Der Adventskalender - 1000 Gefahren in der Stadt der Liebe - THiLO - E-Book

Der Adventskalender - 1000 Gefahren in der Stadt der Liebe E-Book

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Beschreibung

Marie ist total aufgeregt. Der Schüleraustausch nach Paris steht vor der Tür - und das zur romantischsten Zeit des Jahres: Weihnachten! Marie fühlt sich in ihrer Gastfamilie sofort wohl. Nicht zuletzt, weil der ältere Bruder ihrer Gastschwester ziemlich süß ist und als Bassist in einer Band spielt. Als Marie eine Liebesbotschaft erhält, schlägt ihr Herz höher: Soll sie die geheimnisvolle Einladung zum Schlittschuhlaufen annehmen? "Mittendrin statt nur dabei" ist das Konzept der "1000 Gefahren"-Reihe. Bücher für alle, die ihr Schicksal lieber selbst in die Hand nehmen wollen. Denn die Hauptperson bist einzig und allein du, der Leser! Es warten unzählige Abenteuer auf dich und nur du entscheidest, wie deine Geschichte ausgeht. Doch Vorsicht: eine falsche Entscheidung könnte dein Ende bedeuten! Noch mehr spannende Abenteuer der Reihe: 1000 Gefahren bei den Dinosauriern 1000 Gefahren im Gruselschloss Die Pyramide der 1000 Gefahren

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Seitenzahl: 217

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Als Ravensburger E-Book erschienen 2018 Die Print-Ausgabe erscheint in der Ravensburger Verlag GmbH © 2018 Ravensburger Verlag GmbH Cover- und Innenillustrationen: Carolin Liepins Lektorat: Franziska Jaekel Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbH, Postfach 2460, D-88194 Ravensburg.

ISBN 978-3-473-47920-7

www.ravensburger.de

Willkommen in der Achterbahn der Gefühle!

Folge den Anweisungen der Entscheidungsmöglichkeiten, um zu erfahren, wie die Geschichte weitergeht.

Viel Spaß!

1. Dezember

Marie konnte es immer noch nicht glauben. Seit Monaten fieberte sie auf diesen Tag hin und nun war er wirklich da! Zur Sicherheit überprüfte sie das Datum noch einmal auf ihrem Smartphone. Richtig, heute war der 1. Dezember. P-Day, wie sie und ihre beste Freundin Hannah diesen Tag getauft hatten, als er noch in weiter Ferne lag.

P-Day – Paris-Tag. Heute begann Maries Schüleraustausch. Einen Monat lang würde sie in einer der coolsten, aufregendsten und abwechslungsreichsten Städte der Welt leben. In der Stadt der Liebe, wie Hannah immer betonte und dabei so wissend lächelte, als hätte sie schon Hunderte heiße Affären mit Franzosen hinter sich.

Marie hatte die Zusage im August bekommen, Hannah einen Monat später. Den Rest des Sommers und den kompletten Herbst hindurch hatten die beiden Reiseführer gewälzt, das Internet nach den angesagtesten Shops durchforstet oder einfach nur geträumt. Marie hatte Kontakt mit ihrer Gastschwester Amélie aufgenommen, Hannah ihrer Nadine geschrieben. Ganz altmodisch, mit der Post. Irgendwie passten Briefe besser zu Paris als E-Mails, fand Hannah. Und wie immer in Stilfragen hatte Hannah so was von recht.

Marie ging noch einmal zum Kleiderschrank und checkte alle Klamotten, die sie nicht mitnehmen konnte. War nicht doch ein Teil darunter, mit dem sie punkten könnte? Marie seufzte. In Paris würde sie wahrscheinlich überhaupt nicht auffallen. Zumindest nicht mit ihrer normalen Kaufhausmode. Vielleicht sollte sie doch noch das rosa T-Shirt einpacken?

Vor der Tür hupte es, aber Marie achtete nicht weiter darauf. Das war sicher ein Müllwagen oder der Paketbote oder … Da machte es klick! Das musste Hannah sein! Marie stürzte ans Fenster und schaute mit klopfendem Herzen hinaus. Unten stand Hannah und winkte ihr zu. Neben ihr parkte ein brauner Kleinbus, definitiv das Auto von Hannahs Eltern.

Marie winkte zurück. Ihr Herz schlug jetzt so schnell, als würde sie sich von ihrem frisch verliebten Freund am Bahnhof verabschieden, während der Zug langsam losrollte.

Marie musste lachen. „Jetzt spinnst du langsam echt“, schimpfte sie mit sich selbst. „Paris ist eine normale Großstadt.“ Warum sollte man sich ausgerechnet dort schneller verlieben?

„Ich komme!“, rief sie Hannah durch die geschlossene Scheibe zu und stürmte aus dem Zimmer.

Im Flur stolperte Marie beinahe über ihre Eltern, die offensichtlich noch aufgedrehter waren als sie selbst. Ihr Vater wollte gerade die Jacke ihres kleinen Bruders anziehen. Ihre Mutter hatte einen Proviantkorb für die Fahrt gepackt, der glatt für zehn Mann gereicht hätte!

„Ich glaube, ich habe Hannah eben gesehen“, stammelte Maries Mutter. Sie fasste ihre Tochter an den Schultern und drehte sie mit dem Gesicht zu sich. „Willst du es dir nicht doch noch mal überlegen? Ein Monat ist eine lange Zeit. Und dann auch noch über Weihnachten! Marie, ich …“

Marie strahlte bis über beide Ohren und schüttelte den Kopf.

„Nein, Mama, da gibt’s nichts zu überlegen. Paris zieht mich an wie ein Magnet. Wenn ich nicht gehe, reißt es mich auseinander.“

Marie küsste ihre Mutter auf die Stirn und griff nach ihrer Umhängetasche.

Ihre Mutter lächelte. „Richtig so!“, sagte sie schließlich. „Ich wünschte, ich hätte in deinem Alter auch den Mut gehabt, ein paar Wochen ins Ausland zu gehen.“ Sie schloss ihre Tochter in die Arme. „Pass gut auf dich auf“, bat sie. „Ich wünsche dir ganz viel Spaß.“

Marie kämpfte sich vorsichtig los und nickte. „Den werden Hannah und ich bestimmt haben. Es ist alles genau durchgeplant.“

Ihr Vater lachte. „Dann kommt es garantiert anders, als ihr denkt“, prophezeite er.

Marie zog die Augenbrauen hoch. „Das werden wir ja sehen.“

Es klingelte. Hannah wurde offenbar langsam ungeduldig.

Maries Vater wuchtete den Koffer in die Höhe, der schon seit einer Woche gepackt neben der Wohnungstür stand. Er nahm den Fresskorb in die andere Hand, dann stampfte er ins Treppenhaus. Marie und ihre Mutter folgten ihm.

Hannahs Vater Tom stieg aus dem Bus und öffnete den Kofferraum. Maries Vater stellte den Koffer zu Hannahs Gepäck. Dann umarmten sich die beiden alten Freunde.

„Ich vermisse Marie jetzt schon“, hörte Marie ihren Vater murmeln.

Tom nickte. „Ich könnte Hannah manchmal auf den Mond schießen“, flüsterte er viel zu laut, „aber jetzt, wo ich einen Monat ohne sie auskommen soll …“

„Wer flüstert, der lügt!“, unterbrach Hannah ihren Vater. Sie flog an ihm vorbei und Marie in die Arme. Marie ließ ihre Tasche auf den Bürgersteig fallen und wirbelte Hannah herum.

„Das wird die geilste Adventszeit ever!“, jubelte Hannah. „Paris wird uns zu Füßen liegen!“

Tom räusperte sich. „Es gibt Dinge, die wollen Eltern nicht so genau wissen“, fuhr er grinsend dazwischen. „Wir gehen natürlich davon aus, dass ihr eure Tage dort nur in der Schule oder mit Hausaufgaben verbringt.“

Hannah und Marie lachten. Tom war echt klasse. Immer witzig, immer gut drauf, nie um einen schlauen Spruch verlegen. Wenn es aber jemand auf seine Tochter abgesehen hatte, war Schluss mit lustig. Für seine Familie würde Tom durchs Feuer gehen.

„Kommt, steigt ein“, drängelte er und verabschiedete sich von Maries Eltern. „Paris liegt nicht gerade um die Ecke. Außerdem habe ich noch ein Date im Quartier Latin.“

Marie bemerkte, wie ihrer Mutter der Unterkiefer heruntersackte. Date? Tom? War das für Hannahs Mutter okay, wenn er sich mit einer anderen Frau in der Stadt der Liebe traf?

Hannah verdrehte die Augen. „Papa!“, schimpfte sie. „Was soll das Theater? Kannst du nicht einfach sagen, dass du eine Karte für ein Jazz-Konzert hast?“

Tom tat beleidigt. „Nicht für irgendein Konzert“, verbesserte er seine Tochter. „Sondern für das Konzert von Songbird Jackson, dem größten …“

Hannah war jetzt wirklich genervt. Offensichtlich hatte sie sich schon oft Vorträge über den Lieblingsmusiker ihres Vaters anhören müssen.

„Ich weiß, Songbird Jackson ist der größte Saxofonist, der jemals gelebt hat“, leierte sie herunter.

Tom zeigte mit dem Finger auf seine Tochter. „Du kennst ihn?“, sagte er überrascht. „Wow! Dann musst du eine verdammt gute musikalische Erziehung genossen haben. Deine Eltern haben Stil, ich würde sie gern kennenlernen!“

„Paaaa-paaa!“, brüllte Hannah und stampfte mit dem Fuß auf. „Man muss auch wissen, wann Schluss ist. Und jetzt ist Schluss, okay?“

Tom nickte, konnte sich aber ein Grinsen kaum verkneifen. „Vielleicht hätten sich die beiden einen arbeitslosen Pantomimen als Taxifahrer aussuchen sollen“, sagte er augenzwinkernd zu Maries Eltern.

Marie hätte beinahe losgekichert, hielt sich jedoch zurück. Sie kannte auch genug Situationen, in denen ihr Vater ihr total auf den Geist ging, ihre Freundinnen sich aber köstlich amüsierten.

Sie küsste ihre Eltern zum Abschied noch einmal auf die Wangen, dann kletterte sie zu Hannah hinten in den Bus.

Kurz darauf fuhr Tom auch schon los. Die beiden Mädchen winkten, bis Maries Eltern nur noch so groß wie Daumen im Rückspiegel zu sehen waren.

„So, jetzt beginnt unser Abenteuer“, verkündete Hannah. Dann deutete sie auf den Fresskorb. „Was hast du denn da alles drin?“

Obwohl das Frühstück gerade erst zwei Stunden her war, plünderten die beiden Freundinnen den Korb. Kuchen, Schokolade, eine Tüte Chips und ein Glas saure Gurken passten auf den ausklappbaren Tisch.

Hannahs Vater amüsierte sich köstlich.

„Mach mal bitte Musik an“, bat Hannah. „Und schön laut. Wir wollen uns über Mädchenkram unterhalten, das musst du nicht hören.“

Tom tippte sich wie ein gehorsamer Chauffeur an die Mütze, die er nicht aufhatte, und suchte einen Radiosender, der ihm auch gefiel. Jedoch ohne Erfolg. Kaum waren die ersten zwei schrecklichen Lieder um, wie er kommentierte, hielt er mit dem Bus schon wieder an. Die Tür wurde aufgerissen und Linus sprang herein – direkt auf Marie.

Marie kippte auf der Sitzbank um und kringelte sich vor Lachen. Linus war ihr bester Freund und würde in Paris in die gleiche Schule gehen. Auch mit ihm hatte Marie natürlich viel und lange über den Austausch geredet, aber über völlig andere Dinge als mit Hannah. Hauptsächlich über Museen und Kirchen und so. Mit Linus wollte sie alle wichtigen Sehenswürdigkeiten abklappern … wenn die Shopping-Touren mit Hannah ihnen Zeit dazu ließen.

Linus hüpfte noch mal aus dem Auto, um seinen Rucksack in den Kofferraum zu werfen. Dann ging die Fahrt weiter.

Zu dritt wurde es nun richtig lustig. Hannah und Linus mochten sich ebenfalls, auch wenn sie nicht so dick befreundet waren. Linus sah echt gut aus. Er hatte blonde schulterlange Haare, die er in einer unnachahmlichen Kopfbewegung gefühlt zweihundert Mal am Tag zur Seite warf. Er war witzig, sehr klug und mit seinem Selbstbewusstsein könnte er garantiert eines Tages Bundespräsident werden. Viele Mädchen – sogar aus höheren Klassen – wurden rot, wenn Linus zwinkernd an ihnen vorbeiging. Marie konnte das nicht so richtig verstehen. Für sie gehörte Linus einfach zu ihrem engsten Freundeskreis, genau wie Hannah, nur dass er eben ein Junge war. Mit ihm zu gehen oder auch nur Händchen zu halten hätte Marie sich nicht vorstellen können. Nein, Linus war für sie ein Kumpel. Weiter nichts. Punkt. Und das würde auch so bleiben. Linus war safe.

Ausgelassen alberten Marie, Hannah und Linus im Wagen herum. Die Stunden bis zur deutsch-französischen Grenze vergingen wie im Flug. Ab und zu lachte auch Tom laut auf und schüttelte den Kopf. So war klar, dass er nicht über alles hinweghörte.

Als der Bus schließlich über die Grenze rollte, wurde es Marie plötzlich doch ein wenig flau im Magen. Zwei Gefühle wühlten sie auf. Das erste ließ sich am besten mit feierlich beschreiben. Der Schüleraustausch zeigte klar, dass sie kein Kind mehr war. Zum ersten Mal musste sie ohne ihre Eltern zurechtkommen. Sportwochenenden und Geburtstagsübernachtungen natürlich ausgenommen. Aber da hatte es Betreuer gegeben oder andere Eltern. In Paris war Marie ganz auf sich allein gestellt, was zum zweiten Gefühl führte, einer Mischung aus positiver und negativer Aufregung. Ab jetzt wurde eine andere Sprache gesprochen. Das war natürlich keine große Überraschung. Marie sprach ganz gut Französisch, aber eben nur Schulfranzösisch. Sie konnte über Louis XIV. diskutieren oder ganze Bücher ins Passé composé setzen. Nur wie man einen Kakao bestellt, hatte ihr kein Lehrer beigebracht.

„Was heißt eigentlich Toilettenpapier?“, fragte sie kichernd. „Stellt euch vor, ihr sitzt auf dem Klo und es ist alle. Was ruft man denn da?“

Linus zog eine Augenbraue hoch. „Das ist doch die leichteste Vokabel von allen“, prahlte er. „Klopapier heißt papier toilette.“

Hannah lachte. „Gut, dann denken wir in solchen Situationen einfach an dich, dann fällt’s uns wieder ein.“

Eine Stunde später war der Zehn-Mann-Fresskorb bereits leer. Hatten sie echt so viel in sich hineingestopft, fragte sich Marie.

Nach weiteren zwei Stunden drehte Tom abrupt das Radio leise. „Willkommen im Großraum Paris“, verkündete er wie ein Stadtführer. „Die Hauptattraktion ist wie in jeder anderen Stadt Europas der Feierabendverkehr, den es hier sogar rund um die Uhr gibt.“

Tatsächlich ging es nur noch sehr langsam voran. Dafür gab es genug zu sehen. Tom hatte sich entschlossen, die verstopfte Stadtautobahn zu verlassen und durch ebenso verstopfte Seitenstraßen weiterzufahren. Das ging zwar nicht schneller, aber der Ausblick war atemberaubend.

Jeder Bäcker, jeder Gemüseladen, jedes Restaurant wurde ausgiebig bestaunt und kommentiert.

Besonders laut jubelten die drei, als sie den ersten Franzosen mit Baskenmütze auf dem Kopf und Baguette unter dem Arm über eine Straße schlendern sahen.

Kurz darauf kurvte Tom noch um den Eiffelturm. Schilder wiesen auf den Louvre hin und in der Ferne sahen sie die Türme von Notre-Dame.

Doch schon wurde es ernst. Marie musste als Erste aussteigen. Tom und ihre beiden Freunde brachten sie an die Tür des Gebäudes, das für die kommenden Wochen ihr Zuhause sein würde. Sofort nach dem ersten Klingeln stand Amélie auf der Straße. Sie sah genauso aus, wie Marie sie sich nach den Chats im Internet vorgestellt hatte. Auch das Foto aus dem Brief gab Amélie sehr gut wieder. Und ihre Fröhlichkeit war einfach ansteckend. Mit ihr werde ich eine Menge Spaß haben, dachte Marie, als sie sich umarmten.

An diesem ersten Abend vermisste Marie weder ihre Familie noch Linus oder Hannah. Amélie und ihre Eltern Julie und Franck waren spitze. Und obwohl Amélies Bruder Sébastien ziemlich still war, gefiel auch er ihr sehr gut. Sébastien war zwei Jahre älter und Bassist in einer Schülerband. Sehr gut aussehend, aber auch etwas zu cool für Maries Geschmack.

Glücklich ging Marie ins Bett. Ihre Gastfamilie war supernett, die Verständigung auf Französisch hatte gut geklappt und die Reise war toll gewesen.

„Wow!“, murmelte Marie beim Einschlafen. „Mein Leben ist einfach der Wahnsinn!“

Gilt das auch für Maries ersten Schultag in Paris? Klicke morgen hier, um weiterzulesen.

2. Dezember

Maries Träume in dieser ersten Nacht in Paris waren nicht nur der Wahnsinn, sie waren très fantastique – einfach nur fantastisch! Leider war das Klingeln des Weckers genauso nervtötend wie zu Hause. Brrrrrrrrrr!, surrte das runde Ding auf Maries Nachttisch. Ekelhaft!

Mit noch geschlossenen Augen schlug Marie auf den Wecker ein, bis er endlich schwieg. Sie wollte sich gerade noch einmal umdrehen und langsam wach werden, bis Mama hereinkam und ihr die Decke wegzog, als ihr dämmerte, dass ihre Mutter heute Morgen ganz bestimmt nicht neben ihrem Bett auftauchen würde. Sofort war Marie hellwach, als hätte man ihr einen dreifachen Espresso eingeflößt. Sie war in Paris! Und heute war ihr erster Schultag. Wenn das nicht aufregend war!

Marie war schon auf dem Weg ins Bad, als ihr im letzten Moment Sébastien wieder einfiel. Amélies großer Bruder musste sie nicht unbedingt im Nachthemd sehen. Also beschloss sie, sich erst mal anzuziehen – was gar nicht so einfach war. Was sollte sie an ihrem ersten Schultag tragen? Schließlich kam es auf den ersten Eindruck an. Wollte sie cool und lässig wirken? Elegant und unterkühlt? Graziös und abgehoben? Oder einfach sportlich?

„O Mann, was für komplizierte Fragen am frühen Morgen“, seufzte Marie und griff nach ihrem Smartphone. Eine beste Freundin musste helfen, und zwar eine, die gerade bestimmt vor den gleichen Problemen stand wie Marie.

„Hannah, ich sterbe!“, quasselte Marie als Sprachnachricht auf das Handy ihrer Freundin. „Wenn du nicht innerhalb der nächsten dreißig Sekunden zurückrufst, kannst du mich auf dem Friedhof besuchen!“

Hannah kannte Marie zum Glück seit der Grundschule und wusste, wann sie sich nur künstlich aufregte und wann es wirklich ernst war. Zwölf Sekunden später summte Maries Handy.

„Du weißt nicht, was du anziehen sollst, stimmt’s?“, vermutete Hannah.

„Stimmt“, antwortete Marie verzweifelt. „Ich habe einen ganzen Koffer voll Nichts anzuziehen!“

Sie klappte das unnütze Ding auf und filmte den Inhalt. „Was hältst du von dem Blumenkleid?“, fragte sie unsicher.

Hannah lachte. „Marie, draußen sind null Grad. Es könnte etwas frostig an den Schultern werden.“

So ging es noch zehn Minuten weiter. Entweder schlug Hannah etwas total Bescheuertes vor oder Marie griff nach einem Teil, das Hannah völlig daneben fand. Am Ende entschied sich Marie für eine enge blaue Stoffhose und einen braunen, kuscheligen Rollkragenpullover. Aber auch nur, weil sie mittlerweile so dringend aufs Klo musste, dass ihr fast die Blase platzte.

„Olalala, Marie, très chic!“, kommentierte Julie Maries Outfit. Sehr schick! Marie konnte nur kurz nicken und verschwand im Bad. Dezent angepinselt und viel entspannter kam sie eine Viertelstunde später wieder heraus. Sie setzte sich an den Küchentisch, um zu frühstücken, doch es standen nur Kaffee und ein paar Kekse bereit.

„Wo ist das Frühstück?“, fragte sie.

Amélie sah sie verwundert an, nahm einen Keks und hielt ihn Marie vor die Nase. „Na hier, du Blindfisch!“, sagte sie und steckte sich den Keks in den Mund.

Marie musste lachen. Was Blindfisch wohl auf Französisch hieß? Amélie sprach viel besser Deutsch als Marie Französisch, aber das würde sich im Laufe des Dezembers hoffentlich ändern.

„Du musst mir auch solche komischen Wörter beibringen“, erwiderte Marie und nahm sich ebenfalls einen Keks. Der Kaffee schmeckte eigentlich ganz gut. Zu Hause trank Marie nur Tee, aber wie sagte ihr Vater immer so passend: Andere Länder, andere Sitten. Nichts ist besser oder schlechter, nur anders. Das war doch gerade das Spannende am Ausland, oder? Marie fragte sich, warum viele Touristen im Urlaub genau die gleichen Speisen essen wollten wie zu Hause. Currywurst in Westafrika, Maultaschen in Brasilien und Wiener Schnitzel in Grönland. Ätzend! Marie konnte über diese Ignoranz nur den Kopf schütteln. Trotzdem vermisste sie ihr Müsli ein bisschen.

Aber das war noch nicht alles. Obwohl ihre Klamottenwahl sie schon restlos überfordert hatte, stand Marie nun vor der nächsten Frage.

Amélie will mit Marie den Bus direkt zur Schule nehmen – ohne Hannah zu treffen. Gut? Klicke hier, um weiterzulesen.

Hannah will sich mit Marie an der Metro treffen und dann zur Schule fahren. Das ist ein kleiner Umweg, dafür bleibt viel Zeit zum Quatschen. Besser? Klicke hier, um weiterzulesen.

Hannah stieß Marie ihren spitzen Ellenbogen in die Rippen. Das tat sie nur, wenn ihr ein Junge besonders gut gefiel. In diesem Fall war der Junge ein Mann und ihr Klassenlehrer.

Auch Marie musste den Atem anhalten. Monsieur Knack sah ganz und gar nicht aus wie eine Wurst. Er war die perfekte Mischung aus Filmstar und Boxer. Knack trug einen schwarzen Anzug, der bei ihm ultralässig aussah. Jeder andere hätte in dem Ding wie ein Clown gewirkt.

„Der fährt bestimmt Autorennen“, zischte Hannah Marie ins Ohr. „Und geht fechten und reiten. Garantiert!“

Marie musste kichern. „Der Typ könnte dein Opa sein, Hannah!“, ermahnte sie ihre Freundin.

„Aber ein sehr gut aussehender Opa“, murmelte Hannah.

Da musste Marie zustimmen. Natürlich würde sie Monsieur Knack nicht heiraten. Aber schwärmen durfte man ja wohl, oder?

Als Hannah sich wieder gefasst hatte, hakte sie sich bei Marie unter. Mit einem braven Lächeln stellten sie sich ihrem Lehrer vor. Monsieur Knack begrüßte sie im Namen der gesamten Klasse. Dann bat er die Freundinnen, sich zu setzen, und begann mit dem Unterricht.

Nach der Schule war Marie fix und fertig. Hannah hätte gern noch eine kleine Tour durch Paris gemacht, aber sie hatten ja noch fast den ganzen Dezember vor sich und Marie schlief fast im Stehen ein.

Sie fuhr mit Amélie nach Hause, räumte ihren Koffer aus und fiel nach dem Abendessen erschöpft ins Bett.

Ausreichend Schlaf ist jetzt genau das Richtige für Marie. Klicke morgen hier, um weiterzulesen.

3. Dezember

Marie wachte taufrisch und voller Energie auf. Im Nachthemd ging sie ins Bad und machte sich für die Schule fertig. Amélies Eltern hatten bereits das Haus verlassen. Sébastiens Zimmertür war verschlossen.

„Ist dein Bruder da?“, rutschte es Marie in der Küche heraus. Sofort wurde sie ein bisschen rot, denn ihre Frage hatte nicht so beiläufig geklungen, wie sie es sich gewünscht hätte. Doch Amélie bemerkte es entweder nicht oder hörte darüber hinweg.

„Sébastien hat heute erst zur dritten Stunde“, sagte Amélie. „Jedenfalls hat er das meinen Eltern erzählt. Rein zufällig hatte er gestern Abend nämlich einen Auftritt mit seiner Band.“ Amélie verdrehte die Augen.

Marie knabberte ihren Keks, dann fuhren die beiden – wie gestern mit Hannah und Nadine abgesprochen – mit dem Bus zur Schule. Raphael und Jacques standen vorn beim Fahrer und bemühten sich, ultracool auszusehen. Was ihnen sogar gelang. Die Hälfte der Mädchen in ihrem Alter musterten die beiden verstohlen aus dem Augenwinkel.

„Salut!“, riefen Jac und Raph im Chor, als Amélie und Marie in den Bus stiegen. Marie spürte die Blicke von ein paar Mädchen wie Dolche im Rücken, während die Jungs die üblichen Begrüßungsküsschen mit ihr teilten.

Vor dem Unterricht trafen sich Amélie und Marie mit Hannah und Nadine in der Kantine. Die beiden gönnten sich noch einen Café au Lait, um wach zu werden, weil sie noch die halbe Nacht gequatscht hatten.

Interessanterweise kam Marie an diesem zweiten Schultag schon deutlich besser mit der Sprache zurecht. Scheinbar gewöhnten sich ihre Ohren – oder was auch immer dafür zuständig war – langsam an das hektische Gequassel der Franzosen. Als Resultat war Marie am Nachmittag nicht annähernd so erschöpft wie gestern.

Gemeinsam schlenderten Marie, Hannah, Amélie, Nadine, Jac und Raph aus dem Lycée. Marie stieß einen Freudenschrei aus, denn genau in diesem Augenblick tanzten ein paar Flocken vom Himmel herab.

„Wie wäre es mit einer Runde Schlittschuhlaufen?“, schlug Amélie vor.

Hannah verzog das Gesicht. War sie etwa eifersüchtig und wollte lieber etwas allein mit Marie unternehmen? Marie überlegte, ob sie Hannah darauf ansprechen sollte, entschied sich aber dagegen. Sie war nicht für die Stimmung ihrer Freundin verantwortlich. Wenn sie ein Problem hatte, sollte sie selbst den Mund aufmachen. Aber Hannah sagte nichts.

„Ich hätte große Lust!“, rief Marie.

Amélie und Nadine ebenfalls. Jac und Raph spielten wieder die Coolen und taten ganz uninteressiert. Aber sie wollten auf jeden Fall mit. Doch bevor die sechs das Schulgelände verlassen hatten, klopfte jemand Marie auf die Schulter.

„Hey!“, beschwerte sich Linus. „Mich kennst du wohl nicht mehr, was?“

Marie fiel ihrem besten Kumpel um den Hals. Sie hatte tatsächlich ein schlechtes Gewissen, weil sie sich noch nicht bei Linus gemeldet hatte. Aber wann hätte sie das auch tun sollen?

„Willst du wissen, wie mein Leben in Paris bisher aussah?“, antwortete sie lachend. „Entweder war ich in der Schule oder ich habe geschlafen.“

Linus musste ebenfalls lachen. „Zu Hause machst du immer beides gleichzeitig, das spart echt Zeit.“

Auch die anderen begrüßten Linus.

„Wo ist denn dein Gastbruder?“, wollte Marie wissen. Sie bogen gerade auf eine breite Einkaufsstraße ab.

Linus verdrehte die Augen. „Der ist schon nach Hause“, sagte er genervt. „Der Typ ist echt voll ein Griff ins Klo, ehrlich. Hab selten so einen Langweiler kennengelernt.“ Als Linus den anderen verriet, wie sein Gastbruder hieß, schüttelten alle die Köpfe.

„Étienne?“, hakte Raph nach. „Ein kompletter Idiot. Der spielt noch mit Autos. Brumm, brumm.“

Hinter der Einkaufsstraße begann ein kleiner Park und irgendwo mittendrin gab es eine Eisbahn unter freiem Himmel. Marie klatschte vor Begeisterung in die Hände. Sie freute sich schon darauf, ein paar Runden zu drehen.

Hannah allerdings nicht. „Ist doch voll öde“, nörgelte sie. „Komm, wir gehen lieber zu mir nach Hause.“

Bevor ihre Freundschaft leidet, geht Marie mit. Klicke hier, um weiterzulesen.

Marie ist nicht Hannahs Hündchen. Sie möchte Schlittschuhlaufen. Klicke hier, um weiterzulesen.

„Sorry, ich hoffe, ich habe dir nicht den Abend verdorben“, entschuldigte sich Hannah auf dem Weg aus dem Park. „Aber das sind mir gerade echt zu viele Leute. Die Metrofahrt heute Morgen, das Gedränge in der Schule und jetzt schon wieder in der Gruppe unterwegs. Ich brauche einfach ein bisschen Ruhe.“

Marie nickte. Sie war kein bisschen sauer. Hannah war also nicht eifersüchtig auf Amélie oder die anderen, wie Marie zuerst vermutet hatte. Sie war nur ein wenig geschlaucht und gab das offen zu.

Marie bewunderte ihre Freundin für ihre Ehrlichkeit. Sie selbst merkte es oft erst Stunden oder sogar Tage später, wenn sie sich zu viel zugemutet hatte. Dann bekam sie manchmal einen Heulkrampf, obwohl in dem Moment alles okay war. Das lag dann immer an der inneren Anspannung, die auf Ereignisse zurückzuführen war, die längst abgehakt schienen, es aber eben doch noch nicht waren.

Als sie bei Hannahs Gastfamilie ankamen, war niemand da. Hannah kochte Tee in der Küche, dann hockten sie sich auf ihr Bett. Freundinnen mussten gar nicht immer bis zum Umfallen quatschen. Das war nur ein Klischee. Freundinnen konnten auch hervorragend miteinander schweigen, wenn es sein musste. Und jetzt musste es sein.

Erst am späteren Abend kehrte auch Marie heim. Dank ihres Stadtplans fand sie sogar schnell die richtige Metrostation.

Nach dem Abendessen zog sie sich mit einem Buch in ihr Zimmer zurück.

Das Buch ist super, aber nach einer halben Stunde macht Marie das Licht aus. Klicke morgen hier, um weiterzulesen.

4. Dezember

An diesem Morgen fühlte sich Marie in Sicherheit, als sie im Nachthemd ins Bad ging. Doch als sie die Tür öffnete, stand Sébastien vor dem Waschbecken und rasierte sich.

„Oh, pardon!“, platzte Marie heraus. Sébastien drehte den Kopf zu ihr. Sein halbes Gesicht war noch voller Schaum. Wenn Marie es richtig verstanden hatte, war er zwei Jahre älter als sie und Amélie. Ob er sich da wirklich schon rasieren musste? Oder machte er nur eine Show daraus? Sein freier Oberkörper gefiel Marie jedenfalls.

„Pardon!“, stammelte sie noch einmal und zog die Tür wieder zu. Augenblicklich stürmte sie in ihr Zimmer, schloss sich ein und zog sich hastig an. Was für eine Horrorvorstellung, Sébastien noch einmal im Nachthemd zu begegnen.

Den Pullover bis zum Kinn hochgezogen, schlich Marie zehn Minuten später in die Küche. Amélie hockte schon am Tisch und rührte Löcher in ihre Kaffeetasse. Sie hatte noch keinen Keks angerührt.

„Alles okay?“, fragte Marie.

Amélie zuckte mit den Schultern. „Eigentlich nicht“, gestand sie. „Ich bin in einen Jungen verliebt, aber er nicht in mich. Da kann man nichts machen.“

Marie ging zu ihr und nahm Amélie in den Arm. Liebeskummer war bestimmt das schlimmste Gefühl auf der ganzen Welt. Schlimmer als Durst oder Heimweh.

„Kenne ich ihn?“, hakte Marie nach.

Amélie nickte. „Es ist Jacques“, verriet sie und seufzte schwer.

Marie wurde flau im Magen. Sie fand Jac auch ziemlich gut, das hatte sie gestern Abend im Park deutlich gespürt. Immer wenn er neben ihr gegangen war, hatte ihr Herz stärker geklopft. Marie fühlte sich mies. Als hätte sie dafür gesorgt, dass es zwischen Amélie und Jac nicht klappte. Was sollte sie jetzt machen? Sich verstellen? Das Thema wechseln?

„Das ist hart“, sagte sie schließlich ehrlich. Auch wenn ein kleiner Teil ihres Herzens froh war, dass Jac nicht vergeben war.