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Der neunjährige Maximilian, der im Widerspruch zu seinem Namen eher klein und zierlich ist, lebt mit seiner Familie auf einer kleinen Hallig mitten in der Nordsee. Maximilian liebt es zu malen. Er läuft stundenlang am Deich entlang, zieht durchs Watt und zeichnet, was er entdeckt. Eines Tages findet er am Strand einen merkwürdigen Stein. Kreisrund, schwarz und glatt liegt er in Maximilians Hand. Ein tiefes Brummen kommt aus seinem Inneren und er beginnt zu leuchten. Als Maximilian tief hineinschaut und sich das Strahlen in seinen Augen widerspiegelt, beginnt sich die Welt um ihn herum zu drehen. Der Stein ist ein Portal in eine Unterwasserwelt. Eine Welt, die in großer Gefahr ist. Das Buch handelt von der fantasievollen Reise des kleinen Maximilians. Es geht um Abenteuer, Mut, das Übersichhinauswachsen und um Freundschaft.
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Seitenzahl: 63
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Maximal daneben
Schlickrutscher
Ausziehen!
Drei mal sechs
Ophelia
Kein Donnerwetter
Halligkind
Ein Unwetter zieht auf
Freunde teilen Geheimnisse
Herr Einsiedlerkrebs
Herr Mommsen wird komisch
Hinab in die Tiefe
Die Hallig ist zu klein für Geheimnisse
Pickelalarm
Die Quelle
Maximilian der Große
Der Klang des Meeres
Ich glaube, ich bin bei meiner Geburt vertauscht worden. Ehrlich jetzt. Oder meine Eltern wollten besonders lustig sein.
Sie nannten mich Maximilian. Das bedeutet „Der Größte“.
Echt witzig! Sie lagen maximal daneben. Im Ernst, selbst Leevke aus meiner Klasse ist schon einen ganzen Kopf größer als ich.
„Na Minimann, träumst du wieder?“, sagt Thore und gibt mir eine Kopfnuss. Er schwingt sich auf sein Fahrrad und radelt nach Hause. Wenn Thore und ich nebeneinanderstehen, möchte man nicht glauben, dass wir Brüder sind. Er ist groß, sportlich und seine dunkelbraunen Haare sitzen immer perfekt. Na, und ich bin halt klein, dünn und meine strohblonden Haare stehen in alle Richtungen. Manchmal komme ich mir sogar durchsichtig vor, was gar nicht so schlecht ist, wenn ich etwa die Ringelgänse auf den Weiden hinterm Deich beobachten will.
„Lass dich nicht ärgern, Maxi“, meint Leevke, die jetzt auch beim Fahrradstand angekommen ist.
„Er hat ja recht“, nuschele ich. Da entdecke ich drei Feuerwanzen zwischen den Gräsern.
„Vorsichtig!“, fahre ich Leevke an, die beinahe auf die Tiere getreten wäre. Sie zuckt zusammen und schüttelt den Kopf.
„Blödmann“, sagt sie leise und nimmt ihren Roller aus dem Fahrradständer.
Ich schaue ihr hinterher, wie sie auf der glatten Straße neben dem großen, blauen Priel dahingleitet.
Der Priel ist ein Wasserlauf, von denen sich einige quer durch unsere Hallig ziehen und die bei Ebbe manchmal fast trocken liegen. „Sie hat euch nicht gesehen“, flüstere ich den Wanzen zu.
Das Muster auf den Rücken der Krabbeltiere sieht ein bisschen aus wie die Masken aus Mexiko zum „Tag der Toten“.
Ich krame mein Notizbuch und einen Bleistift aus meiner Tasche und fange an, die Tiere zu zeichnen. Natürlich halten sie nicht still, aber das Ergebnis kann sich trotzdem sehen lassen.
Zufrieden stecke ich Buch und Stift ein und radele langsam nach Hause.
Der Himmel ist strahlend blau und spiegelt sich im Priel und in den Gräben. Ich wohne nämlich mitten im Meer auf einer Hallig. Das ist eine Art Insel, die im Winter häufig vom Meer überspült wird. Deshalb stehen unsere Häuser auf Warften.
Das sind kleine Hügel, die Menschen aufgeschüttet haben.
Wenn dann Landunter kommt, gucken die Häuser aus dem Wasser heraus wie ganz kleine Inseln.
Die Sonne scheint und der Wind weht heute ganz wenig.
„Maaaaxiii!“
Ich höre meine kleine Schwester schon von Weitem rufen. Sie ist gerade drei Jahre alt geworden und saust mit ihrem Laufrad auf mich zu.
„Hallo Mia“, rufe ich ihr entgegen. Sie dreht eine scharfe Kurve und rollt dann neben mir her.
„Neue Geschichte?“, fragt sie und schaut mich mit großen, leuchtenden Augen an.
„Später“, sage ich verschwörerisch. Ich werde ihr die Feuerwanzen in meinem Buch zeigen und mir dazu eine spannende Geschichte ausdenken.
Mia ist die Einzige, die meine Bilder kennt und ich genieße es immer sehr, wie sie an meinen Lippen hängt, wenn ich erzähle.
„Wo hast du denn schon wieder so rumgetrödelt?“, seufzt Mama, die gerade die Warft herunterkommt, um Mia wieder einzufangen. Ihre Haare sind vom Wind zerzaust, wie immer, auch wenn sie versucht, sie mit einer großen Klammer zu bändigen. Sie hat viele Lachfältchen um die Augen, aber wenn sie mich ansieht, hat sie vor allem Sorgenfalten auf der Stirn.
Ich zucke nur mit den Achseln und sie seufzt wieder, diesmal noch etwas lauter.
„Sieh zu, dass du nach Hause gehst! Essen steht noch auf dem Tisch. Räum es danach weg, hörst du? Ich gehe jetzt mit Mia zum Spielplatz.“
Ich nicke, schaue den beiden kurz hinterher und blicke dann Richtung Meer. Nein, ich habe noch keine Lust nach Hause zu gehen.
Ich radele auf dem kleinen Weg durch die Weiden zum Deich.
Die Weiden nennen wir Fennen. Jetzt im Sommer stehen dort Kühe und kauen zufrieden vor sich hin.
Mein Fahrrad lasse ich im hohen Gras am Deich liegen.
Ich renne zur Steinkante, die unsere Hallig vor dem Wasser schützen soll.
Das Meer zieht sich langsam zurück. Bald wird Ebbe sein und ich kann einfach auf dem Meeresgrund herumspazieren.
Ich reiße mir Turnschuhe und Socken von den Füßen und berühre den braunen Schlick. Er quillt zwischen meinen Zehen hervor. Es riecht nach Fisch und Salz. Wenn nicht zu viele Muschelschalen herumliegen, kann ich richtig über das Watt schlittern. Schlickrutschen! An den Stellen, wo Seegras wächst, geht das besonders gut.
Ich entdecke so eine Stelle, nehme Anlauf und – wuuusch! – ich sause wie auf Glatteis durch den Matsch. Er ist allerdings auch genauso rutschig. Platsch! – da liege ich der Länge nach im Schlick.
Mama wird bestimmt meckern. „Das kriegt man nie richtig raus!“ oder „Du stinkst!“ wird sie rufen und die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Aber Mama ist jetzt nicht hier und der Schlamm fühlt sich so kühl und schön an.
Plötzlich sehe ich ein paar Schritte entfernt etwas funkeln. Ich rappele mich auf, versuche mir die Hände so gut es geht am T-Shirt abzuwischen und gehe auf das merkwürdige Funkeln zu. Vielleicht eine Scherbe, in der sich das Sonnenlicht spiegelt. Oder einfach nur eine kleine Pfütze.
Es ist ein Stein, ein kreisrunder, schwarzer Stein. Ich will schon weitergehen, da bemerke ich ein blaues Glimmen im Inneren des Steins. Merkwürdig. Ich hebe ihn auf. Er ist so groß wie meine Handfläche. Seine Oberfläche ist ganz glatt.
Wie bei Scherben, die vom Meer ganz weich geschliffen werden, wenn sie jahrelang in den Wellen treiben.
Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber der Stein fühlt sich warm an. Wie ein atmendes Tier. Das Glimmen wird stärker.
Grüne und türkise Blitze zucken darin auf. Wie ist das möglich? Vielleicht ist das ein Stern, der aus dem Weltall auf die Erde gefallen ist. Ich starre auf den Stein.
In der Mitte taucht ein wahnsinnig helles Licht auf. Erst ist es noch ganz klein. Jetzt wird der Punkt größer. Als würde sich der Stein öffnen. Ich kann nicht mehr wegschauen.
Wahrscheinlich halte ich vor Aufregung den Atem an, denn plötzlich wird mir ganz schwindelig. Alles um mich herum dreht sich, schnell und immer schneller. Oder drehe ich mich im Kreis? Ich höre ein lautes, tiefes Brummen. Als würde mein Kopf jeden Moment platzen. Ich kneife die Augen zu. Ich will den Stein wegwerfen, aber ich kann nicht. Das laute Brummen, das wilde Drehen, das grelle Licht – mir wird schlecht.
Gerade als ich glaube, mich im hohen Bogen übergeben zu müssen, ist es auf einmal ganz still. Ich werde nur noch leicht hin- und hergewiegt. Erleichtert hole ich tief Luft und öffne die Augen.
Das kann doch nicht sein! Um mich herum schwimmen ein paar Makrelen, die mich mit ihren Glupschaugen neugierig anglotzen. Ich bin unter Wasser! Entsetzt halte ich die Luft an und kneife die Augen zu.
Als ich sie öffne, stehe ich wieder im Watt. Der Stein liegt vor mir auf dem Boden. Mit zittrigen Fingern hebe ich ihn auf. Er summt leise und beginnt wieder zu glimmen.
Ich hole tief Luft und starre ihn an.
Da, das Leuchten, die Blitze und das strahlende Licht setzen wieder ein. Das Drehen beginnt von Neuem, wirbelt mich herum und einen kurzen Augenblick später schwimme ich wieder tief unten im Meer.