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Ganz London zittert vor dem »Fuchs« - dem berüchtigten Banknotenfälscher, der seit Jahren sein Unwesen treibt. In Hertfordshire findet man Basil Hate im Park eines Schlosses erschlagen auf. In Sydenham wird der alte Rechtsanwalt Radlow erschossen. Ist das die Handschrift des Banknotenfälschers?
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Seitenzahl: 307
The Forger PeP eBooks erscheinen in der Verlagsgruppe Random House
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2000 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House
ISBN 3-89480-304-5
www.pep-ebooks.de
Kapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Über das Buch
Der große Ordinationsraum im Hause Harley Street Nr. 903 war ein Mittelding zwischen Salon und Bibliothek. Überall lagen Bücher umher, und von der üblichen Ausstattung einer ärztlichen Praxis war kaum etwas zu bemerken.
In einer Ecke führte eine Tür aus poliertem Holz in einen gekachelten Raum, dessen Einrichtung schon eher auf eine medizinische Tätigkeit hindeutete: ein Tisch mit Glasplatte, gläserne Regale und verschlossene, verglaste Wandschränke, angefüllt mit langen Reihen von Flaschen aller Farben und Größen sowie sorgsam verdeckten Bakterienkulturen.
Peter Clifton, der seit vier Jahren regelmäßig Dr. Wells Sprechstunden aufsuchte, hatte diese Tür noch nie geöffnet gesehen. Er saß auf der Armlehne eines schweren Klubsessels und blickte, ohne etwas wahrzunehmen, starr durchs Fenster hinaus. Peter haßte es, seine Gefühle zu zeigen, und gerade in diesem Augenblick wollte er niemandem sein Gesicht sehen lassen, nicht einmal Dr. Donald Wells.
Dann aber gab er sich einen Ruck und wandte sich dem Mann zu, der breitbeinig vor dem Kamin stand und ihn durch die Rauchschwaden seiner Zigarette nachdenklich aus dunklen Augen musterte. Dr. Wells war ziemlich hager und erschien dadurch größer, als er wirklich war. Sein dunkles, melancholisches Gesicht mit dem gepflegten schwarzen Schnurrbärtchen hatte fast etwas Unheimliches, doch das war wie weggewischt, wenn er lächelte. Und jetzt lächelte der Arzt, als er dem Blick seines Patienten begegnete.
Peter holte tief Atem und erwiderte das Lächeln. »Es war wirklich ein außerordentlicher Glückstag für mich, als ich damals auf der Suche nach einem Zahnarzt versehentlich zu Ihnen gekommen bin!«
»Mein lieber Junge«, antwortete der Arzt kopfschüttelnd, »das beruht ganz auf Gegenseitigkeit; möglicherweise habe ich Ihnen geholfen, aber Sie waren der großzügigste Patient, den ich jemals hatte.«
Wieder lächelte Peter. »Sie haben mich damals aber nicht nur von meinen Zahnschmerzen befreit, sondern auch gleich den ganzen Menschen geheilt«, entgegnete er.
Der Arzt wurde ernst. »Ich habe lediglich Ihre Depressionen bekämpft. Doch Ihren Entschluß haben Sie auf dem Gutachten meines großen Kollegen Sir William Clewer aufgebaut. Ich selbst hätte es nicht gewagt, mich so bestimmt zu äußern wie er, und ich muß Ihnen leider sagen, daß ich Anfälle der befürchteten Art auch jetzt noch für nicht ganz ausgeschlossen halte. Die Hauptgefahr scheint allerdings beseitigt zu sein. Ich hielt es nicht für richtig, Sir William gegenüber meine Bedenken zu äußern, aber vielleicht konsultieren Sie ihn noch einmal?«
Peter schüttelte heftig den Kopf: »Ich werde in Zukunft einen weiten Bogen um die Harley Street machen. Das klingt zwar höchst undankbar, aber...«
Der Arzt winkte ab. »Absolut verständlich«, erklärte er kurz. Dann ging er plötzlich auf ein anderes Thema über: »Wann wird denn die Feier stattfinden?«
Er sah, wie sich das Gesicht seines Patienten verdüsterte – eine merkwürdige Reaktion bei einem sehr reichen und sehr gut aussehenden jungen Mann, der im Begriff stand, das schönste Mädchen zu heiraten, das Dr. Wells jemals gesehen hatte.
»Um – um zwölf Uhr dreißig. Sie werden doch kommen? Der Empfang findet im Ritz statt, und dann fahren wir nach Longford Manor hinaus. Ich glaubte, daß Jane eine Reise aufs Festland vorziehen würde, aber sie will unbedingt nach Longford.«
Eine Zeitlang herrschte Schweigen. Wells beobachtete aufmerksam das Gesicht seines Patienten, dann fragte er plötzlich: »Weshalb dieses Stirnrunzeln?«
Peter zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Mir ist nicht wohl bei alledem... Es war eine so ungewöhnliche Brautwerbung... Und Jane ist manchmal so eigenartig... Kalt wäre nicht das richtige Wort, gleichgültig auch nicht – vielleicht eher unnahbar. Ich weiß dann nie, was in ihr vorgeht; sie wird mir so fremd, und das erschreckt mich. Alles hat so seltsam angefangen...«
Donald Wells Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
»Damit, daß ich Sie ihr vorstellte«, meinte er.
»Das war die beste Tat, die Sie je vollbrachten. Ich liebe Jane! Aber ich weiß, daß es bei ihr anders ist. Alles kam so überstürzt. Ich bin ja ganz ungebeten in ihr ruhiges Heim hineingeplatzt und habe sie förmlich in eine Verlobung gedrängt, bevor sie noch Zeit hatte, mich besser kennenzulernen... Das war sicher keine Brautwerbung, wie sie ein junges Mädchen erhofft...«
Er biß die Zähne zusammen, und auf seinem Antlitz zeigte sich wieder der gequälte, müde Ausdruck. »Ich habe sie einfach gekauft, Donald!« endete er nach einer kleinen Pause ruhig.
Der Arzt lachte kurz auf. »Sie lassen Ihrer Phantasie zu sehr die Zügel schießen, mein junger Freund! Wie hätten Sie denn das Mädchen kaufen können? Das ist doch wirklich Unsinn!«
Aber Clifton schüttelte traurig den Kopf.
»Natürlich habe ich nicht zu ihrem Vater gesagt, daß ich bereit wäre, hunderttausend Pfund für seine Tochter zu zahlen. Dann hätte er mich vermutlich hinausgeworfen. Aber ich fürchte, daß nur das Versprechen, ihr diese Summe zu überschreiben, Leith zu seiner Einwilligung veranlaßt hat. Dabei hatte ich Jane erst zweimal gesehen! Können Sie sich vorstellen, daß ich sie noch nie geküßt habe?«
»Dann würde ich damit aber noch heute beginnen«, meinte Dr. Wells trocken. »Ein Mädchen, das übermorgen einen jungen Mann heiratet, erwartet von ihm doch einige Zärtlichkeit.«
Peter fuhr sich durch das Haar. »Ich weiß – und es bedrückt mich sehr. Aber ich hatte einfach Angst... Angst, daß sie etwas über mich gehört hat. Sie wissen, was ich meine... Und hinzu kommt noch, daß ich nicht sicher bin, ob ich mit meinem Antrag vielleicht irgendwelche ihrer Zukunftspläne durchkreuzt habe. Vielleicht ist die Freundschaft mit Hale für sie doch etwas mehr gewesen als nur Freundschaft!«
»Aber niemand hat Jane zu ihrem Jawort gezwungen«, widersprach der Arzt.
Ein leises Klopfen ließ sich vernehmen.
»Das ist meine Frau«, meinte Wells. »Kann sie hereinkommen, oder wollen Sie noch ungestört mit mir sprechen?«
»Ich habe schon genug gesagt«, antwortete Peter niedergeschlagen.
Er ging der schlanken jungen Frau entgegen, die hereinkam. Marjorie Wells war fünfunddreißig Jahre alt, sah aber um zehn Jahre jünger aus und hatte noch dunkleres Haar als ihr Gatte.
»Man sagte mir, daß Sie hier seien«, begrüßte sie ihn mit einem Lächeln, das ihre blitzenden Zähne sehen ließ. »Es lebe der Bräutigam! Die Braut habe ich heute auch schon gesehen: strahlend, wie eine Braut aussehen soll – nur war sie leider in Gesellschaft eines anderen Mannes!«
Falls sie den strafenden Seitenblick ihres Mannes wahrgenommen hatte, so ließ sie es sich nicht anmerken. Marjorie war dafür bekannt, daß sie jeden ihrer Aussprüche mit etwas Bosheit würzte. Diesmal war die Dosis allerdings ziemlich stark.
Wells ging auf ihre Stichelei ein »Wer wird das schon gewesen sein? Wahrscheinlich doch der verrückte Basil Hale?«
»Natürlich war es Basil... Der gute, alte Basil! Ich kann mir vorstellen, daß er sich recht elend fühlt. Aber ich bin eine boshafte Klatschbase, nicht wahr?«
Peter nahm seinen Hut und lächelte grimmig: »Jawohl, das sind Sie wahrhaftig! – Wie ist es, Wells, wollen Sie morgen abend mit mir speisen?«
Der Arzt nickte.
»Sehr gern, aber es muß ein Junggesellenabend ohne Damen sein.«
Er begleitete ihn zur Haustür und wartete, bis Peter Cliftons Rolls Royce um die Ecke der Wigmore Street verschwunden war. Dann kehrte er ins Sprechzimmer zurück.
»Was fehlt Peter eigentlich?« fragte seine Frau leichthin, als ob ihr erst jetzt seine häufigen Besuche aufgefallen seien. »Er sieht doch ganz gesund aus.«
»Du solltest doch wissen, daß ich über die Krankheiten meiner Patienten niemals spreche, nicht einmal im Schlaf«, fuhr er sie an. »Mach dir also auch über Peter keine Gedanken, verstehst du mich? – Ja, was gibt's?«
Ein Hausmädchen stand in der Tür und überreichte ihm auf silbernem Tablett einen kleinen, versiegelten Brief. Wells riß den Umschlag auf, zog eine Visitenkarte heraus und überflog die wenigen Worte, die darauf gekritzelt waren.
»Gut, lassen Sie Mr. Rouper eintreten.« Dann wandte er sich an seine Frau: »Laß uns bitte allein. Ich werde später noch mit dir über Peter – und etwas anderes – sprechen.«
Gleich darauf stand ein hochgewachsener, breitschultriger Mann im Zimmer. Sein Haar war grau, aber seine Haltung war aufrecht wie die eines Soldaten. Dr. Wells schloß die Tür und bat seinen Besucher, Platz zu nehmen.
Mr. Rouper, Inspektor bei Scotland Yard, legte bedächtig seinen Hut auf den Tisch, zog umständlich seine Lederhandschuhe aus und nahm eine dicke Brieftasche aus der Innenseite seines Rockes. Erst dann ließ er sich nieder.
»Es tut mir leid, daß ich Sie stören muß«, begann er. »Ich weiß, Sie haben viel zu tun, aber ich muß Sie unbedingt sprechen.«
Der Arzt blickte ihn erstaunt an.
»Hier ist sie ja«, fuhr der Inspektor fort und fischte aus seiner Brieftasche einen zusammengefalteten Geldschein. »Das ist eine Fünfzigpfundnote, die auf der Rückseite den Abdruck Ihres Stempels trägt.« Er setzte seinen Kneifer auf und las: »Dr. Donald Wells, Mitglied der Königlichen Ärztegesellschaft, Harley Street 903. Das sind Sie doch, nicht wahr?«
Der Arzt nahm die Banknote in die Hand und betrachtete genau den verblaßten Abdruck eines violetten Stempels.
»Ganz recht«, antwortete er, »das ist mein Stempel. Ich verwende ihn zu den verschiedensten Zwecken, aber ich kann mich nicht entsinnen, jemals Banknoten gestempelt zu haben.«
»Können Sie sich erinnern, diesen Geldschein in der Hand gehabt zu haben?«
»Nun, Fünfziger sind seltene Noten. Soviel ich weiß, habe ich in der letzten Zeit nur einen von Mr. Peter Clifton bekommen – das ist einer meiner Patienten. Und diesen Fünfziger habe ich beim Rennen in Kempton ausgegeben. Ich wette nämlich manchmal am Totalisator, da ich mich mit Buchmachern nicht einlassen will.«
Der Kriminalbeamte schmunzelte verständnisvoll. »Sie haben natürlich verloren?«
»Ganz im Gegenteil! Ich habe ein paar hundert Pfund gewonnen.«
Rouper kritzelte etwas auf die Rückseite eines Briefumschlages. »Peter Clifton«, murmelte er dabei vor sich hin. »Ich glaube, ich kenne den Herrn. Wohnt er nicht in einem Apartment auf der Carlton House Terrace?«
»Ja, aber was soll das eigentlich bedeuten?« fragte Wells. Dann fügte er gutgelaunt hinzu: »Sie glauben doch nicht etwa, daß er die Banknote gestohlen hat?«
Der Inspektor ließ sich Zeit mit der Antwort, bis er seine Notiz beendet hatte. »Das nicht, Doktor, aber diese Note ist gefälscht. Übrigens die schlechteste Arbeit, die der Fuchs je geliefert hat! Das Papier hat ihn sofort verraten.«
Er brauchte nicht erst zu erklären, wer der Fuchs sei, denn seit über fünf Jahren bereitete der Banknotenfälscher, der sich diesen Ehrennamen erworben hatte, den Behörden und der Geschäftswelt die größten Unannehmlichkeiten.
»Bisher hat er sich nicht mit britischen Banknoten befaßt«, fuhr Rouper fort. »Angefangen hat er mit der Bank von Südafrika, dann ist er auf die Schweizer Bundesbank übergegangen, danach hat er US-Dollar auf den Markt geworfen und schließlich Tausend-Francs-Noten gefälscht. Es war eine sehr unangenehme Überraschung für uns, als wir feststellen mußten, daß er neuerdings jedes patriotische Gefühl vermissen läßt!«
Er lachte über seinen eigenen Scherz und hustete.
»Sie haben keinen Schaden dabei, Doktor«, versicherte er dem Arzt, der etwas unangenehm berührt schien. »Für Sie ist die Angelegenheit erledigt; ich möchte nur den Mann fassen, der den Fünfziger gefälscht hat!«
Wells öffnete einen kleinen Wandschrank und nahm ein Kontobuch heraus. »Ich will mich doch noch einmal vergewissern, von wem ich die Banknote erhalten habe«, sagte er und blätterte die Seiten um. Nach kurzer Zeit hielt er inne. »Hier ist die Eintragung. Mr. Peter Clifton – 52 Pfund 10 Shilling in bar. Er hat seine Rechnungen nie durch Scheck beglichen.«
»Haben Sie die Nummer der Banknote?«
Wells schüttelte den Kopf.
»Die Nummer habe ich nicht aufgeschrieben – warum sollte ich auch. Übrigens wäre das auch viel zu umständlich, denn fast alle meine Patienten bevorzugen Barzahlung.«
Der Kriminalbeamte warf einen Blick auf das Kontoblatt.
»Ich wollte nur das Datum sehen«, erklärte er. Dann zog er ein braunes Büchlein aus der Tasche und blätterte nach. »Stimmt! Das Rennen in Kempton fand am gleichen Tag statt. Danke, Doktor.«
Auch diesen Besucher brachte Wells bis zum Tor. Dann kehrte er sehr nachdenklich ins Haus zurück. Er wußte ganz genau, daß er selbst diese Banknote nicht gestempelt hatte – aber wer konnte es getan haben? Und zu welchem Zweck?
»Hast du Peter heute gesehen?« John Leith blickte von seiner Abendzeitung auf, als hätte ihn darin etwas an Peter erinnert.
»Nein, Papa.«
Mr. Leith vertiefte sich wieder in seine Lektüre. Er war ein gutaussehender, kräftiger Mann mit langem grauem Bart. Seinen Beruf verriet der große, luftige Raum, in dem sie sich aufhielten. Schon die hohen Fenster ließen erkennen, daß es sich um ein Atelier handelte. Die Wände waren nahezu vollständig mit Bildern bedeckt: mit Landschaften, Skizzen und Kopien großer Meister von Leiths Hand. Er behauptete gern in etwas ironischem Selbstmitleid, daß nur seine günstigen Vermögensverhältnisse ihn darin gehindert hätten, ein großer Künstler zu werden. Auch an diesem Abend kam er wieder auf sein Lieblingsthema zu sprechen, nachdem er endlich die Zeitung weggelegt hatte.
Jane nahm dagegen keinen Anteil an Künstlerschicksalen – jedenfalls nicht jetzt. Sie hatte die Beine hochgezogen und kauerte in einer Ecke des bequemen Sofas. Mir ernsten Augen sah sie ihren Vater an – den einzigen Menschen auf der Welt, den sie rückhaltlos liebte.
»Sag mal, Papa, wir sind doch sehr reich, nicht wahr?«
Er verzog ein wenig die Lippen.
»Es geht, mein Kind...«
»Aus welchem Grunde soll ich dann Peter heiraten? Ich weiß, daß er ein großes Vermögen hat – und ich mag ihn ja auch ganz gern, obwohl manchmal ein Ausdruck in seinem Gesicht ist, der mich erschreckt... Aber ich glaube, er wäre mir sehr viel sympathischer, wenn nicht alles so Hals über Kopf ginge.«
Er streckte lässig seinen Arm aus und ergriff ihre Hand.
»Ich wünsche es aber, meine Liebe. Ich möchte dich gern versorgt sehen.«
Erschrocken fragte sie: »Du bist doch nicht krank, Vater?«
Sein lautes Lachen klang beruhigend.
»Nein, ich bin nicht krank«, antwortete er gutmütig. »Ich verheimliche dir wirklich nichts. Aber ich möchte dich eben gern verheiratet sehen, und Peter ist doch ein netter Bursche und wirklich außerordentlich reich.«
»Woher hat er denn sein Vermögen?« Sie hatte diese Frage nicht zum erstenmal gestellt. »Wenn er es geerbt hätte, wüßte doch jeder davon. Basil sagt...«
»Basil ist ein Schwätzer, der sich noch einmal ordentlich den Mund verbrennen wird. – Hast du denn heute noch gar nichts von Peter gehört?«
»Doch, er hat mich angerufen. Ein Kriminalbeamter ist bei ihm gewesen wegen einer gefälschten Fünfzigpfundnote, auf der ein Stempel von Donald Wells war.«
»Sieh mal an, eine gefälschte Fünfzigpfundnote! Gerade habe ich in der Zeitung gelesen, daß der Fuchs wieder an der Arbeit ist. Hoffentlich wird er bald erwischt! Übrigens – Peter ist ein sehr geschickter Bursche, er könnte ein ganz großer Künstler werden, wenn er nicht so verdammt reich wäre. Seine Radierungen sind wirklich großartig. Auch die prächtigen Sachen, die er für dich gestochen hat...«
»Und die du verlegt oder verloren hast«, unterbrach ihn Jane.
»Ich kann mich wirklich nicht erinnern, wo sie abgeblieben sind. Ich weiß nur, daß ich sie eingesteckt habe, als ich verreiste. Möglicherweise sind sie im Zug verlorengegangen.«
Jane war mit ihren Gedanken schon weiter.
»Wenn wir schon vom Verlieren sprechen, Vater«, sagte sie niedergeschlagen, »solltest du eigentlich daran denken, daß du auch mich in achtundvierzig Stunden verlieren wirst! In achtundvierzig Stunden soll ich heiraten... Und ich bin gar nicht glücklich darüber!«
John Leith beugte sich über den Tisch, nahm aus einem Kästchen eine Zigarre und zündete sie hastig an.
»Die Jugend ist eben voller Illusionen«, begann er heftig paffend, »und eine davon ist, daß alle Bräute vor der Hochzeit im siebenten Himmel schweben müssen. In Wirklichkeit sind es aber gerade die wertvollsten Menschen, die nicht wie Trunkene in die Ehe taumeln, sondern eher zurückhaltend sind.«
»Ich bin so bedrückt«, antwortete sie, »weil ich Peter gegenüber nicht aufrichtig bin.«
In diesem Augenblick bewegte sich die Türklinke. Jane setzte sich auf, und Leith starrte den eintretenden Besucher kalt an.
»Sie, Basil? Ich habe mit Ihnen zu reden!«
»Nanu, das klingt ja ganz nach einer Strafpredigt«, erwiderte der junge Mann ungerührt. »Was habe ich denn angestellt?«
Basil wirkte etwas plump, aber auf seinem frischen, runden Gesicht lag fast ständig ein Lächeln, und er strahlte eine geradezu überwältigende Vitalität aus. Zuweilen fand Jane sein Selbstbewußtsein fast aufreizend; instinktiv fühlte sie, daß er hinter seinem unbekümmerten Auftreten eine gewisse Brutalität verbarg. Basil würde sich immer das nehmen, was er wollte – ohne Rücksicht auf andere.
Auch jetzt nahm er keine Notiz von dem Ärger in John Leiths Stimme und dem mißbilligenden Blick Janes.
»Was ist denn los? Warum dieser unfreundliche Empfang? Ich gehe auf den Künstlerball. Wollen Sie nicht mitkommen, Jane?«
»Meine Tochter wird weder auf den Künstlerball noch sonstwohin tanzen gehen. Ich habe jetzt ein Wörtchen mit Ihnen zu reden, Basil.«
Leith war aufgestanden und wies auf die Tür, die das Atelier mit seinem Arbeitszimmer verband.
»Großer Gott! Jetzt wird er mir die Leviten lesen!« stöhnte Basil und brach dann in ein schallendes Gelächter aus. »Lassen Sie es nicht zu, Jane! Sie sehen wieder hinreißend aus – und es ist wirklich eine Sünde, daß Sie diesen langweiligen Tugendbold heiraten wollen...«
»Hale!«
Wenn Mr. Leith ihn so rief, verging Basil das Witzemachen.
Kaum hatte sich die Tür des Arbeitszimmers hinter den beiden Männern geschlossen, hörte Jane die Türglocke anschlagen. Sie trat rasch ans Fenster und sah Cliftons Rolls-Royce vor dem Haus stehen. Bestürzt gestand sie sich ein, daß sie nur ein Gefühl der Langeweile empfand, wenn sie an den Mann dachte, den sie in achtundvierzig Stunden heiraten sollte. Doch sie nahm sich zusammen und begrüßte Peter so freundlich, daß er ganz überrascht war. Er war heute noch nervöser und wortkarger als sonst, und Jane war nicht selbstbewußt genug, um zu erkennen, daß sie selbst die Ursache seiner Befangenheit war. Dr. Wells hatte kaum übertrieben, als er sie eine der schönsten Frauen Londons nannte – und das Bezauberndste an ihr waren die großen, leuchtenden Augen.
»Ich habe dich heute gar nicht erwartet.«
»Eigentlich wollte ich auch gar nicht kommen.« Peters Stimme klang ein wenig heiser. »Aber ich habe viel nachgedacht...«
»Und worüber hast du nachgedacht?«
»Vor allem über dich. Ich fürchte, daß ich – wie soll ich es nur ausdrücken...? Du weißt ja...«
Jane wußte wohl, was er meinte, wollte ihm aber nicht zu Hilfe kommen.
»Nun, ich habe darüber nachgedacht, ob es überhaupt richtig ist, wenn ich dich heirate – es scheint so gar nicht dein Wille zu sein...«
»Bist du gekommen, um mit mir zu brechen, Peter?«
Was für eine Heuchlerin sie doch war! Jane war über sich selbst entsetzt, über den bewegten Ton, mit dem sie diese Worte ausgesprochen hatte.
»Wie kannst du das glauben? Ich möchte nur, daß du mir sagst... Du weißt schon...«
»Soll ich die Verlobung lösen?«
Plötzlich erkannte sie, welch gefährliche Wendung das Gespräch genommen hatte, und lenkte ein.
»Sei doch nicht töricht! Es würde mir doch niemals einfallen, etwas so – « Sie hielt inne, um das richtige Wort zu finden, denn Unvernünftiges, wie sie hatte sagen wollen, schien ihr doch nicht recht zu passen. Glücklicherweise beendete er den Satz für sie – wenn man einen Seufzer der Erleichterung als Satzende gelten lassen will.
»Bitte verzeih! Ich bin heute abend ziemlich nervös. Ich sagte dir ja schon am Telefon, daß ein Beamter von Scotland Yard bei mir war – und die Leute von Scotland Yard haben für mich etwas Faszinierendes und Unheimliches zugleich – ähnlich wie Schlangen. Das stammt wohl noch aus der Zeit, in der ich als ganz junger Mann bei der Polizei in Rhodesien diente...«
»Und in Rhodesien hast du also eine Goldmine gefunden?« Diese Frage klang leichthin, verfolgte aber einen bestimmten Zweck. Peter Cliftons Verlegenheit machte Jane stutzig.
»Nein – natürlich nicht. Ich... Ich habe mein Vermögen von – von meinem Vater geerbt.«
Jane sah ihn fest an und bemerkte erstaunt, daß seine Hand zitterte, als er sich über die Stirn fuhr.
»Welch merkwürdige Frage. Du glaubst doch wohl nicht, daß ich mein Geld gestohlen habe?« Er versuchte ganz offenbar, seine Aufregung zu erklären.
Janes Blick ließ ihn noch immer nicht los. »Aber ich habe doch nur gescherzt, ich weiß ja nicht einmal, ob es in Rhodesien überhaupt Goldminen gibt.«
Ein verlegenes Schweigen breitete sich aus, und Jane machte sich insgeheim Vorwürfe wegen ihrer Unaufrichtigkeit. Dabei gestand sie sich ein, daß Peter eigentlich ein Mann war, um den die meisten Mädchen sie beneiden würden. Sein Gesicht mit der geraden Nase, dem starken Kinn und den großen, etwas tiefliegenden Augen unter einer breiten Stirn, sowie sein athletischer Wuchs wirkten sehr anziehend. Wenn er dazu nur noch das selbstsichere Auftreten eines Basil Hale oder die weltmännische Gewandtheit eines Donald Wells besessen hätte!
John Leith kam aus seinem Arbeitszimmer zurück, und hinter ihm ein etwas gedemütigter Basil. Aber gleich fing er wieder an: »Also Jane, was soll dieses traurige Daheimhocken am letzten Tag Ihrer Freiheit? Der Künstlerball lockt, und Sie brauchen nur eine Minute, um in ein Kleid zu schlüpfen. Der alte Peter wird wohl nichts dagegen haben, wenn Sie mit mir kommen. Ich wette, er hat mit Papa etwas Geschäftliches zu besprechen.«
Sie blickte Peter fragend an. Seine Stirn hatte sich in Falten gelegt, so daß die starken Brauen fast zusammenstießen. Das ließ sie augenblicklich zu einem Entschluß kommen.
»Ich glaube, ich werde doch gehen, Papa«, sagte sie.
Mr. Leith zuckte mit den Achseln. – Als Jane wieder erschien, elegant in Grün gekleidet, war ihr Verlobter schon gegangen.
Als Peter vor der Kirche von St. George aus seinem Auto stieg, waren mehr als fünfzig Kameras auf ihn gerichtet. Ein Dutzend Stimmen baten ihn, einen Augenblick stillzustehen.
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