Der Kaufmann von Venedig - William Shakespeare - E-Book

Der Kaufmann von Venedig E-Book

William Shakespeare

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Beschreibung

Der Kaufmann von Venedig ist ein Theaterstück von William Shakespeare. Das Werk entstand zwischen 1596 und 1598 und wurde 1600 in der ersten Quartoausgabe veröffentlicht. Die früheste bekannte Aufführung fand am 10. Februar 1605 vor König Jakob I. im Palace of Whitehall statt. Das Stück spielt in Venedig und in Belmont, einem Landsitz auf dem Festland. Die Handlung beruht auf Il Pecorone von Giovanni Fiorentino und der Anekdotensammlung Gesta Romanorum.

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William Shakespeare

Der Kaufmann von Venedig

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Der Kaufmann von Venedig

Erster Aufzug

Zweiter Aufzug

Dritter Aufzug

Vierter Aufzug

Fünfter Aufzug

Impressum neobooks

Der Kaufmann von Venedig

Erster Aufzug

Erste Szene

Venedig. Eine Straße.

Antonio, Salarino und Solanio treten auf.

ANTONIO.

Fürwahr, ich weiß nicht, was mich traurig macht:

Ich bin es satt; ihr sagt, das seid ihr auch.

Doch wie ich dran kam, wie mir's angeweht,

Von was für Stoff es ist, woraus erzeugt,

Das soll ich erst erfahren.

Und solchen Dummkopf macht aus mir die Schwermut,

Ich kenne mit genauer Not mich selbst.

SALARINO.

Eu'r Sinn treibt auf dem Ozean umher,

Wo Eure Galeonen, stolz besegelt,

Wie Herrn und reiche Bürger auf der Flut,

Als wären sie das Schaugepräng' der See,

Hinwegsehn über kleines Handelsvolk,

Das sie begrüßet, sich vor ihnen neigt,

Wie sie vorbeiziehn mit gewebten Schwingen.

SOLANIO.

Herr, glaubt mir, hätt' ich so viel auf dem Spiel,

Das beste Teil von meinem Herzen wäre

Bei meiner Hoffnung auswärts. Immer würd' ich

Gras pflücken, um den Zug des Winds zu sehn;

Nach Häfen, Reed' und Damm in Karten gucken,

Und alles, was mich Unglück fürchten ließ'

Für meine Ladungen, würd' ohne Zweifel

Mich traurig machen.

SALARINO.

Mein Hauch, der meine Suppe kühlte, würde

Mir Fieberschauer anwehn, dächt' ich dran,

Wie viel zur See ein starker Wind kann schaden.

Ich könnte nicht die Sanduhr rinnen sehn,

So dächt' ich gleich an Seichten und an Bänke,

Säh' meinen reichen Hans im Sande fest,

Das Haupt bis unter seine Rippen neigend,

Sein Grab zu küssen. Ging' ich in die Kirche

Und säh' das heilige Gebäu von Stein,

Sollt' ich nicht gleich an schlimme Felsen denken,

Die an das zarte Schiff nur rühren dürfen,

So streut es auf den Strom all sein Gewürz,

Und hüllt die wilde Flut in meine Seiden.

Und kurz, jetzt eben dies Vermögen noch,

Nun gar keins mehr? Soll ich, daran zu denken,

Gedanken haben, und mir doch nicht denken,

Daß solch ein Fall mich traurig machen würde?

Doch sagt mir nichts; ich weiß, Antonio

Ist traurig, weil er seines Handels denkt.

ANTONIO.

Glaubt mir, das nicht: ich dank' es meinem Glück,

Mein Vorschuß ist nicht einem Schiff vertraut,

Noch einem Ort; noch hängt mein ganz Vermögen

Am Glücke dieses gegenwärt'gen Jahrs:

Deswegen macht mein Handel mich nicht traurig.

SOLANIO.

So seid Ihr denn verliebt?

ANTONIO.

Pfui, pfui!

SOLANIO.

Auch nicht verliebt? Gut denn, so seid Ihr traurig,

Weil Ihr nicht lustig seid; Ihr könntet eben

Auch lachen, springen, sagen: Ihr seid lustig,

Weil Ihr nicht traurig seid. Nun, beim zweiköpf'gen Janus!

Natur bringt wunderliche Kauz' ans Licht:

Der drückt die Augen immer ein und lacht

Wie'n Starmatz über einen Dudelsack;

Ein andrer von so sauerm Angesicht,

Daß er die Zähne nicht zum Lachen wiese,

Schwür' Nestor auch, der Spaß sei lachenswert.

Bassanio, Lorenzo und Graziano kommen.

Hier kommt Bassanio, Euer edler Vetter,

Graziano und Lorenzo: lebt nun wohl,

Wir lassen Euch in besserer Gesellschaft.

SALARINO.

Ich wär' geblieben, bis ich Euch erheitert;

Nun kommen wert're Freunde mir zuvor.

ANTONIO.

Sehr hoch steht Euer Wert in meiner Achtung.

Ich nehm' es so, daß Euch Geschäfte rufen

Und Ihr den Anlaß wahrnehmt, wegzugehn.

SALARINO.

Guten Morgen, liebe Herren!

BASSANIO.

Ihr lieben Herrn, wann lachen wir einmal?

Ihr macht euch gar zu selten: muß das sein?

SALARINO.

Wir hoffen Euch bei Muße aufzuwarten.

Salarino und Solanio ab.

LORENZO.

Da Ihr Antonio gefunden habt,

Bassanio, wollen wir Euch nun verlassen.

Doch bitt' ich, denkt zur Mittagszeit daran,

Wo wir uns treffen sollen.

BASSANIO.

Rechnet drauf!

GRAZIANO.

Ihr seht nicht wohl, Signor Antonio;

Ihr macht Euch mit der Welt zu viel zu schaffen:

Der kommt darum, der mühsam sie erkauft.

Glaubt mir, Ihr habt Euch wunderbar verändert.

ANTONIO.

Mir gilt die Welt nur wie die Welt, Graziano:

Ein Schauplatz, wo man eine Rolle spielt,

Und mein' ist traurig.

GRAZIANO.

Laßt den Narr'n mich spielen,

Mit Lust und Lachen laßt die Runzeln kommen,

Und laßt die Brust von Wein mir lieber glühn,

Als härmendes Gestöhn das Herz mir kühlen.

Weswegen sollt' ein Mann mit warmem Blut

Da sitzen wie ein Großpapa, gehaun

In Alabaster? Schlafen, wenn er wacht?

Und eine Gelbsucht an den Leib sich ärgern?

Antonio, ich will dir etwas sagen;

Ich liebe dich, und Liebe spricht aus mir:

Es gibt so Leute, deren Angesicht

Sich überzieht gleich einem steh'nden Sumpf,

Und die ein eigensinnig Schweigen halten,

Aus Absicht, sich in einen Schein zu kleiden

Von Weisheit, Würdigkeit und tiefem Sinn;

Als wenn man spräche: »Ich bin Herr Orakel;

Tu' ich den Mund auf, rühr' sich keine Maus!«

O mein Antonio, ich kenne deren,

Die man deswegen bloß für Weise hält,

Weil sie nichts sagen: sprächen sie, sie brächten

Die Ohren, die sie hörten, in Verdammnis,

Weil sie die Brüder Narren schelten würden.

Ein andermal sag' ich dir mehr hievon.

Doch fische nicht mit so trübsel'gem Köder

Nach diesem Narrengründling, diesem Schein.

Komm, Freund Lorenzo! – Lebt so lange wohl:

Ich schließe meine Predigt nach der Mahlzeit.

LORENZO.

Gut, wir verlassen Euch bis Mittagszeit.

Ich muß von diesen stummen Weisen sein,

Denn Graziano läßt mich nie zum Wort.

GRAZIANO.

Gut, leiste mir zwei Jahre noch Gesellschaft,

So kennst du deiner Zunge Laut nicht mehr.

ANTONIO.

Lebt wohl! Ich werd' ein Schwätzer Euch zu lieb.

GRAZIANO.

Dank, fürwahr! denn Schweigen ist bloß zu empfehlen

An geräucherten Zungen und jungfräulichen Seelen.

Graziano und Lorenzo ab.

ANTONIO.

Ist das nun irgend was?

BASSANIO. Graziano spricht unendlich viel Nichts, mehr als irgendein Mensch in ganz Venedig. Seine vernünftigen Gedanken sind wie zwei Weizenkörner in zwei Scheffeln Spreu versteckt: Ihr sucht den ganzen Tag, bis Ihr sie findet, und wenn Ihr sie habt, so verlohnen sie das Suchen nicht.

ANTONIO.

Gut, sagt mir jetzt, was für ein Fräulein ist's,

Zu der geheime Wallfahrt Ihr gelobt,

Wovon Ihr heut zu sagen mir verspracht?

BASSANIO.

Euch ist nicht unbekannt, Antonio,

Wie sehr ich meinen Glücksstand hab' erschöpft,

Indem ich glänzender mich eingerichtet,

Als meine schwachen Mittel tragen konnten.

Auch jammr' ich jetzt nicht, daß die große Art

Mir untersagt ist; meine Sorg' ist bloß,

Mit Ehren von den Schulden los zu kommen,

Worin mein Leben, etwas zu verschwend'risch,

Mich hat verstrickt. Bei Euch, Antonio,

Steht meine größte Schuld, an Geld und Liebe,

Und Eure Liebe leistet mir Gewähr,

Daß ich Euch meine Plan' eröffnen darf,

Wie ich mich löse von der ganzen Schuld.

ANTONIO.

Ich bitt' Euch, mein Bassanio, laßt mich's wissen;

Und steht es, wie Ihr selber immer tut,

Im Angesicht der Ehre, seid gewiß:

Ich selbst, mein Beutel, was ich nur vermag,

Liegt alles offen da zu Euerm Dienst.

BASSANIO.

In meiner Schulzeit, wenn ich einen Bolzen

Verloren hatte, schoß ich seinen Bruder

Von gleichem Schlag den gleichen Weg; ich gab

Nur besser acht, um jenen auszufinden,

Und, beide wagend, fand ich beide oft.

Ich führ' Euch dieses Kinderbeispiel an,

Weil das, was folgt, die lautre Unschuld ist.

Ihr lieht mir viel, und wie ein wilder Junge

Verlor ich, was Ihr lieht; allein, beliebt's Euch,

Noch einen Pfeil desselben Wegs zu schießen,

Wohin der erste flog, so zweifl' ich nicht:

Ich will so lauschen, daß ich beide finde.

Wo nicht, bring' ich den letzten Satz zurück,

Und bleib' Eu'r Schuldner dankbar für den ersten.

ANTONIO.

Ihr kennt mich, und verschwendet nur die Zeit,

Da Ihr Umschweife macht mit meiner Liebe.

Unstreitig tut Ihr jetzt mir mehr zu nah,

Da Ihr mein Äußerstes in Zweifel zieht,

Als hättet Ihr mir alles durchgebracht.

So sagt mir also nur, was ich soll tun,

Wovon Ihr wißt, es kann durch mich geschehn,

Und ich bin gleich bereit: deswegen sprecht!

BASSANIO.

In Belmont ist ein Fräulein, reich an Erbe,

Und sie ist schön, und, schöner als dies Wort,

Von hohen Tugenden; von ihren Augen

Empfing ich holde stumme Botschaft einst.

Ihr Nam' ist Porzia; minder nicht an Wert

Als Catos Tochter, Brutus' Portia.

Auch ist die weite Welt des nicht unkundig,

Denn die vier Winde wehn von allen Küsten

Berühmte Freier her; ihr sonnig Haar

Wallt um die Schläf' ihr, wie ein goldnes Vlies:

Zu Kolchos' Strande macht es Belmonts Sitz,

Und mancher Jason kommt, bemüht um sie.

O mein Antonio! hätt' ich nur die Mittel,

Den Rang mit ihrer einem zu behaupten,

So weissagt mein Gemüt so günstig mir,

Ich werde sonder Zweifel glücklich sein.

ANTONIO.

Du weißt, mein sämtlich Gut ist auf der See;

Mir fehlt's an Geld und Anstalt, eine Summe

Gleich bar zu heben; also geh, sieh zu,

Was in Venedig mein Kredit vermag:

Den spann' ich an, bis auf das äußerste,

Nach Belmont dich für Porzia auszustatten.

Geh, frage gleich herum, ich will es auch,

Wo Geld zu haben: ich bin nicht besorgt,

Daß man uns nicht auf meine Bürgschaft borgt.

Beide ab.

Zweite Szene

Belmont. Ein Zimmer in Porzias Hause.

Porzia und Nerissa kommen.

PORZIA. Auf mein Wort, Nerissa, meine kleine Person ist dieser großen Welt überdrüssig.

NERISSA. Ihr würdet es sein, bestes Fräulein, wenn Euer Ungemach in ebenso reichem Maße wäre, als Euer gutes Glück ist. Und doch, nach allem, was ich sehe, sind die ebenso krank, die sich mit allzuviel überladen, als die bei nichts darben. Es ist also kein mittelmäßiges Los, im Mittelstande zu sein. Überfluß kommt eher zu grauen Haaren, aber Auskommen lebt länger.

PORZIA. Gute Sprüche, und gut vorgetragen!

NERISSA. Gut befolgt, wären sie besser.

PORZIA. Wäre tun so leicht, als wissen, was gut zu tun ist, so wären Kapellen Kirchen geworden, und armer Leute Hütten Fürstenpaläste. Der ist ein guter Prediger, der seine eignen Ermahnungen befolgt: – ich kann leichter zwanzig lehren, was gut zu tun ist, als einer von den zwanzigen sein und meine eignen Lehren befolgen. Das Gehirn kann Gesetze für das Blut aussinnen; aber eine hitzige Natur springt über eine kalte Vorschrift hinaus. Solch ein Hase ist Tollheit, der junge Mensch, daß er weghüpft über das Netz des Krüppels guter Rat. Aber dies Vernünfteln hilft mir nicht dazu, einen Gemahl zu wählen. – Oh, über das Wort wählen! Ich kann weder wählen, wen ich will; noch ausschlagen, wen ich nicht mag: so wird der Wille einer lebenden Tochter durch den letzten Willen eines toten Vaters gefesselt. Ist es nicht hart, Nerissa, daß ich nicht einen wählen und doch keinen ausschlagen darf?

NERISSA. Euer Vater war allzeit tugendhaft, und fromme Männer haben im Tode gute Eingebungen: also wird die Lotterie, die er mit diesen drei Kästchen von Gold, Silber und Blei ausgesonnen hat, daß der, welcher seine Meinung trifft, Euch erhält, ohne Zweifel von niemanden recht getroffen werden, als von einem, den Ihr recht liebt. Aber welchen Grad von Zuneigung fühlt Ihr gegen irgendeinen der fürstlichen Freier, die schon gekommen sind?

PORZIA. Ich bitte dich, nenne sie her: Wie du sie nennst, will ich sie beschreiben, und von meiner Beschreibung schließe auf meine Zuneigung.

NERISSA. Zuerst ist da der neapolitanische Prinz.

PORZIA. Das ist ein wildes Füllen, in der Tat. Er spricht von nichts als seinem Pferde, und bildet sich nicht wenig auf seine Talente ein, daß er es selbst beschlagen kann. Ich fürchte sehr, seine gnädige Frau Mutter hat es mit einem Schmied gehalten.

NERISSA. Ferner ist da der Pfalzgraf.

PORZIA. Er tut nichts wie stirnrunzeln, als wollt' er sagen: »Wenn Ihr mich nicht haben wollt, so laßt's!« Er hört lustige Geschichten an, und lächelt nicht. Ich fürchte, es wird der weinende Philosoph aus ihm, wenn er alt wird, da er in seiner Jugend so unhöflich finster sieht. Ich möchte lieber an einen Totenkopf mit dem Knochen im Munde verheiratet sein, als an einen von diesen. Gott beschütze mich vor beiden!

NERISSA. Was sagt Ihr denn zu dem französischen Herrn, Monsieur le Bon?

PORZIA. Gott schuf ihn, also laßt ihn für einen Menschen gelten. Im Ernst, ich weiß, daß es sündlich ist, ein Spötter zu sein; aber er! Ja doch, er hat ein besseres Pferd als der Neapolitaner; eine bessere schlechte Gewohnheit, die Stirn zu runzeln, als der Pfalzgraf; er ist jedermann und niemand. Wenn eine Drossel singt, so macht er gleich Luftsprünge; er ficht mit seinem eignen Schatten. Wenn ich ihn nähme, so nähme ich zwanzig Männer; wenn er mich verachtete, so vergäbe ich es ihm: denn er möchte mich bis zur Tollheit lieben, ich werde es niemals erwidern.

NERISSA. Was sagt Ihr denn zu Faulconbridge, dem jungen Baron aus England?