klar; sie haben keine Ahnung, dass sie mit einer ungelösten vergangenen Erfahrung zu tun haben. Die meisten dieser schmerzlichen Erfahrungen haben ihren Ursprung in Kindheits-Traumata, welche unter Umständen nicht einmal bewusst sind, auch wenn sie im derzeitigen Leben der jeweiligen Person ernsthaftes Leid verursachen. Moderne psychologische Ansätze erkennen diese Zusammenhänge inzwischen an, und die Behandlungsmethoden ändern sich langsam, aber sicher, weg vom »Was stimmt mit dir nicht?« hin zu »Was ist mit dir passiert?«.
Niemand ist gegen ein Trauma immun. Ich habe den Completion Process bei Menschen aus aller Welt und allen möglichen Kulturen angewandt, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen, die sich in unterschiedlichsten Lebensphasen und beruflichen Umfeldern befanden. In meiner Praxis habe ich damit Menschen geholfen, ihren Kummer, psychische Störungen, Süchte, Gewichtsprobleme, chronische bzw. tödliche Krankheiten, aber auch sexuellen Missbrauch in der Kindheit aufzulösen und zu integrieren. Manche Klienten sind scheinbar nicht in der Lage, gut funktionierende Beziehungen zu führen, oder ihnen geht eine gewisse Zielstrebigkeit ab. Auch bei Menschen, die unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung infolge eines durch Krieg, einen Unfall, eine Katastrophe oder durch eine persönliche Tragödie ausgelösten Traumas leiden, hat sich der Completion Process als sehr effektiv erwiesen.
Dieses Buch soll den Lesern diesen Prozess nahebringen, damit sie ihn verstehen und erfahren können und ihr eigenes und, wenn sie darum gebeten werden, auch das Leben anderer transformieren können.

Wie Sie dieses Buch nutzen und einsetzen können

Teil I nennt sich Einstimmung; die vier nachfolgenden Kapitel erklären das dahinterstehende Prinzip, insbesondere wie der menschliche Geist Erinnerungen, Emotionen und Traumata verarbeitet. Diese Zusammenhänge zu verstehen ist wichtig, damit die eigentlichen Schritte des Completion Process einen Sinn ergeben. In diesem Teil I führe ich Beispiele aus meinem eigenen Leben und dem Leben von Klienten an, um Ihnen diese universellen Wahrheiten noch besser verständlich zu machen.
Der Completion Process besteht aus 18 Schritten; sie werden im Einzelnen in Teil II – Der Completion Process – Ganzwerdung –vorgestellt und näher erläutert. Bei jedem Schritt wird angegeben und erklärt, warum und wie er auszuführen ist und was Sie tun können, wenn bestimmte Emotionen oder Reaktionen hochkommen. So können Sie den Completion Process entweder alleine, mit dem Beistand eines liebevollen Freundes bzw. einer Freundin oder auch mit einem ausgebildeten Completion Process Certified Practitioner (CPCP) durchlaufen. 
Der Completion Process ist fließend aufgebaut; vom Anfang bis zum Ende führt ein Schritt ganz natürlich zum nächsten, von Schritt 1 bis Schritt 18. Für ein besseres Verständnis habe ich meine Erklärungen aber in drei Kapitel unterteilt. 
Kapitel 6 behandelt die Schritte 1 bis 6 und hat mit dem Teil des Prozesses zu tun, in dem wir eine Erinnerung, die in unserem derzeitigen Leben schmerzhaft ist, noch einmal erleben. 
Kapitel 7 geht auf die Schritte 7 bis 13 ein; in diesem Teil geht es darum, die eigentliche Erinnerung abzuändern, um Heilung zu bewirken. 
Kapitel 8 erläutert die Schritte 14 bis 18; hier gilt es, sich von der Erinnerung zu befreien und uns auf unsere Gegenwart auszurichten.
In Teil III – Versöhnung – habe ich die Ehre, eine Reihe dramatischer Erfahrungsberichte über den Completion Process vorstellen zu dürfen, mit den Worten von Menschen aus aller Welt, die diesen Prozess durchlaufen oder ihn unterstützend begleitet haben. Hinzu kommen Anmerkungen von meiner Seite über die vielen Vorteile und Wohltaten, die der Completion Process denjenigen schenkt, die ihn angewandt haben und die ihn weiterhin in ihrem Alltag einsetzen. 

Was soll »ganz« werden?

Das Leben ist unvorhersehbar und unberechenbar. In manchen Phasen haben wir vielleicht das Gefühl, wir hätten endlich alles in Ordnung gebracht, und dann wird wieder alles auf den Kopf gestellt. Manchmal kommen wir uns vor wie ein entgleister Zug oder als versuchten wir, ohne Paddel flussaufwärts zu fahren. Haben Sie auch den Eindruck, auf eine Karambolage zuzusteuern oder völlig chaotisch durchs Leben zu treiben? Dann könnte Reintegration für Sie hilfreich sein. Solche Erfahrungen sind wertvoll und notwendig. Sie sind Teil unserer Entwicklung, weshalb es faszinierend, nützlich und heilsam sein kann, etwas darüber zu lernen.
Wenn Sie lernen, auf die Trigger bzw. Auslöser von Erinnerungen zu achten, und sich Zeit für die Auseinandersetzung mit dem jeweiligen zentralen Thema nehmen, können Sie endlich Heilung finden. 
Der Auslöser ist ein wichtiges Konzept, deshalb möchte ich es an dieser Stelle kurz erklären. Ein Auslöser ist alles, wodurch eine traumatische Erinnerung aus der Vergangenheit ins Gedächtnis bzw. an die Oberfläche steigt. Das kann ein Wort, der Tonfall einer Stimme, ein Geruch, eine Empfindung, ein Gesicht, ein Ort oder jede andere beliebige Situation oder Sache sein, die in Ihnen ein Gefühl der Beunruhigung oder Angst hervorruft. Womöglich ist Ihnen nicht einmal bewusst, wodurch plötzlich ein Gefühl des Unwohlseins, der Verletzung, der Angst oder der Unruhe hervorgerufen wird, aber Ihr Unterbewusstsein weiß es sehr wohl.
Ein Auslöser ruft also die Erinnerung an eine frühere Verletzung hervor und signalisiert Ihnen, dieses Thema bzw. Problem anzugehen. Auslöser sind in diesem Kontext nichts Negatives oder Unerwünschtes, sondern vielmehr eine Einladung, abgespaltene Aspekte Ihres Selbst wieder zu integrieren. Der Completion Process ist im Wesentlichen eine praktische und sehr wirksame Möglichkeit, anhand von Auslösern unsere abgespaltenen Aspekte zu reintegrieren und wieder ganz zu werden. 
Lesen Sie einfach weiter, dann wird dieser Ansatz immer mehr Sinn für Sie ergeben. Jetzt am Anfang können Sie sich einfach vorstellen, Sie seien ein Fluss, und die Teile Ihrer Kindheit, welche aufgrund traumatischer Ereignisse abgespalten wurden, seien wie Wasserläufe, die vom Fluss abzweigen.
In der Natur ist es ja so: Je mehr Bäche sich wieder in den Fluss integrieren, also sich wieder damit verbinden, desto mehr Wasser hat der Fluss. Unser Bewusstsein ist ein riesengroßer Fluss von Energie, und jedes Mal, wenn wir einen verlorenen Teil unserer selbst reintegrieren, steht uns mehr Energie zur Verfügung und unser Bewusstsein gelangt auf eine höhere Ebene. Wenn Sie die Tatsache annehmen können, dass Sie ein Meisterwerk sind, an dem immer weiter gearbeitet wird, lernen Sie, im Laufe dieser beständigen Weiterentwicklung Frieden und Freude zu finden. Sie können sicher sein: Je besser es wird, desto besser wird es.
Doch das ist ein kontinuierlicher Prozess, deshalb bitte »Ganzwerdung« nicht mit »Abschluss« verwechseln! Sobald Sie eine Ebene der Erleuchtung erreichen, winkt am Horizont eine weitere. Es gibt keinen erleuchteten »Ruhestand«. Wir sind nie »fertig«, und das ist die große Schönheit unseres Lebens.
Unser wahres Selbst zutage zu fördern ist ein kontinuierlicher Prozess, der nie zu Ende ist. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Sobald Sie sich selbst entdecken, erkennen Sie, dass Ihnen die Freiheit, die Integrität, die Freude und die Liebe angeboren sind. Sie wurden nur darauf konditioniert, all diese Geschenke zu vergessen.

Diese Sprache sprechen lernen

Der Completion Process bringt Ihre Verletzungen aus der Vergangenheit an einen Punkt, an dem sie heilen können. Auch hier verwende ich Wörter sehr behutsam. In diesem Zusammenhang sind »Verletzungen« keine klaffenden Wunden, aus denen Blut strömt, sondern stehen für jeglichen nicht geheilten emotionalen, psychischen oder physischen Kampf, den Sie vielleicht noch austragen.
Sogar das Wort »Heilen« kann missverstanden werden. Meistens impliziert »Heilung« ja, dass etwas so, wie es ist, nicht in Ordnung ist. Doch genau dies ist sozusagen die »Urverletzung«, die wir alle mit uns herumtragen, nämlich, dass etwas aus unserer Vergangenheit nicht in Ordnung sei. Das Schöne am Completion Process ist: Das, was Heilung bringt, ist das präsente Bewusstsein in Form von Aufmerksamkeit, die Sie dieser Verletzung schenken. Sie sind bedingungslos präsent bei dieser Verletzung, wodurch Sie letztendlich Ihr Okay dazu geben und es in Ordnung finden, sich genau so zu fühlen, wie Sie sich fühlen. Im Laufe dieses Prozesses werden Sie mit diesem Konzept noch sehr vertraut werden.
Bei der Arbeit mit dem Completion Process müssen wir unsere Emotionen nicht verändern bzw. um eine Veränderung bitten. Unsere Emotionen verändern sich eben genau deshalb, weil wir das nicht einfordern oder sie dazu zwingen. Wir sind einfach bedingungslos präsent und fokussiert, und damit schenken wir uns bedingungslose Liebe. Dadurch erleben wir eine Transformation in das, was und wer wir wirklich sind. So können wir ganz werden und unsere Integrität wiederherstellen.
Wer sich auf den Completion Process einlässt, lässt sich auf einen Heilprozess ein, in dessen Verlauf die Schichten, welche unser wahres Selbst verbergen, sozusagen abgeschält werden, wodurch der Leidenskreislauf im Leben beendet wird. Das heißt keineswegs, dass wir keine negativen Emotionen mehr verspüren, doch wir leiden unter solchen negativen Emotionen nicht mehr so wie früher.

Wie sich der Completion Process anfühlen kann

Als Heilerin freue ich mich immer sehr über Rückmeldungen von früheren Klienten und Klientinnen. Ich will an dieser Stelle die Geschichte einer Klientin erzählen, damit Sie einen Eindruck davon bekommen, wie sich dieser Prozess anfühlt und was dabei herauskommen kann. Das Trauma dieser Klientin mag ein ganz anderes sein als das Ihre, aber der Prozess funktioniert immer gleich, egal welches Trauma Sie auflösen wollen.
Ich habe diese Klientin (ich will sie Joanna nennen) im Laufe des Prozesses ziemlich gut kennengelernt. Ich kenne ihre Geschichte in- und auswendig, glaube aber, es bringt mehr, sie von Joanna in ihren eigenen Worten erzählen zu lassen. Joanna ist sich völlig da-rüber im Klaren, welche Rolle der Completion Process in ihrem Leben gespielt hat: 
»Mit diesem Werkzeug habe ich mein Leben gerettet. Bevor ich darauf stieß, war ich ein Zombie. Mein Leben war voller Schmerzen, ich wollte nicht mehr leben. Tagtäglich litt ich solche Schmerzen, dass ich gar nicht wusste, was Glück oder Freude oder Spaß überhaupt sind. Diese Konzepte waren von meiner Realität so weit weg, dass ich vergessen hatte, dass so etwas überhaupt möglich ist. Mein Leben erschien mir unerträglich. Egal, was ich machte, ich konnte aus meiner Hölle einfach nicht ausbrechen. Meine Vergangenheit war mir immer gegenwärtig und ich konnte dem jahrelangen sexuellen Missbrauch und den Depressionen einfach nicht entkommen.«
Als ich Joanna kennenlernte, fühlte sie sich ihrer Vergangenheit und ihrer Gegenwart machtlos ausgeliefert, was sich praktisch auf alle Aspekte ihres Lebens auswirkte: 
»Wegen meiner Depressionen verbrachte ich fast alle Tage im Bett, und wenn nicht, dann wollte ich im Bett liegen. Ich wollte mit der Außenwelt nichts zu tun haben. Wie hätte ich auch mit der Außenwelt klarkommen können, wenn meine Innenwelt die Hölle auf Erden war? Jeden Tag wünschte ich mir, einfach sterben zu können. Entweder etwas musste sich drastisch verändern oder ich würde tatsächlich sterben, davon war ich überzeugt. An diesem Punkt trat der Completion Process in mein Leben.
Als ich damit anfing, wurde klar, dass ich einen langen Weg vor mir hatte. Ich war nicht wirklich in meinem Körper, hatte keine Erinnerungen und musste deshalb mit winzigen Schritten beginnen und mich in meinen Körper zurückatmen. Aber das war in Ordnung, denn es fühlte sich besser an als vorher, so viel besser, dass der Completion Process für mich zur neuen Zufluchtstechnik wurde, die ich immer dann anwendete, wenn ich das Gefühl hatte, ich würde mit dem Leben nicht fertig werden. Dieser Prozess ist nicht einfach; man muss alles erneut durchleben, was man im Laufe seines ganzen Lebens vermieden hat, aber das ist es wirklich wert. Ich habe mit diesem Prozess einige meiner schrecklichsten Erinnerungen verarbeitet.«
Inzwischen hat Joanna den Mut, anderen Menschen ihre ganze Geschichte zu erzählen, weil sie das Gefühl hat, diese Wahrheit könne anderen helfen, die mit eigenen sehr dunklen und furchtbaren Situationen zu kämpfen haben. 
»Einmal musste ich nach einem Auslöser den Completion Process anwenden«, berichtet sie. »Eine Vergewaltigungsszene nach der anderen kam hoch. Ich wollte unbedingt davonlaufen, aber ich blieb dabei und durchlief den Prozess bis zum Ende. Dabei fand ich heraus: Auch wenn jede einzelne Szene sehr schmerzhaft war, ich konnte sie durchleben. Nach dieser unglaublichen und intensiven Erfahrung erkannte ich, dass ich mein Leben jetzt wirklich leben konnte und dass Erfahrungen nicht immer voller Dunkelheit sein müssen.«
Was war passiert? Sobald Joannas Vergangenheit sie nicht mehr im Griff hatte, war es nicht mehr ihr Schicksal, Tag für Tag erneut den Schmerz zu durchleben. Voller Selbstvertrauen sagt sie abschließend: 
»Ich habe das Gefühl, jetzt ein Mensch zu sein und nicht nur eine menschliche Hülle. Ich habe so viele fantastische Momente erlebt, weil ich dank dieses Prozesses meine Vergangenheit dort lassen konnte, wo sie hingehört: in der Vergangenheit. Dieser Prozess war für mich das Licht am Ende des Tunnels, er hat mir Hoffnung gegeben in einer, wie ich meinte, hoffnungslosen Situation und mich dem Leben zurückgegeben.«

Passt dieser Prozess zu Ihnen?

Wie Joanna sind auch Sie in diesem Buch auf den Completion Process gestoßen. Und das heißt, Sie oder jemand, den Sie kennen und lieben, spricht auf diesen Prozess an, denn sonst hätte Ihnen das Universum dieses Buch nicht in die Hand gedrückt. Jetzt ist es für Sie an der Zeit zu lernen, ganz präsent bei sich zu sein, und herauszufinden, ob Sie bereit sind, »zurückzugehen« und sich um sich selbst zu kümmern.
Was kommt in diesem Moment in Ihnen hoch? Ihr Körper braucht Sie. Ihr Geist braucht Sie. Ihre Gefühle brauchen Sie. Ihre schmerzlichen Wahrnehmungen brauchen Sie. Das verletzte innere Kind braucht Sie. Ihr Leiden braucht Sie. Jetzt ist es so weit: Jetzt müssen Sie wirklich für all diese Teile da sein, die schon so lange nach Ihnen rufen. 
Sie haben gelitten, weil Sie nicht von Mitgefühl und Verständnis berührt wurden. Sie haben gelitten, weil Sie nicht von bedingungsloser Liebe berührt wurden, und zwar, weil Sie sich selbst die Botschaft überbracht haben, dass Sie nur dann im Hier und Jetzt bei sich sein wollen, wenn Ihr Leben wirklich gut läuft und Sie positive Emotionen verspüren.
Damit sind Sie zu einem sogenannten »Schönwetterfreund« Ihrer selbst geworden. Und was noch wichtiger ist: Sie haben Bedingungen aufgestellt, um sich selbst lieben zu können, und das ist die tiefste Form des Verrats und stellt eine weitere Verletzung dar, die wir alle in uns tragen. Jetzt haben Sie die Chance, diese Wunden zu heilen und sich mit sich selbst zu versöhnen.

Der unterbewusste Geist

Jeder Mensch auf der Erde, egal wie gut seine Kindheit auch gewesen sein mag, hat Traumatisches und deshalb auch mehr oder weniger viel posttraumatischen Stress erlebt. Menschen mit einer sogenannten Posttraumatischen Belastungsstörung leiden dabei unter so viel Stress, dass sie funktional gestört sind. Doch im Prinzip trifft das auf alle Menschen zu. Um zu begreifen, wie das passiert, müssen wir den menschlichen Geist verstehen lernen.
Auf der physischen Ebene wurde der Mensch mit einem unterbewussten und einem bewussten Geist erschaffen. 
Das Unterbewusstsein ist der Teil des Geistes, welcher alle autonomen Aspekte des Lebens steuert, also beispielsweise den Herzschlag. Das Unterbewusstsein kontrolliert alles, worum sich der bewusste Geist nicht kümmert. Wenn wir daran denken müssten, unsere Herzen weiterschlagen zu lassen, Nahrung zu verdauen und unsere Glaubensüberzeugungen zu hinterfragen, könnten wir uns nicht fokussieren. 
Fokussieren befähigt uns zum kreativen Tun, zum Lernen und zu unserer Weiterentwicklung. Das ist die Stärke des bewussten Geistes.
Das Unterbewusstsein dagegen kümmert sich um Überzeugungen, um frühere Erfahrungen, Erinnerungen und die Fähigkeiten, die wir bereits erlernt haben. Das Unterbewusstsein übernimmt die Kontrolle über alles, was wir erlernen, damit der Mensch sich auf andere wichtige Dinge im Leben fokussieren kann. Wird ein Gedanke nur oft genug gedacht, dann wird er vom Unterbewusstsein übernommen und wird zu etwas Automatischem. 
Um das zu verstehen, können wir uns einmal eine Olympia-Schwimmerin vorstellen. Als diese Schwimmerin das Schwimmen lernte, konnte sie beim Schwimmen an nichts anderes denken als an das Schwimmen, musste sich vorsätzlich und aufmerksam auf jeden Schwimmzug konzentrieren. Doch nach einer Weile konnte sie die Schwimmzüge automatisch ausführen, und jetzt nimmt sie an den Olympischen Spielen teil und ist im Rückenschwimmen so gut, dass sie gar nicht mehr darüber nachdenken muss, wie das denn nun geht. Sie schwimmt und plant gleichzeitig das Abendessen.
Doch eben dieser Vorzeigesportlerin fällt es vielleicht ziemlich schwer, einem Anfänger das Rückenschwimmen beizubringen, weil sie es vor so langer Zeit gelernt hat. Ihr Unterbewusstsein hat schon vor vielen Jahren die Ausführung übernommen, und deshalb ist sie sich nicht mehr bewusst, wie dieser Rückenschwimmzug geht. Das Unterbewusstsein ist also die lebendige, atmende Version eines Autopiloten.
Im Rahmen des Completion Process müssen wir eine sehr wichtige Wahrheit über das Unterbewusstsein verstehen: Das Unterbewusstsein kontrolliert alles, was sich störend auf den bewussten Geist auswirkt. Das Unterbewusstsein ist damit in der Lage, uns am Leben zu erhalten oder unser Leben zu zerstören. Es ist der Grund dafür, dass wir nicht erst groß darüber nachdenken müssen, einem auf uns zurasenden Zug aus dem Weg zu springen.
Aber auch bei anderen Gelegenheiten übernimmt das Unterbewusstsein die Kontrolle, um unser Überleben zu sichern. Dieser Mechanismus ist zwar kurzfristig von Vorteil, langfristig kann er uns jedoch sehr viel Schaden zufügen. Zum Beispiel in Form unseres Glaubenssystems. 
Wenn Ihre Eltern sich beispielsweise scheiden ließen, als Sie noch klein waren, beschließen Sie womöglich, jemanden zu lieben sei gefährlich, weil Sie diesen Menschen sowieso wieder verlieren werden. Und wenn der damit verbundene Schmerz Ihr Leben stark beeinträchtigt hat, übernimmt unter Umständen das Unterbewusstsein diese Glaubensüberzeugung. Dann sind Sie sich Ihres ursprünglichen Gedankens bzw. Ihrer ursprünglichen Überzeugungen nicht mehr bewusst, sondern stellen einfach nur noch fest, dass Sie immer dann, wenn Sie mit einem Menschen zu große Nähe erleben, sich zurückziehen und die Beziehung beenden. 
Als erwachsener Mensch sind Ihnen nur die Symptome bewusst; doch die Grundursache dieser Symptome ist tief im Unterbewusstsein vergraben. Auf diese Weise übernimmt Ihr Unterbewusstsein Ihre Gedanken und Emotionen und im Extremfall sogar ganze Erinnerungen, die für Ihren bewussten Geist eine Bedrohung darstellen.

Wie Erinnerungen unterdrückt werden

Unterdrückte bzw. verdrängte Erinnerungen werden im Bereich der Psychologie kontrovers diskutiert. Erinnerungen werden verdrängt, wenn eine Situation mit viel Trauma oder Stress assoziiert wird; die Erinnerung an die gesamte Situation wird unbewusst blockiert, sodass die Person sich überhaupt nicht mehr daran erinnert. Die Erinnerung wirkt sich zwar auf bewusster Ebene auf die betreffende Person aus, aber sie kann sich diese bestimmte Erinnerung nicht ins Gedächtnis rufen.
Manche Psychologen halten nichts vom Konzept der verdrängten Erinnerungen, andere wiederum – und ich gehöre dazu - stehen voll und ganz dahinter. Unterdrückte Erinnerungen sind etwas sehr Reales, und ich glaube, so gut wie jeder Mensch hat das schon erlebt. Die Frage ist demnach nicht, ob jemand eine Erinnerung unterdrückt oder nicht, sondern vielmehr, wie sehr sie unterdrückt wird.
Um verdrängte Erinnerungen besser verstehen zu können, müssen wir die Wirkungsweise von Traumata verstehen. Ein Trauma ist lediglich eine Verfassung, in der wir emotional und psychisch aufgrund einer bestimmten Erfahrung unter Stress stehen, und nicht unbedingt eine Tragödie. In einem modernen Krankenhaus geboren zu werden ist beispielsweise ein traumatisches Erlebnis. Für ein Baby ist es traumatisch, von der Muttermilch entwöhnt zu werden. Für ein dreijähriges Kind ist es traumatisch, im Supermarkt die Mutter nicht mehr zu finden. Angesichts dieser breit gefächerten Trauma-Definition können selbst die besten Eltern der Welt ihr Kind nicht völlig ohne Trauma aufziehen. Dabei müssen wir uns auch klarmachen: Ein scheinbar nur kleines, unbedeutendes Trauma wie eine Enttäuschung in der Kindheit fühlt sich keineswegs klein an, wenn man es erlebt.
Wenn jemand, egal wie alt er oder sie ist, ein traumatisches emotionales Erlebnis hat, dann hat diese Person keinerlei Möglichkeit, dieses Ereignis in ihr bewusstes Leben zu integrieren. Um emotional zu überleben, wird die Erinnerung dann oft komplett unterdrückt; sie wird vom Selbst dissoziiert und fragmentiert abgespeichert.
Was verstehe ich unter fragmentiert? Eine Erinnerung geht mit Sinnesempfindungen einher, beispielsweise einem Geräusch, Geschmack, Geruch, Bild oder einer Emotion. Wenn eine Situation besonders traumatisch ist, werden die damit zusammenhängenden Sinneseindrücke oft separat abgespeichert. Der Geist verdrängt zum Beispiel die damit assoziierten Bilder stärker als die Emotionen. Deshalb werden verdrängte Erinnerungen oft in Fragmenten zurück ins Gedächtnis geholt, und deshalb ist dieses Zurückholen oft eine sehr verwirrende Angelegenheit.
Ein Beispiel: Eine Person, die als Kind sexuell missbraucht wurde, kann sich womöglich nicht an das tatsächliche Geschehen erinnern. Aber weil der Geist den mit der Erinnerung verbundenen Geruch oder den emotionalen Aspekt nicht so sehr verdrängt hat wie die damit assoziierten Bilder, kann ein Geruch für die betreffende Person (die inzwischen erwachsen ist) als Auslöser dienen. Sie geht vielleicht ganz arglos im Supermarkt einen Gang entlang und ist sich keines Missbrauchs in der Vergangenheit bewusst, und auf einmal riecht sie genau das Eau de Cologne, welches der Peiniger ihrer Kindheit benutzt hat, und sie empfindet plötzlich Übelkeit oder erlebt sogar einen Angstanfall.