Der gläserne Himmel - Petra Hammesfahr - E-Book

Der gläserne Himmel E-Book

Petra Hammesfahr

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Beschreibung

Christian ist Mitte dreißig und Lehrer, als er in das Dorf zurückkehrt, in dem er als Kind eine unbeschwerte Zeit verbrachte. Hier begegnet er Sina. Gebannt von ihrer Anziehungskraft macht er ihr bald einen Heiratsantrag. Doch wer ist diese rätselhafte junge Frau, die oft nicht sie selbst zu sein scheint? Und was bedeuten die Träume, in denen Sina blutüberströmt in einem Graben liegt? Christian stellt Nachforschungen an und erkennt, dass in diesem idyllischen Ort vor vielen Jahren ein schreckliches Verbrechen geschah ...

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Seitenzahl: 638

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Über den Roman

Christian hat nur schöne Erinnerungen an das Dorf, in dem er als Kind unbeschwerte Wochen verbrachte und in das er nun als Lehrer zurückkehrt. Eines Tages begegnet er der jungen Sina und fühlt sich leidenschaftlich zu ihr hingezogen. Doch schon bald hat er Albträume, in denen Sina tödlich verunglückt. Und welche Ahnungen verfolgen Sina, die von zurückliegenden Begebenheiten erzählt, die sie gar nicht wissen kann? Offenbar gab es eine Verbindung zwischen Sinas Mutter und Christians Eltern. Die allerdings wollen die Vergangenheit unter allen Umständen ruhen lassen.

Der Roman wurde mit dem Rheinischen Literaturpreis ausgezeichnet.

Über die Autorin

Petra Hammesfahr wurde mit ihrem Bestseller »Der stille Herr Genardy« bekannt. Seitdem erobern ihre Spannungsromane die Bestsellerlisten, werden mit Preisen ausgezeichnet und erfolgreich verfilmt, wie »Die Lüge« mit Natalia Wörner in der Hauptrolle. Zuletzt erschienen: »Die Frau, die Männer mochte«, »An einem Tag im November« und »Fremdes Leben«.

PETRA

HAMMESFAHR

Der gläserne

Himmel

ROMAN

Von Petra Hammesfahr sind im Diana Verlag erschienen:

An einem Tag im November – Die Lüge –

Die Frau, die Männer mochte

Fremdes Leben – Der gläserne Himmel

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Überarbeitete Taschenbuchneuausgabe 02/2017

Copyright © 2017 by Diana Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Der Roman erschien erstmals 1995 unter demselben Titel bei der Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach

Umschlaggestaltung: t.mutzenbach design, München

Umschlagmotive: © Shutterstock | Slava Gerj; Sally Wallis; IndustryAndTravel; Petruk Viktor

Satz: Leingärtner, Nabburg

Alle Rechte vorbehalten

e-ISBN 978-3-641-19984-5V001

www.diana-verlag.de

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1. Teil

Sommer 1980

Tage wie dieser erinnern mich an einen Traum. Im Geist gehe ich noch einmal an der weißen Mauer entlang. Glasscherben auf ihrer Krone glitzern im Licht. Eine Frau singt, mit jedem Ton nähert sich etwas Zeitloses, und ich komme fast um vor Sehnsucht. Ich weiß, hinter der Mauer ist alles, was ich vom Leben erhoffen kann.

Es ist sechs Jahre her, ich war gerade erst nach Kirchfelden zurückgekommen, da träumte ich das oft. Im Traum sprang ich. Erreichte nach vielen vergeblichen Versuchen die Mauerkrone. Scherben zerschnitten meine Hände, bohrten sich in meine Schenkel. Und hinter der Mauer war nichts. Nur eine öde, weiße Fläche, wie ein unbeschriebenes Blatt durch eine Lupe betrachtet.

Inzwischen kenne ich die Bedeutung dieses Traumes. Ich sollte vorbereitet werden auf Momente wie diesen. Ich sollte begreifen, was es heißt, einen Menschen ausgelöscht zu haben. Vielleicht sollte ich endlich gestehen: »Ich habe getötet.«

An Tagen wie diesem wird aus Zweifel Gewissheit. Der Himmel ist bewölkt, der heraufziehende Abend lässt ihn dunkel werden. Am Nachmittag hat es geregnet. Man sieht nichts mehr davon. Der Wind hat die Steinplatten im Hof längst wieder getrocknet. Nun treibt er sein Spiel mit den letzten Wolken und bringt den Geruch feuchter Erde ins Zimmer. Ein würziger Geruch. Ich liebe ihn. In den Jahren hier war er ein Teil meines Lebens. Er gehört zum Sommer und zum Frühherbst, wie Sina zu mir gehörte. Sie liebte ich auch, liebe sie immer noch, und egal, was noch geschieht, ich werde nicht aufhören damit. Der Gedanke, dass sie mich betrog, machte mich rasend. Der Gedanke, dass ich sie verloren habe, bringt mich um den Verstand. Ich habe Angst.

Am Nachmittag ging es mir besser. Es geht mir immer gut, wenn es regnet. Dann weiß ich, sie ist noch da. Sie hat mir einmal versprochen, dass sie immer da sein wird. Und manchmal nachts, wenn alles still ist, höre ich sie weinen; weit draußen, hinter der Mauer des Birkenhofs. Ich bin nicht verrückt, ich höre sie wirklich. Manchmal höre ich sogar ihre Stimme noch, genauso nah, genauso klar wie früher. »Schau hinauf zum Himmel, Chris, und sag mir, was du siehst.«

Es war ein Abend wie dieser. Eine grau-blaue Wolkenformation stand über den Birken am Bach.

»Wolken«, sagte ich.

Und Sina lachte, warf den Kopf zurück in den Nacken, schloss für Sekunden die Augen. »Ach, Chris«, meinte sie dann, »wenn du nicht lernst, richtig zu deuten, was du siehst, sehe ich schwarz für uns beide.« Es klang nach einem Scherz, aber heute weiß ich, es war bitterernst gemeint. Ich hätte es schon damals erkennen müssen, allein am Klang ihrer Stimme. »Versuch es noch einmal, Chris«, forderte sie. »Jeder bekommt eine zweite Chance.«

Beim zweiten Blick sah ich, was sie meinte. Man braucht keine Fantasie für die einfachen Dinge. Über den Birken stand Ares. Jung, stark und sich seiner Kraft so sehr bewusst. Einen Arm hielt er weit vom muskulösen Körper abgestreckt. Den Kopf hatte er in den Nacken gelegt so wie Sina, wenn sie lachte. Er trug eine Waffe in der ausgestreckten Hand, als hole er damit zu einem alles vernichtenden Schlag aus.

Ich betrachtete ihn eine Weile. Der Wind ließ ihn vor unseren Augen altern, nahm ihm all seine jugendliche Kraft und machte ihn zu einem unscheinbaren Greis. Auch der Greis verschwand, zerfledderte in luftige Fetzen und trieb davon.

»Hast du es gesehen?«, fragte Sina. Als ich nickte, wollte sie wissen: »Und meinst du immer noch, es sind nur Wolken da oben? Denkst du nicht eher, sie bewegen sich, und was sich bewegt, das lebt auch.«

Wie recht sie hatte. Was sich bewegt, das lebt auch. Daran muss ich glauben. Wie soll ich sonst weiterleben? Ich bin wirklich nicht verrückt. Ich wünsche mir nur, ich wäre es.

Im Haus ist es still. Man könnte meinen, ich sei allein hier. Die Kinder schlafen schon, und sie sitzt hinter mir. Ich sehe ihr Spiegelbild in der Glasscheibe der Tür zum Hof. Sie hat sich eine Handarbeit genommen, stickt ihr Monogramm in unsere Handtücher. S. H. Ich kann kaum hinsehen, habe das Gefühl, ich müsste ihr die Nadel aus den Fingern reißen.

S. H. Ich wollte es ihr verbieten, als sie anfing. Nur fragte ich mich dann: Worüber rege ich mich auf? Soll sie doch sticken, wenn es ihr Spaß macht. S. H. in so viele Handtücher, wie sie will. Es mag altbacken sein und altmodisch, besser zu einer alten Frau passen als zu ihr, aber es heißt Sina Hochstett, niemand, nicht einmal sie selbst, kann jemals etwas anderes beweisen. Jeder Spiegel gibt mir recht.

Voller Konzentration ist sie bei der Sache. Und wenn ich in ein paar Minuten aufstehe und zur Flurtür gehe, wird sie aufschauen. Ich kenne das inzwischen, habe mich nur noch nicht daran gewöhnt. »Gehst du schon ins Bett, Chris?«, wird sie fragen. Wenn ich nicke, wird sie das Tuch und die Nadel zur Seite legen und mir folgen. Es könnte ja sein, dass ich etwas von ihr will, ein bisschen Liebe, ein bisschen Zärtlichkeit, etwas Sex. Dann wird sie neben mir liegen und darauf warten, dass ich den Anfang mache.

Ich werde auch warten, aber nur darauf, dass ich sie weinen höre, weit draußen, hinter der Mauer des Birkenhofs, wo ich sie nicht mehr erreichen kann.

Irgendwann werde ich dann einschlafen, vielleicht träumen. Nicht mehr von den Glasscherben auf der Mauerkrone, nicht mehr von meinem Sprung, den zerschnittenen Händen und dieser öden, weißen Fläche auf der anderen Seite. Davon habe ich schon lange nicht mehr geträumt.

Vielleicht träume ich stattdessen noch einmal davon, wie es angefangen hat. In der vergangenen Nacht ist mir das passiert. Da sah ich mich wieder hinter Vater her auf dieses Haus zugehen.

Wie lange ist das her? Dreiundzwanzig Jahre.

Es war im August 1957. Ich war gerade elf geworden und hatte gar nicht herkommen wollen. Ich fühlte mich ausgeschlossen und abgeschoben, als Vater davon sprach, mich für ein paar Tage zu Luise nach Kirchfelden zu bringen. Ich sehe das noch vor mir, als sei es gestern gewesen.

Einen kleinen Koffer in der Hand ging Vater neben mir auf seinen Wagen zu. »Es ist nicht für lange, Chris«, beteuerte er. »Nur für ein paar Tage. Du kennst Luise doch. Und du magst sie, nicht wahr? Ich bin sicher, du wirst dich bei ihr wohlfühlen.«

Natürlich mochte ich Luise, obwohl ich sie nicht gut kannte. Sie war die Tante meines Vaters, allerdings nur fünf Jahre älter als er. Ihr Mann war 1950 bei einem Unfall ums Leben gekommen und hatte sie gut versorgt zurückgelassen. Finanzielle Sorgen kannte sie nicht, nur das Alleinsein, Kinder hatte sie keine.

Wir hatten sie in den Vorjahren hin und wieder besucht für ein paar Stunden am Sonntagnachmittag, zu dritt, Vater, Mutter und ich. Ich hatte mich immer auf diese Besuche gefreut. Weil mir dann erlaubt wurde, für eine halbe Stunde hinauszugehen in den Garten, sogar auf die Straße. Ohne Mutter, die mich sonst nie aus den Augen ließ.

Normalerweise hätte mich die Aussicht auf einen Besuch bei Luise, mehr noch die Tatsache, dass ich ein paar Tage allein bei ihr verbringen sollte, ganz närrisch machen müssen. Aber ich fühlte nur Beklemmung und Vaters Anspannung, als er den Arm um meine Schultern legte.

Unser Leben war ziemlich durcheinandergeraten. Begonnen hatte es einige Monate vorher, auf eine so hintergründig gemeine Art, dass ein Junge in meinem Alter nicht verstehen konnte, was vorging. Damals nicht, heute vielleicht eher.

Vater genoss als Strafverteidiger bundesweit einen guten Ruf und war beruflich stark eingespannt. Er war viel unterwegs, manchmal tagelang. Wenn ein Prozess in einer anderen Stadt geführt wurde und das Hin- und Herfahren zu zeitaufwendig gewesen wäre, nahm er sich ein Hotelzimmer.

Daran war ich gewöhnt. Aber auch Mutter war in letzter Zeit häufig nicht daheim gewesen, hatte für den Nachmittag eine Studentin in die Wohnung bestellt, mehrfach sogar für den Abend, damit ich nicht allein bleiben musste. Dass Mutter abends noch fortging, war ungewöhnlich. Nur hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht. Sie sprach von der Langeweile, wenn ich im Bett lag, von Theaterbesuchen und Konzerten, dass sie ein wenig Abwechslung brauche. Das verstand ich.

Dann war Mutter plötzlich fort. Wenn ich nach ihr fragte, hieß es, sie sei schwer krank und liege in einer Klinik. Ich glaubte das und hätte sie gerne besucht. Doch das war laut Vater unmöglich. Dafür konnte es meines Erachtens nur einen Grund geben. Es stand so schlimm um Mutter, dass mein Erscheinen an ihrem Krankenbett ihr geschadet hätte, weil es mit Aufregung verbunden gewesen wäre. Oder man wollte mir ihren Anblick ersparen. Dass ich stattdessen zu Luise gebracht wurde, bestärkte mich in der Überzeugung, Mutter würde bald sterben.

Als wir losfuhren, war ich verzweifelt. Und als wir ankamen, erschien mir Luises Haus verändert. Es hatte nichts mehr vom Hauch der Freiheit. Hässlich war es, bedrohlich wie eine Leichenhalle, entsetzlich wie ein Krematorium. Die alten Backsteinmauern und das tief heruntergezogene Dach mit seinen roten Ziegeln gaben ihm etwas von Feuer. Die tief im Westen stehende Sonne verstärkte den Eindruck noch.

Vater ging vor mir her auf die Haustür zu. Ehe er sie erreichte, wurde sie geöffnet. Luise hatte durchs Küchenfenster den Wagen halten sehen, trat ins Freie und lächelte uns entgegen. Sie war klein und zierlich, wirkte wie ein Kind. Nur ihrem Gesicht sah man die Jahre an. Mitte vierzig war sie damals.

Vater begrüßte sie mit einer Herzlichkeit, die mich noch mehr verunsicherte. Es ging bei uns daheim eher nüchtern als gefühlsbetont zu. Eine derart zärtliche Geste sah ich bei meinem Vater zum ersten Mal. Er war traurig, wirkte niedergeschlagen und hilflos. Mir kam es vor, als suche er Schutz und Trost bei dieser kleinen Frau. Den suchte ich auch.

Nachdem er Luise eine Weile an sich gedrückt hatte, schob er sie von sich, schaute ihr ins Gesicht und sagte: »Es tut so gut, dich zu sehen, Luise. Du gibst einem immer das Gefühl, es sei alles nur halb so schlimm.«

Dann winkte er mich heran. »Nun komm schon her, Chris. Sag Guten Tag und benimm dich nicht wie ein Stockfisch. Ich bin sicher, du wirst dich hier sehr wohlfühlen.« Daran glaubte ich nicht mehr, hatte diesen Satz zu oft gehört in den letzten Stunden.

Später an dem Tag wurde ich noch einmal fortgeschickt. Vater und Luise hatten es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Als ich mich dazusetzen wollte, hieß es: »Geh ein Weilchen hinaus, Chris. Du bist so blass. Die frische Luft wird dir guttun.« Wer von beiden das sagte, weiß ich nicht mehr. Es ist auch heute nicht mehr wichtig.

Ich ging nicht weit, nur um das Haus herum und ein Stück an dem niedrigen Mäuerchen entlang, das den Garten umschloss. Die Tür, die vom Wohnzimmer in den Garten führte, stand offen. Ich hörte sie reden. Vaters Stimme klang mit einem Mal bedrückt und ratlos. Da war nichts mehr von der Stärke und der Zuversicht, die er mir vorgegaukelt hatte.

Er sprach von Fehlern, die er gemacht hatte und zutiefst bedauerte, jedoch nicht näher bezeichnete. Dann sagte er plötzlich: »Ich muss unbedingt noch einmal mit ihr reden. Jetzt sag mir nicht wieder, es wäre ein Fehler, Luise. Vielleicht ist doch noch etwas zu retten. Ich muss es wenigstens versuchen. Ich muss schließlich auch an Chris denken. Er ist noch nicht alt genug, um auf seine Mutter verzichten zu können. Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn Elsa sich weigert …«

Elsa, das war Mutter. Und weigert klang nicht nach einer Krankheit. Ich horchte angestrengt, hoffte auf eine Erklärung. Doch es kam keine.

»Du kannst nicht mit ihr reden«, unterbrach Luise ihn. »Du hast keine Ahnung, was da draußen los ist. Du würdest für sie alles nur noch schlimmer machen. Wenn die Familie dahinterkäme, dass sie sich erneut mit dir trifft, wäre ihnen das nur Wasser auf ihre Mühlen. Sie haben den Spieß umgedreht. Sie muss nur ins Dorf kommen, dann heißt es schon Hure.«

Sie! Kein Name.

Ich hatte keine Ahnung, von wem sie sprachen oder worum es ging, und lauschte angespannt weiter. Vater antwortete mit gequält klingender Stimme: »Das weiß ich, Luise. Ich weiß das alles. Aber was soll ich denn tun? Ich versuche, meine Ehe zu retten. Und ich denke, sie will das auch. Sie liebt ihren Mann, das hat sie jedenfalls gesagt. Ich bin sicher, Elsa kommt zurück, wenn …«

Den Rest verstand ich nicht, weil in dem Augenblick ein Traktor auf der Straße vorbeifuhr. Das Tuckern des Dieselmotors verschluckte die letzten Worte. Als es verklungen war, hörte ich Luise sagen: »Es gibt vielleicht eine Möglichkeit. Geh zu Frau …«

Luise nannte einen Namen, den ich von meinem Platz aus nicht richtig verstand. Aber ich weiß noch, dass er mich an etwas Liebes und Gutes denken ließ.

Kurz darauf kam Vater aus dem Haus und ging zu seinem Wagen. Er fuhr los, ohne sich von mir zu verabschieden. Spätabends kam er noch einmal zurück. Ich lag schon seit Stunden in einem viel zu breiten Bett und konnte vor Furcht und Aufregung nicht einschlafen. Sie sprachen leise, ich hörte nur Gemurmel, bis Vater plötzlich die Stimme hob.

»Sie wollte, dass ich sie mitnehme. Angefleht hat sie mich. Wenn sie hierbleibt, wird sie sterben, sagte sie. Sie weinte. Gott im Himmel, ich habe noch nie einen Menschen so weinen sehen.«

Heute weiß ich, von wem die Rede war und was gut einen Monat später geschah. Dass ein Kind geboren wurde und zwei Menschen auf grauenhafte Weise ums Leben kamen. Mag sein, dass ich ihnen begegnet bin damals. Ich erinnere mich nicht. Es waren viele neue Gesichter in den Dorfstraßen und draußen im Feld. Zu viele, um sich das eine oder andere zu merken.

Drei Wochen blieb ich damals bei Luise, nicht bloß ein paar Tage, wie es mir angekündigt worden war. Vater kam ein paarmal, immer dachte ich, er käme, um mich heimzuholen. Aber er blieb nur wenige Minuten, sprach mit Luise und war wieder fort.

Als er mich Anfang September endlich abholte, wollte ich zuerst gar nicht weg. Obwohl sie keine Erfahrung im Umgang mit Kindern hatte, verstand Luise es, mit einem verstörten Jungen umzugehen, ihm die Furcht zu nehmen, Sicherheit zu geben und alles, was er sonst noch brauchte. Ich hatte in den drei Wochen bei ihr etwas gefunden, von dem ich bis dahin gar nicht gewusst hatte, dass es existierte.

Sicherheit, Geborgenheit, Verständnis und das Gefühl, ernst genommen zu werden. Gleichzeitig absolute Freiheit. Keine Ermahnungen. »Pass auf der Straße auf, Chris.« 1957 waren die Dorfstraßen noch ein ungefährliches Pflaster. Autos sah man nicht viele, mehr Traktoren und Kühe, manchmal waren sie hinter einem Traktor angebunden, der im Schritt fuhr. Manchmal trotteten sie frei, nur von einer Magd, einem Knecht oder größeren Kindern zusammengehalten, dem heimischen Stall entgegen.

Keine Verbote. »Mach dich nicht schmutzig.« Luise fand es normal, dass ein elfjähriger Junge durch die angrenzenden Felder streunte, mit verdreckten oder zerrissenen Hosen und aufgeschürften Knien zurückkam.

Mutter war wieder daheim, als Vater mich abholte. Rein äußerlich ging unser Leben weiter wie zuvor. Aber es hatte einen Bruch gegeben. Auf der einen Seite standen wir drei, die wir so taten, als sei alles in Ordnung. Auf der anderen Seite war das Dorf, das kleine Haus am Ortsrand. Und dort waren Friede und Harmonie nicht bloß die Illusion, die zwei Gaukler für einen elfjährigen Jungen erstehen ließen.

Aus der Erinnerung wurde Kirchfelden für mich zu einer Idylle, einem Platz, an dem alles so war, wie es sein soll. Zu einem Ort, an den man irgendwann zurückkehrt, um ihn nie wieder zu verlassen. Gleichzeitig jedoch zur Tabuzone, weil wir nach diesem Sommer keine Besuche mehr bei Luise machten.

In den ersten beiden Jahren bettelte ich noch darum, ein paar Ferienwochen bei ihr verbringen zu dürfen. Anfangs sagte Mutter: »Das geht nicht, Chris. Wir verbringen unseren Urlaub in Italien.«

Später wurde sie massiver: »Jetzt hör endlich auf mit dieser Bettelei. Das ist ja widerlich. Von Kirchfelden will ich nichts mehr hören, hast du mich verstanden?«

Mit der Zeit resignierte ich. Und wie alles, was verboten ist, bekam das Dorf für mich einen ungeheuren Reiz. Die kurze Zeit bei Luise verklärte sich noch mehr. Mit den Jahren wurde daraus Romantik, die sich im Alltag nicht verwirklichen ließ.

Alltag, das war die Kanzlei meines Vaters, die unter unserer Wohnung lag. Es war eine feststehende Tatsache, dass ich sie eines Tages übernehmen sollte. Ich sah keinen Grund, mich dagegen aufzulehnen. Aber das war es nicht, was ich vom Leben erwartete.

In stillen Stunden träumte ich oft von dem kleinen, hässlichen Haus am Ortsrand von Kirchfelden. Wenn ich die Augen schloss, sah ich den Bach, die Wiesen und Äcker, den Waldstreifen am Horizont und Kinder, die am Rand eines Feldwegs spielten. Jedes Mal hatte ich das Gefühl, ich könnte etwas für diese Kinder tun. Vielleicht Erklärungen liefern, die sie von anderen nicht bekamen.

Möglich, dass es nur die eigenen Erfahrungen waren, dieses unterschwellige Wissen, dass ich betrogen worden war um eine Wahrheit, die mich ebenso betraf wie meine Eltern. Eine Wahrheit, die mir geholfen hätte zu verstehen, warum es nach Mutters vermeintlicher Krankheit und dem ominösen Klinikaufenthalt so kalt bei uns wurde. Warum Kirchfelden plötzlich ein Tabuthema war. Warum Vater keine Fälle mehr übernahm, die ihn zwangen, für einige Nächte in einem Hotel zu logieren. Warum meine Eltern so distanziert miteinander umgingen. Sie waren zwar auch vorher nicht übertrieben zärtlich gewesen, jedenfalls nicht vor meinen Augen, aber auch nicht so steif und förmlich.

Und wie viele Kinder mochten das noch erleben, mit ihrer Angst und der Unsicherheit allein gelassen werden? Irgendeiner musste ihnen doch beistehen, ihnen erklären, was vorging. Warum nicht ich? Ich wusste, wie das war. Lehrer sein, darin sah ich eine Aufgabe. Vor einer Schulklasse stehen, unterrichten, Kindern die Welt und das seltsame Verhalten Erwachsener erklären, ihnen die Sicherheit geben, die Luise vor langen Jahren mir gegeben hatte.

Ich neigte nicht zu kämpferischem Verhalten, hatte meinen Wunsch nie geäußert. Allerdings hatte ich mich auch nicht mit großem Eifer aufs Jurastudium gestürzt. Meine Leistungen in den ersten Semestern ließen zu wünschen übrig. Vermutlich hätte ich es zu einem dürftigen Abschlussexamen gebracht und wäre ein drittklassiger Jurist geworden, hätte Vater nicht eines Tages ein Einsehen gehabt.

An einem Abend brachte er die Unterlagen eines Falles mit herauf, der ihm besonders am Herzen lag. Wir saßen in seinem Arbeitszimmer. Durch das geöffnete Fenster drang Straßenlärm herein. Der Gestank von Abgasen begleitete ihn. Ich dachte an Feldränder voller Kornblumen und die roten Tupfer von Klatschmohn, an Staub über halbhohem Weizen, an klare Luft und eine tief im Westen stehende Sonne, die einem kleinen Haus etwas von ihrem Feuer gab.

Zu Beginn des Studiums hatte ich mir häufig vorgenommen, Luise in den Semesterferien zu besuchen und ein paar Tage bei ihr zu verbringen. Getan hatte ich es nicht. Was mich abgehalten hatte, weiß ich nicht genau. Eine Art Furcht vielleicht, irgendwo einzudringen, wo ich nichts mehr zu suchen hatte. Etwas zu zerstören, und wenn es nur die eigene Illusion war.

Vater erklärte die seiner Ansicht nach dürftige Beweislage, spekulierte über seine Möglichkeiten im Prozess und ging so weit, Teile seines Plädoyers mit mir zu erörtern. Meine Antworten konnten ihn unmöglich befriedigen. Ein paar ließ er mir durchgehen, dann meinte er: »Ich habe nicht den Eindruck, dass dir etwas an diesem Fall liegt.«

Als ich schwieg, fuhr er fort: »Überhaupt scheint dir an diesem Beruf nichts zu liegen. Nun kann ich mir nichts Schlimmeres vorstellen, als Jahre und Jahrzehnte etwas zu tun, was man im Grunde seines Herzens nicht tun will. Niemand kann sich für eine Sache einsetzen, wenn ihm die Überzeugung fehlt. Und mit Halbherzigkeit ist schon viel Schaden angerichtet worden.«

Ich mochte nicht zugeben, was in mir vorging, und erklärte ausweichend: »Das hat nichts mit Halbherzigkeit zu tun. Ich frage mich nur, ob du wirklich von der Unschuld deines Mandanten überzeugt bist. Er hat sogar dich schon ein paarmal belogen, verwickelt sich ständig in Widersprüche, die Indizien sprechen gegen ihn.«

Vater nickte bedächtig. »Ich möchte den Menschen sehen, der sich nicht in Widersprüche verwickelt oder lügt, wenn er Angst hat.« Er schaute mich nachdenklich an. »Schuld und Unschuld liegen im Leben oft so dicht beieinander, dass man sie nicht trennen kann, Chris. Wenn ich einen Menschen solange tyrannisiere, bis ihm die Sicherung durchbrennt und er mich erschlägt, bin ich das Opfer, er ist der Täter, weil ich ihn dazu gemacht habe. Und Indizien … Den einen sprechen sie schuldig, den anderen sprechen sie frei. Aber ist er das? Wer eine Schuld mit sich herumträgt, wird sie sein Leben lang nicht los, auch nicht, wenn man ihn freispricht. Ich bin kein Richter und möchte nie einer sein. Aber reden wir von dir, was möchtest du sein?«

»Astronaut«, sagte ich. »Aber ich bin nicht mehr fünf. Mach dir keine Sorgen. Ich habe mich für Jura entschieden, ich werde mich bemühen, in deine Fußstapfen zu treten.«

Unvermittelt wurde Vater wütend. »Was soll das, Chris? Das ist doch keine Antwort. Das klingt, als wärst du zu deiner Entscheidung gezwungen worden. Ich habe einen Sohn erzogen, keinen Nachfolger. Ich dachte, das wäre dir klar gewesen. Warum machst du denn nicht den Mund auf? Es kann schließlich niemand ahnen, was in deinem Kopf vorgeht. Wenn nicht Jura, was dann? Was wäre dir lieber gewesen?«

»Pädagogik«, sagte ich.

Vater lachte auf. »Das würde dir Spaß machen? Anderer Leute Kinder das kleine Einmaleins beizubringen.«

»Es würde mir mehr Spaß machen, als mich ständig mit Recht und Unrecht auseinanderzusetzen, noch dazu auf dieser Seite des Gesetzes. Ich traue mir ohne Weiteres zu, einem kleinen Kind vorzurechnen, wie viel drei mal sieben sind. Aber ich weiß nicht, ob ich einem Menschen zu seiner Freiheit oder zu seinem Recht verhelfen könnte, wenn ich selbst nicht überzeugt davon wäre, dass es richtig ist.«

Vater nickte wie in Gedanken versunken. Dann entschied er fast beiläufig: »Gut, wenn du meinst. Dann sieh zu, dass du einen Studienplatz bekommst.«

Ohne jemals ein weiteres Wort in dieser Angelegenheit zu verlieren, finanzierte Vater das zweite Studium. Da war ich mit mehr Begeisterung bei der Sache. Ein paar Ideale verloren sich zwar bei nüchterner Betrachtung bald. Doch das Staatsexamen schaffte ich mit guten Beurteilungen. Eine Weile musste ich noch befürchten, keine Anstellung zu finden. Dann kam überraschend der Bescheid vom Kultusministerium. Meine Lehramtsanwärterschaftszeit sollte ich in Kirchfelden verbringen. Natürlich bot Luise sofort an, dass ich bei ihr wohnen könnte.

Es war, als hätte ich es immer gewusst und mit allem, was ich tat und unterließ, nur auf dieses Ziel hingearbeitet. Stundenweise verlor ich den Boden unter den Füßen, konnte es kaum fassen, dass ich nun tatsächlich für immer dort leben sollte, wo ich mich mit elf Jahren so frei und sicher gefühlt hatte.

So kam ich hierher zurück, nach fast siebzehn Jahren. Außer mir war niemand glücklich darüber. Vater warnte: »Wenn du nur nicht enttäuscht bist, Chris. Du warst ein Kind damals. Da sieht man vieles mit anderen Augen. Mit den Leuten dort hattest du nichts zu tun. Denk nicht, dass sie es dir leicht machen.«

Mutter, die ohnehin nicht verstand, dass sich mein Ehrgeiz darin erschöpfte, Grundschullehrer an einer Dorfschule zu sein, meinte sogar, ich solle gegen den Bescheid Protest einlegen.

»Es ist ein dreckiges, kleines Nest, Chris«, sagte sie. »Dein Vater hat recht. Die Leute dort sind eine Spezies für sich, sie lehnen alles ab, was sie nicht kennen, Menschen eingeschlossen. Bilde dir nicht ein, du würdest dort Anschluss finden. Hier hast du deine Freunde, Chris, hier hast du Abwechslung. Was, meinst du, wirst du dort haben? Das Gefühl, ans Ende der Welt geraten zu sein, das garantiere ich dir.«

Ich hätte ihr darauf viel antworten können. Dass mir die Abwechslung in der Großstadt zum Hals heraushing. Dass meine sogenannten Freunde mich anödeten. Dass Freiheit für mich etwas anderes war als die Auswahl zwischen zwanzig Herrenausstattern und kulturellen Veranstaltungen oder Partys. Dass ich endlose Feldwege vor mir sah, wenn ich an Freiheit dachte. Mutter hätte das nicht verstanden.

Luises Haus schien geschrumpft mit den Jahren, allerdings nur äußerlich, drinnen hatte sich nicht viel verändert. Im Erdgeschoss gab es immer noch die Küche, das Wohnzimmer und das Büro, in dem ihr Mann vor endlosen Jahren »seinen Papierkram« erledigt hatte. Der Raum war ihr heilig, die Tür immer verschlossen. Im ersten Stock gab es zwei Schlafzimmer, aus der Bügelkammer war ein Bad geworden. Der Gemüsegarten existierte nicht mehr. Statt Beeten gab es nun Steinplatten und Rosenstöcke an dem niedrigen Mäuerchen zur Straße.

Für mich war wieder das kleinere Zimmer im ersten Stock hergerichtet, dasselbe wie vor Jahren. Auch die Einrichtung war geblieben. Der alte Bauernschrank mit der Malerei auf den Türen und das große Bett, breit genug für zwei Personen.

Vom Fenster aus hatte ich einen herrlichen Ausblick. Land, einfach nur Land, nicht gar so flach wie in meiner Erinnerung. Es gab durchaus kleine Anhöhen und Senken. Und auf einer dieser Anhöhen, etwa zwei Kilometer vom Ort entfernt, stand die weiße Mauer. Sie umschloss ein riesiges Anwesen, den Birkenhof. Etliche Dächer und Baumwipfel überragten die Mauer, deren Krone im Sonnenlicht funkelte, als sei sie mit Diamanten besetzt.

Seltsamerweise erinnerte ich mich nicht an das große Gehöft da draußen. Aber es war ja auch lange her, dass ich zuletzt aus diesem Fenster geschaut hatte.

Luise war unverändert. Immer noch klein und flink, mit wachen Augen und wachem Verstand. Sie freute sich, »endlich wieder einen Mann im Haus zu haben«. Aber auch sie warnte mich. »Hier ist alles etwas anders, Chris. Wenn man aus der Großstadt kommt wie du, ist es bestimmt nicht einfach, sich umzustellen. Du wirst manchmal das Gefühl haben, mit dem Kopf gegen eine Wand zu rennen. Die Leute sind verschlossen, misstrauisch und neugierig, Chris, entsetzlich neugierig. Du wirst keinen Schritt tun können, von dem nicht wenig später das halbe Dorf weiß. Und die andere Hälfte erfährt es spätestens am nächsten Tag. Wenn es dir zu viel wird, kannst du dir ja eine Wohnung in Arnberg suchen.« Daran dachte ich nicht einmal im Traum.

Meine Einstellung erfolgte nicht im Herbst zum Beginn eines neuen Schuljahres. Als Ersatz für eine Lehrerin, die aus Gesundheitsgründen vorzeitig in Pension ging, sollte für mich die Arbeit Anfang April beginnen. Ich kam am Montag in der letzten Märzwoche an. Der hereinbrechende Frühling machte die Luft schmeichelnd wie Watte auf der Haut, schon aus dem Grund nutzte ich die ersten beiden Tage nach meiner Ankunft für ausgedehnte Spaziergänge.

Kurz nach Mittag ging ich los. Den einen Tag nach Süden, den anderen nach Westen. Aber egal, in welcher Richtung ich mich vom Dorf entfernte, ich kam beide Male bei der Mauer an. Sie wirkte auf mich wie ein Magnet. Einmal hörte ich Stimmen dahinter, ein Mann lachte. Am nächsten Tag sang eine Frau in einiger Entfernung leise und melodisch ein Kinderlied und gab mir das Gefühl, hinter der Mauer sei die Zeit stehen geblieben. Dass sie sich auf dem Birkenhof eine Insel geschaffen hatten, auf der es natürlich und harmonisch zuging. Und damit es so blieb, war das breite, zweiflügelige Tor immer geschlossen.

Donnerstags nötigte Luise mich zu einem Besuch bei meinem unmittelbaren Vorgesetzten, rief höchstpersönlich an, um eine Uhrzeit zu vereinbaren. Jeder im Dorf wisse inzwischen, dass ich da sei, meinte sie. Es wäre unhöflich, mich nicht bei Ruprecht Dalling vorzustellen. Außerdem könne mir so ein Antrittsgespräch nur von Nutzen sein.

Dalling bewohnte ein Haus am entgegengesetzten Ende des Dorfes. »Ulmenweg fünf«, erklärte Luise. Und weil ich nicht mit dem Wagen fahren wollte, begleitete sie mich ein Stück, damit ich es auch fand. Sie benahm sich, als habe sie immer noch den verschüchterten Elfjährigen vor sich. Aber ohne Zweifel kannte sie die Dorfbewohner und ihre Erwartungen.

Dalling schien ein wenig verstimmt, dass ich mich erst nach drei Tagen bei ihm blicken ließ. Nach der Begrüßung erkundigte er sich, ob er mich Chris nennen dürfe, wogegen ich nichts einzuwenden hatte. Er blieb aber beim Sie – bis heute.

Seine Einladung zum Kaffee kam einem Befehl gleich. Anfangs saßen wir zu viert am Tisch, und die Unterhaltung wurde größtenteils von Dallings fünfzehnjähriger Tochter Bettina bestritten. Sie war der Jahreszeit zum Trotz aufreizend hochsommerlich bekleidet mit einem dünnen Hemdchen und knappen Shorts und benahm sich, als sei ich allein ihretwegen gekommen.

Mir kam nicht der Gedanke, dass damit ein bestimmter Zweck verfolgt wurde. Mir fiel nur auf, dass Dalling mich mit Argusaugen beobachtete und seiner Frau hin und wieder einen zufriedenen Blick zuwarf. Nach dem Kaffee schickte er Frau und Tochter hinaus, lehnte sich entspannt zurück und kam zur Sache.

Ich erfuhr alles, was ich wissen musste, aber kein Wort zu viel. »Ein drittes Schuljahr«, erklärte Dalling. Es gab von jedem Grundschuljahrgang zwei Schulklassen in Kirchfelden, unterteilt in a und b. Ich sollte die Drei b übernehmen.

»Liebe Kinder«, sagte er und lächelte. »Unkompliziert. Vor Ihnen hat Frau Buchbinder die Klasse unterrichtet. Sie führte ein strenges Regime. Ich glaube, die Kinder sind erleichtert, dass sie in den Ruhestand tritt. Auf jeden Fall werden sie dankbar sein für einen jungen Mann an der Tafel.«

Bis dahin hatte seine Stimme einen neutralen Klang gehabt, plötzlich schwang ein neuer, irgendwie drohender Ton mit. »Ich war anfangs nicht begeistert. Als ich erfuhr, dass der Ersatz für Frau Buchbinder männlich und darüber hinaus jung ist, habe ich nur noch gebetet. Wir haben trübe Erfahrungen machen müssen. Aber lassen wir die alten Geschichten. Sie haben sich, wie ich hörte, ziemlich spät für den Beruf entschieden. Vorher haben Sie ein paar Semester Jura studiert?«

Ich nickte, er lachte wieder. Es klang weder fröhlich noch sonst etwas. Es war nur ein Laut, der nicht ins Gespräch passte.

»Nun«, sagte er, und ich meinte, so etwas wie Spott zu hören. »Da kennen Sie sich in Recht und Gesetz wohl besser aus als ich. Da kann ja nichts schiefgehen.«

Der erste Schultag war genau so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Gegen halb sechs in der Früh erwachte ich ohne besonderen Grund. Ich blieb noch eine Viertelstunde im Bett, drehte mich von einer Seite auf die andere, öffnete die Augen und schloss sie wieder, fühlte mich wie ein Mensch, dem man eine ungeheure Verantwortung auflud, ohne zu prüfen, ob er sie tragen konnte.

Als Luise um halb sieben an die Tür klopfte, stand ich schon eine Weile am offenen Fenster, fror in der kühlen Morgenluft und hoffte inständig, die Kälte möge mich beruhigen. Dieses diffuse Empfinden von Ohnmacht, Unwissenheit und Versagen verdrängen, das mich urplötzlich überfallen hatte und gepackt hielt.

»Du bist nur ein wenig nervös«, wurde mir beim Frühstück versichert. »Das ist normal und vergeht wieder. Morgen sieht es schon anders aus, und in einer Woche ist es Gewohnheit.«

Ich wusste, dass sie recht hatte. Aber ich wusste es nur vom Verstand her. Mein Gefühl sah es anders. Da war diese Bemerkung von Dalling. Was hatten sie hier gegen junge Männer? Welche trüben Erfahrungen hatten sie gemacht?

Natürlich hatte ich Luise danach gefragt – und keine Antwort bekommen. Sie hatte nur lächelnd abgewinkt und erklärt: »Dalling muss man reden lassen, auch wenn er manchmal Unsinn von sich gibt. Kein Mensch hat hier etwas gegen anständige junge Männer, Chris.«

Anständig. Das Adjektiv war mir keineswegs entgangen. Ich hielt mich für anständig. Zumindest hatte ich bisher noch nichts getan, was man als unanständig hätte bezeichnen können.

Es waren zehn Minuten Fußweg bis zur Schule. Dafür wollte ich nicht den Wagen nehmen. Kurz vor acht begleitete Dalling mich in ein Klassenzimmer, stellte mich den Kindern vor, ermahnte sie mit ein paar launigen Worten zu manierlichem Betragen und ließ uns allein.

Zwanzig erwartungsvolle Gesichter, zwanzig Augenpaare, die jede meiner Bewegungen verfolgten, zwanzig Paar Ohren, die jedes Wort auffingen und es gewiss umgehend daheim weitergeben würden. Liebe Kinder, wie Dalling mir versichert hatte. Folgsam holte jedes ein Stück Pappe und einen Stift aus dem Ranzen, schrieb seinen Namen und stellte ihn vor sich auf den Tisch.

Diesen ersten Tag verbrachten wir ohne nennenswerten Unterricht. Ich ließ jedes Kind ein wenig von sich erzählen, damit es sich mir besser einprägte. Ließ mir erklären, wie Frau Buchbinder dieses und jenes gehandhabt hatte. War erleichtert, als sie nach der vierten Stunde ihre Ranzen packten und heimgingen.

An dem Tag wurden in allen Klassen nur vier Stunden gegeben. Das Kollegium versammelte sich anschließend im Lehrerzimmer. Am Morgen war Dalling nicht dazu gekommen, mich ausführlich mit allen bekannt zu machen. Nun holte er das nach. Mit mir waren neun Personen um den großen, ovalen Tisch versammelt. Eine Tatsache, die mich erstaunte. In Kirchfelden wurden nur acht Schulklassen unterrichtet.

Es stellte sich heraus, dass die Jüngste im Kreis nur als Halbtagskraft für die Fächer Kunst und Musik zuständig war. Silvia Henschel war genau der Typ Frau für diese Art von Unterricht. Mit ihren fein geschnittenen Gesichtszügen und dem hellblonden, welligen Haar, das sie bis auf die Schultern trug, war sie selbst ein bisschen Kunst und Musik. Sie war Anfang zwanzig, bildhübsch und ungebunden, was nicht heißen soll, ich hätte mich auf Anhieb in Silvia verliebt. Sie war nur ein Lichtblick in der Runde.

Während des Studiums hatte ich ein paar flüchtige Beziehungen gehabt. Keine davon hatte länger als ein paar Wochen gehalten. Wenn daheim das Thema Bindung auf den Tisch kam, redete ich mich mit Verantwortungsgefühl heraus. Erst das Studium, das Examen, erst eine grundsolide Basis schaffen, dann an Familie denken. Mutter imponierten solche Sprüche, nur entsprachen sie nicht den Tatsachen. Es war einfach so, dass es mich langweilte, wenn ich ein paarmal mit einer Frau geschlafen hatte. Dass ich dabei etwas vermisste, von dem ich nicht einmal wusste, wie es beschaffen sein könnte.

Aber auch wenn ich es nicht wusste, ich wollte mich nicht an eine Frau binden, bei der es mir fehlte. Ich wollte nicht mein Leben lang auf der Suche sein, getrieben von dem diffusen Wissen, dass da noch etwas sein musste, etwas, das einen ausfüllte und satt machte.

Silvia Henschel vermittelte mir das Gefühl, als könne ich bei ihr zumindest ein bisschen von dem finden, was ich suchte. Alles an ihr demonstrierte Weiblichkeit. Wie sie mich anschaute – mit leicht geneigtem Kopf. Wie sie lächelte – freundlich, aber zurückhaltend. Eine Frau, die sich nicht aufdrängte. Mir kam dabei das Adjektiv in den Sinn, das Luise im Zusammenhang mit den jungen Männern benutzt hatte: anständig. Es mag altertümlich klingen, aber es war treffend. Nicht für mich, auch wenn ich mir das einbildete. Aber Silvia war ein durch und durch anständiger Mensch.

Das genaue Gegenteil saß neben ihr an dem großen, ovalen Tisch, Gerda Hilbig. Sie war in meinem Alter, auch nicht verheiratet, aber sie lebte, wie ich schon in den ersten Tagen erfuhr, mit einem Mann zusammen. Ein stellungsloser Ingenieur, der für sie kochte und ihre Blusen bügelte. Gerda Hilbig nannte ihn »mein Hänschen« und scheute nicht davor zurück, einen Reim auf den Namen und ein bestimmtes Körperteil zu machen. »Mein Hänschen mit dem kurzen …«

Mir war sie von der ersten Minute an unsympathisch. Gerda Hilbig war vulgär, aggressiv und aufdringlich. Schon bei der ersten Begegnung störte mich der Blick, mit dem sie mich musterte, von Kopf bis Fuß und auf halbem Weg ein paar Sekunden verweilend. Wenn Frauen mit solch einem Blick betrachtet werden, heißt es, man zieht sie mit den Augen aus. Ich empfand es genauso.

Die Dritte im Kreis war Frau Karger, verheiratet und Mutter von zwei Kindern, die aufs Gymnasium nach Arnberg gingen. Arnberg liegt sieben Kilometer von Kirchfelden entfernt. Und jeder, der dorthin muss, fährt in die »Stadt«. Dort gibt es die weiterführenden Schulen, zwei Cafés, ein paar Eisdielen und Restaurants, ein Kino, das Rathaus und das alte Schloss. Und Mietwohnungen. In Kirchfelden eine Wohnung mieten zu wollen ist praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Mit etwas Glück und genügend Geld konnte man ein Haus kaufen oder bauen.

Die Frauen lebten fast alle in Arnberg, auch Frau Emmering und Frau Stoppart. Die einzige Ausnahme war Frau Liebig, eine rundliche, rosige ältere Dame und Dallings Vertretung an der Schule. Ihr stand ein kleines Häuschen auf dem Schulgelände zur Verfügung. Ihr Name kam mir vertraut vor. Aber ehe ich begriff, dass es dieser Name gewesen war, der mich als Elfjährigen auf dem Horchposten an der Gartenmauer von Luises Haus an etwas Gutes hatte denken lassen, verging noch viel Zeit.

Außer Dalling – und mir – gab es noch einen dritten Mann im Lehrerzimmer. Sebastian Burbach, er war zehn Jahre älter als ich, mittelgroß und gedrungen und strahlte eine ungeheure Ruhe aus. Auf mich machte er den Eindruck eines Mannes, der sich durch nichts und niemanden erschüttern lässt.

Jedem Einzelnen stellte Dalling mich vor, erzählte, was er von mir wusste und was ich von den anderen wissen musste. Er schien über einen merkwürdigen Humor zu verfügen, denn er schloss mit den Worten: »Außerdem ist Christian Hochstett ein halber Jurist. Da haben wir kaum mit bösen Überraschungen zu rechnen.«

Kurz nach eins war ich wieder daheim. Luise erwartete mich mit rheinischem Sauerbraten und kaum verhohlener Neugier. Beim Mittagessen ließ sie sich in allen Einzelheiten berichten. Nachdem sie alles Wissenswerte erfahren hatte, begann sie von den Kindern und ihren Familien zu erzählen. Sie kannte alle.

Was sie sagte, war geeignet, mich meine Zukunft rosig und problemlos sehen zu lassen. Was sie mir verschwieg, habe ich in den ersten fünf der seitdem vergangenen sechs Jahre allein ausgraben müssen. Und ich denke heute noch: Wenn Luise geredet hätte, gleich an diesem ersten Tag, als ich aus der Schule kam oder wenigstens am zweiten. Sie wusste nicht alles, doch sie wusste genug, um mich zu warnen. Ich weiß nicht, ob sie dachte, es sei nicht mehr nötig nach all der Zeit.

Dalling hatte im Lehrerzimmer gesagt: »Lassen wir die alten Geschichten.« Was er meinte, lag nur vier Jahre zurück. Aber da gab es noch etwas, und das war beinahe siebzehn Jahre her. Wenn Luise nur eine Andeutung gemacht hätte, wäre einiges anders gekommen, davon bin ich überzeugt.

Schon der zweite Schultag war anders. Ich spürte die Veränderung sofort beim Eintreten ins Klassenzimmer. Die Kinder erhoben sich von ihren Plätzen, wie sie es gewohnt waren. Sie grüßten einstimmig und blieben stehen zum gemeinsamen Morgengebet. Auf eine Handbewegung setzten sich alle wieder. Das war so wie am Tag zuvor. Auch die Blicke, die sie mir zuwarfen, waren noch harmlos und voller Neugier.

Und dennoch war die Atmosphäre schwer, feindlich. Es gab nicht den geringsten Grund für diese Empfindung. Alle beteiligten sich rege am Unterricht, beantworteten meine Fragen, so gut sie konnten, saßen brav an ihren Tischen, unterschieden sich nicht von den anderen Schulklassen. Aber mein Gefühl beruhte nicht auf Einbildung. Bereits am zweiten Schultag hatte ich zwei Feinde in meiner Klasse. Einflussreiche Widersacher, die imstande waren, achtzehn weitere Kinder gegen mich aufzubringen. Im Laufe der folgenden Monate ließen sie sich einiges einfallen, um mir das Leben schwer zu machen.

Die Tische waren in U-Form aufgestellt. Mein Schreibtisch stand links neben der Wandtafel beim ersten Fenster. Und direkt vor meinem Tisch saßen sie. Zwillinge, obwohl sie sich nicht sehr ähnlich waren. Peter und Paul Birkenfeld, kräftige kleine Burschen mit dunklem Haar und einer gesunden Gesichtsfarbe. Kein Kind wagte es, ihnen zu widersprechen. Offensichtlich gab es da eine Furcht oder einen Respekt. Ich sah die beiden nie raufen, nie einem der anderen Kinder drohen. Wie sie ihre Macht ausübten, blieb mir in den ersten Monaten schleierhaft. Aber sie übten sie aus.

Wenn ich meine Anweisungen gab, richteten sich sämtliche Augen zuerst auf den Tisch so dicht bei meinem. Und nur nach einem gnädigen Nicken von Peter oder Paul Birkenfeld wurde getan, was ich verlangte. Nickte keiner von beiden, konnte es geschehen, dass zuerst alle ihre Bleistifte anspitzen mussten, um saubere und dünne Striche unter die Aufgaben ziehen zu können. Dann belagerten zwanzig Kinder den Abfallkorb. Es gab kein Gedränge, keinen Mucks. Jedes Kind wartete geduldig, bis es an die Reihe kam. Und das dauerte, bis die Stunde fast um war.

Es konnte auch passieren, dass plötzlich einige Tintenfüller zu kleckern begannen. Dann mussten die Federn gesäubert und die Patronen ausgewechselt werden. Leider hatten die Kinder, die das Missgeschick traf, keine Ersatzpatronen oder keine Papiertücher dabei. Dann meldeten sich ein paar andere, die aushelfen konnten. Es ging alles äußerst höflich und ordnungsgemäß zu. »Darf ich Sabine ein Tuch bringen, Herr Hochstett?« Oder: »Ich habe Ersatzpatronen, Herr Hochstett, darf ich aufstehen und Daniel eine geben?« Wenn ich nervös wurde, einen drängenden Ton anschlug, kam das triumphierende Aufblitzen in den Augen der Birkenfeld-Jungs.

Für mich war es anfangs ein Machtkampf, in dessen Verlauf ich meine Qualifikation zu beweisen hatte. Mein erster Gedanke war zwar, mich an Dalling zu wenden. Aber zu gut waren mir seine Worte im Gedächtnis. »Liebe Kinder, unkompliziert.« Was sollte ich gegen die lieben, unkomplizierten Kinder vorbringen? Dass sie ausgesucht höflich, pflichtbewusst und hilfsbereit waren? Dalling würde mich für einen Spinner halten, dachte ich. Also schwieg ich erst einmal und versuchte herauszufinden, womit ich die Birkenfeld-Jungs gegen mich aufbrachte. Als mir das nicht gelang, entschloss ich mich eines Tages zu reden, aber nicht mit Dalling.

Ich versuchte mein Glück bei Sebastian Burbach. Er unterrichtete die Parallelklasse, außerdem erteilte er Sportunterricht. Wie ich hatte er eine Vorliebe für den Aufenthalt im Freien. Meist übernahm er freiwillig die Pausenaufsicht. Schon in den ersten Tagen schloss ich mich ihm an. Es ergab sich so. Die jüngeren Frauen blieben meist unter sich, entweder ebenfalls draußen oder in den Klassenräumen. Dalling und Frau Liebig hielten sich in der Regel in seinem Büro auf, von einigen auch großspurig Rektorat genannt. Silvia Henschel gab nur drei Stunden und nutzte die große Pause für irgendwelche Vorbereitungen. Blieb nur Sebastian, wenn ich nicht allein über den Hof schlendern wollte.

In diesem Zusammenhang bereits von einer Freundschaft zu sprechen, wäre verfrüht. Ich mochte Sebastian, schätzte seinen Humor und die zur Schau getragene Ruhe auch in schwierigen Situationen. Aber bei aller Bereitschaft blieb er in Bezug auf sich verschlossen. Manchmal schien es, als habe er etwas auf dem Herzen und suche nur nach den richtigen Worten, um es auszusprechen. Dann lachte er plötzlich, machte einen seiner üblichen Scherze und war völlig ohne Sorgen.

Ihm erzählte ich also von meinem Problem, obwohl ich mich strikt weigerte, es so zu nennen. Ich versuchte, der Sache ein harmloses Ansehen zu geben, indem ich einen gelassenen Ton anschlug. Sebastian hörte aufmerksam zu.

»Was genau tun sie denn?«, wollte er anschließend wissen.

»Genau genommen nichts«, antwortete ich. »Sie sitzen an ihrem Tisch und regieren. Und ich bin machtlos.«

»Haben Sie schon mit Dalling gesprochen?« Zu dem Zeitpunkt sprachen wir uns zwar schon mit den Vornamen an, waren aber noch nicht per Du.

Ich war erleichtert, dass er mich nicht auslachte, auch nicht fragte, ob ich mir da vielleicht etwas einbilde. »Nein«, sagte ich. »Das möchte ich auch vorerst nicht tun. Ich wüsste nicht, was ich ihm sagen sollte. Dass ich glaube, die beiden mögen mich nicht, halte ich nicht für ein gutes Argument.«

Sebastian nickte zustimmend und schaute sich nach einer Gruppe Kinder um, deren Mittelpunkt die Birkenfeld-Jungs bildeten. Zögernd begann er: »Es kann aber üble Folgen haben, wenn die einen nicht mögen. Sie sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen, Chris. Wenn Sie nicht mit Dalling reden möchten, wenden Sie sich an Frau Liebig. Die Birkenfeld-Kinder haben es schon einmal geschafft, einen Junglehrer von hier zu vertreiben. Das liegt ein paar Jahre zurück. Zu der Zeit war ich noch nicht hier. Und ich möchte mich nicht am Dorfklatsch beteiligen. Aber nach allem, was ich gehört habe, hat es damals so ähnlich angefangen, mit kleinen Schikanen im Unterricht, die sich bald steigerten. Sie sollten etwas unternehmen, bevor Ihnen die Sache über den Kopf wächst. Warum reden Sie nicht mit Ihrer Tante?«

Ein vernünftiger Rat. Luise war über alles informiert, was in Kirchfelden geschah und geschehen war. Wenn tatsächlich schon einmal ein junger Lehrer durch Kinder der Familie Birkenfeld in Schwierigkeiten geraten war, musste sie davon wissen. Bisher hatte ich es vermieden, mit ihr über meine Probleme zu sprechen. Doch insgeheim machte ich mir mehr Sorgen, als ich mir und anderen eingestehen wollte. Es ging schließlich um meine Zukunft. Und die wollte ich hier verbringen. Eine Versetzung zog ich nicht in Betracht. Um keinen Preis der Welt wollte ich mich aus dem Dorf vertreiben lassen. Gewiss nicht von zwei Kindern, denen ich keine Veranlassung für ihr Verhalten gegeben hatte.

Der Versuch, von Luise etwas über den jungen Lehrer zu erfahren, von dem Sebastian gesprochen hatte, schlug jedoch fehl. »Es wird zu viel geredet, Chris«, schmetterte sie mich ab. »Man darf nicht alles ernst nehmen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Und wenn du in Ruhe nachdenkst, wirst du zugeben müssen, dass du dir wahrscheinlich nur etwas einbildest. Die Kinder tun doch nichts.«

Damit war die Angelegenheit für sie erledigt. Sie stellte das Kaffeegeschirr zusammen und verließ wie meist um diese Zeit das Haus, um eine ihrer zahlreichen Bekannten zu besuchen. Ihrer Meinung nach brauchte ich an den Nachmittagen unbedingt meine Ruhe, um mich auf die anfallenden Arbeiten zu konzentrieren. Ich vermutete eher, sie wollte sich durch meine Anwesenheit nicht von einer lieben Gewohnheit abbringen lassen.

Mit meiner Konzentration war es ohnehin nicht weit her. Wieder und wieder ließ ich in Gedanken den Vormittag passieren. Dieses kaum merkliche Nicken von Peter Birkenfeld, als ich sagte, es möge sich jeder ins Heft schreiben, was an der Tafel stand. Das winzige Zögern in ihren Stimmen, bevor sie mir antworteten. Ich bildete mir das nicht ein. Je länger ich darüber nachdachte, umso sicherer wurde ich.

Beruflich lief es nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Die Kinder, die ich unterrichtete, waren nicht angewiesen auf Erklärungen oder die Sicherheit, die ein Erwachsener ihnen geben konnte. Im Gegenteil, sie waren sicher genug, dem Erwachsenen Angst zu machen, führten einen Psychokrieg, der jedem Geheimdienst zur Ehre gereicht hätte.

Auch privat gab es ein paar Haken. Silvia Henschel machte es mir nicht leicht mit ihrer Zurückhaltung, trotzdem schaffte ich es nach kurzer Zeit, mich mit ihr für einen Samstagabend zu verabreden. Schon Ende April ging ich zum ersten Mal mit ihr aus – nur in ein Restaurant in Arnberg. Am darauffolgenden Samstag schauten wir uns im Kino Paper Moon an. Als ich sie zwei Wochen später am Samstagabend um elf vor ihrer kleinen Wohnung absetzte, kam die obligatorische Frage, ob ich noch einen Kaffee bei ihr trinken möchte.

Silvia errötete dabei. Ich hatte so eine Reaktion bei einer Frau seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass es noch Frauen gab, die dazu fähig waren. Natürlich sagte ich nicht Nein. Wir tranken auch tatsächlich Kaffee. Bei dem, was danach geschah, erwartete ich, dass sie mich bat, das Licht auszumachen. So weit kam es zwar nicht, aber sie war sehr gehemmt.

Es amüsierte mich ein wenig, faszinierte mich jedoch auch. Es weckte Beschützerinstinkte, war wie ein Eintauchen in vergangene Zeiten. Wie das alte, längst aus der Mode gekommene Spiel zwischen Stark und Schwach. Erobern und entdecken, der Zwang zur Selbstbeherrschung und das Bedürfnis, zuerst einmal nur Zärtlichkeit, Sanftheit zu geben. Dem hohlen Gefühl, das im Innern zurückblieb, stand noch der Stolz gegenüber, ein rücksichtsvoller Liebhaber zu sein.

Beim zweiten Mal kam ich der Gegenwart schon ein wenig näher. Nach dem dritten, vierten oder fünften Mal begriff ich, dass es keine Wunder mehr gab. Es war nett mit Silvia zu schlafen, aber es war nicht anders als mit den Frauen vor ihr. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie selbst sich von den Frauen unterschied, die ich vor ihr gekannt hatte. Sie war häuslich, sparsam und nachgiebig, zog es vor, für uns zu kochen, statt in ein Restaurant zu gehen. Ein Cafébesuch am Sonntagnachmittag? Wozu? Backen machte doch Spaß. Und es war ein sehr befriedigendes Gefühl für eine Frau, zu sehen, wie die selbst gebackenen Kirschtörtchen einem Mann schmeckten.

Silvia hatte eine trostlose Kindheit und Jugend gehabt, war als Vollwaise bei lieblosen Pflegeeltern aufgewachsen. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie sich nach einer Familie sehnte und in ihrem Beruf nur eine Übergangslösung sah.

An einem Sonntag Ende Juni fuhr ich mit ihr nach Köln. Wir machten einen Spaziergang am Rheinufer. Als ich beiläufig erwähnte, dass meine Eltern in der Nähe lebten, ergab es sich zwangsläufig, dass wir sie besuchten. Vater war freundlich, aber zurückhaltend. Mutter wusste sich vor Begeisterung kaum zu lassen. Ihren Blick werde ich nie vergessen. Es war der Blick einer Frau, die überzeugt ist, der einzige Sohn bringe ein Juwel nach Hause.

Ich bemühte mich, es so ähnlich zu sehen. Betete mir vor, dass ich zu hohe Ansprüche stellte. Dass ich, wenn ich meine Erwartungen zurückschraubte und aufhörte, auf etwas zu warten, was es vielleicht gar nicht gab, mit Silvia leben und durchaus glücklich sein könnte. Ein bescheidenes Glück. Das Glück des kleinen Mannes. Ein Häuschen mit Garten, zwei Kinder und eine Frau, die bewundernde Männerblicke auf sich zog und verlegen den Kopf senkte, wenn ihr diese Blicke bewusst wurden. Ein friedliches Leben, dörflich, beschaulich. Es hätte angenehm und entspannend sein können, wären nicht die beiden Jungs in meiner Klasse gewesen.

Mitte Juli, kurz vor den Sommerferien, geschah das, wovor ich mich insgeheim gefürchtet hatte. Peter Birkenfeld bot mir eine offene Demonstration ihrer Macht. Hatten sie bis dahin nur mit Blicken regiert, ging er nun zu wörtlichen Befehlen über. Daheim wartete auf mich die Arbeit über einen vierwöchigen Deutschunterricht. Für diesen Tag hatte ich ein Diktat angekündigt, das wir bereits mehrfach geübt hatten. Als ich die Hefte verteilen ließ, erklärte Peter: »Wir schreiben heute kein Diktat, Herr Hochstett. Wir machen einen Spaziergang. Darüber schreiben wir für morgen einen Aufsatz.«

Ich versuchte es mit Diplomatie. »Das ist ein reizvoller Gedanke, Peter. Wenn das Wetter es erlaubt, können wir ihn morgen in die Tat umsetzen. Aber heute schreiben wir das Diktat. Es ist sehr wichtig.«

Nachdrücklich schüttelte er den Kopf. »Für Sie vielleicht. Für uns nicht. Wir gehen heute spazieren, Herr Hochstett.«

Als ich erneut ablehnte, packte er seine Sachen. Ohne ein Wort folgten alle anderen seinem Beispiel, nahmen ihre Ranzen und verließen den Klassenraum. Ich machte nicht den Versuch, sie zurückzuhalten. Mich mit ausgebreiteten Armen vor die Tür zu stellen, erschien mir zu lächerlich. Aber nun musste ich etwas unternehmen, wartete noch bis zur Pause und ging dann endlich zu Dalling.

Wie erwartet traf ich ihn in seinem Büro an, ausnahmsweise ohne Frau Liebig. Er ließ sich berichten, was vorgefallen war. Dann schüttelte er den Kopf. »Peter Birkenfeld«, sagte er skeptisch. »Das verstehe ich nicht. Kennen Sie die Familie?«

Die Frage klang lauernd und misstrauisch. Als ich meinerseits den Kopf schüttelte, fuhr Dalling in normalem Ton fort. »Die Kinder der Familie Birkenfeld sind gut erzogen und intelligent, die meisten schaffen es von hier aufs Gymnasium. Ich habe auch zwei von ihnen in meiner Klasse. Meine besten Schüler, und jeder hier wird Ihnen dasselbe sagen.«

Er machte eine Pause, als wolle er mir Gelegenheit zu einer Erwiderung geben. Doch alles, was er bis dahin gesagt hatte, klang, als müsse ich mich rechtfertigen. Ich schwieg.

»Seit wann geht das schon so?«, wollte Dalling wissen.

»Im Grunde schon so lange ich hier bin.«

Er schüttelte wieder den Kopf und murmelte noch einmal: »Das verstehe ich nicht.«

»Ich auch nicht«, sagte ich heftiger als beabsichtigt. »Ich bin den Kindern freundlich und unvoreingenommen entgegengetreten. Es gab und gibt von meiner Seite aus keine Vorlieben oder Abneigungen.«

Bevor ich weitersprechen konnte, fragte Dalling: »Möchten Sie die Klasse tauschen, Chris?«

»Was soll mir das denn bringen?«

Er nickte versonnen. Schon im Mai hatte er mich zum Sportunterricht eingeteilt, wobei ich mich nun mit Sebastian abwechselte. Auf diese Weise hatte ich Kontakt zu allen Klassen bekommen. Es gab in jeder mindestens ein Birkenfeld-Kind, und keins schien mir wohlgesinnt. Ein Tausch erübrigte sich also.

»Natürlich könnte ich mir den Burschen einmal vornehmen«, sinnierte Dalling. »Aber damit wäre Ihre Autorität kaum wiederhergestellt. Ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag. Rufen Sie auf dem Birkenhof an. Reden Sie mit den Leuten. Machen Sie ihnen klar, dass Sie nichts weiter wollen als Ihren Frieden. Damit dürften wir noch am ehesten Erfolg haben.«

Ein merkwürdiger Ratschlag fand ich, doch ich folgte ihm noch am selben Nachmittag. Dalling hatte mir eine Telefonnummer aufgeschrieben. Nachdem ich sie gewählt hatte, meldete sich eine junge Frau mit einem fragenden Hallo. Ihre Stimme klang unbeschwert und erinnerte mich an den Gesang hinter der Mauer. Da sie keinen Namen genannt hatte, verlangte ich Herrn oder Frau Birkenfeld zu sprechen.

»Welche bitte? Und in welcher Angelegenheit?«, fragte sie.

Ich erklärte, wer ich war und was ich wollte. Für Sekunden blieb es still in der Leitung. Ich dachte schon, sie hätte aufgelegt. Aber dann antwortete sie, und ihre Stimme war kühl und unpersönlich geworden. »Einen Augenblick.«

Es dauerte länger als einen Augenblick, und sehr geduldig war ich nicht. Der abrupte Wechsel in ihrer Stimme bot erneut Anlass zu Spekulationen. Die gesamte Familie Birkenfeld – dem Hof da draußen und all den Kindern nach zu urteilen, musste es eine sehr große Familie sein – schien etwas gegen mich zu haben. Zwei, drei Minuten vergingen, dann wurde ich noch einmal gefragt, was ich wollte. Fast hätte ich mit Dallings Worten geantwortet, nur meinen Frieden. Diesmal sprach ich mit der Mutter. Sie hörte sich an, was ich vorbrachte, und erklärte, sie werde mit ihren Söhnen reden. Dabei klang sie sehr abweisend.

Wenn ich mir eingebildet hätte, der Anruf sei ein Erfolg gewesen, wäre ich bitter enttäuscht worden. Am nächsten Tag wurde mir der nicht verlangte Aufsatz vorgelegt. Drei Tage später überreichte ich Peter Birkenfeld einen verschlossenen Brief an seine Eltern. Schon als er ihn mit einem breiten Grinsen in seine Tasche steckte, wusste ich, dass er gar nicht daran dachte, ihn auch abzugeben.

Es änderte sich nicht viel. Nur dass Paul sich zurückhielt und den Kampf seinem Bruder überließ. Weitere Anrufe blieben ohne Erfolg. Man habe mit dem Jungen geredet, hieß es immer nur, mehr könne man leider nicht für mich tun. Meine Bitte um ein persönliches Gespräch wurde strikt abgelehnt.

Es schien zweifelhaft, dass ich unter diesen Umständen nach Beendigung meines Probejahres eine feste Anstellung in Kirchfelden bekommen würde. Mein Traum, der so konkrete Formen angenommen hatte, wurde wieder zu einer Illusion.

Was ich Peter Birkenfeld und seiner Familie getan hatte, wusste ich beim besten Willen nicht. Und niemand war bereit, mich darüber aufzuklären. Sie schwiegen alle, als ließe sich damit etwas ungeschehen machen.

Vater drängte sanft, aber nachdrücklich zur Kapitulation, erinnerte an den Platz, der bei ihm frei war, und an die Semester in Jura. »Das hast du nicht nötig, Chris. Das hat nichts mehr mit einer Bewährungsprobe zu tun. Lass dich doch nicht fertigmachen.«

So formuliert, erschien es mir übertrieben. Doch meine Nervosität wurde auch für andere immer offensichtlicher. Ich nahm sie sogar mit in die Nächte, schlief schlecht, erwachte häufig aus lebhaften Träumen. Nein, nicht Träumen, zu der Zeit war es nur ein Traum, der sich ständig wiederholte. Ich weiß nicht mehr, wann mir bewusst wurde, dass es immer der gleiche Traum war. Ich weiß auch nicht mehr, wann ich das erste Mal daraus erwachte, sodass er am nächsten Morgen noch präsent war. Ich weiß nur, er wurde mir eingebläut wie eine Lektion, die ich zeit meines Lebens nicht mehr vergessen sollte.

Es begann harmlos und friedlich. Ich machte einen Spaziergang durch die Felder. Die Luft war klar und weich, aber ich konnte die Jahreszeit nicht bestimmen. Glücklich war ich, mit mir selbst zufrieden, mit meiner Umgebung im Einklang. Ich ging ohne bestimmtes Ziel. Und plötzlich stand ich vor der Mauer. Ich hörte die Stimmen dahinter, ein Kind lachte, eine Frau sang. Es war ein trauriges Lied. Mir wurde die Kehle eng vom Zuhören.

Unter den Tönen wuchs die Mauer, wurde höher und höher, noch eine Strophe, und sie hatte die Wolken erreicht. Es überkam mich unvermittelt. Einmal, nur ein einziges Mal wollte ich einen Blick über die mit Scherben gespickte Krone werfen. Ich wusste genau, dahinter lag alles, was ich mir vom Leben erhoffen konnte. Nur einmal hinsehen, mehr wollte ich nicht.

Plötzlich war Mutter neben mir. Sie sah, dass ich zum Sprung ansetzte, griff nach meinem Arm und hielt mich zurück. »Lass die Finger davon«, warnte sie. »Du schneidest dich nur ins eigene Fleisch, Chris.«

Wieder zögerte ich, Mutter hatte recht. Es musste zwangsläufig Wunden geben, wenn ich die Mauerkrone erreichte. Und die Mauer wuchs mit jeder Sekunde weiter ins Unendliche. Dann kam Vater dazu. Er legte Mutter eine Hand auf den Mund, versuchte sie daran zu hindern, noch mehr zu sagen. Stattdessen sprach er selbst: »Schuld und Unschuld liegen im Leben so dicht beieinander, Chris, dass man sie nicht trennen kann. Ich bin einer von den Schuldigen. Was gäbe ich dafür, wenigstens einen Teil meiner Schuld wiedergutmachen zu können. Die Gelegenheit werde ich nie haben, aber du hast sie. Spring, Chris, spring über deinen Schatten.«

Da wagte ich es, riss mich von Mutters Hand los, nahm Anlauf und schwang mich mit einem mächtigen Satz hinauf. Aber die Krone bekam ich nicht zu fassen. Ich versuchte es wieder und wieder, es schien sinnlos. Ich wollte schon aufgeben, da sah ich, dass Vater weinte, hörte ihn sagen: »Gott im Himmel, ich habe noch nie einen Menschen so weinen sehen.«

Ich machte einen allerletzten Versuch, bekam die oberen Steine zu fassen und zog mich hoch. Ich spürte den brennenden Schmerz in den Handflächen, versuchte ihn zu ignorieren und setzte mich rittlings auf die Mauerkrone. Meine Hände waren bereits zerschnitten, nun bohrten sich die Glasscherben tief in das empfindliche Fleisch meiner Schenkel. Ich sah hinab auf die andere Seite. Und – da war nichts. Absolut nichts.

Kein Baum, kein Strauch, kein Grashalm, kein Klümpchen Erde. Eine endlose weiße Fläche dehnte sich vor mir aus. Aber ich war fest überzeugt, dass man mich zu täuschen versuchte. Dass man etwas Einmaliges mit einem großen, weißen Tuch zugedeckt hatte. Ich beugte mich tief hinab, streckte die Hände aus, wollte das Tuch wegziehen. Da spürte ich, wie ich die Balance verlor. Dann fiel ich, stürzte unendlich langsam und erwachte jedes Mal, bevor ich auf der weißen Fläche aufschlug.