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Wer kann sich einen Reim machen auf die aktuelle Nachrichtenlage? Ok, da müssen Dichter ran, denn rationale Argumente sind global gesehen aktuell nicht so erfolgreich. Das, was um uns herum geschieht, überflutet zwar die Kabarett- und Poetry-Slam-Bühnen mit Stoff, aber wer behält denn all die klugen Vor- und geschliffenen Nachsätze im Kopf? Und wer nimmt sie sich aus dem Kopf heraus auch noch zu Herzen? Deshalb halten Sie hier einige dieser Bühnentexte in Ihren Händen beziehungsweise, da es die eBook-Ausgabe ist, in ihrem externen Speicher. Das erleichtert durch Nachlesen die Nachlese. Freuen Sie sich an Sprachakrobatik und gehen Sie mal wieder ins Kopfkino. Texte von der Poetry Slam Bühne, die auch in Buchform zum selber (Nach-)Lesen funktionieren.
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Seitenzahl: 73
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Poetry Slam 2050
Alkohol
Da ist Afrika I
Da ist Afrika II
Ich fühl’ mich wohl
Wahrheit, oder: Gutenberg
Deeskalation
Motzen hilft…?
Zu Weihnachten
Bluetooth
Musik
Ja, das ist manchmal unbequem
Der erste Rest vom Tag meines Lebens
Beherrschung
Nachrichten von Kriegen
Worte zum Gedenken
Schiffsfonds
Ich verstehe (nicht)
Auf Reisen
Verben, die die Sprache bunter färben
Lasst uns über „brechen“ sprechen
Bonustrack: Text über Text
Wer hat’s gemacht?
Anmerkungen
Thorsten Zeller
Der erste Rest vom Tag meines Lebens
Überraschende Lyrik Kritische Texte
© 2019 Reimheim-Verlag Thorsten Zeller, Heinrich-Lübke-Straße 9, 61169 Friedberg
http://www.reimheim-verlag.de
eBook 08/2019 ISBN: 9 783 94553281 2 Alle Rechte vorbehalten Texte, Umschlag, Satz, Illustration: Thorsten Zeller, Friedberg
Wer kann sich einen Reim machen auf die aktuelle Nachrichtenlage? Ok, da müssen Dichter ran, denn rationale Argumente sind global gesehen aktuell nicht so erfolgreich. Das, was um uns herum geschieht, überflutet zwar die Kabarett- und Poetry-Slam-Bühnen mit Stoff, aber wer behält denn all die klugen Vor- und geschliffenen Nachsätze im Kopf? Und wer nimmt sie sich aus dem Kopf heraus auch noch zu Herzen? Deshalb halten Sie hier einige dieser Bühnentexte in Ihren Händen beziehungsweise, da es die eBook-Ausgabe ist, in ihrem externen Speicher. Das erleichtert durch Nachlesen die Nachlese. Freuen Sie sich an Sprachakrobatik und gehen Sie mal wieder ins Kopfkino.
Also Dichtung. Lyrik. Die ist doch schwer verdaulich, fragen Sie sich und mich. Kann sein. Muss aber nicht. Diese Lyrik, die sie in Händen (oder im Speicher, Sie wissen schon...) halten, zeigt, was Sprache alles bewegen und erreichen kann. Das kommt schonmal völlig unerwartet um die Ecke - dabei aber grammatisch sauber. Seien wir ein Bisschen mehr wie Sprache – lebendig, beweglich, überraschend, liebkosend, und auch mal messerscharf.
Wenn dann beim Lesen oder Zuhören Bilder durch Köpfe ziehen, haben alle etwas davon: Sie haben Kopfkino (nehmen Sie dabei gerne, aber in Maßen, Popcorn und Kaltgetränke zu sich) und ich das wundervolle Gefühl, mit dem, was in meinem Kopf zum Stand der Welt vorgeht, nicht allein zu sein. Das ist beides sehr schön.
Machen Sie es sich bequem beim Lesen, sprechen Sie mit Freunden, Bekannten und Kollegen über das Buch oder einzelne Texte und lassen Sie mich wissen, wie es Ihnen gefällt. Ich wünsche Ihnen und euch viele schöne, amüsierte, interessierte und berührte Augenblicke: Zuhause oder im Zug, beim Vorlesen, Nachlesen sowie im Zuge der gemeinsamen Nachlese. Lassen Sie uns gerne drüber reden. Kommen Sie dazu vor oder nach einem Auftritt gerne auf mich zu oder schreiben Sie mir einfach. Kontaktdaten und Termine finden Sie u.a. auf der Homepage www.das-reimheim.de
Thorsten Zeller, Friedberg, Juli 2019
Ich danke meinem Verleger Walter Sülberg. Als Kleinkunst-Kollegen professionell beiläufig Sätze wie „Das ist mein Verleger“ fallen ließen, fand ich das meist eher unbescheiden. 2015 gehörte ich plötzlich auch zu dieser Gruppe. „Mein Verleger“ Walter Sülberg sagte zu mir: „Ich mag, was Sie machen.“ So muss sich ein Ritterschlag anfühlen. Im Februar 2016 erschien im Karbener Morlant Verlag „Der erste Rest vom Tag meines Lebens“. Im August 2016 ist Walter Sülberg verstorben. Ich danke ihm für konstruktive Gespräche und Kritik, für Leidenschaft und unbändige Freude daran, Bücher zu machen. Ich danke ihm dafür, dass er mochte, was ich mache.
Heute, 2019, führen Frank-Uwe Pfuhl und ich das Erbe des damaligen Morlant Verlages weiter.
Bühnentexte entwickeln sich weiter, werden besser, prägnanter, klarer, je öfter Sie auf die Bühne kommen. Die Texte dieses Buches sind in der vorliegenden Neuausgabe um diese Entwicklungen bereichert. Im Wesentlichen sind es aber noch die 22 Texte, die Walter Sülberg 2015 gefallen haben. Und Ihnen und euch gefallen sie hoffentlich auch. Habt viel Freude mit ihnen.
Für
alle, die mitdenken, nachfühlen und die Sicht aufs Leben gerne mal zur Rede stellen
S
tellt euch vor: Die Wetterau. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2050. Unter das alte Hallenbad wurde ein Amphitheater kolossalen Ausmaßes in die Friedberger Erde getrieben. Über 1.000 Gäste warten auf harten Bänken darauf, dass der legendäre Poetry Slam beginnt - dort, am letzten Ort, an dem das Wort noch ungeniert gesprochen wird.
Der Moderator, wie eh und je der kühne Hüne,
entert behände die gigantische Bühne
und nennt eloquent, was ihr kennt: den, ich schätze,
berühmtesten all dieser Sätze eröffnender Art:
„Ein Poetry Slam ist ein Dichterwettstreit, bei dem Poetinnen und Poeten… um die Gunst des Publikums buhlen mit Texten, die selbst geschrieben sind und nicht aus der Cloud geklaut. Und ihr, geliebtes Publikum, stimmt darüber, sobald der tosende Applaus abebbt, per App ab.“
Dann tritt ein hoffentlich in Ehren ergrauter Herr aufrechter Haltung, körperlich wie inhaltlich, als Erster auf die Bühne und sagt Folgendes:
„Ich freue mich, nach 36 Jahren,
die wir nicht zusammen waren,
wieder hier und nicht allein zu sein
in dieser Halle,
diesem Ort, wo das Wort euch alle
nur ohne Zensur, also pur, erreicht.
Hey, Google, Facebook, NSA!
Vielleicht habt ihr erkannt,
dass, inzwischen mehrfach umbenannt,
diese iWatch 34 (das Herrenmodell heißt i-Er-Uhr),
nur da draußen fleißig funktioniert
und hier drin etwas passiert,
was ihr nicht wollt.
Unser Wort wird nicht zensiert
und es passiert ganz ohne Färbung
einer Kontextwerbung.
Nun schmollt und grollt und trollt euch raus
aus unserem Haus sowie aus unsren Tablets, Uhren,
Weihnachtsbaumfiguren und, um Gottes Willen,
auch aus unseren Brillen!
Ein Kraftfeld liegt um diesen Raum,
das WLAN-Strahlen draußen hält
und dadurch einen Traum
von einer freien Welt erhält.
,Die Gedanken sind frei, niemand kann sie erraten…‘ 1
Wo sind die Taten?
Könnt ihr mir verraten:
Wie konnten wir geraten
in die Fallen, in den Wahn,
dass wir allen, die des Geldes Untertan,
von Versicherung bis Bahn,
einfach alles offenbar’n?
Wie konnt’ es das geben,
dass unsere Leben im (Rechen-)Kerne dran hängen,
was die von unserem Surfverhalten halten?
Diese Gestalten galten mal als seriös.
Ich bin ja selber Teil des Geld-Systems,
seitdem’s vor 20 Jahr’ gelungen war,
mir, in einer kleinen Bar,
die ,Babelfish-App 42‘ zu entwickeln.
Die übersetzt vollautomatisch Prosa in Lyrik!
Ja, das ist schwierig,
doch mit ihr können wir uns Reime auf Sachen machen,
die eigentlich sonst Zorn entfachen:
Etwa, wenn wir den erneuten Sieg des FC-Bayern beim ,Cup der freien Hemisphäre‘ feiern.
Wenn wir auf den Schutz- und Grenzwall schauen, den zu bauen wir gezwungen waren, um mit diesem Grenzgebaren, so Europas Grenzenhüter, unsere ‚guten Güter‘ davor zu bewahren, mit dem Rest auf Erden geteilt zu werden. Ja, das ist richtig Stress für den IS, seit aus Europa keine Kämpfer mehr ausreisen können.
Oder denk’ ich an den gescheiterten Aufstand 2020, als sich in Danzig, damals noch Polen, die Leute erhoben: ,Man hat uns’re Daten gestohlen!‘ Heut’ heißt das: ,Festung Europa‘ und ich, selbst ein Opa, berichte, dass Daten, genau wie Geschichte, sich nicht an uns binden und schlicht in der Wolke verschwinden.
Da wär’ es mal gut, dass das Netz nie vergisst, eine Eigenschaft, die man am Menschen vermisst.
Aus der Geschichte was lernen, die Spielregeln checken und mittels CTRL-ALT-Entfernen entdecken, was in der Maschine so läuft. Ja, als ich noch jung war ging das nur per Tastatur. Wo ist der Key, um die Welt zu verstehen?
2014 stehen die Russen mit massiven Militärpräsenzen an den Grenzen. Wo soll ihnen noch das angebliche Schützen von Landsleuten nützen, um wie kleine Kinder die Grenzen zu testen?Das ist die Frage. Und niemand, schon gar nicht der Westen,war in der Lage, also klug genug, sie aufzuzeigen, ganz zu schweigen, sie zu halten. Nicht klug… genug!
2014 steht die Nato mit massiven Militärpräsenzen an den Grenzen. Was tut auf beiden Seiten diese krasse politische Klasse? Ich fasse zusammen: Wir sehen… nur zu… gut, wie die wie bescheuert die Wut und die Kriegslust befeuert.
Als ich noch jung war, war es noch Konsens auf der Welt, dass man sich dem Nonsens in der Welt entgegenstellt,
wenn man sich dicht zusammenstellt,
einander hilft, kooperiert, Hilfe offeriert
und mit Respekt entdeckt,
dass mit Extremismus-Stuss Schluss sein muss!
Wir brauchen einander!
Um miteinander Schränke aufzubauen,
nach den Kindern zu schauen,
zum Kinderwagen tragen
und um Häuser, Gesellschaft und Frieden zu bauen.
Allein sind wir dafür zu klein.“
Epilog
Mein Sohn, dann selbst ein Mann,
wird fragen, mich als seinen Ahn:
„Warum habt ihr nichts getan?“
Ich antworte mit einem Zitat: „Du weißt nicht, wie stark die dunkle Seite der Macht sein kann!“
Mein Sohn erwidert dann: „Das heißt nicht, dass man jeden Quark bei dunkler Nacht mitmachen kann!“
Ich sage: „Vor 36 Jahren, du warst grade drei,
als wir bei allem fleißig waren, nur nicht dabei,
selbst zu gestalten,