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Einen Stier bei den Hörnern zu packen, ist keine gute Idee. Dennoch bleibt den meisten von uns nach dem Aufstehen am Morgen (oder wann auch immer das sein mag) nichts anderes übrig. Worauf es dann ankommt, fassen die Pferde des Achilleus zusammen: XANTHOS (schnaubend und die Mähne schüttelnd): Das einzig sinnvolle Ziel scheint darin zu bestehen, dass dieser Ringkampf ausgetragen wird, bis einer der beiden Kontrahenten davon ablässt. Es wird also obsiegen, wer länger durchhält. BALIOS: Und wer wird das Ihrer Meinung nach sein? XANTHOS: Das fragen Sie ernsthaft? Von diesem Ringkampf handeln die Gedichte (oder was auch immer sie sein mögen) des vorliegenden Buches: Sie erzählen von alltäglichen Herausforderungen (z. B. Liebeskummer, aggressiven Bürohöhlenmenschen, Älterwerden, der Suche nach dem Sinn des Lebens), die entweder im Hintergrund lauern, bereits in vollem Galopp über uns sind oder uns im Staub liegend zurückgelassen haben. Ergänzt werden sie (die Texte, nicht die Herausforderungen) durch Illustrationen von Alica Waldmann.
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Seitenzahl: 45
Einen Stier bei den Hörnern zu packen, ist keine gute Idee. Dennoch bleibt den meisten von uns nach dem Aufstehen am Morgen (oder wann auch immer das sein mag) nichts anderes übrig. Worauf es dann ankommt, fassen die Pferde des Achilleus zusammen:
XANTHOS (schnaubend und die Mähne schüttelnd): Das einzig sinnvolle Ziel scheint darin zu bestehen, dass dieser Ringkampf ausgetragen wird, bis einer der beiden Kontrahenten davon ablässt. Es wird also obsiegen, wer länger durchhält.
BALIOS: Und wer wird das Ihrer Meinung nach sein?
XANTHOS: Das fragen Sie ernsthaft?
Von diesem Ringkampf handeln die Gedichte (oder was auch immer sie sein mögen) des vorliegenden Buches: Sie erzählen von alltäglichen Herausforderungen (z. B. Liebeskummer, aggressiven Bürohöhlenmenschen, Älterwerden, der Suche nach dem Sinn des Lebens), die entweder im Hintergrund lauern, bereits in vollem Galopp über uns sind oder uns im Staub liegend zurückgelassen haben.
Ergänzt werden sie (die Texte, nicht die Herausforderungen) durch Illustrationen von Alica Waldmann.
Jakob
Im Elfenbeinturm
Morgens
Absage an eine Spezies
Dublin
Aufmerksamkeit
Einerlei
Nachrichten
I’M DETECTIVE MILLS
Sündenfall
An die Person, die meinte, wissenschaftliche Fakten seien letztlich eine Frage der Interpretation
Armer Pensionär
Senioren und Ameisen
Ich will nicht alt sein
Vom Loslassen
Das Fundament
Flaschenpost
Ich habe es versucht
Endlich: Eine Nachricht
Hineingeraten
Das Lachen
Auti
Elternabend
Wege und Bahnen
Ich sehe aus dem Fenster
Wut
Déjà-vu
Totschlag
Von drüben
Den Stier bei den Hörnern packen – Ein Gespräch unter den Pferden des Achilleus
Für alle, die mir bis hierher geholfen haben. Danke!
Draußen klappern alte Zäune,
während hier drinnen Pinselborsten flüstern.
Am Tisch ersinnst du neue Träume,
Jakob, der Häusliche, der Stille
unter den lauten Männern.
Dein größter Kampf steht noch bevor.
Doch davon musst du jetzt nichts wissen.
Du liebst die Gegenwart der Frauen,
genießt ihr Necken und ihr Schelten
und lässt das Grobe Esau machen,
dort draußen bei den grauen Zäunen.
There must be some kind of way outta here,
sagt der Narr zum Dieb
und lacht.
Er sieht aus wie Bob Dylan,
und klingt wie Leonard Cohen.
Es gibt keinen, sagt der Dieb.
Er hält sich ein Nasenloch zu,
beugt sich nach vorn
und rotzt auf den Boden des Kerkers,
in dem sie seit Jahren einsitzen,
zusammen mit Dichtern,
Musikern,
Tänzern,
Malern,
Sängern,
Tänzern,
Musikern,
Künstlern
und Dichtern.
Cis-Männer.
Keine einzige Frau ist unter ihnen.
Das macht sie wahnsinnig.
Denn alle sind sie heterosexuell
und verzehren sich nach
einer zärtlichen Berührung.
Der Narr löst sich aus den Armen des Diebes
und steht langsam auf.
Gleich wird die Wache kommen
und sie zurück in die Zellen treiben,
jeden alleine für sich.
Dort werden sie ihrer Arbeit nachgehen.
Die Sänger werden singen,
die Dichter dichten,
die Tänzer tanzen,
die Maler malen.
Nur der Dieb wird sich wie an jedem Tag
vor die Schlinge hocken,
die er in all den Jahren aus
Spinnweben geflochten hat,
und sich fragen,
ob er heute die Eier hat,
sich endlich aufzuhängen.
Denn wen soll ein Dieb bestehlen,
wenn er in Einzelhaft sitzt?
Die anderen Künstler haben es gut.
Sie klauen sich gegenseitig Ideen
und arbeiten dann in ihrer Einsamkeit daran,
es so aussehen zu lassen,
als seien es ihre eigenen gewesen.
Die Gittertür springt auf,
die Wächter sind da.
Sie quetschen sich aneinander vorbei
in das Innere des Turmhofes.
Ihre Chitinpanzer rascheln und knistern.
Ihre langen Fühler tasten sich ihnen voraus
in die Enge der Rundung
und streifen die panischen Gesichter
der Insassen.
Ihre rötlichen Facettenaugen schimmern
in Regenbogenfarben wie Seifenblasen,
während ihre Vorderbeine mit den
kleinen Klauen über die beinernen Platten kratzen.
Alle sehen sie aus wie William S. Burroughs,
aber nur, wenn sie dicht nebeneinander stehen.
There must be some kind of way outta here,
sagt der Narr erneut zum Dieb.
Glaube ja nicht, dass ich es besser habe als du!
Ich brauche jemanden,
dem ich meine Witze erzählen kann.
Wenn ich noch ein einziges Mal über
meine eigenen Witze lachen muss,
sterbe ich.
Stell dich nicht so an, sagt der Dieb,
Leute machen das jeden Tag.
So schlimm kann es nicht sein.
Ich akzeptiere das nicht mehr, sagt der Narr.
Seine weiße Schminke ist schon seit Jahren
abgeblättert,
nur hinter dem rechten Ohr klebt noch ein Rest.
Er nimmt seine schmutzige Narrenkappe ab
und stopft sie sich so tief in den Rachen,
dass er daran erstickt.
Die insektenartigen Wächter
stürzen sich auf ihn und lassen nichts
von seinem Leichnam übrig.
Für sie hat sich dieser Tag
schon einmal gelohnt.
Es ist ein hartes Leben im Elfenbeinturm,
denkt der Dichter,
ein wahrhaft hartes Leben.
Und eigentlich sollte man es gar nicht
als Leben bezeichnen,
eher als Sterben,
als langsames, kriechend langsames
Dahinsiechen,
das ist es in Wirklichkeit,
ein schleichender Tod, der sich
als Leben tarnt,
das ist die eigentliche künstlerische
Leistung dieser Schwachmaten,
denkt der Dieb,
dass sie es schaffen,
ihr qualvolles Dahinscheiden
als das wahre große Ding zu verkaufen,
als die eine Sache, die wirklich jeder
mal erlebt haben sollte,
und das Verrückte ist, sagt er sich,
das Verrückte ist, dass sie damit
Erfolg haben,
dass es wirklich Menschen gibt,
die ihnen das abnehmen,
die sie bewundern,
die ihre Nähe suchen,
als wüssten sie irgendetwas,
das andere nicht wissen,
dabei wissen sie doch nur eines,
sagt sich der Dieb,
nämlich wie man es schafft, dass alle
ihre Scheiße für Gold halten,
das sind die wahren Abzocker,
denkt er sich,
ich hab unter ihnen überhaupt nichts verloren,