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Nach dem Buch 'The intoxicated Ghost and other Stories' von Arlo Bates, erschienen im Jahre 1908. Der Titel des Buches würde auf Geistergeschichten hindeuten; in der Tat ist aber nur die erste der insgesamt neun aus diesem Genre. Die anderen kommen verschiedenen Bereichen, was einen Buchtitel schwierig macht, der sich hier nur auf die erste Geschichte bezieht. Arlo Bates arbeitete lange Jahre als Redakteur und Korrespondent verschiedener Tageszeitungen. Er hatte eine Professur für englische Sprache am Massachusetts Institute of Technology inne und war Mitglied der American Academy of Arts and Sciences und der American Academy of Arts and Letters. Neben diesen Tätigkeiten verfasste er zahlreiche Romane, Gedichtbände sowie Erzählungen, aber auch literaturkritische Bücher. --- Der besoffene Geist: Eine junge Dame hat die Fähigkeit geerbt, Geister zu sehen. Ohne Scheu vor ihnen kann sie dies nutzbringend einsetzen. --- Ein Problem bei der Porträtierung: Ein Maler entdeckt, dass er mit seinen Porträts den Menschen verändern kann, was aber nicht immer so glatt läuft. --- Die Strickerinnen in der Sonne: Eine Geschichte aus den Südstaaten der USA, wo es gilt, allerlei Hindernisse zu überwinden. --- Eine Komödie in Trauerkleidern: Eine tragische Geschichte aus der Zeit des Amerikanischen Bürgerkriegs wird zur Lachnummer. --- Ein Treffen des parapsychologischen Klubs: Die Herren können übersinnliche Ereignisse nicht vernünftig erklären, bis sie selbst Teil einer Vorführung werden. --- Tim Calligans Beerdigungsgeld: Für ein anständiges Begräbnis gespart, aber es kommt erst einmal anders. --- Miss Gaylord und Jenny: Wie heiratet man eine gespaltene Persönlichkeit und vor allem wen heiratet man dann? --- Dr Polnitzski: Ein Rückblick auf persönliche Erfahrungen während der Russischen Revolution. --- Im Virginia Raum: Eine dramatische und rührende Geschichte aus den Jahren nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg.
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Seitenzahl: 246
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Kapitel
Der besoffene Geist
Ein Problem bei der Porträtierung
Die Strickerinnen in der Sonne
Eine Komödie in Trauerkleidern
Ein Treffen des parapsychologischen Klubs
Tim Calligans Beerdigungsgeld
Miss Gaylord und Jenny
Dr Polnitzski
Im Virginia Raum
I
Es war nicht ihre Schönheit, die Irene Gaspic ungewöhnlich machte, obwohl sie betörend hübsch war, auch nicht ihr Witz und ihre Klugheit oder ihr Reichtum – alles Gaben, mit denen sie gut ausgestattet war. Da gäbe es genügend andere Mädchen, die hübsch, klug, geistreich und zudem noch reich waren.
Es war etwas viel Pikanteres und Selteneres, das Irene von ihren Kameradinnen unterschied, nämlich die Tatsache, dass Irene von ihrer Großtante mütterlicherseits die Fähigkeit geerbt hatte, Gespenster zu sehen. Diese Tante war eine alte Dame, die fast neunzig Jahre lang ihren Mitmenschen die eigenartigsten Charaktereigenschaften zeigte, die man sich vorstellen kann.
Da es allgemein als Schwäche angesehen wird, auch nur ansatzweise an körperlose Geister zu glauben, muss es nur fair erscheinen, dass man im Sinne von Irene bemerkt, dass sie nur deshalb an sie glaubte, weil sie nicht anders konnte und sie auch wirklich zu Gesicht bekam. Diese Kraft, mit der sie ausgestattet war, ist ihr durch Vererbung zugefallen, ohne dass sie dies selbst wollte. Jeder vernünftig denkende Mensch muss den Unterschied erkennen können zwischen dem Sehen von Geistern, weil man so dumm ist, an sie zu glauben, und dem Glauben an ihre Existenz, weil man nicht anders kann, als sie zu sehen.
Man könnte noch hinzufügen, dass Miss Gaspic große Standhaftigkeit an den Tag gelegt hatte, als sie von einigen der unangenehmsten Gespenster ihrer Art besucht wurde, was zu ihren Gunsten sprechen sollte.
Als sie während eines Auslandsbesuchs auf Schloss Doddyfoethghw – wo, wie jeder Reisende in Wales weiß, das gespenstischste Phantom der drei Königreiche zu finden ist – von einer blutüberströmten Gestalt angesprochen wurde, die ihren verstümmelten Kopf in den Händen trug, bemerkte sie nur kalt: »Gehen Sie bitte sofort weg. Sie beunruhigen mich nicht im Geringsten, aber in einem solch unangenehmen Zustand der Zerstückelung in die Gegenwart einer Dame zu treten, ist von schockierend schlechtem Geschmack.«
Daraufhin fiel das arme Gespenst vor Erstaunen und Schrecken zu Boden und hinterließ einen Blutfleck auf den Steinplatten, den noch heute jeder sehen kann, auch derjenige, der an der Geschichte so sehr zweifelt, dass er sich nach Schloss Doddyfoethghw aufmacht, um sich selbst davon zu überzeugen.
Obwohl Irene selten von ihrem Erbe sprach, und wenn sie es erwähnte, stets erklärte, eine lebhafte Empörung darüber zu empfinden, dass ihre Tante Eunice Mariamne ihr ein solches Vermächtnis aufgezwungen hatte, war sie doch zu sehr menschlich und weiblich, als dass ihr der heimliche Stolz darüber völlig fehlen würde, sich durch ein so ungewöhnliches Geschenk auszeichnen zu können.
Sie hatte einen zu guten Geschmack, um offen darüber zu sprechen, doch besaß sie nicht die Beharrlichkeit, es ganz zu verbergen, und von ihren Freunden wussten so ziemlich alle von dem Vermächtnis und den vielen Umständen, die sich aus diesem Besitz ergaben.
Einige wenige ihrer Vertrauten hatten es in der Tat gewagt, ihre guten Dienste in Anspruch zu nehmen, um mit den Gespenstern der Familie in Verbindung zu treten; und obwohl Irene allem abgeneigt war, was so stark nach Medialität und anderen vulgären Geschäften roch, konnte sie nicht umhin, sich über die ausgezeichneten Ergebnisse zu freuen, die ihren Vermittlungen in mehreren Fällen gefolgt waren.
Als sie daher eines Tages eine Nachricht von ihrer alten Schulfreundin Fanny McHugh erhielt, die sie zu einem Besuch nach Oldtower eingeladen hatte, mit der geheimnisvollen Bemerkung 'ich sehne mich nicht nur danach, dich zu sehen, Liebste, sondern es gibt etwas sehr Wichtiges, das du für mich tun kannst und sonst niemand außer dir', erinnerte sich Irene sofort daran, dass die McHughs einen Familiengeist hatten und war überzeugt, dass sie eigentlich nur wegen ihrer besonderen Fähigkeiten dorthin eingeladen wurde.
Sie war jedoch keineswegs abgeneigt zu gehen, und das gleich aus mehreren Gründen.
Das Anwesen der McHughs war ein wunderschöner alter Ort in einem der schönsten Dörfer Neuenglands, wo die Familie seit vorrevolutionären Zeiten eine Vormachtstellung innehatte. Des Weiteren war Irene auch ziemlich vernarrt in ihre Freundin Fanny.
Dank jener Intuition, die Frauen befähigt, so viele Dinge gleichzeitig zu wissen, war sie sich auch sehr wohl bewusst, dass der Bruder ihrer Freundin, Arthur McHugh, zu der für den Besuch genannten Zeit zu Hause sein würde.
Irene und Leutnant Arthur McHugh waren einst so sehr füreinander bestimmt gewesen, sodass sie kurz vor einer formellen Verlobung standen, als er im letzten Moment einen Rückzieher machte.
An seiner Zuneigung bestand kein Zweifel. Die unangenehme, aber rechtzeitige Erinnerung daran, dass er kein Vermögen hatte, hielt ihn davon ab, Irene zu bitten, seinen kargen Besitz mit ihm zu teilen.
Das Familienvermögen, einst fürstlich für das Land und die Zeit, war geschrumpft, bis nur noch das angestammte Herrenhaus und die schönen, aber wenig einträglichen Rasenflächen, die es umgaben, übrig geblieben waren.
Natürlich war dieses Verhalten von Leutnant McHugh aber genau das, was ihn am sichersten im Herzen von Irene festhielt.
Der Liebhaber, der weiter liebt, aber selbstlos verzichtet, wird wohl kaum vergessen werden; und es ist anzunehmen, dass Miss Gaspic die Einladung nach Oldtower eher mit dem Gedanken an den jungen und gut aussehenden Leutnant in Fleisch und Blut, als an den geisterhaft abgeschwächten Major der Kontinental-Armee annahm, der als Gespenst in der Spukkammer lauerte.
II
Der Oldtower [alter Turm] steht in einem wilden und schönen Dorf, das auf der einen Seite vom modernen Verkehr gemieden wird, der sich von der ehemaligen Mautstraße zu Zeiten der Väter abgewandt hat, um dem direkteren Weg entlang der Eisenbahn zu folgen.
Das Anwesen erstreckt sich über eine geraume Strecke längs am Ufer des Flusses, der sich in seinen Windungen so herum schlängelt, dass er das Dorf fast zu einer Insel macht, und auf einer Anhöhe über dem Fluss erhebt sich der bröckelnde Steinhaufen, der einst ein Wachturm war und von dem der Ort seinen Namen hat.
Das darauf befindliche Haus ist eines der schönsten alten Herrenhäuser aus der Kolonialzeit und liegt wunderschön auf einer Terrasse, die ein halbes Dutzend Fuß über dem Niveau des weitläufigen Rasens liegt, der es umgibt.
Hinter dem Haus erstreckt sich ein gepflegter Garten mit kniehohen Buchsbaumhecken bis hinunter zum Fluss, während vorne eine hohe Hecke das Gelände von der Dorfstraße abschirmt.
Miss Fanny, der seit dem Tod ihrer verwitweten Mutter die Pflege des Anwesens größtenteils übertragen worden war, hatte praktische Vernunft bewiesen, indem sie sich darauf beschränkte, die Dinge auf die einfachste Weise in Ordnung zu halten.
Das Ergebnis war dennoch so, dass diejenigen Mängel in der Bewirtschaftung, die wegen des geringen vorhandenen Einkommens unvermeidlich waren, sich dem Auge eher als Beweise der Sanftheit denn des Verfalls präsentierten, was den allgemeinen Eindruck höchst charmant erscheinen ließ.
Irene hatte das Haus der McHughs immer gemocht, und als sie ankam, war alles in der Vollkommenheit seiner Schönheit im Monat Juni.
Ihre Begegnung mit Fanny war geradezu überschwänglich, während Arthur ihre weiblichen Sinne befriedigte, indem er sie mit äußerlicher Ruhe begrüßte und dabei die alte Leidenschaft in seinen Augen aufblitzen ließ.
Es gab natürlich unzählige Fragen, die gestellt werden mussten, wie es bei solchen Gelegenheiten üblich ist, und einige von ihnen waren sogar von ausreichender Wichtigkeit, um angemessene Antworten zu rechtfertigen.
So verging der Nachmittag schnell, und Irene hatte keine Gelegenheit bekommen, auf die wichtige Angelegenheit hinzuweisen, auf die der Brief ihrer Freundin angespielt hatte.
Ihr Verdacht, dass sie in ihrer Eigenschaft als Geisterseherin gerufen worden war, wurde aber durch die Tatsache bestätigt, dass man sie in das Spukzimmer gebracht hatte, eine schöne quadratische Kammer im südöstlichen Flügel, die bis zur Decke getäfelt war und zu den schönsten Wohnbereichen des Hauses gehörte.
Dieser Raum war einst speziell für einen Major Arthur McHugh dekoriert und eingerichtet worden, einen Urgroßonkel der heutigen McHughs, der in der Amerikanischen Revolution unter Lafayette ehrenvoll gedient hatte.
Der Major hinterließ den Ruf großer persönlicher Tapferkeit und ein Bild, das ihn als äußerst gut aussehend beschreibt, verbunden mit dem Ruhm, ein großer Frauenheld gewesen zu sein und dazu noch eine Art Wüstling.
Eines hatte er jedoch nicht zurückgelassen und mit aus dieser Welt genommen: Das Geheimnis, was er mit den berühmten McHugh-Diamanten gemacht hatte.
Major McHugh war der älteste Sohn seines Vaters, und in der Familie wurde das Erstgeburtsrecht zu jener Zeit ziemlich streng befolgt, sodass ihm das Anwesen allein vererbt wurde.
Eine Enttäuschung in der Liebe führte dazu, dass er sich weigerte, zu heiraten, obwohl er von seiner Familie dazu gedrängt und von unparteiischen Müttern, die heiratsfähige Töchter hatten, stark bedrängt wurde.
Später vermachte er das Anwesen dem ältesten Sohn seines jüngeren Bruders, der nach ihm benannt worden war, und dieser Arthur McHugh war der Großvater des heutigen Leutnants.
Mit dem Anwesen gingen auch die berühmten McHugh-Diamanten weiter, damals die feinsten in Amerika. Der 'McHugh-Stern', ein riesiger Stein im Rosenschliff, war einst das Auge eines Götzen im Tempel von Majarah gewesen, wo er vom frevelhaften Radscha von Zinyt gestohlen wurde. Aus dessen Besitz gelangte er bei der Belagerung von Zinyt im Jahre 1707 in die Hände eines Colonel McHugh.
Jahrhunderte lang wurde versucht, diesen schönen Stein den Kronjuwelen Frankreichs hinzuzufügen, aber der damalige Familienvorstand der McHughs, der Vater von Major McHugh, erklärte, dass er sich eher von Frau und Kindern trennen würde als von dem 'McHugh-Stern' – eine unchristliche Gesinnung, die mehr für seine Wertschätzung von Juwelen als für seine Familienliebe spricht.
Als Major McHugh 1787 aus dem Leben schied, wurden die McHugh-Diamanten natürlich von seinem Erben gesucht, waren aber nirgends aufzufinden.
Das Letzte, was man von den Edelsteinen wusste, war, dass die Schwägerin des Besitzers sie 1785 auf einem Ball trug und ihr für diesen Anlass geliehen wurden.
Hier hatten die Diamanten die größte Aufmerksamkeit und Bewunderung auf sich gezogen, aber nach ihrer Rückkehr zu Major McHugh schienen sie für immer verschwunden zu sein.
Natürlich wurde nach ihnen weitergesucht, und eine Generation nach der anderen, welche die Überlieferungen kannte und an ihre eigene Schlauheit glaubte, hatte die Bemühungen immer wieder aufgenommen, aber bis jetzt war das Geheimnis ungelöst geblieben.
III
Als sich die Mädchen in jener Stunde vor dem Schlafengehen die traditionell weiblichen Vertraulichkeiten vorbehalten ist, gemeinsam die Haare bürsteten, fragte Irene ziemlich unvermittelt:
»Nun, Fanny, was ist es, was du von mir willst?«
»Was ich will?«, entgegnete ihre Freundin, die nicht anders konnte, als sich – typisch weiblich – ausweichend zu verhalten. »Ich wollte dich natürlich sehen.«
»Ja«, erwiderte der Gast lächelnd, »und das ist der Grund, warum du mir dieses Zimmer gegeben hast, das ich vorher nie hatte.«
Die Gastgeberin errötete. »Es ist das schönste Zimmer im Haus«, sagte sie abwehrend.
»Und man teilt es«, fügte Irene hinzu, »mit dem Geist des galanten Majors.«
»Aber du weißt doch«, protestierte Fanny, »dass dich die Geister nicht im Geringsten stören.«
»Nicht so sehr, besonders wo ich mich jetzt an sie gewöhnt habe. Es sind arme Geschöpfe, und es scheint mir, dass sie umso schwächer werden, je mehr Menschen sich weigern, an sie zu glauben.«
»Ach, du glaubst doch nicht etwa«, rief Fanny in höchster Besorgnis, »dass der Geist des Majors verschwunden ist, oder? Seit Jahren hat hier niemand mehr geschlafen, also hat ihn auch niemand mehr gesehen.«
»Und du willst mich dazu bringen, zu versichern, dass es diesen respektablen Geist der Familie noch gibt und du dann hoffen kannst, er wird seinen Spuk in Oldtower fortsetzen«, antwortete Irene.
»Oh, so ist es ganz und gar nicht«, sagte Fanny und senkte ihre Stimme.
»Ich nehme an, Arthur wäre wütend, wenn er es wüsste oder dass ich es überhaupt erwähne, aber ich bin sicher, dass es mehr um seinetwillen ist als um meinetwillen. Glaubst du das nicht?«
»Du machst mich wirklich sehr nachdenklich«, erwiderte Irene. »Ich bin sicher, dass selbst unter den Geistern, die ich gesehen habe, keiner dabei war, der so unverständlich gesprochen hat wie du. Was in aller Welt meinst du damit?«
»Nun, erst neulich sagte Arthur im Scherz, 'wenn jemand den Major dazu bringen könnte – wenn jemand ihn dazu bringen könnte zu sagen, wo die McHugh …'«
Dabei blickte sie um sich, um auf das spezielle Wort hinzuweisen, das sie in dieser Kammer offensichtlich nicht auszusprechen wagte, und Irene nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte.
»Oh, das ist es also?«, unterbrach Irene. »Nun, meine Liebe, ich bin bereit, mit dem Major zu sprechen, wenn er mir die Gelegenheit dazu gibt; aber es ist unwahrscheinlich, dass ich viel tun kann. Er wird sich wohl nicht für das interessieren, was ich sage.«
»Appelliere an seinen Familienstolz«, sagte Fanny mit einer Ernsthaftigkeit, die verriet, wie wichtig ihr diese Sache war.
»Erkläre ihm, wie wir, ohne die Hilfe, die uns diese Diamanten geben würden, in den Ruin getrieben werden. Er sollte noch etwas Familienstolz haben.«
Miss Gaspic wollte ihre Freundin natürlich nicht in ein Gespräch über die finanzielle Notlage der Familie verwickeln, und so gelang es ihr, das Gespräch abzulenken, indem sie nur ihr Versprechen wiederholte, dass sie, sollte das Gespenst des Majors in Erscheinung treten, alles in ihrer Macht Stehende tun würde, um ihm das Geheimnis zu entlocken, das er ein Jahrhundert lang bewahrt hatte.
Es dauerte nicht lange, bis Fanny sich zurückzog, und Irene nahm ein Buch und setzte sich hin, um zu lesen und auf ihren Besucher zu warten.
Es war gerade um Mitternacht, als der Geist des Majors auftauchte. Er kam aus einer sehr traditionsreichen Periode, und deshalb beachtete er sorgfältig alle Gepflogenheiten der alten Zeit.
Irene, die auf ihn gewartet hatte, hob ihren Blick von dem Buch und betrachtete ihn genau. Das Gespenst hatte die Gestalt eines gut aussehenden Mannes von etwas mehr als mittlerem Alter und von majestätischer Präsenz.
Er war in eine kontinentale Uniform gekleidet und trug ein Glas in der Hand, das offenbar mit Rotwein gefüllt war. Als Irene ihren Blick hob, verbeugte sich das Gespenst ernst und höflich und leerte dann das Trinkgefäß bis zum Boden.
»Guten Abend«, sagte Miss Gaspic höflich. »Möchten Sie sich nicht setzen?«
Die Erscheinung war durch diese kühle Anrede offensichtlich erschrocken, verbeugte sich erneut, statt zu antworten, und leerte wieder das Glas, das auf mysteriöse Weise nachgefüllt worden war.
»Danke«, sagte Irene als Antwort auf seinen wiederholten Gruß, »bitte setzen Sie sich. Ich habe Sie erwartet, und ich habe Ihnen etwas zu sagen.«
Der Geist des verstorbenen Majors starrte jetzt noch ungläubiger als zuvor.
»Wie bitte?«, antwortete er in einem dünnen, fragenden Ton.
»Bitte setzen Sie sich«, forderte Irene ihn zum dritten Mal auf.
Das Gespenst wankte in einen altmodischen Stuhl mit hoher Lehne hinein, der durch seine Gestalt hindurch deutlich sichtbar blieb. Ein oder zwei Augenblicke lang beäugten sich die beiden schweigend. Irgendwie schien die Situation selbst für das Gespenst recht angespannt zu sein.
»Ich denke«, sagte Irene und brach das Schweigen, »dass es Ihnen schwerfallen würde, die Bitte einer Dame abzulehnen.«
»Oh, das wäre völlig unmöglich«, kam die zitternde Stimme des Gespenstes mit altmodischer Galanterie, »besonders bei einem reizenden Geschöpf wie eines, das wir hier sehen können.«
»Alles«, fügte er in einem leicht veränderten Tonfall hinzu, als hätten ihn seine Erfahrungen im Land der Geister, die Notwendigkeit der Vorsicht gelehrt – »alles, was vernünftig ist, natürlich.«
Irene lächelte ihr überzeugendstes Lächeln. »Sehe ich aus wie jemand, der unvernünftige Dinge verlangen würde?«, fragte sie.
»Ich bin sicher, dass nichts, was Sie verlangen, unvernünftig sein könnte«, erwiderte das Gespenst mit so viel Galanterie, dass Irene einen Moment lang das verwirrende Gefühl hatte, ihre Identität verloren zu haben, denn bei einem Gespenst zu sein, das ihr solche Komplimente macht, gab ihr natürlich sehr das Gefühl, selbst eines zu sein.
»Und die McHugh-Diamanten können Ihnen jetzt sicher nichts mehr nützen«, fuhr Miss Gaspic fort, indem sie ihr Thema mit wahrhaft weiblicher Indirektheit einführte.
»Die McHugh-Diamanten?«, stammelte der Geist, als ob der Schock der Überraschung, unter dem er merklich dünner wurde, fast mehr war, als seine körperlose Gestalt ertragen konnte.
»Ja«, antwortete Irene. »Natürlich habe ich keinen Anspruch darauf, aber die Familie ist in großer Not, und – «
»Sie wollen meine Diamanten verkaufen!«, rief das Gespenst und sprang zornig auf. »Diese degenerierten, unwürdigen ... «
Ihm schienen die Worte zu fehlen, und er schluckte aufgeregt noch zwei oder drei Gläser Wein in schneller Folge hinunter.
»Warum, Sir«, fragte Irene belanglos, »scheinen Sie immer damit beschäftigt zu sein, Wein zu trinken?«
»Weil«, antwortete er traurig, »ich tot umgefallen bin, während ich auf die Gesundheit von Lady Betty Rafferty getrunken habe, und seither muss ich es tun, wann immer ich in der Gegenwart von Sterblichen bin.«
»Aber können Sie nicht damit aufhören?«
»Nur, wenn ihre Ladyschaft es wünscht«, antwortete er mit seiner ganzen altmodischen Höflichkeit.
»Und was die Diamanten betrifft«, sagte Irene und kam mit einer Abruptheit auf das Thema zurück, die dem Geist sehr unangenehm zu sein schien, »welchen Nutzen können sie Ihnen in Ihrem jetzigen Zustand bringen?«
»Welchen Nutzen?«, wiederholte der Schatten des Majors mit viel Schärfe. »Sie sind meine Berufung. Ich bin ihr Schutzgeist.«
»Aber«, drängte sie, wobei sie ihre logischen Fähigkeiten zum Einsatz brachte, auf die sie immer stolz gewesen war, »Sie trinken doch nur den Geist des Weins, nicht wahr?«
»Gewiss, Madame«, antwortete der Geist sichtlich verwirrt.
»Warum können Sie sich nicht damit begnügen, den Geist der McHugh-Diamanten zu bewachen, während Sie dem echten, lebendigen Arthur McHugh die echten Steine überlassen?«
»Nun, das«, erwiderte die Erscheinung mit wahrer männlicher Verdrehtheit, »ist anders – ganz anders.«
»Inwiefern ist es anders?«
»Im Moment bin ich der Hüter eines echten Schatzes. Ich bin die bedeutendste Persönlichkeit in meinen Kreisen.«
»Ihren Kreisen?«, unterbrach Irene.
»Sie würden es nicht verstehen«, sagte die Gestalt, »also werde ich mit Ihrer Erlaubnis die Schilderung meiner Umgebung weglassen. Aber wenn ich die Diamanten aufgäbe, wäre ich nur ein gewöhnlicher Trinkergeist – jemand über den getratscht und gelächelt wird.«
»Sie würden posthum als Wohltäter Ihrer Familie verehrt werden«, drängte sie.
»Ich bin mehr mit den Dingen zufrieden, wie sie sind. Ich habe kein großes Vertrauen in die Belohnungen von Wohltätern; und die, welche begünstigt würden, wären auch nicht Teil meiner Kreise.«
»Sie sind sowohl egoistisch als auch zynisch«, erklärte Irene.
Sie überlegte, was sie ihm Besseres sagen konnte, und stellte unterdessen mit Genugtuung fest, dass die Kerze blau brannte, eine Tatsache, die für ihr geschultes Auge darauf hindeutete, dass es sich bei dem Gespenst um einen Geist handelte, der in den Reihen seinesgleichen eine herausragende Stellung innehatte.
»Die Missbilligung einer so reizenden Frau zu erleiden«, erwiderten die Überreste des alten Herrn, »ist ein so schweres Unglück, dass ich nicht umhinkann, daran zu erinnern, dass Sie mit den Bedingungen, unter denen ich lebe, nicht ganz vertraut sind.«
In diesem unbefriedigenden Ton ging das Gespräch noch einige Zeit weiter. Als sich der Geist schließlich verabschiedete und Irene sich zur Ruhe begab, konnte sie sich nicht damit schmeicheln, dass sie besondere Fortschritte gemacht hätte, um den Geist dazu zu bringen, sein so lange und sorgfältig gehütetes Geheimnis preiszugeben.
Die Gewogenheit des Majors schien mit unsterblicher Beständigkeit auf die Edelsteine gerichtet zu sein, und die mächtigste aller männlichen Leidenschaften, die Eitelkeit, diente zu ihrer Verteidigung.
»Ich fürchte, es nützt nichts«, seufzte Irene vor sich hin, »und doch war er nur ein Mann, als er noch lebte, und viel mehr kann er jetzt auch nicht sein, wo er ein Geist ist.«
Recht getröstet durch die Überlegung, dass alles Männliche durch weibliche List überwunden werden kann, schlief sie ein.
IV
Am folgenden Nachmittag fand Irene sich mit dem Leutnant auf dem Fluss rudernd wieder. Zunächst hatte sie seine Einladung mitzukommen, abgelehnt. Dann freute sie sich so sehr über ihre Willensstärke, die sie befähigt hatte, der Versuchung zu widerstehen, dass sie der Ablehnung eine Annahme folgen ließ.
Der Tag war angenehm sanft und mild. Ein schwacher Dunst schirmte die Hitze der Sonne ab, während eine südliche Brise von irgendwo einen würzigen und erfrischenden Geruch mitbrachte und ihn großzügig über das Wasser verbreitete.
Der Fluss bewegte sich ruhig, und jeder, der zu sentimentalen Gefühlen fähig war, konnte sich den Einflüssen des Nachmittags nur schwer entziehen.
Der Leutnant war so leidenschaftlich verliebt, wie es für einen Mann möglich ist, der gleichzeitig Soldat und gut aussehend ist, und in der Tat mehr, als man von einem Mann erwartet hätte, der solche zufriedenstellenden Ursachen in sich vereint.
Die Tatsache aber, dass Irene viel Geld hatte, während er keines hatte, gab ihm eine Hoffnungslosigkeit, welche die Inbrunst seiner Leidenschaft nur noch verstärkte.
Er sah seine Begleiterin mit seinen großen dunklen Augen an, während sie im Heck saß, wobei seine schweren Augenbrauen und sein gut entwickelter Schnurrbart verhinderten, dass er so albern aussah, wie es sonst vielleicht der Fall gewesen wäre.
Miss Gaspic war keineswegs unempfindlich gegen den Zauber des Augenblicks und der Gesellschaft, in der sie sich befand, aber sie war vor allem entschlossen, diskret zu sein.
»Arthur«, sagte sie, um das Gespräch in stabilen Bahnen zu halten, aber auch, um herauszufinden, was sie wissen wollte, »wurde jemals nach den McHugh-Diamanten gesucht?«
»Gesucht!«, wiederholte er. »Alles, außer das Haus abzureißen, wurde versucht. Jeder in der Familie hatte sich daran beteiligt, seit sie verloren gegangen sind.«
»Ich sehe nicht –«, begann Irene, als er sie brüsk unterbrach.
»Nein«, sagte er, »niemand sieht es. Die Lösung des Rätsels ist wahrscheinlich so einfach, dass niemand darauf kommen wird. Man wird eines Tages durch Zufall auf sie stoßen. Aber lass uns um Himmels willen von etwas anderem reden. Ich verliere immer die Beherrschung, wenn die McHugh-Diamanten erwähnt werden.«
Er erleichterte sich von seiner Ungeduld durch einen heftigen Spurt an den Rudern, der das Boot durch das Wasser wirbeln ließ. Dann schüttelte er sich, als wolle er unangenehme Gedanken abschütteln und ließ sich noch einmal von der Strömung mitreißen.
Irene sah ihn mit wehmütigen Augen an. Sie hätte ihm so gern ihr ganzes Geld gegeben, wenn er es hätte haben wollen.
»Du hast mich wissen lassen«, meinte sie schließlich mit einem leichten Anflug von Selbstbewusstsein, »dass du mir etwas sagen willst.«
Der junge Leutnant errötete und blickte zwischen den Stämmen der alten Bäume am Flussufer hindurch in die Ferne. »Das habe ich«, antwortete er. »Es ist aber ein wenig frech von mir, denn ich habe eigentlich kein Recht, es dir zu sagen.«
»Du darfst alles sagen, was du sagen willst«, antwortete Irene, während eine vage Befürchtung vor dem, was kommen könnte, in ihrem Tonfall zu spüren war. »Dafür kennen wir uns doch sicher schon lange genug.«
»Nun«, platzte er in einer schroffen Art heraus, welche die Anstrengung zeigte, die es ihn gekostet hatte: »Du solltest heiraten, Irene.«
Irene hatte das Gefühl, in Tränen auszubrechen, aber mit wahrhaft weiblicher Stärke gelang es ihr, stattdessen zu lächeln.
»Bin ich denn schon so jämmerlich alt und blass geworden, Arthur?«, fragte sie.
Sein Blick der vorwurfsvollen Verneinung war beredt genug, um kein weiteres Wort zu benötigen. »Natürlich nicht«, sagte er, »aber du solltest nicht auf die Zeit zugehen, wenn – «
»Wenn ich es sein werde«, beendete sie seinen Satz, während er zögerte. »Dann, Arthur, warum fragst du mich nicht, ob ich dich heiraten will?«
Das Blut rauschte in sein Gesicht, ebbte wieder ab und ließ ihn so blass zurück, wie es ein so sonnengebräunter Mensch nur sein konnte.
Er biss die Zähne zusammen bei dem Gedanken an das Wort 'mich', das in seiner Äußerung zu ihrer Heirat erstickt worden war, und Irene sah mit heimlicher Bewunderung den mächtigen Griff seiner Hände nach den Rudern.
Sie konnte stolz auf seine Selbstbeherrschung sein, solange sie von der Intensität seiner Gefühle überzeugt war, und sie war von dem bewundernden, anziehenden Blick in seinen braunen Augen fast so sehr erregt, wie sie es von einer Liebkosung gewesen wäre.
»Weil«, sagte er dann, »die McHughs noch nie als Glücksritter hingestellt wurden, und ich möchte nicht derjenige sein, der diesen Vorwurf über die Familie bringt.«
»Was für eine abscheulich egoistische Betrachtungsweise!«, rief sie.
»Sehr wahrscheinlich kommt es einer Frau so vor.«
Irene errötete ihrerseits, und zwei Minuten lang war kein Geräusch zu hören, außer dem des Wassers, das leise gegen das Boot plätscherte. Dann sprach Miss Gaspic wieder.
»Es ist möglich«, sagte sie in einem so kalten Ton, dass der arme Leutnant nicht zu antworten wagte, »dass die Tatsache, dass du ein Mann bist, dich daran hindert, zu verstehen, wie sich eine Frau fühlt, die sich einem Mann an den Hals geworfen hat, wie ich es getan habe und dabei zurückgewiesen wurde.«
»Bring mich zurück ans Ufer.«
Und er fand keine Worte, um zu antworten.
V
Einem Mann einen Heiratsantrag gemacht zu haben und abgelehnt worden zu sein, ist für keine Frau eine beruhigende Erfahrung. Obwohl der Grund, auf den Arthur seine Ablehnung gestützt hatte, einer war, von dem Irene schon vorher gewusst hatte, dass er das Hindernis zwischen ihnen ist, blieb die Ablehnung eine hartnäckige Tatsache, die sich in ihrem Kopf festsetzte.
Den ganzen Abend pflegte sie ihre verletzten Gefühle, und als sie um Mitternacht wieder dem Geist des Majors gegenüberstand, war ihr Temperament in einem Zustand, den niemand auch nur im Entferntesten lediglich als unsicher bezeichnen würde, es sei denn, man hätte den Wunsch, den Ruf einer Lady zu schützen.
Der Geist erschien wie üblich, salutierte und nahm einen Schluck nach dem anderen aus seinem schattenhaften Weinglas, und er hatte mindestens ein Dutzend Gläser geleert, bevor Miss Gaspic sich herabließ, zu zeigen, dass sie sich seiner Anwesenheit bewusst war.
»Warum stehen Sie da rum und trinken auf diese idiotische Weise?«, fragte sie mit mehr Schroffheit als Höflichkeit. »Einmal reicht für so etwas völlig aus.«
»Aber ich kann nicht sprechen, bevor ich nicht angesprochen worden bin«, antwortete der Geist entschuldigend, »und ich muss weiter trinken, bis ich aufgefordert werde, etwas anderes zu tun.«
»Dann trinken Sie ruhig«, erwiderte Irene kalt und wandte sich ab, um ein Buch in die Hand zu nehmen. »Ich hoffe nur, dass Ihnen so viel Wein nicht zu Kopf steigt.«
»Das tut er aber ganz gewiss«, sagte das Gespenst in einem kläglichen Ton, »und in meinem ganzen Dasein, selbst als ich nur ein Mensch war, bin ich in Gegenwart einer Dame noch nie vom Wein überwältigt worden.«
Während das Gespenst sprach, schluckte es weiter den Geist des Rotweins hinunter und wurde dabei von Irene neugierig beobachtet.
»Ein betrunkener Geist«, bemerkte sie leidenschaftslos, »ist etwas, das zu sehen den Sterblichen so selten vergönnt ist, dass es die größte Torheit wäre, diese Gelegenheit zu versäumen, ohne einen Blick auf dieses Phänomen zu werfen.«
»Bitte sagen Sie mir, dass ich weggehen oder mich hinsetzen oder sonst irgendetwas tun soll«, flehte der ehemalige Major.
»Dann sagen Sie mir, wo die McHugh-Diamanten sind«, sagte sie.
Ein Blick verzweifelter Sturheit trat in das Gesicht des Gespenstes, durch das hindurch man in unangenehmer Weise die Messinggriffe eines hochstehenden Sekretärs auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes erkennen konnte.
Einige Augenblicke lang standen sich die beiden schweigend gegenüber, wobei die Erscheinung ihr Trinken fortsetzte.
Irene beobachtete das Gespenst mit unerbittlicher Miene und machte schließlich die merkwürdige Entdeckung, dass es auf seinen Zehenspitzen stand.
In einem weiteren Augenblick sah sie, dass es sich tatsächlich erhoben hatte und seine Füße von Zeit zu Zeit den Teppich ganz verließen.
Ihr erster Gedanke war die Befürchtung, dass es im Begriff war, hinweg zu schweben und zu entkommen, aber bei näherer Betrachtung kam sie zu dem Schluss, dass es sich bemühte, der Tendenz, sich in die Luft zu erheben, zu widerstehen.
Als sie genauer hinsah, bemerkte sie, dass es mit der rechten Hand seinen unerschöpflichen Weinbecher hochhielt, während es sich mit der linken Hand an die Lehne eines Stuhls klammerte, in dem offensichtlichen Bestreben, sich unten zu halten.
»Sie scheinen auf ihren Zehenspitzen zu stehen«, bemerkte sie. »Suchen Sie etwas?«
»Nein«, antwortete das Gespenst sichtlich verwirrt, »das ist nur die 'Levitation', die durch das ständige Trinken entsteht.«
Irene lachte verächtlich. »Meinen Sie«, fragte sie gefühllos, »dass es ein Zeichen eines Rausches bei einem Geist ist, die Neigung zu entwickeln, sich in die Luft zu erheben?«
»In unseren Kreisen gilt es als höflicher, den von den Okkultisten verwendeten Begriff zu verwenden«, antwortete die Erscheinung etwas schmollend. »Wir sprechen davon als 'Levitation'.«
»Aber ich gehöre nicht zu Ihren Kreisen«, erwiderte Irene fröhlich, »und ich sympathisiere nicht mit den Okkultisten. Kommt es Ihnen nicht in den Sinn«, fuhr sie fort, »dass es sich lohnen würde, die Tatsache in Betracht zu ziehen, dass Sie in diesen fortschrittlichen Zeiten nicht mehr denselben Platz in der allgemeinen oder sogar in der wissenschaftlichen Wertschätzung einnehmen, den Sie früher hatten?«
»Sie sind heutzutage nur eine Halluzination, wissen Sie, und es gibt keinen Grund, dass man Sie mit etwas anderem als Verachtung betrachten sollte und Sie lediglich die Folge einer Verdauungsstörung oder einer geistigen Erschöpfung sind.«
»Aber Sie sehen doch, dass ich keine Halluzination bin, nicht wahr?«, sagte der arme Geist des Majors mit zittriger Stimme, der offensichtlich furchtbar entmutigt war.
»Oh, das ist lediglich eine Sinnestäuschung«, antwortete Irene in einer sachlichen Art, die sie selbst schon beim Sprechen als niederträchtig empfand. »Jeder Arzt würde mir das sagen und mir ein Rezept ausstellen, das mich davor bewahrt, dass ich Sie wieder sehen kann.«
»Aber er kann das überhaupt nicht«, sagte der Geist mit pathetischer Schwäche.
»Sie kennen die Ärzte von heute nicht«, erwiderte sie lächelnd. »Aber, um das jetzt nicht weiter fortzuführen – was ich sagen wollte, war Folgendes:«
»Erscheint es Ihnen nicht so, dass dies eine gute Gelegenheit ist, Ihre Realität zu beweisen, indem Sie mir das Versteck der Diamanten zeigen?«