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Mit einer großen Portion Skepsis und jeder Menge Vorurteilen tritt Susanne Fröhlich ihr neues Yoga-Projekt an. Drei Monate lang lässt sie die Leser teilhaben an ihrer Suche nach einem neuen Körpergefühl und dem täglichen Kampf gegen den inneren Yoga-Schweinehund. Was passiert, wenn das Moppel-Ich auf eine Yogamatte trifft und in die unbekannte Welt der Asanas eintaucht, erzählt die Bestsellerautorin gewohnt locker, selbstironisch und wie immer mit einem Augenzwinkern. Der Ratgeber zeigt aber auch, dass Yoga bei jeder Kleidergröße Spaß machen kann und macht Mut, innere Hemmschwellen zu überwinden.
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Seitenzahl: 145
Jeder kann Yoga, Yoga kann jeder
Ich gebe es zu, ich war skeptisch, sehr skeptisch. Yoga hatte für mich so gar nichts mit mir zu tun. Ich war mir sicher, dass es etwas für sehr biegsame, sehr zarte, fast schon filigrane Frauen ist. Adjektive, die einem bei mir nicht in den Sinn kommen. (Egal wie viel man getrunken hat und wie schlecht man sieht …) Wenn ich wenigstens das Gefühl gehabt hätte, dass es schlank machen würde. Aber keinesfalls. Dachte ich an Yoga, dachte ich nicht an Sport. Nicht an Kraft, Wettkampf, Ehrgeiz oder gar Anstrengung und Kalorienverbrauch. Beim Yoga, so mein Eindruck, wird viel rumgelegen und bewusst geatmet – das klingt richtig schön langweilig. Außerdem: Yoga hatte für mich immer etwas mit Spiritualität zu tun. Yoga-Frauen trinken literweise grünen Tee und kümmern sich so selbstverständlich um ihr Karma wie andere um den Haushalt. Sie nehmen Sojamilch statt schlichter Kuhmilch und haben in ihrem Wohnzimmer mindestens eine Buddhastatue. Yoga ist was für Menschen mit esoterischer Ader, Yogis sind sanft, machen ständig OM, haben für alles Verständnis, kaufen nur Bio-Kost … Soweit nur die Kurzversion meiner profanen Vorurteile.
Insgesamt war ich mir immer sicher: Yoga und ich sind nicht kompatibel. Bewusst atmen, in sich reinhören, für eine ungeduldige Person wie mich ganz schwer vorstellbar. Ich bin unruhig, will alles schnell und habe sportlichen Ehrgeiz. Bewegung ist weniger Vergnügen für mich als Zweck. Ich mache Sport, um reichlich vorhandenes Körperfett zu verbrennen und um mich auszupowern. Was hat das schon mit Yoga zu tun? Yoga war in meinem Kopf so ähnlich wie Autogenes Training mit ein bisschen lascher Gymnastik.
Irgendwann, durch einen Zufall lernte ich in einer Talkshow die Schauspielerin Ursula Karven kennen. Eine wunderschöne, sehr schmale, gertenschlanke Person. Es gibt Zuneigung auf den ersten Blick. So war es hier. Ich mochte Ursula. Sehr. Wie viel Energie und Zupackendes in so einem zarten Körper versteckt sein kann, unglaublich! Das hat mein Vorurteilspaket in Hinsicht Yoga erstmals ein wenig erschüttert. Schließlich wusste ich, dass diese Frau exzessiv Yoga betreibt. Ursula – damals noch Frau Karven – hat mich nach der Sendung angesprochen. An den genauen Wortlaut kann ich mich nicht mehr erinnern, aber es war irgendwas in der Richtung, ich würde so leuchten – und dann empfahl sie mir, Yoga zu praktizieren. Das empfand ich als einen wirklich witzigen Vorschlag, und ehrlich gesagt habe ich nicht mal weiter darüber nachgedacht. Nicht eine winzige Sekunde. Yoga – das erschien mir so weit weg von mir. Geradezu absurd. (Natürlich habe ich mich über das Leucht- und Strahlkompliment dennoch gefreut.) Wir tauschten Telefonnummern und das war es zunächst. Erstaunlicherweise (Zufall oder Schicksal?) haben sich unsere Wege danach häufiger gekreuzt. Wir haben uns angefreundet. Länger telefoniert und geredet.
Als Ursula (die nicht nur Schauspielerin, sondern auch Yoga-Lehrerin ist) mir vorschlug, gemeinsam ein Yoga-Projekt aufzuziehen, habe ich alte Ignorantin trotzdem nur gelacht. Das Moppel-Ich in der Hundeposition? Die Unterarme heftig winkend beim Sonnengruß? Nein danke, dachte ich, lächerlich machen kann ich mich jederzeit auch anderweitig. Will ich mich demütigen, fehlt mir Yoga zu meinem Glück gerade noch. Da langt mir mein ganz normaler Alltag.
Aber Ursula kann eine sehr hartnäckige Frau sein. Beharrlich hat sie mich nicht gerade überzeugt, aber immerhin überredet. „Probier es, und wenn es nicht funktioniert, war es eben nur ein Versuch …“ Irgendwann habe ich eingewilligt: Ich werde Yoga eine Chance geben. So wie einer neuen Gesichtscreme. Drei Monate lang. Mal sehen, was passiert. „Yoga macht was mit dir“, behauptete Ursula. Allein der Satz: Es macht was mit dir! Tut mir leid, aber da könnte ich direkt zu viel kriegen.
Da schwingt diese esoterische Komponente mit, mit der ich so gar nichts anfangen kann. Was soll Yoga schon machen?
Ich konnte es mir nicht vorstellen, aber vielleicht lag es ja an meinem begrenzten Horizont. „Dein Rücken, deine Beweglichkeit, deine Figur, alles wird sich ändern.“ Das klang nach Wahnsinnsversprechungen, und da bin ich generell vorsichtig. Ich bin ja keine 17 mehr. Aber, wie wir alle wissen: Die Hoffnung stirbt zuletzt. All die Versprechen klangen auf jeden Fall herrlich. Und wenn auch nur ein Hauch davon wahr sein würde, wollte ich daran teilhaben.
Ursula gab mir eine Erstausstattung ihrer DVDs. Ich sollte täglich mindestens 15 Minuten in mein Yoga-Projekt investieren. 15 Minuten, eine Viertelstunde, warum nicht, dachte ich. „Sei vorsichtig“, gab mir Ursula mit auf den Weg, „nicht so ehrgeizig, hör in dich rein, was geht und was nicht. Geh es langsam an, du willst dich ja nicht verletzen!“ Jetzt musste ich noch mal lachen: Yoga ist gefährlich! Man kann sich verletzen! Oh ha: Eine Risikosportart! Wie Downhill Biking oder Bungee-Jumping. Wer hätte das gedacht. Hoffentlich muss ich keinen Krankenkassenzuschlag zahlen! Brauche ich einen Helm? Sollte ich mir einen Schutzanzug besorgen?
Wir beschlossen: Ich stelle mich der Herausforderung und mache Yoga. Wir reden über das, was passiert. (Wenn denn was passiert! Wie schon erwähnt, bin ich eine skeptische Person.) Und sollte wider Erwarten wirklich etwas Umwerfendes geschehen, könnte ich mir ein Projekt gemeinsam mit Ursula durchaus vorstellen. Aber nur dann … Ich fuhr nach Hause, hatte die Taschen voll mit DVDs und dazu eine feine cremefarbene Yoga-Matte – so hübsch, dass ich sie, falls es mit dem Yoga nichts wird, auch ins Bad legen kann. „Immer barfuß“, hatte mich Ursula ermahnt.
ICH MUSS MAL WIEDER ZUR PEDIKÜRE, FIEL MIR DA SPONTAN EIN.
Auf den Hund gekommen!
Ich entscheide mich für die Anfänger-DVD. Power-Yoga von Ursula. Ich habe noch nie Yoga gemacht – also behutsam rantasten. „Nicht übereifrig sein!“, hat sie mich ja ermahnt, deshalb werde ich es langsam angehen.
Optisch ist alles sehr ansprechend. Schöne Menschen, schöne Umgebung. Herrliche Bilder, man will sich direkt hinbeamen. Nach 15 Minuten bin ich durchgeschwitzt – von Yoga! Unglaublich! Es ist schwer, die Übungen einiger-maßen ähnlich wie die Models auszuführen, tief zu atmen und dabei auch noch auf den Bildschirm zu gucken, um nur ja nichts verkehrt zu machen. Ich hinke immer einen Hauch hinterher und strapaziere meinen Nacken. Mir ist schnell klar: Yoga ist doch schwerer, als ich dachte. Jedenfalls für mich. Stellungsnamen prasseln auf mich ein, irrsinnig viele Tiernamen sind dabei, von der Kobra über den Fisch bis zum Hund. Komme mir vor wie im Zoo. Dann soll ich die Fußspitzen „flexen“? Nach mehrmaligem Hingucken kapiere ich, was das bedeutet: Fußspitzen anziehen – aha. Der immer wieder auftauchende Hund (scheint ein absoluter Liebling der Yogis zu sein!) macht mich fertig. Ich habe Hunde bisher immer sehr gemocht – ich habe übrigens sogar selbst einen, einen besonders netten Hund. Aber die DVD stellt meine Zuneigung zu diesen Tieren an sich auf die Probe. Der sogenannte herabschauende Hund sieht im Film kinderleicht aus – ein bisschen wie ein lang gezogenes umgekehrtes V. Aber ich schnaufe, als hätte ich 45 Minuten Jogging hinter mir. Bei den meisten Stellungen bin ich froh, dass ich mich selbst nicht sehen kann. Ich atme schwer und schaffe manches einfach nicht. Anfänger-Yoga wohlgemerkt! Das ist reichlich ernüchternd, und ich ärgere mich. Ganz falsch, ich weiß. Beim Yoga soll man entspannen – da hat Ärger nichts verloren. Aber frustrierend ist es schon.
Es gibt 90-Jährige, die Yoga machen. Als wäre es gar nichts. So schwer kann es doch nicht sein! Ich hatte mich irgendwie als sportliche Person in Erinnerung. Wo ist diese Frau nur hin? Ich kann nicht mal Yoga!
Irgendwie ist mir auch mein Speck im Weg. Knie an die Stirn (während man auf dem Rücken liegt!), so etwas sagt sich leicht, wenn zwischen den beiden Körperteilen nicht viel Störendes ist. Zwischen Knie und Stirn wohnt bei mir aber der Bauch. Viel Bauch! Nicht eine Rolle, nicht zwei, es sind Berge, ein richtiges ausgewachsenes Gebirge. Grausig. Wabernde Specklandschaften. Aus dieser liegenden Rollperspektive sieht er schlimmer aus als im Stehen. Ich versuche, nicht hinzusehen. Aber dass er da ist, könnte ich nicht mal im Vollrausch verdrängen. Ich spüre ihn. Er bedrängt mich. Ist aufdringlich. Man könnte es fast Belästigung nennen.
Nach 55 Minuten ist es geschafft. Die Anfängerstunde ist rum. Bei einigen Übungen musste ich vorher pausieren. Die letzte immerhin ist nach meinem Geschmack: Shavasana – Totenhaltung oder Totenstille. Ich liege auf dem Rücken und atme. Immerhin das klappt. Ich finde, sogar sehr gut. Rumliegen kann ich halt. Da bin ich ein Naturtalent. Das liegt mir im Blut. Ich bin eine ausgesprochen geübte Herumliegerin. Normalerweise allerdings eher auf dem Sofa als auf der Yoga-Matte. Ich könnte Stunden so in Shavasana bleiben – springe aber sofort auf, weil Atmen an sich mich ja sportlich nicht weiterbringt. Entspannung allein brauche ich nicht. Ich mache ja kein Yoga, um still auf dem Rücken zu liegen! Da hätte ich ja gleich im Bett bleiben können.
Im Normalfall wäre es das gewesen. Ich neige eher zu schnellen Entscheidungen. Die Yoga-DVD wäre neben all den anderen Fitness-DVDs, die ich im Laufe der Jahre immer mal wieder angeschafft habe, beerdigt worden, und Yoga und ich hätten uns nie mehr wiedergesehen. Yoga und ich sind anscheinend nicht kompatibel. Yoga demütigt genüsslich Moppel – also: Adios Yoga! Das war es mit uns beiden. Ein erstes, ernüchterndes Date ohne Hoffnung auf Fortsetzung. Gäbe es wie bei Parship, dieser Internetpartnerbörse,
Übereinstimmungstests für Sportarten und Menschen, hätten Yoga und ich keine große Chance. Eher sogar null Matchingpoints. Wir hätten uns somit nicht mal kennengelernt. Wahrscheinlich zu Recht.
Aber ich möchte mich natürlich nicht von Yoga-Kupplerin Ursula ausschimpfen lassen. Obwohl: Schimpfen Yogis überhaupt? So entspannt, wie die sind! Aber mal abgesehen von Ursula, man sollte allem nicht nur eine Chance geben, sondern auch eine zweite oder dritte. So viel habe ich mit meinen 48 Jahren immerhin gelernt. Außerdem halte ich meine Versprechen. Meistens jedenfalls. Also werde ich es wieder tun. Wenn auch unwillig.
TSCHÜSS, YOGA – BIS MORGEN, DU MIESER MOPPELQUÄLER!
NACH MEINEM GESCHMACK:
SHAVASANA - TOTENHALTUNG ODER TOTENSTILLE.
Hundsgemeiner Fisch, pass auf: Hier kommt die Kriegerin!
Irgendwie gehen die 55 Minuten heute schneller rum als gestern. Ich stelle mich immer noch ziemlich doof an, statt zum Hund mache ich mich definitiv zum Affen. Aber es sieht ja keiner. Leider werfe ich zwischendrin einen Blick ins bodentiefe Fenster (das dringend mal wieder geputzt werden müsste) und kann mich sehen. Ziemlich gewöhnungsbedürftig! Moppel-Yoga sieht völlig anders aus als das, was die hübschen durchtrainierten Vorturnerinnen und -turner in meinem Fernseher tun. Alles an mir gerät in Bewegung. (Ich hoffe, ich löse keine Tsunamis aus! Wenn angeblich schon der Flügelschlag eines Schmetterlings einiges bewirken kann …) Alles, was so an mir dranhängt, winkt. Es hängt und drängt und winkt – überall.
Ich atme und schaue nicht mehr hin. Wenn ich Wiederholungen nicht schaffe, atme ich eben nur oder mache eine gemäßigte Variante. Kein Stress, kein Superehrgeiz, ermahne ich mich. In Gedanken sehe ich mich aber schon lässig auf dem Kopf stehen. (Sollte ich schon mal einen Kopfstandhocker bestellen?) Stattdessen wackle ich im Schulterstand (früher im Turnunterricht hat man das „Kerze“ genannt), als wüte in meinem Wohnzimmer ein Tornado. Fühle mich am Ende der DVD in meiner bisherigen Lieblingsstellung Shavasana sehr wohl. Bleibe einfach ein bisschen liegen und atme. Bin angemessen angestrengt und verdammt froh, dass alles rum ist.
Kobras neue Kleider
Es zwickt mich überall. Ich habe Gliederschmerzen. Zunächst denke ich, eine Grippe sei im Anmarsch. Von wegen: Mein Körper scheint sich an Muskeln zu erinnern, die er völlig vergessen hatte. Muskelkater wäre übertrieben, aber ich spüre meinen Körper. Und wie! Vor allem meinen Oberkörper. Meine Beine mucken weniger. Wahrscheinlich weil sie durchs Joggen einiges an Kummer gewöhnt sind. Peinlich – Muskelkater durch Yoga! Wie tief bin ich gesunken? Oder ist das gut? Ein Zeichen, dass Yoga etwas bewirkt? Ist das die Tiefenmuskulatur, die im Yoga angeblich rausgekitzelt wird? Bilde ich schon Muskeln? Sollte ich über die Anschaffung eines knappen eng anliegenden Tank-Tops nachdenken? Am besten gleich bauchfrei?
Ich verschiebe Yoga auf den frühen Abend und surfe ein bisschen im Internet. Yoga-Klamotten … Yoga-Accessoires … Yoga und das Drumherum bieten neue ungeahnte Shoppingmöglichkeiten. Eine ganz neue Welt tut sich auf. Ich stoße auf für mich befremdliche Dinge: Nasenspülungen, Zungenschaber, ayurvedische Kajalstifte und Yogibottle-Trinkflaschen. Extra Yoga-Trinkflaschen? Es sind ganz normale Plastikflaschen, wie man sie in jedem Fitnessstudio sieht. Oder bei jedem Radfahrer. Was macht so eine Flasche zur Yogi-Trinkflasche? Vielleicht der Aufdruck: wahlweise Shanti („Friede“) oder OM („heilige Silbe“) oder Love. „Wasser hat besondere Energien“, steht im Plastikflaschen-Werbetext. „Bewahren Sie deshalb Ihr Trinkwasser in den Yogibottles auf und lassen Sie wünschenswerte Energien hineinfließen. So wird Ihr Wasser zu einem besonderen Elixier.“
Ich verzichte trotz eines erschwinglichen Preises (5,90) auf die Anschaffung. Ich mache noch nicht lange genug Yoga, um auch nur eine Ahnung davon zu haben, wie ich wünschenswerte Energien in Plastikflaschen beame.
Durch Zufall entdecke ich bei einem Kafferöster (bei wem wohl?) die neuen Angebote. Die aktuelle Themenwoche heißt: „Mach mal Yoga!“ Ist das ein Zeichen? Was will mir der Kaffeeröster damit wohl sagen? Liege ich einfach nur im Trend? Machen jetzt schon alle Yoga?
Ich bestelle wie im Rausch. Yoga-Hosen mit Stulpen und ohne. Die ohne sehen aus wie all die Jogginghosen, die ich schon habe, aber man weiß ja nie. Dazu zwei Sport-BHs – kann man immer brauchen. Noch ein paar Oberteile, dafür verkneife ich mir das Massageöl. In zwei Tagen wird geliefert und dann hat die steife Kobra neue Kleider!
In den alten Klamotten rolle ich die Matte aus und rufe meinen Sohn. „Heute mache ich mit dir Yoga!“, hatte er groß getönt. Leider fehlt uns die zweite Matte und wir nehmen als Ersatz den Badezimmervorleger. Nach vier Minuten fragt er bereits, ob er wirklich bis zum Ende mitturnen muss. Nach acht Minuten entscheidet er schließlich: „Das ist nichts für mich, ich wünsche dir viel Spaß!“ Wenigstens räumt er den Vorleger weg. Ich halte durch. Muss schon ein bisschen weniger den Kopf verrenken, um auf den Bildschirm zu gucken. Ansonsten keine nennenswerten Verbesserungen. Manche Übungen schaffe ich nicht. Man sollte ja denken, dass ein Mehr an Gewicht für eine gewisse Stabilität sorgt, aber von wegen. Bei zwei Übungen muss ich vorher pausieren und verharre in meiner Lieblingsstellung Shavasana, bis es weitergeht. Meine Beine zittern. Das frustriert mich, aber der kleine Rest an Vernunft in mir predigt unaufhaltsam: Das ist normal, man kann nicht gleich alles können. Ja: Ich kann vernünftig sein. (Gezwungenermaßen!) Und ja: Ich versuche, meine Defizite gelassen zu sehen.
Habe einen winzigen Fehler bei Ursula entdeckt. Einmal fehlt ein Teil einer Übung. Yoga hat nämlich etwas Demokratisches. Das habe ich mittlerweile begriffen. Immer kommt jede Seite dran. Bei einer Übung fehlt eine Seite. Ha – immerhin etwas. Auch eine Yoga-Königin ist nicht unfehlbar.
Sternzeichenübung
Versuche, mich so richtig ins Yoga-Fieber reinzusteigern. Schau mir Asanas (so nennen sich die Körperhaltungen) im Internet an. Habe meine persönliche Herausforderung gefunden. Ich – Sternzeichen Skorpion mit Aszendent Skorpion (ich weiß, das finden viele furchterregend!) – will den Skorpion können. Eine Art Kopfstand ohne Kopf. Die Unterarme sind auf dem Boden, das Gewicht ist auf den Ellenbogen und den Unterarmen und ein bisschen in den Fingerspitzen, und der Rest des Körpers schwebt in der Luft. Die Beine werden angewinkelt – und fertig ist der Skorpion. Das Internet warnt mich: Der Skorpion ist eine fortgeschrittene Übung, die aus dem Unterarmstand entwickelt wird, und es braucht Geduld und Durchhaltevermögen, bis man sie kann. Tugenden, die bei mir nicht besonders ausgeprägt sind. Aber Yoga schult ja angeblich die Geduld. Trotzdem wären mir genauere Zeitangaben lieber. Was heißt in diesem Fall Geduld? Zehn Tage? Zehn Wochen? Zehn Monate? Zehn Jahre? Nie?
Heute Abend will mich eine Freundin besuchen. „Ich muss noch Yoga machen!“, sage ich und sie ist verwundert. „Duuuu machst Yoga?“, lacht sie, gerade so als hätte ich einen Wahnsinnswitz gerissen. „Es ist ein Experiment!“, antworte ich und sie entscheidet sich mitzuturnen. Oder sagt man mitzuyogaen?
Meine Freundin ist schlank und einigermaßen fit. Was Sport angeht, ist sie eher der Ausdauertyp, genau wie ich. Nach 14 Minuten fragt sie erstmals, wie lange das denn noch geht. Sie schwitzt. Wie beruhigend. Im Vergleich zu ihr komme ich mir schon wie ein Profi vor. Yogi Susanne. Ich muss nicht mehr dauernd auf den Bildschirm starren, mache manches fast automatisch. Sie ist immer ein bisschen hintendran. Auch mir geht manches noch zu schnell. Was erwarte ich? Es ist mein viertes Training und ich ertappe mich dabei, wie ich meiner Freundin Anweisungen geben will. Erste Anzeichen von Yoga-Hochmut. Bei den Bauchübungen hält sie länger durch als ich. „Früher hat man das
einfach Sit-ups genannt!“, stöhnt sie. Und sie hat recht. Ist Yoga einfach nur klassische Gymnastik in schmucker OM-Eso-Verpackung? Oder hat die klassische Gymnastik sich ungefragt beim Yoga bedient? Bei den Jahren, die Yoga auf dem Buckel hat, denke ich, dass die Gymnastik geklaut hat. Egal, was es ist und wer es von wem hat, es strengt mich an und ich hoffe, es macht mich beweglich.
Schlangenmädchen zieht euch warm an! Die Skorpionfrau ist im Anmarsch. Spätestens im Altersheim werde ich es euch allen zeigen. Wenn meine Kinder auf Besuch kommen (was ich doch sehr hoffe, aber da ich zwei Kinder habe, stehen die Chancen nicht schlecht – eins wird sich ja wohl erbarmen), werde ich lässig im Skorpion dastehen. Vielleicht …
Dicker Hund: Kobra sucht Ausrede