Der kleine Vampir: Dein Freund für immer - Angela Sommer-Bodenburg - E-Book

Der kleine Vampir: Dein Freund für immer E-Book

Angela Sommer-Bodenburg

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Beschreibung

Der Abschlussband der Erfolgsserie, die Eltern und Kinder seit Jahren begeistert. Neu überarbeitet von der Autorin. Seit dreihundertdreiundvierzig Nächten hat Anton seine Freunde, den kleinen Vampir Rüdiger von Schlotterstein und dessen Schwester Anna, nicht mehr gesehen. Umso größer ist Antons Freude, als Anna eines Nachts auf seinem Fensterbrett sitzt. Als Obervampirin hat Anna eine Menge neue Aufgaben und bittet Anton, ihr den Sommer über zur Seite zu stehen. Das kommt Anton wie gerufen, denn seit seine Eltern sich getrennt haben, haben sie kaum noch Zeit für ihn. Mit Anna aber versprechen es aufregende Ferien zu werden! Wäre da nur nicht die Frage aller Fragen, die Anna ihm stellen will – und die Anton vor eine unwiderrufliche Entscheidung stellt: Will er wirklich selbst zum Vampir werden?

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Seitenzahl: 186

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Ähnliche


Angela Sommer-Bodenburg

Der kleine Vampir: Dein Freund für immer

Bilder von Amelie Glienke

 

 

Über dieses Buch

 

 

Der Abschlussband der Erfolgsserie, die Eltern und Kinder seit Jahren begeistert. Neu überarbeitet von der Autorin.

Seit dreihundertdreiundvierzig Nächten hat Anton seine Freunde, den kleinen Vampir Rüdiger von Schlotterstein und dessen Schwester Anna, nicht mehr gesehen. Umso größer ist Antons Freude, als Anna eines Nachts auf seinem Fensterbrett sitzt. Als Obervampirin hat Anna eine Menge neue Aufgaben und bittet Anton, ihr den Sommer über zur Seite zu stehen. Das kommt Anton wie gerufen, denn seit seine Eltern sich getrennt haben, haben sie kaum noch Zeit für ihn. Mit Anna aber versprechen es aufregende Ferien zu werden! Wäre da nur nicht die Frage aller Fragen, die Anna ihm stellen will – und die Anton vor eine unwiderrufliche Entscheidung stellt: Will er wirklich selbst zum Vampir werden?

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch

Biografie

 

 

Angela Sommer-Bodenburg hat Pädagogik, Soziologie und Psychologie studiert. Sie war 12 Jahre Grundschullehrerin in Hamburg und lebt in Silver City, New Mexico, USA, wo sie schreibt und malt. Ihre Erfolgsserie «Der kleine Vampir» wurde in 34 Sprachen übersetzt. Zudem gibt es Musicals, Theaterstücke und Hörbücher zur Serie, außerdem wurde sie zweimal für das Fernsehen verfilmt. Im Jahr 2000 kam eine internationale Großproduktion auf die Kinoleinwand, und 2017 hatte die erste 3D-Animation von «Der kleine Vampir» als europäische Koproduktion Premiere.

Amelie Glienke studierte Malerei und freie Grafik bei Professor Georg Kiefer, Hochschule der Künste in Berlin. Sie arbeitet als Grafikerin, Zeichnerin und (unter dem Namen HOGLI) als Karikaturistin in Berlin und hat zwei Kinder. Amelie Glienke illustrierte u. a. Werke von Hanne Schüler und Roald Dahl.

Inhalt

Widmung

Personen

Alles ist anders!

Die Frage aller Fragen

Ein schlaues kleines Persönchen

Ein echter Vampirumhang

Eltern sind nun mal Eltern

Alle Wege führen nach Rom

Nur das, was man aufgibt, ist verloren

Jeder Tag zählt

Antons Abschiedsbrief

Gänsehaut

Die verbotene Salbe

Das Tor zur Welt der Vampire

Turtelspatzen

Villa Mitternacht

Tante Dorothees Spion

Im Kellergewölbe

Das Himmelbett

Zwielicht

Klara

Der Professor

Die Bibliothek

Nur ein Wimpernschlag

Der Untergang der Vampire

Wartet denn keiner auf dich?

Als wärst du einer von uns

Schwestern

Das größte Geschenk, das es gibt

Wie in alten Tagen – äh, Nächten

Das bleibt unter uns

Du siehst süß aus, wenn du schläfst

Bücher sind dazu da, gelesen zu werden

Wie ein Zombie

Olgas Chambre séparée

Hugo der Haarige

Bis die Sonne aufgeht

Ganz allein Antons Wahl

Wir sind doch Freunde

Ein neuer Anfang

Dieses Buch ist für alle Freunde

und Freundinnen des kleinen Vampirs,

die großen und die kleinen,

und natürlich für Burghardt Bodenburg,

meinen Freund für immer

Angela Sommer-Bodenburg

Personen

Anton

Anton Bohnsack liest gern Vampirgeschichten. Durch seine Freundschaft mit Rüdiger und Anna von Schlotterstein erfährt Anton viel über die wahre Existenz der Vampire. Doch er lernt auch, dass es sehr gefährlich sein kann, mit Vampiren befreundet zu sein.

Antons Eltern

Antons Vater glaubt nicht an Vampire. Er hält Rüdiger und Anna für zwei ganz normale Kinder, die sich nur als Vampire verkleiden. Antons Mutter dagegen ist der Wahrheit schon mehrmals sehr nahegekommen. Antons Vater arbeitet im Büro, seine Mutter ist Lehrerin.

Rüdiger

Rüdiger, der kleine Vampir, ist seit mindestens 150 Jahren Vampir. Dass er klein ist, hat einen einfachen Grund: Er ist schon als Kind Vampir geworden. Rüdiger liest gern – am liebsten Vampirbücher mit einem Happy End für Vampire! Als Vampir muss er auf seinen eigenen Vorteil bedacht sein. In brenzligen Situationen verdrückt er sich gern und schickt andere vor. Aber wenn es wirklich darauf ankommt, lässt er seinen Freund Anton nicht im Stich.

Anna

Anna ist Rüdigers Schwester – seine «kleine» Schwester, wie er gern betont. Dabei ist Anna fast so stark wie Rüdiger, nur mutiger und unerschrockener als er. Sie liest am liebsten Vampir-Liebesgeschichten! Elisabeth die Naschhafte hat Anna zu ihrer Nachfolgerin als Obervampirin bestimmt.

Lumpi

Lumpi ist in der Pubertät Vampir geworden. Deshalb hat er eine mal hoch, mal tief krächzende Stimme. Schlimm ist nur, dass er aus diesem schwierigen Alter nie herauskommen wird. Aufgrund seiner Reizbarkeit stellt er für Anton eine ständige Bedrohung dar.

Olga

Olga Fräulein von Seifenschwein ist die Nichte von Tante Dorothee. Sie wohnte einst in einem transsylvanischen Schloss und musste mit ansehen, wie ihre Eltern von Vampirjägern vernichtet wurden. Von diesem Trauma hat sie sich nie völlig erholt. Olga ist sehr hochnäsig und eingebildet und versteht es, andere auszunutzen.

Tante Dorothee

Tante Dorothee ist einer der blutrünstigsten Vampire und wird allgemein gefürchtet. Ihr nach Sonnenuntergang zu begegnen, kann lebensgefährlich werden. Von den erwachsenen Vampiren ist sie die Einzige, die sich stärker um die Vampirkinder kümmert.

Alles ist anders!

Seit fünf Tagen hatte Anton Sommerferien. Aber diesmal war alles anders für ihn. Nach einem schrecklichen Streit hatten sich Antons Eltern getrennt, und nun wohnte er abwechselnd bei seinem Vater in der alten Wohnung und bei seiner Mutter in ihrer neuen Wohnung. Doch zu Hause, richtig zu Hause fühlte sich Anton in keiner Wohnung.

Und seit die Sommerferien begonnen hatten, lag er in seinem alten Zimmer auf dem Bett und tat … gar nichts!

Sein Vater nannte es «Löcher in die Luft starren». Aber diesen Ausdruck fand Anton schon viel zu dynamisch.

«Mir ist einfach danach, nichts zu tun», hatte er gesagt, als sein Vater immer wieder mit neuen Vorschlägen kam, was sie alles unternehmen könnten. Zum Kegeln wollte sein Vater mit ihm gehen, ins Schwimmbad, ins Kino, ins Theater, ins Museum …

Doch Anton hatte jedes Mal nur müde abgewinkt.

«Du bist wirklich ein fauler Kerl!», hatte sein Vater schließlich verärgert gesagt.

Damit hatte er Anton aber keineswegs gekränkt. Es stimmte ja: Er war im Moment tatsächlich sehr faul. Abends schaffte er es oft noch nicht mal, sich auszuziehen. Dann schlief er in den Sachen ein, die er den ganzen Tag getragen hatte.

«In deinen Ferien sollst du all das unternehmen, was dir Spaß macht und wofür du sonst keine Zeit hast!», hatte ihm sein Vater vorgehalten.

«Aber genau das macht mir Spaß. Und genau das kann ich in der Schulzeit nie: faul sein!», hatte Anton gesagt.

Danach hatte ihn sein Vater in Ruhe gelassen.

Besonders toll war das Faulsein dann aber doch nicht. Überhaupt war nichts mehr wirklich toll in seinem Leben …

 

Anton blickte zum offenen Fenster. Inzwischen war es dunkel geworden. Doch er hatte sich nicht die Mühe gemacht, seinen Arm auszustrecken und die Lampe einzuschalten. Und so zuckte er erschrocken zusammen, als er im Winkel des Fensters eine kleine, in einen schwarzen Umhang gehüllte Gestalt entdeckte. Auch ein ungewöhnlicher Geruch fiel ihm auf.

«Rüdiger?» Plötzlich hatte Anton Herzklopfen.

«Nein!», kam die Antwort.

Dann ertönte ein Kichern. Und dieses Kichern kannte Anton. Es musste Anna sein, die Schwester des kleinen Vampirs Rüdiger von Schlotterstein!

«Guten Abend, Anton», sagte sie und hüpfte ins Zimmer.

Anton konnte sie nur schemenhaft erkennen. Aber er sah das Weiß in ihren Augen leuchten. Und als Anna sich jetzt seinem Bett näherte und lächelte, sah er noch etwas weiß aufleuchten: ihre Vampirzähne.

Anna blieb stehen und sagte: «Ich hab dich gar nicht gefragt, ob ich reinkommen darf, Anton.»

«Das tust du doch nie», antwortete er.

«Du hast recht», sagte sie. «Früher hab ich nie gefragt. Aber jetzt ist einiges anders.»

«Nicht nur einiges. Alles ist anders!»

«Was meinst du damit?»

Anton drehte den Kopf zur Wand. «Nichts», sagte er.

«Darf ich mich setzen?», hörte er Annas Stimme.

«Solange du dich nicht auf mein Bett setzt», antwortete er.

«Ich hab mich auf deinen Stuhl gesetzt», sagte sie. «Auf den lustigen. Den, der sich dreht!»

Anton fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Merkwürdig … seine Augen waren auf einmal ganz nass! Und er hatte keine Ahnung, warum.

«Weinst du?», fragte Anna.

Wie alle Vampire konnte sie im Dunkeln ausgezeichnet sehen. «Nein», behauptete Anton.

«Und ich dachte, du freust dich über meinen Besuch!», sagte Anna.

«Ich freu mich doch auch», antwortete er.

Dabei klang seine Stimme so quakig wie ein Frosch im Teich, dass er lachen musste.

«Es sind Freudentränen», sagte er schnell.

Jetzt gab auch Anna ein Schniefen von sich und wischte sich über die Augen.

«Es ist wirklich lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben», sagte sie.

«Jahre!», übertrieb Anton absichtlich.

«Nein, so lange war es nicht», widersprach sie. «Es waren genau sieben mal sieben mal sieben Nächte!»

«Sieben mal sieben mal sieben Nächte?» Anton versuchte auszurechnen, wie viel das ergab. Kopfrechnen war nicht gerade seine Stärke …

«Es waren dreihundertdreiundvierzig Nächte», sagte Anna. «Und du kannst mir glauben: Ich hab dich jede Nacht vermisst. Jede einzelne Nacht.»

«Ich dich auch», sagte er.

Dass er Rüdiger, den kleinen Vampir, mindestens ebenso sehr vermisst hatte, behielt er allerdings für sich. Aus Erfahrung wusste er, wie empfindlich Anna war.

«Wieso bist du nicht zu mir gekommen, wenn du mich vermisst hast?» Ein leiser Vorwurf lag in Annas Stimme.

Durch das Fenster fiel ein Streifen Mondlicht ins Zimmer, und nun konnte Anton ihr Gesicht erkennen. Anna sah so bezaubernd aus wie immer, aber irgendwie hatte sie sich verändert.

«Hast du mein Päckchen nicht geöffnet?», fragte sie, als Anton keine Antwort gab.

«Doch», sagte er.

Nachdem Anna sich von ihm verabschiedet hatte, weil sie die Nachfolgerin von Elisabeth der Naschhaften – und damit Obervampirin – werden sollte, hatte er eines Morgens ein Päckchen auf seinem Fensterbrett entdeckt. In dem Päckchen hatte er Annas Nächtebuch gefunden, zusammen mit einem Brief und einer schwarzen Feder.

«Und mein Brief, der in dem Päckchen war, hast du den gelesen?», wollte Anna wissen.

«Sicher», antwortete er.

«Und die schwarze Feder? Hast du die benutzt?» In Annas Stimme schwang Ungeduld mit. «In meinem Brief hatte ich geschrieben, dass die Feder ganz besondere Kräfte hat!»

«Ich hab sie benutzt.» Anton räusperte sich. «Ich hab die schwarze Feder in meine Hand gesetzt und gefragt, ob sie mir sagen kann, wo du bist.»

«Ja, und?»

«Sie hat Herkulesbad geschrieben.»

«Du hast also gewusst, wo ich war …» Anna stieß sich mit dem Fuß vom Boden ab und drehte sich mehrmals im Kreis. Anton fürchtete schon, der Drehstuhl könnte anfangen zu fliegen. Aber nur Annas Vampirumhang flatterte, weiter geschah nichts.

Nach einigen Drehungen brachte Anna den Stuhl zum Halten.

«Und trotzdem hast du dich von der Feder nicht zu mir nach Herkulesbad führen lassen!», sagte sie in beinahe anklagendem Ton.

Anton schwieg.

«Oder wolltest du nicht zu mir kommen?», fragte Anna. Wieder sah Anton ihre Vampirzähne aufblitzen.

«Ich weiß nicht», antwortete er wahrheitsgemäß. «Ich weiß eigentlich gar nichts mehr.»

Eine Pause trat ein.

Mit Blick auf Antons geschlossene Zimmertür, hinter der man die Geräusche des Fernsehers hörte, fragte Anna: «Sind deine Eltern da?»

«Nein», sagte Anton.

«Aber der Fernseher läuft doch!»

«Nur mein Vater ist da. Meine Eltern haben sich getrennt.»

«Getrennt?»

«Ja.»

«Deine Mutter wohnt nicht mehr bei euch?»

«Nein. Und ich auch nicht.»

«Aber das hier ist doch dein Zimmer», sagte Anna.

«Ich hab jetzt zwei Zimmer», erklärte Anton.

«Zwei Zimmer?»

«Ja. Das hier und noch eins bei meiner Mutter.»

«Zwei Zimmer zu haben – das muss schön sein», meinte Anna. «Wir haben nur die Familiengruft und unseren eigenen Sarg.»

«Mir wäre es lieber, wenn meine Eltern noch zusammen wären», sagte Anton. «Und auf das zweite Zimmer könnte ich gern verzichten.»

«Wahrscheinlich hat Rüdiger dich deswegen nie angetroffen», bemerkte Anna. «Er sagt, du kommst nicht mehr ans Fenster, wenn er bei dir klopft.»

«Ja, kann sein, vielleicht war ich dann gerade bei meiner Mutter. Aber wir hatten auch Streit, Rüdiger und ich», erklärte Anton.

«Davon hat Rüdiger mir nichts verraten», sagte sie. «Und worüber habt ihr euch gestritten?»

«Ach, das ist lange her», wehrte er ab.

«Ich möchte es aber wissen», sagte Anna.

«Es ging um Olga», antwortete er.

«Um Olga?», rief Anna erbost. «Ist sie wieder bei dir gewesen? Wollte sie dich zum zweiten Mal beißen?»

Anton überlief ein Schauer. Bei der Erinnerung an die Nacht der Letzten Verwandlung wurde ihm noch immer ganz sonderbar zumute. In jener Nacht war Olga so heimtückisch gewesen, seine Ohnmacht auszunutzen und ihn in den Hals zu beißen. Vampir war Anton aber nicht geworden. Dazu hätte er durch die Letzte Verwandlung gehen und aus dem goldenen Pokal der Vampire den Trank des Ewigen Lebens trinken müssen.

«Nein, sie war nicht hier», beruhigte er Anna. «Aber Rüdiger hat Olga in der Zwischenzeit alles verziehen, was sie ihm und mir angetan hat. Er hat gesagt, Olga wollte mir einen Liebesdienst erwiesen, als sie mich gebissen hat!»

«Einen Liebesdienst?»

«Ja. Rüdiger hat behauptet, mit diesem Liebesdienst wollte sie mir das Ewige Leben schenken. Pah! Zu mir hat Olga gesagt, dass sie mich zu ihrem Sklaven machen wollte!»

«Dann hätte ich Olga aber die Augen ausgekratzt!», rief Anna und ballte die Fäuste.

«Ja, und da bin ich wütend geworden und hab gesagt, Rüdiger soll erst wieder herkommen, wenn er sich bei mir entschuldigen will», erzählte Anton. «Und seitdem hab ich ihn nicht mehr gesehen.»

«Du weißt doch, dass Vampire sich nie entschuldigen», sagte Anna.

«Soll das heißen, du nimmst Rüdiger jetzt auch noch in Schutz?», empörte sich Anton.

«Nein, bestimmt nicht», antwortete Anna.

Die Frage aller Fragen

«Hast du etwas dagegen, wenn ich Licht mache?», fragte Anton.

«Nein», sagte Anna.

Er schaltete die Nachttischlampe ein.

«Du kannst also noch immer nicht im Dunkeln sehen», sagte sie.

«Nicht richtig», antwortete er.

«Dann ist ja alles bestens», meinte sie.

«Bestens?»

«Ja! Das ist es doch, was du wolltest, oder?»

«Ich … ich verstehe nicht, wovon du sprichst.»

«Du wolltest unter keinen Umständen Vampir werden – davon spreche ich», sagte Anna.

«Ach, das …» Anton setzte sich aufs Bett. Er musterte Anna. Ihr Haar, das sie nie so recht hatte bändigen können, umfloss in weichen Locken ihr Gesicht. Ihre Lippen waren dunkelrot. Und was das Rot ihrer Lippen bedeutete – darüber dachte Anton lieber nicht nach!

«Ja, früher war ich fest entschlossen, kein Vampir zu werden», sagte er.

Anna sah ihn prüfend an. «Heißt das, du hast deine Meinung geändert?»

«Wenn ich das wüsste.» Wieder musste Anton lachen. Aber nach all den trübsinnigen Wochen, die hinter ihm lagen, fühlte sich das Lachen ungeheuer gut an. Richtig befreiend!

«Anscheinend weiß ich heute Abend gar nichts mehr …»

«Manchmal verstehen wir unsere eigenen Wünsche nicht», sagte Anna. «Und wenn die Wünsche sich dann melden, schrecken wir vor ihnen zurück.»

Sie ließ ein paar Minuten verstreichen, bevor sie hinzufügte: «Aber du musst dich nicht sofort entscheiden.»

«Mich sofort entscheiden? Wofür?», fragte Anton.

«Ich bin hier, weil ich dir die Frage aller Fragen stellen will», sagte Anna mit ungewöhnlichem Ernst.

Anton zuckte zusammen. Eine schreckliche Erinnerung war in ihm wach geworden. Gleichzeitig begann es in den Bissstellen an seinem Hals zu brennen und zu pochen.

«Die Frage aller Fragen?», wiederholte er mit rauer Stimme. «In der Nacht der Letzten Verwandlung wollte Olga mir …» Er sprach nicht weiter.

«Was wollte Olga?», rief Anna.

«Mir die Frage aller Fragen stellen. Das hat sie jedenfalls gesagt.»

Anna ballte ihre Fäuste. «Olga kann dir die Frage aller Fragen überhaupt nicht stellen. Niemals!», stieß sie hervor.

«Nicht?», wunderte er sich.

«Nein. Die Frage aller Fragen können dir nur Rüdiger und ich stellen», erklärte sie.

In Antons Kopf ging es ziemlich durcheinander. «Wieso können nur Rüdiger und du mir die Frage aller Fragen stellen?»

«Weil Rüdiger dein erster Freund unter uns Vampiren war», antwortete Anna. «Und ich kann dir die Frage aller Fragen stellen, weil ich deine erste Freundin unter uns Vampiren war.»

Anton überlegte. Schließlich fragte er: «Hast du mir die Frage aller Fragen nicht schon früher ein paarmal gestellt?»

Anna schüttelte energisch den Kopf. «Die Frage aller Fragen hab ich dir noch nie gestellt. Du denkst, wenn ich mich so ganz nebenbei erkundige, ob du Vampir werden möchtest, wäre das bereits die Frage aller Fragen?»

Er nickte.

«Nein!», erwiderte sie. «Die Frage aller Fragen muss in ihrer althergebrachten, überlieferten Form gestellt werden. Kein einziges Wort darf verändert werden.»

«Und … und wie lautet die Frage aller Fragen?», wollte Anton wissen.

«Heißt das, du möchtest ihren genauen Wortlaut hören?», fragte Anna.

«Äh – ja», sagte er.

Anna legte ihre Fingerspitzen an die Schläfen und schloss die Augen. Eigentlich hatte Anton nur aus Neugier erfahren wollen, wie die geheimnisvolle Frage lautete. Aber nun wurde ihm auf einmal bewusst, dass Anna ihm die Frage aller Fragen wirklich und wahrhaftig stellen würde. Es lief ihm kalt den Rücken hinunter.

Ohne ihre Augen zu öffnen, begann Anna:

Willst du

erwachen aus dem Traum, den man Leben nennt?

Willst du

die Nacht erfahren, wie kein Mensch sie kennt?

Willst du

mir folgen in die Ewigkeit?

So sprich:

Umarme mich,

oh Dunkelheit,

ich bin bereit!

In Antons Ohren sauste es. Erwartete Anna, dass er nun «Ich bin bereit!» sagen würde?

Aber das konnte er nicht, auf gar keinen Fall …

Anna hatte die Augen wieder geöffnet und schaute ihn an.

Das plötzliche Schweigen zwischen ihnen war seltsam und beunruhigend. Für einen Moment schien es Anton, als hätte sich vor ihm ein gefährlicher Abgrund aufgetan und als würde aus dem Abgrund etwas nach ihm greifen, das ihn mit sich in die Tiefe reißen wollte. Aber dann verstand er, dass es nur seine eigene Angst war, der er sich gegenübersah.

Jetzt lächelte Anna und sagte: «Wir haben keine Eile, Anton.»

Während sie das sagte, ertönten im Flur Schritte.

Dann klopfte es an der Tür, und sie hörten die Stimme von Antons Vater: «Was hältst du von einer Partie Schach, Anton? Oder Mühle? Oder Scrabble?»

In Antons Familie war es üblich, dass man anklopfte, bevor man eintrat, und so war Anna im Augenblick noch sicher.

«Mein Vater kommt bestimmt gleich ins Zimmer», warnte Anton sie. «Du solltest besser abfliegen!»

«Ich muss mich nicht verstecken», sagte sie.

Wieder klopfte es an der Tür.

«Anton?», rief sein Vater. «Schläfst du?»

Da ging die Tür auf, und Antons Vater stand im Zimmer.

«Oh, du hast Besuch …», sagte er. «Davon hatte ich natürlich keine Ahnung.»

«Guten Abend, Herr Bohnsack!» Anna erhob sich und streckte Antons Vater die Hand entgegen.

«Ach, du bist es, Anna.» Eher zögerlich ergriff Antons Vater Annas Hand. «Komisch. Ich hab gar nicht gehört, wie du geklingelt hast.»

Sie kicherte – und schwieg.

«Ich möchte ja nicht stören», sagte er. «Aber wenn ihr euch lange genug in die Augen geschaut habt, könnt ihr gern zu mir ins Wohnzimmer kommen.»

«Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Bohnsack», sagte Anna. «Ich wollte sowieso mit Ihnen sprechen.»

«Du wolltest mit mir sprechen?»

«Ja! Wegen Anton.»

«Da bin ich aber gespannt», meinte er.

«Ich auch …», sagte Anton.

Ein schlaues kleines Persönchen

Im Wohnzimmer blickte sich Anna überrascht um. Aber hier sah es wirklich sehr verändert aus. Die Bücherregale fehlten, ebenso der Ohrensessel, die Blumen und die meisten Bilder. Sonderlich aufgeräumt wirkte das Wohnzimmer auch nicht mehr.

Hastig schob Antons Vater die Zeitungen und Magazine zur Seite, mit denen der Sofatisch überhäuft war. Dann schaltete er den Fernseher aus.

Er machte eine einladende Geste und sagte: «Setz dich, Anna.»

Sie stieg über die Schuhe hinweg, die vor dem Sofa lagen, und setzte sich.

«Ich weiß, bei uns sieht es ein bisschen wie in einer Bärenhöhle aus. Aber Anton und ich sind seit einiger Zeit ein Junggesellenhaushalt», sagte er entschuldigend.

«Anton hat mir davon erzählt», sagte Anna. «Und bei mir zu Hause sieht es auch oft wie Kraut und Rüben aus.»

Was sein Vater darauf antwortete, hörte Anton nicht mehr, denn er war mit der leeren Pizzapackung und den Papptellern auf dem Weg in die Küche. Der Geruch nach Zwiebeln und Käse und Salami war für Annas empfindliche Nase bestimmt nicht sehr angenehm, dachte er sich.

Als Anton aus der Küche zurückkam, hatte sich sein Vater neben Anna auf das Sofa gesetzt.

Im hellen Licht der Stehlampe kam sie ihm noch hübscher vor. Aber ‹hübsch› war nicht das richtige Wort. Anna hätte diesen Ausdruck gehasst – ebenso, wie sie es hasste, wenn er sagte, sie sei ‹nett›.

Nein, Anna war eine Schönheit, eine vampirische Schönheit!

Sie war auch viel eleganter als früher gekleidet, das fiel ihm erst jetzt auf. Zwar trug sie ihren alten Vampirumhang, aber darunter erkannte er eine dunkelrote Bluse mit Perlmuttknöpfen, einen schwarzen Faltenrock, silbrig glitzernde Strümpfe und schwarze Schnürstiefel.

«Und du wolltest mit mir über Anton sprechen?», sagte Antons Vater nun und sah sie aufmunternd an.

«Ja! Es ist wegen der Sommerferien.»

Antons Vater verdrehte die Augen. «Seit die Ferien angefangen haben, hängt Anton nur noch in seinem Zimmer rum!»

Wütend biss sich Anton auf die Lippen. Doch er hielt es für das Klügste, sich nicht zu verteidigen.

«Ich hätte mir ja freigenommen und wäre mit Anton in den Urlaub gefahren», fuhr sein Vater fort. «Aber in meiner Firma sind einige Kollegen krank, da werde ich einfach gebraucht. Und Antons Mutter macht eine Bergwanderung. Sie wollte Anton mitnehmen, aber ihm war das zu anstrengend. Ja, unser Sohn ist leider ein fauler Strick.»

Diese Beleidigung konnte Anton nicht auf sich sitzen lassen!

«Hügel rauf, Hügel runter und dann noch mit mordsmäßig schwerem Gepäck – dazu hatte ich eben keine Lust», erklärte er. «Und für Blasen an den Füßen hab ich auch nichts übrig.»

Anna kicherte.

«Außerdem ist der neue Freund meiner Mutter dabei. Er war es, der die Idee mit der Bergwanderung hatte», ergänzte Anton.

Und diesmal war die Reihe an ihm zu grinsen, denn sein Vater kriegte prompt einen roten Kopf.

«Wenn du eine Bergwanderung machen würdest, müsstest du nicht mühsam die Berge raufkraxeln, schätze ich», wandte Antons Vater sich schnell an Anna. «Mit deinem tollen Vampirumhang könntest du zur Almhütte vorfliegen und dort schon für eine deftige Brotzeit sorgen, oder?»

Anton stockte für einen Moment der Atem, als Antons Vater jetzt auch noch an Annas Umhang zupfte.

Sie rückte von ihm ab und sagte hoheitsvoll: «Ich halte nichts von Brot, Herr Bohnsack.»

«Ja, richtig. Du isst nur den Käse, der auf dem Brot liegt», sagte er lachend.

«Auch nicht mehr», antwortete sie.

«Nein?» Um den Spaß noch weiter auf die Spitze zu treiben, zog Antons Vater seinen Hemdkragen herunter und zeigte ihr seinen Hals.

«Dann vielleicht ein paar Tropfen Blut, passend zu deinem Vampirumhang?», witzelte er.