Der Messias - Friedrich Gottlieb Klopstock - E-Book

Der Messias E-Book

Friedrich Gottlieb Klopstock

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Beschreibung

Der Messias ist ein Epos in 20 Gesängen von Friedrich Gottlieb Klopstock. Er veröffentlichte die ersten drei Gesänge des Messias 1748 mit dem Untertitel "Ein Heldengedicht". Im Laufe der Jahre gab er die weiteren Gesänge zusammen mit revidierten Fassungen der bereits publizierten Teile heraus. Die erste vollständige Ausgabe erschien 1772, weitere überarbeitete Fassungen erschienen 1781 und 1798. Klopstock verwendet als erster in der deutschen Literaturgeschichte durchgehende Hexameter und lehnt sich somit an die Epen des Homer (Ilias und Odyssee) an. Inhaltlich eröffnet der "Messias" in Deutschland die Epoche der Empfindsamkeit.

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Der Messias

Friedrich Gottlieb Klopstock

Inhalt:

Friedrich Gottlieb Klopstock – Biografie und Bibliografie

Der Messias

Erster Theil

Zweiter Theil

Dritter Theil

Vierter Theil

Der Messias , F. G. Klopstock

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849629601

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Friedrich Gottlieb Klopstock – Biografie und Bibliografie

Bahnbrechender deutscher Dichter, geb. 2. Juli 1724 in Quedlinburg, gest. 14. März 1803 in Hamburg, war das älteste unter 17 Kindern des Advokaten K. Die Ausbildung des Dichters, vom Vater früh vorzugsweise auf körperliche Entwickelung gerichtet, fand in dieser Hinsicht besondere Förderung durch den Umstand, dass die Familie um 1735 auf das in Pacht genommene Amtsgut Friedeburg bei Quedlinburg zog. 1737 wurde K. Schüler des Gymnasiums in letzterer Stadt, 1739 trat er in die Schule zu Pforta. Dort wurde er mit den altklassischen Schriftstellern genau vertraut und fasste frühzeitig den Plan zu einem nationalen Heldenepos über Heinrich den Vogler, der aber unter dem Eindruck von Miltons »Verlorenem Paradies« bald durch den des »Messias« verdrängt wurde. K. wählte mit sicherem Gefühl einen Gegenstand, in dem der bedeutendste Gehalt jener Zeit, die pietistisch vertiefte religiöse Stimmung, verkörpert werden konnte. Schon in seiner Abschiedsrede über die großen Epiker, die er 21. Sept. 1745 in Pforta hielt (abgedruckt in Cramers »Klopstock«, Bd. 1), wies er auf die große Lebensaufgabe, die ihm vorschwebte, hin. In Jena, wohin sich' K. im Herbst 1745 begab, um Theologie zu studieren, entstanden die drei ersten Gesänge des »Messias« und zwar in Prosa. Die anfängliche Absicht, das Gedicht überhaupt in ungebundener Rede abzufassen, die besonders in dem Widerwillen des Dichters gegen den Modevers, den Alexandriner, wurzelte, wurde erst während Klopstocks Studienzeit in Leipzig (seit Ostern 1746) aufgegeben, wo er den Anfang seines Gedichts, zuerst am Erfolg zweifelnd, in Hexameter umgoss, und dieser Übergang zu dem antiken Metrum sollte für die moderne Dichtung höchst bedeutsam werden. In Leipzig trat K. in Verbindung mit dem Kreis junger Poeten, die, von der Gottschedschen Richtung abgefallen, in den sogen. »Bremer Beiträgen« (s. d.) ihr literarisches Organ hatten. Diese »Beiträge« brachten denn auch (1748 im 4. Band) die drei ersten Gesänge von Klopstocks »Messias« in die Öffentlichkeit. K., der auch als Lyriker bereits in Leipzig produktiv gewesen war und dort einige seiner schönsten Oden (»Der Lehrling der Griechen«, »An die Freunde« (Wingolf), »An Giseke«, »Die künftige Geliebte«) gedichtet hatte, war inzwischen als Hauslehrer einer angesehenen Familie nach Langensalza gegangen, hauptsächlich um der Schwester seines Vetters Schmidt, Marie Sophie, nahe zu sein, die bei einem Besuch in Leipzig in K. eine leidenschaftliche, doch unerwiderte Neigung entfacht hatte und in Klopstocks Dichtungen unter dem Namen »Fanny« verewigt ist. Die Fruchtlosigkeit seiner Bemühungen, die Gegenliebe des Mädchens zu erwerben, bewog neben andern Umständen den Dichter, einer Einladung Bodmers nach Zürich zu folgen. Im Juli 1750 traf er hier ein. Unterdessen war das anfängliche Schweigen über das Messiasfragment in Deutschland dem lauten Lärm eines heftigen literarischen Streites gewichen. Der Professor der Philosophie G. F. Meier in Halle, der Gothaer Rektor Stuß u. a. sprachen sich anerkennend aus, während Gottsched energisch, aber völlig fruchtlos, die Begeisterung für den »Messias« bekämpfte. In Zürich enttäuschte Klopstocks jugendliches, genußfrohes Auftreten und Verhalten (vgl. die Ode »Zürchersee«) Bodmer und dessen alte Freunde, die einen »heiligen« Dichter erwartet hatten. Bodmer zürnte in unfreundlichster Weise; K. aber ging in seinem überreizten Selbstgefühl einen Schritt zu weit, so dass ein Bruch erfolgte, der vor Klopstocks Weggang aus Zürich (im Februar 1751) nur notdürftig geheilt werden konnte. Inzwischen hatte K. durch Vermittlung des Ministers Grafen Bernstorff vom König Friedrich V. von Dänemark einen Gnadengehalt von 400 Reichstaler erhalten, damit er in Kopenhagen den »Messias« mit guter Muße und »ohne Distraktion« beendigen könne. Auf der Hinreise lernte K. in Hamburg die für sein Gedicht begeisterte Meta Moller kennen, die im Juni 1754 seine Gattin wurde. Die ersten Jahre seiner sehr glücklichen Ehe sahen den Dichter auch auf dem Höhepunkt seines dichterischen Schaffens. 1755 war der »Messias« bis zum zehnten Gesang beendigt und in doppelter Ausgabe erschienen. Um dieselbe Zeit entstanden Klopstocks früheste prosaische Abhandlungen; 1757 machte der Dichter mit dem »Tod Adams« den ersten dramatischen Versuch, und gleichzeitig war er besonders fruchtbar in der Gattung des geistlichen Liedes. 1758 nahm der Tod seine treue Meta (Cidli nannte sie der Dichter in den schönen an sie gerichteten Oden) während eines Besuches in Hamburg ihm von der Seite, und mit diesem Ereignis schließt Klopstocks glücklichster Lebensabschnitt. In den Jahren 1762–64 verweilte der Dichter in Quedlinburg und Halberstadt im Familienkreis; 1763 wurde er zum dänischen Legationsrat ernannt. In die nächsten Jahre fällt Klopstocks Beschäftigung mit der altnordischen Dichtung und Mythologie; die unklar-idealisierenden Vorstellungen, die er sich von der heidnischen Vorzeit der Germanen bildete, spiegeln sich von nun an vielfach in seinen Schriften wider; in manchen Fällen hat er aus seinen älteren Schriften die mythologischen Namen des klassischen Altertums entfernt und sie durch germanische ersetzt. Neben der Fortführung des »Messias« entstand in der nächstfolgenden Zeit unter anderem das dramatische Bardiet »Die Hermannsschlacht« (1769), von dem angeregt sich das wesenlose, bombastisch-rhetorische Bardenwesen in der deutschen Literatur üppig ausbreitete. Die Hoffnungen, die der Dichter in den letzten 60er Jahren auf den neuen Kaiser, Joseph II., setzte, erfüllten sich in keiner Weise. 1770, nach dem Sturze seines Gönners Bernstorff, siedelte K. nach Hamburg über. Durch die Sammlung seiner Oden, welche die Landgräfin Karoline von Darmstadt, und die inkorrekte, die der Dichter Dan. Schubart kurz vorher veröffentlicht hatten, sah er sich veranlasst, selbst eine Ausgabe (Hamb. 1771) zu besorgen, die er Bernstorff widmete. Nach Bernstorffs Tode (1772) wohnte K. eine Zeitlang im Hause von dessen Gemahlin in Hamburg; dann bezog er das Haus eines Herrn v. Winthem daselbst, dessen Witwe später (1791) seine zweite Frau und die treue Pflegerin seines Alters wurde. 1772 ward das Trauerspiel »David« beendigt, 1773 der »Messias« endlich abgeschlossen. Weit über Deutschlands Grenzen hinaus war der Ruhm des Gedichts erschollen. Übertragungen, unter anderem in die italienische, französische und englische Sprache, machten es dem Auslande zugänglich. 1774 erschien die wunderliche Prosaschrift »Die deutsche Gelehrtenrepublik«, die auf Subskription gedruckt wurde. Wie tief und stark die Verehrung und Begeisterung für K. im allgemeinen, besonders aber bei der damaligen Jugend war, zeigt am deutlichsten das Verhältnis, in dem die Mitglieder des Göttinger Dichterbundes (s. d.) zu dem Dichter des »Messias« standen. Sie sahen in K. ihr Ideal und unbedingtes Vorbild. K. trat auch in persönliche Beziehung zu ihnen, und als er 1774 der Einladung, die Markgraf Karl Friedrich von Baden an den »Dichter der Religion und des Vaterlandes« zum dauernden Besuch an seinem Hofe hatte ergehen lassen, folgte, verweilte er in Göttingen im Kreise der begeisterten Verehrer. Von des Dichters damaliger Einkehr in Goethes Wohnhaus berichtet »Dichtung und Wahrheit«. Schon im Frühjahr 1775 verließ K., des Hoflebens müde, Karlsruhe und traf im Juni wieder in Hamburg ein, wo er die letzten 28 Jahre seines Lebens in zunehmender Stille und Zurückgezogenheit verbrachte. Verdrossen durch die kühle Aufnahme der »Gelehrtenrepublik« und seiner seltsamen linguistischen Versuche (»Fragmente über Sprache und Dichtkunst«, 1779 und 1780), spann sich der Dichter immer mehr in seiner Sonderstellung ein. Der Odendichtung blieb er bis wenige Jahre vor seinem Tode treu; wenn auch einige seiner herrlichsten Oden, unter anderem »An Freund und Feind«, in die letzten Jahrzehnte seines Lebens fallen, so litt doch seine spätere Lyrik noch mehr als die frühere an Unverständlichkeit und Schwerfälligkeit des Ausdrucks. Mehr und mehr der deutsch-patriotischen Richtung sich ergebend (die Dramen: »Hermann und die Fürsten« und »Hermanns Tod« sind Zeugnisse hierfür), nahm K. auch lebhaften Teil an den damaligen großen weltgeschichtlichen Vorgängen im Ausland. Schon der nordamerikanische Unabhängigkeitskrieg hatte ihn hoch begeistert, die Einberufung der französischen Reichsstände feierte er durch die Ode »Etats généraux« (1788). Ein Dekret, das ihn nebst andern freiheitsfreundlichen Ausländern zum Bürger der französischen Republik ernannte (1792), war die Anerkennung für diese und ähnliche Kundgebungen. Seiner Enttäuschung, die nicht lange auf sich warten ließ (den Entwickelungsgang der Revolution missbilligte er in einem Schreiben an den Präsidenten des Konvents sehr nachdrücklich), gab er gleichfalls poetischen Ausdruck (Ode »Mein Irrtum«). Am 2. Juli 1824 ward zu Quedlinburg und Altona Klopstocks Säkularfeier begangen und ihm in ersterer Stadt ein Denkmal errichtet, 2. Juli 1874 in Quedlinburg, Schulpforta und anderwärts das 150jährige Jubiläum des Dichters gefeiert. Sein Bildnis s. Tafel »Deutsche Klassiker des 18. Jahrhunderts« (S. 96 dieses Bandes).

Die historische Bedeutung von Klopstocks Schaffen ist sehr groß. Er befreite die deutsche Dichtung aus den Banden trockner Verstandeskultur, in der sie jahrzehntelang befangen gewesen war, und verlieh ihr durch die Tiefe, Kraft und Wahrheit des religiösen Gefühls, das ihn ganz erfüllte, eine Schönheit und Größe, die zuvor in Deutschland unbekannt gewesen war. Durchaus Lyriker, von seltener Gewalt des Pathos, und zugleich ein sorgfältig feilender Künstler, erweckte K. in den stillen Herzen der dem öffentlichen Leben meist fernstehenden Menschen jener Zeit die idealste Begeisterung für Religion, deutsche Art, Freiheit, Liebe und Freundschaft, die mehrere Generationen beglückt und gehoben hat. Er ist der bedeutendste Vertreter der großen Periode der Empfindsamkeit, so wie Lessing und Kant die bedeutendsten Vertreter der Aufklärung sind: erst in Goethe und Schiller fanden diese beiden Kulturströmungen harmonischen Ausgleich. Zugleich aber übte K. entscheidenden Einfluss auf die Entwickelung des poetischen Stils: seine Sprache bietet in ihrer gedrängten Kürze eine Fülle ausdrucksvoller Schönheit, sie ist individuell und von dem Hergebrachten stark abweichend; doch ist sie oft allzu kühn, dunkel und hier und da fast ungenießbar geschraubt. Seine metrischen Neuerungen waren dagegen größtenteils glücklich: die antiken Vers- und Strophenformen sind zwar nicht einwandfrei von K. gehandhabt worden, aber sie bilden zu dem erhabenen Inhalt seiner Dichtung das passende Gewand; die »freien Rhythmen«, die er einführte (zuerst in der Ode »Die Genesung«, 1754), haben sich bis auf die Gegenwart als sehr wertvolles Ausdrucksmittel erwiesen. Klopstocks Talent war einseitig auf eine bestimmte Form der »sentimentalischen« Lyrik beschränkt; sein »Messias« ist als Epos verfehlt und nur durch die lyrischen Schönheiten erfreulich, seine Dramen sind unbedeutend, seine theoretischen Arbeiten schrullenhaft. Aber er hat das Gefühlsleben seiner Zeit wie kein andrer erschlossen und dadurch auf die junge Dichtergeneration einen kaum zu ermessenden Einfluss gewonnen.

Die Hauptausgaben von Klopstocks gesammelten Schriften sind folgende: Werke, Ausgabe in 7 Bänden (Leipz. 1798–1810), Ausgabe in 12 Bänden (das. 1798–1817); Sämtliche Werke in Einem Bande (das. 1839); Stereotypausgabe in 9 Bänden (der letzte enthält den Nachlass von Meta K., das. 1839) und in 10 Bänden (das. 1844); Ergänzung der Sämtlichen Werke durch 3 Bände, Briefwechsel, Lebensgeschichtliches und andre Beiträge enthaltend (hrsg. von H. Schmidlin, Stuttg. 1839–40); Werke (hrsg. von Back, das. 1876, 6 Bde., und von Boxberger, Berl. 1879, 6 Bde.). Eine Auswahl in 6 Bänden erschien Stuttgart 1869, in 4 Bänden daselbst 1886 und 1893. Unter den Einzelausgaben der Oden seien erwähnt die von Vetterlein (Stuttg. 1827, 3 Bde.), Gruber (Leipz. 1831, 2 Bde.); die kritisch wertvollste ist die von Muncker und Pawel (Stuttg. 1889, 2 Bde.). Vgl. Karl Friedr. Cramer (s. d.), K. in Fragmenten aus Briefen von Tellow an Elisa (Hamb. 1777, fortgesetzt 1778) und K. Er und über ihn (Bd. 1, Hamb. 1780, vermehrt Leipz. 1782; Bd. 2, Dessau 1781, vermehrt Leipz. 1790; Bd. 3–5, Leipz. 1783–92; Bd. 6 fehlt; Bd. 7, Leipz. 1792); Klamer-Schmidt, K. und seine Freunde; Briefwechsel der Familie K. unter sich und mit Gleim, Schmidt, Fanny etc., aus Gleims brieflichem Nachlaß herausgegeben (Halberst. 1810, 2 Bde.); Mörikofer, K. in Zürich (das. 1851; neue Bearbeitung in dem Werk »Die schweizerische Literatur des 18. Jahrhunderts«, das. 1861); D. F. Strauß, Klopstocks Jugendgeschichte und K. und der Markgraf Karl Friedrich von Baden (Sonderausgabe aus den »Kleinen Schriften«, Bonn 1878); Lappenberg, Briefe von und an K. (Braunschw. 1867); Erich Schmidt, Beiträge zur Kenntnis der Klopstockschen Jugendlyrik (Straßb. 1880); Pawel, Klopstocks Oden (Wien 1880); Muncker, K. Geschichte seines Lebens und seiner Schriften (Stuttg. 1888) und Lessings persönliches und literarisches Verhältnis zu K. (Frankf. 1880); Lyon, Goethes Verhältnis zu K. (Leipz. 1882); Düntzer, Erläuterungen zu Klopstocks Oden (2. Aufl., das. 1878).

Der Messias

Ode an Seine Majestät Friedrich den Fünften, König von Dänemark und Norwegen

Welchen König der Gott über die Könige

Mit einweihendem Blick, als er geboren ward,

Vom Olympus her sah, der wird ein Menschenfreund

Und des Vaterlands Vater sein.

Ihm winkt schimmernder Ruhm und die Unsterblichkeit,

Viel zu theuer durchs Blut blühender Jünglinge

Und der Mutter und Braut nächtliche Thrän' erkauft,

In das eiserne Feld umsonst.

Niemals weint er am Bild eines Eroberers,

Seinesgleichen zu sein! Schon da sein menschliches Herz

Kaum zu fühlen begann, war der Eroberer

Für den Göttlichen viel zu klein!

Aber Thränen nach Ruhm, welcher erhabner ist,

Keines Höflings bedarf, Thränen, geliebt zu sein

Vom glückseligen Volk, weckten den Jüngling oft

In der Stunde der Mitternacht,

Wenn der Säugling im Arm hoffender Mütter schlief,

Einst ein glücklicher Mann! wenn sich des Greises Blick

Sanft in Schlummer verlor, itzo verjünget ward,

Noch den Vater des Volks zu sehn.

Lange sinnt er ihm nach, welch ein Gedank' es ist,

Gott nachahmen und selbst Schöpfer des Glückes sein

Vieler Tausend! Er hat eilend die Höh' erreicht

Und entschließt sich, wie Gott zu sein!

Wie das ernste Gericht furchtbar die Wage nimmt

Und die Könige wägt, wenn sie gestorben sind,

Also wägt er sich selbst jede der Thaten vor,

Die sein Leben bezeichnen soll,

Ist ein Christ und belohnt redliche Thaten erst!

Alsdann schaut auch sein Blick lächelnd auf Die herab,

Die der Muse sich weihn, welche das weiche Herz

Tugendhafter und edler macht,

Winkt dem stummen Verdienst, das in der Ferne steht!

Durch sein Muster gereizt, lernt es Unsterblichkeit;

Denn er wandelt allein, ohne der Muse Lied,

Sichern Wegs zur Unsterblichkeit.

Die Du von dem Olymp Gott, den Messias, singst,

Fromme Sängerin, itzt Dich zu den Höhen hebst,

Wo das heilige Lob jener Monarchen tönt,

Die Nachahmer der Gottheit sind,

Fang' den lyrischen Flug kühn mit dem Namen an,

Der in Deinem Gesang künftig oft tönen wird,

Wenn Du einst von dem Glück, das nur die Tugend lohnt,

Und von frommen Monarchen singst, –

König Friederich ist's, welcher mit Blumen Dir

Jene Höhen bestreut, die Du noch steigen mußt;

Erster Gesang

Sing', unsterbliche Seele, der sündigen Menschen Erlösung,

Die der Messias auf Erden in seiner Menschheit vollendet,

Und durch die er Adam's Geschlecht zu der Liebe der Gottheit,

Leidend, getödtet und verherrlichet, wieder erhöht hat.

Also geschah des Ewigen Wille. Vergebens erhub sich

Satan gegen den göttlichen Sohn; umsonst stand Juda

Gegen ihn auf: er that's und vollbrachte die große Versöhnung.

Aber, o That, die allein der Allbarmherzige kennet,

Darf aus dunkler Ferne sich auch Dir nahen die Dichtkunst?

Weihe sie, Geist Schöpfer, vor dem ich hier still anbete,

Führe sie mir, als Deine Nachahmerin, voller Entzückung,

Voll unsterblicher Kraft, in verklärter Schönheit entgegen.

Rüste mit Deinem Feuer sie, Du, der die Tiefen der Gottheit

Schaut und den Menschen, aus Staube gemacht, zum Tempel sich heiligt!

Rein sei das Herz! So darf ich, obwol mit der bebenden Stimme

Eines Sterblichen, doch den Gottversöhner besingen

Und die furchtbare Bahn mit verzieh'nem Straucheln durchlaufen.

Menschen, wenn Ihr die Hoheit kennt, die Ihr damals empfinget,

Da der Schöpfer der Welt Versöhner wurde, so höret

Meinen Gesang, und Ihr vor Allen, Ihr wenigen Edlen,

Theure, herzliche Freunde des liebenswürdigen Mittlers,

Ihr mit dem kommenden Weltgerichte vertrauliche Seelen,

Hört mich und singt den ewigen Sohn durch ein göttliches Leben.

Nah an der heiligen Stadt, die sich jetzt durch Blindheit entweihte

Und die Krone der hohen Erwählung unwissend hinwegwarf,

Sonst die Stadt der Herrlichkeit Gottes, der heiligen Väter

Pflegerin, jetzt ein Altar des Bluts, vergossen von Mördern;

Hier war's, wo der Messias von einem Volke sich losriß,

Das zwar jetzt ihn verehrte, doch nicht mit jener Empfindung,

Die untadelhaft bleibt vor dem schauenden Auge der Gottheit.

Jesus verbarg sich diesen Entweihten. Zwar lagen hier Palmen

Vom begleitenden Volk; zwar klang dort ihr lautes Hosanna;

Aber umsonst. Sie kannten ihn nicht, den König sie nennten,

Und den Gesegneten Gottes zu sehn, war ihr Auge zu dunkel.

Gott kam selbst von dem Himmel herab. Die gewaltige Stimme:

»Sieh, ich hab' ihn verklärt und will ihn von Neuem verklären!«

War die Verkündigerin der gegenwärtigen Gottheit.

Aber sie waren, Gott zu verstehn, zu niedrige Sünder.

Unterdeß nahte sich Jesus dem Vater, der wegen des Volkes,

Dem die Stimme geschah, mit Zorn zu dem Himmel hinaufstieg.

Denn noch einmal wollte der Sohn des Bundes Entschließung,

Seine Menschen zu retten, dem Vater feierlich kund thun.

Gegen die östliche Seite Jerusalem's liegt ein Gebirge,

Welches auf seinem Gipfel schon oft den göttlichen Mittler

Wie in das Heilige Gottes verbarg, wenn er einsame Nächte

Unter des Vaters Anschaun ernst in Gebeten durchwachte.

Jesus ging nach diesem Gebirg. Der fromme Johannes,

Er nur folgt' ihm dahin bis an die Gräber der Seher,

Wie sein göttlicher Freund die Nacht in Gebete zu bleiben.

Und der Mittler erhub sich von dort zu dem Gipfel des Berges.

Da umgab von dem hohen Moria ihn Schimmer der Opfer,

Die den ewigen Vater noch jetzt in Bilde versöhnten.

Ringsum nahmen ihn Palmen ins Kühle. Gelindere Lüfte,

Gleich dem Säuseln der Gegenwart Gottes, umflossen sein Antlitz.

Und der Seraph, der Jesus zum Dienst auf der Erde gesandt war,

Gabriel nennen die Himmlischen ihn, stand feirend am Eingang

Zwoer umdufteter Cedern und dachte dem Heile der Menschen

Und dem Triumphe der Ewigkeit nach, als jetzt der Erlöser

Seinem Vater entgegen vor ihm in Stillem vorbeiging.

Gabriel wußte, daß nun die Zeit der Erlösung herankam.

Diese Betrachtung entzückt' ihn; er sprach mit leiserer Stimme:

»Willst Du die Nacht, o Göttlicher, hier im Gebete durchwachen?

Oder verlangt Dein ermüdeter Leib nach seiner Erquickung?

Soll ich zu Deinem unsterblichen Haupt ein Lager bereiten?

Siehe, schon streckt der Sprößling der Ceder den grünenden Arm aus

Und die weiche Staude des Balsams. Am Grabe der Seher

Wächst dort unten ruhiges Moos in der kühlenden Erde.

Soll ich davon, o Göttlicher, Dir ein Lager bereiten?

Ach, wie bist Du, Erlöser, ermüdet! Wie viel erträgst Du

Hier auf der Erd' aus inniger Liebe zu Adam's Geschlechte!«

Gabriel sagt's. Der Mittler belohnt ihn mit segnenden Blicken,

Steht voll Ernst auf der Höhe des Bergs am näheren Himmel.

Dort war Gott. Dort betet' er. Unter ihm tönte die Erde,

Und ein wandelndes Jauchzen durchdrang die Pforten des Abgrunds,

Als sie von ihm tief unten die mächtige Stimme vernahmen.

Denn sie war es nicht mehr, des Fluches Stimme, die Stimme,

Angekündet in Sturm und in donnerndem Wetter gesprochen,

Welche die Erde vernahm. Sie hörte des Segnenden Rede,

Der mit unsterblicher Schöne sie einst zu verneuen beschlossen.

Ringsum lagen die Hügel in lieblicher Abenddämmrung,

Gleich als blühten sie wieder, nach Eden's Bilde geschaffen.

Jesus redete. Er und der Vater durchschauten den Inhalt

Grenzlos; dies nur vermag des Menschen Stimme zu sagen:

»Göttlicher Vater, die Tage des Heils und des ewigen Bundes

Nahen sich mir, die Tage, zu größeren Werken erkoren

Als die Schöpfung, die Du mit Deinem Sohne vollbrachtest.

Sie verklären sich mir so schön und herrlich als damals,

Da wir der Zeiten Reih' durchschauten, die Tage der Zukunft,

Durch mein göttliches Schaun bezeichnet, und glänzender sahen.

Dir nur ist es bekannt, mit was vor Einmuth wir damals,

Du, mein Vater, und ich und der Geist die Erlösung beschlossen.

In der Stille der Ewigkeit, einsam und ohne Geschöpfe,

Waren wir bei einander. Voll unsrer göttlichen Liebe,

Sahen wir auf die Menschen, die noch nicht waren, herunter.

Eden's selige Kinder, ach, unsre Geschöpfe, wie elend

Waren sie, sonst unsterblich, nun Staub und entstellt von der Sünde!

Vater, ich sah ihr Elend, Du meine Thränen. Da sprachst Du:

›Lasset der Gottheit Bild in dem Menschen von Neuem uns schaffen!‹

Also beschlossen wir unser Geheimniß, das Blut der Versöhnung

Und die Schöpfung der Menschen, verneut zu dem ewigen Bilde!

Hier erkor ich mich selbst, die göttliche That zu vollenden.

Ewiger Vater, das weißt Du, das wissen die Himmel, wie innig

Mich seit diesem Entschluß nach meiner Erniedrung verlangte!

Erde, wie oft warst Du in Deiner niedrigen Ferne

Mein erwähltes, geliebteres Augenmerk! Und, o Kanan,

Heiliges Land, wie oft hing unverwendet mein Auge

An dem Hügel, den ich von des Bundes Blute schon voll sah!

Und wie bebt mir mein Herz von süßen, wallenden Freuden,

Daß ich so lange schon Mensch bin, daß schon so viele Gerechte

Sich mir sammeln, und nun bald alle Geschlechte der Menschen

Mir sich heiligen werden! Hier lieg' ich, göttlicher Vater,

Noch nach Deinem Bilde geschmückt mit den Zügen der Menschheit,

Betend vor Dir; bald aber, ach, bald wird Dein tödtend Gericht mich

Blutig entstellen und unter den Staub der Todten begraben.

Schon, o Richter der Welt, schon hör' ich fern Dich und einsam

Kommen und unerbittlich in Deinen Himmeln dahergehn.

Schon durchdringt mich ein Schauer, dem ganzen Geistergeschlechte

Unempfindbar, und wenn Du sie auch mit dem Zorne der Gottheit

Tödtetest, unempfindbar! Ich seh' den nächtlichen Garten

Schon vor mir liegen, sinke vor Dir in niedrigen Staub hin,

Lieg' und bet' und winde mich, Vater, in Todesschweiße.

Siehe, da bin ich, mein Vater. Ich will des Allmächtigen Zürnen,

Deine Gerichte will ich mit tiefem Gehorsam ertragen.

Du bist ewig! Kein endlicher Geist hat das Zürnen der Gottheit,

Keiner je den Unendlichen, tödtend mit ewigem Tode,

Ganz gedacht und keiner empfunden. Gott nur vermochte

Gott zu versöhnen. Erhebe Dich, Richter der Welt! Hier bin ich!

Tödte mich, nimm mein ewiges Opfer zu Deiner Versöhnung!

Noch bin ich frei, noch kann ich Dich bitten, so thut sich der Himmel

Mit Myriaden von Seraphim auf und führet mich jauchzend,

Vater, zurück in Triumph zu Deinem erhabenen Throne!

Aber ich will leiden, was keine Seraphim fassen,

Was kein denkender Cherub in tiefen Betrachtungen einsieht;

Ich will leiden, den furchtbarsten Tod ich Ewiger leiden!«

Weiter sagt' er und sprach: »Ich hebe gen Himmel mein Haupt auf,

Meine Hand in die Wolken und schwöre Dir bei mir selber,

Der ich Gott bin wie Du: ich will die Menschen erlösen.«

Jesus sprach's und erhub sich. In seinem Antlitz war Hoheit,

Seelenruh' und Ernst und Erbarmung, als er vor Gott stand.

Aber unhörbar den Engeln, nur sich und dem Sohne vernommen,

Sprach der ewige Vater und wandte sein schauendes Antlitz

Nach dem Versöhner hin: »Ich breite mein Haupt durch die Himmel,

Meinen Arm aus durch die Unendlichkeit, sage: ich bin

Ewig! und schwöre Dir, Sohn: ich will die Sünde vergeben.«

Also sprach er und schwieg. Indem die Ewigen sprachen,

Ging durch die ganze Natur ein ehrfurchtvolles Erbeben.

Seelen, die jetzo wurden, noch nicht zu denken begannen,

Zitterten und empfanden zuerst. Ein gewaltiger Schauer

Faßte den Seraph, ihm schlug sein Herz, und um ihn lag wartend,

Wie vor dem nahen Gewitter die Erde, sein schweigender Weltkreis.

Sanftes Entzücken kam allein in der künftigen Christen

Seelen, und süßbetäubend Gefühl des ewigen Lebens.

Aber sinnlos und zur Verzweiflung nur noch empfindlich,

Sinnlos, wider Gott was zu denken, entstürzten im Abgrund

Ihren Thronen die Geister der Hölle. Da jeder dahinsank,

Stürzt' auf jeden ein Fels, brach unter jedem die Tiefe

Ungestüm ein, und donnernd erklang die unterste Hölle.

Jesus stand noch vor Gott; und jetzt begannen die Leiden

Seiner Erlösung, ein Vorgefühl, so in furchtbarer Nähe

Grenzt' an das wirkliche, wie, ihn zu richten, Gott von des Throns Höhn

Kommen, mit Schuld ihn belasten der Spruch der verworfensten Menschen,

Er, mit Blute beströmt, den Tod der Kreuzigung sterben

Würd' auf Golgatha. Gabriel lag in der Fern' auf dem Antlitz,

Tiefanbetend, von neuen Gedanken mächtig erhoben.

Seit den Jahrhunderten, die er durchlebt, so lang', als die Seele

Sich die Ewigkeit denkt, wenn sie dem Leib in Gedanken

Schnelles Fluges entfleugt, seit diesen Jahrhunderten hatt' er

So erhabne Gedanken noch nie empfunden. Die Gottheit,

Ihre Versöhnten, die ewige Liebe des göttlichen Mittlers,

Alles eröffnet sich ihm. Gott bildete diese Gedanken

In des Unsterblichen Geiste. Der Ewige dachte sich jetzo

Als den Erbarmer erschaffner Wesen. Der Seraph erhub sich,

Stand und erstaunt' und betet', und unaussprechliche Freuden

Zitterten durch sein Herz, und Licht und blendendes Glänzen

Ging von ihm aus. Die Erde zerfloß in himmlische Schimmer

Unter ihm hin, so dacht' er. Ihn sah der göttliche Mittler,

Daß er den Gipfel des ganzen Gebirgs mit Klarheit erfüllte.

»Gabriel,« rief er, »hülle Dich ein, Du dienst mir auf Erden!

Mache Dich auf, dies Gebet vor meinen Vater zu bringen,

Daß die edelsten unter den Menschen, die seligen Väter,

Daß der versammelte Himmel der Zeiten Fülle vernehme,

Die er mit innigem, heißem Verlangen verlangte. Dort leuchte

Als der Gesendete Jesus', des Mittlers, im Glanze der Engel!«

Schweigend, mit göttlichheitrer Geberd' erhub sich der Seraph.

Jesus schaut' ihm vom Oelberg nach. Der Göttliche sah schon,

Was der Seraph that, an dem Throne der Herrlichkeit Gottes,

Eh der eilende noch des Himmels Sonnen erreichte.

Jetzo erhuben sich neue, geheimnißvolle Gespräche

Zwischen ihm und dem Ewigen, schicksalenthüllendes Inhalts,

Heilig und furchtbar und hehr, voll nie gehoffter Entscheidung,

Selbst Unsterblichen dunkel, Gespräche von Dingen, die künftig

Gottes Erlösung vor allen Erschaffnen verherrlichen werden.

Unterdeß eilte der Seraph zum äußersten Schimmer des Himmels

Wie ein Morgen empor. Hier füllen nur Sonnen den Umkreis,

Und gleich einer Hülle, gewebt aus Strahlen des Urlichts,

Zieht sich ihr Glanz um den Himmel herum. Kein dämmernder Erdkreis

Naht sich des Himmels verderbendem Blick. Entfliehend und ferne

Geht die bewölkte Natur vorüber. Da eilen die Erden

Klein, unmerkbar dahin, wie unter des Wanderers Fuße

Niedriger Staub, von Gewürme bewohnt, aufwallet und hinsinkt.

Um den Himmel herum sind tausend eröffnete Wege,

Lange, nicht auszusehende Weg', umgeben von Sonnen.

Durch den glänzenden Weg, der gegen die Erde sich wendet,

Floß seit ihrer Erschaffung, am Fuß des Thrones entspringend,

Einst nach Eden ein Strom der Himmelsheitre herunter.

Ueber ihm oder an seinem Gestad', erhoben von Farben,

Gleichend den Farben des Regenbogens oder der Frühe,

Kamen damals Engel und Gott zu vertraulichem Umgang

Zu den Menschen. Doch schnell ward der Strom herüber gerufen,

Als durch Sünde der Mensch zu Gottes Feinde sich umschuf.

Denn die Unsterblichen wollten nicht mehr in sichtbarer Schönheit

Gegenden sehn, die vor ihnen des Todes Verwüstung entstellte.

Damals wandten sie schauernd sich weg. Die stillen Gebirge,

Wo noch die Spur des Ewigen war; die rauschenden Haine,

Welche vordem das Säuseln der Gegenwart Gottes beseelte;

Selige, friedsame Thäler, sonst von der Jugend des Himmels

Gern besucht; die schattigen Lauben, wo ehmals die Menschen,

Ueberwallend von Freuden und süßen Empfindungen, weinten,

Daß Gott ewig sie schuf; – die Erde trug des Fluches

Lasten jetzt, war ihrer vordem unsterblichen Kinder

Großes Grab. Doch dereinst, wenn die Morgensterne verjünget

Aus der Asche des Weltgerichts triumphirend hervorgehn;

Wenn nun Gott die Kreise der Welten mit seinem Himmel

Durch allgegenwärtiges Anschaun alle vereinet:

Dann wird auch der ätherische Strom von dem himmlischen Urquell

Wieder mit hellerer Schöne zum neuen Eden sich senken.

Nie wird dann sein Gestade von hohen Versammlungen leer sein,

Die zu der Erde, Gespielen der neuen Unsterblichen, wallen.

Dies ist der heilige Weg, mit welchem Gabriel fortging

Und von fern dem Himmel der göttlichen Herrlichkeit nahte.

Mitten in der Versammlung der Sonnen strahlet der Himmel,

Rund, unermeßlich, des Weltgebäu's Urbild, die Fülle

Jeder sichtbaren Schönheit, die sich gleich flüchtigen Bächen

Ringsum durch den unendlichen Raum nachahmend ergießet.

Wenn er wandelt, ertönen von ihm auf den Flügeln der Winde

An die Gestade der Sonnen des Wandelnden Harmonien

Rauschend hinüber. Die Lieder der göttlichen Harfenspieler

Schallen mit Macht, wie beseelend, darein. So vereiniget schweben

Töne vor dem, der das Ohr gemacht hat, und Preise vorüber.

Wie sein freudiger Blick an seiner Werke Gestalten

Sich ergetzt, so vergnügten sein Ohr die Gesänge des Himmels.

Die Du himmlische Lieder mich lehrst, Gespielin der Engel,

Seherin Gottes, Du Hörerin hoher, unsterblicher Stimmen,

Melde mir, Sionitin, das Lied, das die Engel itzt sangen.

Sei uns gegrüßt, Du heiliges Land der Erscheinungen Gottes!

Hier erblicken wir Gott, wie er ist, wie er war, wie er sein wird,

Siehe, den Seligen ohne Verhüllung, nicht in der Dämmrung

Fern nachahmender Welten. Dich schauen wir in der Versammlung

Deiner Erlösten, die Du auch würdigst des seligen Anblicks.

Ach, unendlich vollkommen bist Du! Zwar nennt Dich der Himmel,

Und der Unaussprechliche wird Jehovah geheißen!

Unser Gesang, lebendig durch Kräfte der Urbegeistrung,

Suchet Dein Bild, doch umsonst; auf Deine Verklärung gerichtet,

Können Gedanken sich kaum von Deiner Gottheit besprechen.

Ewiger, Du bist allein in Deiner Größe vollkommen!

Jeder Gedanke, mit dem Du Dich selbst, o Erster, durchschauest,

Ist erhabner, ist heiliger als die stille Betrachtung,

Auf erschaffene Dinge von Dir hernieder gelassen.

Dennoch entschlossest Du Dich, auch außer Dir Wesen zu sehen

Und auf sie den beseelenden Hauch hernieder zu lassen.

Erst erschufst Du den Himmel, dann uns, die Bewohner des Himmels.

Fern wart Ihr da von Eurer Geburt, Du jüngerer Erdkreis,

Und Du Sonn', und Du Mond, der seligen Erde Gefährten.

Erstgeborner der Schöpfung, wie war Dir bei Deinem Hervorgehn,

Da nach undenkbarer Ewigkeit Gott zu Dir sich herabließ,

Dann zu der Stätte Dich der Herrlichkeit kor und des Anschauns?

Dein unermeßlicher Kreis, heraufgerufen zum Dasein,

Bildete sich zu seiner Gestalt; die schaffende Stimme

Wandelte noch mit dem ersten Getöse krystallener Meere;

Ihre Gestade, die sich wie Welten zusammengebirgten,

Hörten sie; noch kein Unsterblicher nicht! Da standest Du, Schöpfer,

Auf dem neuen erhabenen Thron Dich selber betrachtend,

Einsam und ernst. O, jauchzt der denkenden Gottheit entgegen!

Damals, ja, damals erschuf er Euch, Seraphim, Geistergeschöpfe,

Voll von Gedanken, voll mächtiger Kraft, die Gedanken des Schöpfers,

Die er in Euch von sich selber erschafft, anbetend zu fassen.

Halleluja, ein feirendes Halleluja, o Erster,

Sei Dir von uns unaufhörlich gesungen! Zur Einsamkeit sprachst Du:

Sei nicht mehr! und den Wesen: Entwickelt Euch! Halleluja!

Unter dem Liede, das nach dem Dreimalheilig der Himmel

Allzeit singet, hatte des Mittlers heiliger Bote

Eine der nächsten Sonnen am Himmel leuchtend betreten.

Ueberall schweigen die Seraphim jetzt und feiren den Anblick,

Welcher, des Preisgesangs Belohner, von Gott auf sie strahlte.

Und sie erblickten den helleren Seraph am Sonnenmeer. Gott

Schaut' auf ihn, der Himmel mit Gott. Er betete knieend.

Zweimal die Zeit, in der ein Cherub den Namen Jehovah,

Tief in Gebet, und das Dreimalheilig der Ewigkeit ausspricht,

Würdiget ihn des Anschauns Gott. Dann eilet der Thronen

Erstgeborner herab, ihn fei'rlich vor Gott zu führen.

Gott nennt ihn den Erwählten, der Himmel Eloa. Vor Allen,

Die Gott schuf, ist er groß, ist der Nächste dem Unerschaffnen.

Schön ist ein Gedanke des gottgewählten Eloa,

Wie die ganze Seele des Menschen, geschaffen der Gottheit,

Wenn sie, ihrer Unsterblichkeit werth, gedankenvoll nachsinnt.

Sein umschauender Blick ist schöner als Frühlingsmorgen,

Lieblicher als die Gestirne, da sie vor dem Antlitz des Schöpfers

Jugendlichschön und voll Licht mit ihren Tagen vorbeiflohn.

Gott erschuf ihn zuerst. Aus einer Morgenröthe

Schuf er ihm einen ätherischen Leib. Ein Himmel voll Wolken

Floß um ihn, da er ward. Gott hub ihn mit offenen Armen

Aus den Wolken und sagt' ihm segnend: »Da bin ich, Erschaffner!«

Und auf einmal sahe vor sich Eloa den Schöpfer,

Schaut' in Entzückungen an und stand und schaute begeistert

Wieder an und sank, verloren in Gottes Anblick.

Endlich redet' er, sagte dem Ewigen alle Gedanken,

Die er hatte, die neuen, erhabnen Empfindungen alle,

Die das große Herz ihm durchwallten. Es werden die Welten

Alle vergehn und neu aus ihrem Staube sich schwingen,

Ganze Jahrhunderte werden dann erst in die Ewigkeit eingehn,

Eh der erhabenste Christ die großen Empfindungen fühlet.

Jetzo kam Eloa auf neu erwachenden Strahlen

Zu dem gesendeten Engel in seiner Schönheit hernieder,

Ihn zum Altar des Versöhners zu führen. Er ging noch von ferne,

Da er schon Gabriel kannte. Der Seraph zerfloß in Entzückung,

Von den Unsterblichen einen zu sehn, mit dem er vor diesem

Jeden Kreis der Schöpfungen Gottes und seine Bewohner

Sah, und mit dem er unnachahmbarere Thaten vollführte,

Als durch die Besten aus ihm das vereinte Menschengeschlecht that.

Jetzo verklärten sie sich schon liebend gegen einander.

Schnell, mit brünstig eröffneten Armen, mit herzlichen Blicken

Eilten sie gegen einander. Sie zitterten Beide vor Freuden,

Als sie sich umarmten. So zittern Brüder, die Beide

Tugendhaft sind und Beide den Tod für das Vaterland suchten,

Wenn sie, von Heldenblute noch voll, sich nach ewigen Thaten

Sehen und sich vor ihrem noch größeren Vater umarmen.

Gott sah sie und segnete sie. So gingen sie Beide,

Herrlicher durch die Freundschaft, dem Thron des Himmels entgegen.

Also kamen sie weiter zum Allerheiligsten Gottes.

Nah bei der Herrlichkeit Gottes, auf einem himmlischen Berge

Ruhet des Allerheiligsten Nacht. Lichthelles Glänzen

Wacht inwendig um Gottes Geheimniß. Das heilige Dunkel

Deckt nur das Innre dem Auge der Engel. Zuweilen eröffnet

Gott die dämmernde Hülle durch allmachttragende Donner

Vor dem Blick der himmlischen Schauer. Sie sehen und feiren.

Sieh, auf einmal stand bei des Allerheiligsten Eingang,

Wie ein Gebirg, der Altar des Versöhners vor Gabriel's Auge

Wolkenlos da. Er sah ihn und ging in festlicher Schönheit

Priesterlich zu dem Altar und trug zwo goldene Schalen,

Heiliges Räuchwerks voll, und stand tiefsinnig am Altar.

Neben ihm stand Eloa und rief aus seiner Harfe

Göttliche Töne, zum hohen Gebet den opfernden Seraph

Vorzubereiten. Der hört' ihn, und durch die mächtige Harfe

Hub sich sein Geist entflammter empor, wie der Ocean aufwallt,

Wenn auf ihm in Sturme daher die Stimme des Herrn geht.

Gabriel schauete Gott und sang mit mächtiger Stimme.

Jetzo hört der ewige Vater, es höret der Himmel,

Mittler, Dein Söhnungsgebet. Gott zündete selber das Opfer

Wunderbar an, und heiliger Rauch stieg mit dem Gebete

Stillbegleitend empor, dann hub er sich weiter und wallte,

Wie von der Erde Gebirgen ein ganzer Himmel, zu Gott auf.

Nieder zur Erde hatte bis jetzt Jehovah geschauet.

Denn es hielt noch immer der Sohn aus der Fülle der Seele

Mit dem Vater Gespräche des schicksalenthüllenden Inhalts,

Heilig und furchtbar und hehr, voll nie gehoffter Entscheidung,

Selbst Unsterblichen dunkel, Gespräche von Dingen, die künftig

Gottes Erlösung vor allen Erschaffnen verherrlichen werden.

Aber itzt füllte des Ewigen Blick den Himmel von Neuem;

Jeder begegnete feirend und still dem göttlichen Blicke.

All' erwarten die Stimme des Herrn. Die himmlische Ceder

Rauschte nicht, der Ocean schwieg an dem hohen Gestade.

Gottes lebender Wind hielt zwischen den ehernen Bergen

Unbeweglich und wartete mit verbreiteten Flügeln

Auf der Stimme Gottes Herabkunft. Donnerwetter

Stiegen zum Wartenden langsam das Allerheiligste nieder.

Aber noch redete Gott nicht. Die heiligen Donnerwetter

Waren Verkündiger nur der nahenden göttlichen Antwort.

Als sie schwiegen, that vor der Thronen freudigem Blick Gott

Offenbarend sein Heiligthum auf, die verlangenden Thronen

Zu den hohen Gedanken des Ewigen vorzubereiten.

Und da wandte sich Urim voll Ernst, mit göttlichem Tiefsinn,

Cherub Urim, des ewigen Geistes vertrauterer Engel,

Zu dem hohen Eloa und sprach: »Was siehst Du, Eloa?«

Seraph Eloa stand auf, ging langsam vorwärts und sagte:

»Dort an den goldenen Pfeilern, da sind labyrinthische Tafeln

Voll Vorsehung; dann Bücher des Lebens, welche dem Hauche

Mächtiger Winde sich öffnen und Namen künstiger Christen,

Neue belohnende Namen, des Himmels Unsterblichkeit aufthun.

Wie die Bücher des Weltgerichts, gleich wehenden Fahnen

Kriegender Seraphim, furchtbar sich öffnen! Ein tödtender Anblick

Für die niedrigen Seelen, die wider Gott sich empörten!

O, wie Gott sich enthüllt! Ach, Urim, in heiliger Stille

Schimmern die Leuchter im Silbergewölk, bei tausenden tausend

Schimmern sie, Vorbilder der gottversöhnten Gemeinen!

Zähle sie, Urim, die heilige Zahl!« – »Die Welten, Eloa,

Siehe, der Engel gekrönete Thaten, die Freuden der Engel

Sind uns zählbar; allein die Folgen der großen Erlösung,

Gottes Erbarmungen nicht.« Da sprach Eloa: »Ich sehe

Seinen Gerichtsstuhl! Schrecklich bist Du, Weltrichter, Messias!

Schau des hohen Stuhles Gestalt. Er tödtet von ferne!

Und die zur Rache gerüstete Gluth! Ein lebender Sturmwind

Hebt ihn in donnernden Wolken empor. Ach, schone, Messias,

Schone, Richter der Welt, mit ewigem Tode bewaffnet!«

So besprachen Eloa und Urim sich unter einander.

Siebenmal hatte der Donner das heilige Dunkel eröffnet,

Und die Stimme des Ewigen kam sanftwandelnd hernieder:

»Gott ist die Liebe. Ich war's vor dem Dasein meiner Geschöpfe.

Da ich die Welten erschuf, war ich auch Der. Bei der Vollendung

Meiner geheimsten, erhabensten That bin ich Ebenderselbe.

Aber Ihr sollt durch den Tod des Sohns den Richter der Welten,

Ganz mich kennen und neue Gebete dem Furchtbaren beten.

Hielt' Euch dann des Richtenden Arm nicht, Ihr würdet im Anschaun

Dieses großen Todes vergehn. Denn Ihr seid endlich.«

Und der Auszusöhnende schwieg. Die tiefe Bewundrung

Faltete heilige Hände vor ihm. Jetzt winkt' er Eloa,

Und der Seraph verstand die Red' in dem Antlitz Jehovah,

Wandte sich gegen die himmlischen Hörer und sagte zu ihnen:

»Schaut den Ewigen an, Ihr vorerwählten Gerechten,

Heilige Kinder! Erkennt sein Herz, Ihr wart ihm das Liebste

Seiner Gedanken, als er sich das Heil des Erlösenden dachte.

Euch hat herzlich verlangt, Gott selber ist Euer Zeuge,

Endlich zu sehn die Tage des Heils und seinen Messias.

Seid gesegnet, Ihr Kinder des Herrn, von dem Geiste geboren!

Jauchzet, Kinder, Ihr schaut den Vater, das Wesen der Wesen.

Siehe, der Erst' und der Letzte, der ist er, und ewig Erbarmer!

Der von Ewigkeit ist, den keine Geschöpfe begreifen,

Gott, Jehovah, läßt zu Euch sich väterlich nieder.

Dieser Bote des Friedens, von seinem Sohne gesendet,

Ist zu dem hohen Altar um Eurentwillen gekommen.

Wäret Ihr nicht zu der großen Erlösung Zeugen erkoren,

O, so hätten sie sich in entfernter Stille besprochen,

Einsam, geheim, unerforschlich. Doch Ihr, Geborne der Erde,

Sollt die Tage mit Wonne, mit ewigem Jauchzen vollenden;

Wir mit Euch. Wir wollen den ganzen verborgenen Umfang

Eurer Erlösung durchschaun; mit viel verklärterem Blicke

Werden wir diese Geheimnisse sehn, als Eures Erlösers

Fromme, weinende Freunde, die noch in Dunkelheit irren.

Aber seine verlornen Verfolger! der Ewige hat sie

Lang' aus den heiligen Büchern vertilgt; allein den Erlösten

Sendet er göttliches Licht. Sie sollen das Blut der Versöhnung

Nicht mit weinendem Auge mehr sehn. Sie werden es sehen,

Wie sich vor ihnen sein Strom in das ewige Leben verlieret.

O, dann sollen sie hier, in des Friedens Schooße getröstet,

Feste des Lichts und der ewigen Ruh triumphirend begehen.

Seraphim und Ihr Seelen, erlöste Väter des Mittlers,

Fangt Ihr die Feste der Ewigkeit an! Sie dauren von jetzo

Mit der Unendlichkeit fort. Die noch sterblichen Kinder der Erde

Werden Geschlecht auf Geschlecht zu Euch sich alle versammeln,

Bis sie dereinst vollendet, mit neuen Leibern umgeben,

Nach vollbrachtem Gericht zu einer Seligkeit kommen.

Gehet indeß von uns aus, Ihr hohen Engel der Throne,

Meldet den Herrschern der Schöpfungen Gottes, daß sie sich der Feirung

Dieser erwählten, geheimnißvollen Tage bereiten.

Und Ihr Frommen des Menschengeschlechts, Ihr Väter des Mittlers –

Denn von jenem Gebein der Sterblichkeit, das Ihr im Staube

Reifend zur Auferstehung zurückließt, stammt der Messias,

Er, der Gott ist und Mensch – auch Euch ist die Freude gegeben,

Die allein bei sich mit seiner Gottheit Gefühl Gott

Ganz empfindet; unsterbliche Seelen, eilt zu der Sonne,

Welche den Kreis der Erlösung umleuchtet! Hier sollt Ihr von ferne

Eures Erlösers und Sohns versöhnende Thaten betrachten.

Diesen Lichtweg steiget hinab! Aus allen Bezirken

Sieht Euch die weite Natur mit verneuter Schönheit entgegen.

Denn Jehovah will selbst nach dieser Jahrhunderte Kreislauf

Einen Ruhtag Gottes, den zweiten erhabneren Sabbath

Bei sich feiren. Der ist viel höher als jener berühmte,

Jener von Euch, Ihr erhabenen Wesen, Seraphische Schaaren,

Heilig besungene Tag, den Ihr nach Vollendung der Welten

Einst an dem Schöpfungsfeste begingt. Ihr wißt es, o Geister,

Wie die neue Natur in liebenswürdiger Schöne

Da sich erhub, wie in Eurer Gesellschaft die Morgensterne

Vor dem Schöpfer sich neigten. Allein jetzt wird sein Messias,

Sein unsterblicher Sohn, viel größere Thaten vollenden.

Eilt, verkündigt es seinen Geschöpfen! Sein Sabbath erhebt sich

Jetzt mit des hocherhabnen Messias freiem Gehorsam.

Gott Jehovah nennt ihn den Sabbath des ewigen Bundes.«

Staunend schwieg Eloa, und schweigend sahe der Himmel

Zu dem Allerheiligsten auf. Dem Gesendeten Christus'

Winkte Gott; da stieg er hinauf zu dem obersten Throne.

Dort empfing er an Uriel und die Beschützer der Erde

Wegen der Wunder beim Tode des Sohns geheime Befehle.

Unterdeß waren die Thronen von ihren Sitzen gestiegen.

Gabriel folgte. Da er dem Altar der Erde sich nahte,

Höret' er Seufzer, die fern den hohen Gewölben entwallten

Und mit weinendem Laute das Heil der Menschen verlangten.

Aber vor allen Stimmen erscholl die Stimme des Ersten

Unter den Menschen. Er dachte den Fall Aeonen herunter.

Dieser ist der Altar, von dem auf Patmos des neuen,

Blutenden Bundes Prophet das himmlische Bild erblickte.

Dort war's, wo sich im hohen Gewölbe der Märtyrer Stimme

Klagend erhub; dort weinten die Seelen Thränen der Engel,

Daß er den Tag, der Richter den Tag der Rache verzögre!

Als jetzt zu der Erd' Altar der Seraph hinabstieg,

Eilt' ihm mit jedem heißen Verlangen Adam entgegen,

Nicht ungesehn; ein schwebender Leib, aus Heitre gebildet,

War dem seligen Geist zur verklärten Hülle geworden.

Seine Gestalt war schön wie Du vor des Schöpfers Gedanken,

Göttliches Bild, da er Adam zu schaffen gedankenvoll dastand,

Und im gesegneten Schooße des lebenduftenden Edens

Unter ihm heiliges Land zum werdenden Menschen sich losriß.

Also gebildet nahte sich Adam. Liebliches Lächeln

Machte sein Antlitz wie göttlich; er sprach mit verlangender Stimme:

»Sei mir gegrüßt, begnadigter Seraph, Du Friedensbote!

Da uns die Stimme Deiner erhabenen Sendung erschallte,

Hub sich mein Geist in Jubel empor. Du theurer Messias,

Könnt' ich Dich auch holdselig in jener menschlichen Schönheit

Wie der Seraph hier sehn! ach, in jener Gestalt der Erbarmung,

Die Du korest, in ihr mein gefallnes Geschlecht zu versöhnen.

Zeige mir, Seraph, die Spur, wo mein Erlöser gewandelt,

Mein Erlöser und Freund, ich will ihn nur ferne begleiten!

Ruhstatt jenes Gebets, wo unser Mittler sein Antlitz

Aufhub, schwur, er wollte die Kinder Adam's erlösen,

Dürfte der erste der Sünder mit Freudenthränen Dich anschaun!

Ach, ich war ja vordem Dein erstgeborner Bewohner,

Mütterlich Land, o Erde! wie sehn' ich nach Dir mich hinunter!

Deine vom Donnerworte des Fluchs zerstörten Gefilde

Wären mir in des Messias Gesellschaft, den jenes Todes

Leib umhüllet, welchen ich dort in dem Staube zurückließ,

Lieblicher als Dein Gefilde, nach himmlischen Auen erschaffen,

O Paradies, verlorner Himmel!« So sagt er voll Inbrunst.

»Deine Verlangen will ich, Du Erstling der Auserwählten,«

Sprach mit freundlicher Stimme der Seraph, »dem Söhnenden kundthun.

Ist es sein göttlicher Wille, so wird er Adam gebieten,

Daß er ihn seh', wie er ist, die erniederte Herrlichkeit Gottes.«

Jetzo hatten den Himmel die Cherubim feirend verlassen

Und sich überall schnell in der Welten Kreise verbreitet.

Gabriel schwebt' allein herab zu der seligen Erde,

Die der benachbarte Kreis vorübergehender Sterne

Still mit seinem allgegenwärtigen Morgen begrüßte.

Rings erschollen zugleich die neuen Namen der Erde.

Gabriel hörte die Namen: »Du Königin unter den Erden,

Augenmerk der Geschaffnen, vertrauteste Freundin des Himmels,

Zweite Wohnung der Herrlichkeit Gottes, unsterbliche Zeugin

Jener geheimen, erhabenen That des großen Messias!«

Also ertönte, durchhallt von englischen Stimmen, der Umkreis.

Gabriel hört' es, doch kam er mit eilendem Fluge zur Erde.

Schlummer sank und Kühle noch hier in die Thäler, und stille,

Dunkle, gesellige Wolken verhüllten noch ihr Gebirge.

Gabriel ging in der Nacht und suchte mit sehnendem Blicke

Gott den Mittler. Er fand ihn in einem niedrigen Thale,

Das sich herabließ zwischen den Gipfeln des himmlischen Oelbergs.

Hier war, tief in Gedanken versenket, der Gottversöhner

Eingeschlafen. Ein Felshang war des Göttlichen Lager.

Gabriel sah ihn vor sich in süßem, luftigen Schlafe,

Stand bewundernd still und sah unverwandt auf die Schönheit,

Durch die vereinte Gottheit der menschlichen Bildung gegeben.

Ruhige Liebe, Züge des göttlichen Lächelns voll Gnade,

Huld und Milde, noch Thränen der ewigtreuen Erbarmung

Zeigten den Geist des Menschenfreundes in seinem Antlitz;

Aber verdunkelt war durch des Schlafes Geberde der Abdruck.

Also sieht ein wallender Seraph der blühenden Erde

Halbunkenntliches Antlitz an Frühlingsabenden liegen,

Wenn der Abendstern am einsamen Himmel heraufgeht

Und, ihn anzuschaun, aus der dämmernden Laube den Weisen

Herwinkt. Endlich red'te nach langer Betrachtung der Seraph:

»O Du, dessen Allwissenheit sich durch die Himmel verbreitet,

Der Du mich hörest, obgleich Dein Leib von Erde da schlummert,

Deine Befehle richtet' ich alle mit eilender Sorg' aus!

Als ich es that, eröffnete mir der erste der Menschen,

Wie er Dein Antlitz zu sehn, erhabener Mittler, sich sehne.

Jetzo will ich, so hat's Dein großer Vater geboten,

Wieder von hier, die Versöhnung mit zu verherrlichen, eilen.

Schweiget indeß, o nahe Geschöpfe! die flüchtigsten Blicke

Dieser eilenden Zeit, da Euer Schöpfer noch hier ist,

Müssen theurer Euch sein als jene Jahrhunderte, die Ihr

Euren Menschen mit emsiger, reger Sorge gedient habt.

Schweig, Getöse der Luft, in dieser Oede der Gräber,

Oder erhebe Dich sanft mit stillem, bebenden Säuseln.

Und Du, nahes Gewölk, o, senke Du tiefere Ruhe

In die kühlenden Schatten aus Deinen Schößen herunter.

Rausche nicht, Ceder, und schweig, o Hain, vor dem schlummernden Schöpfer!«

Also verlor sich mit sorgsamem Ton des Unsterblichen Stimme.

Und er eilete zu der Versammlung der heiligen Wächter,

Die, Vertraute der Gottheit und ihrer verborgneren Vorsicht,

In geheimer Stille mit ihm die Erde beherrschen.

Diesen sollt' er noch jetzo, eh er sich erhübe zur Sonne,

Jenes Verlangen der seligen Geister, die nahe Versöhnung,

Und den zweiten, den Sabbath des großen Geopferten kund thun.

Der Du nach Gabriel jetzo den Kreis der Erlösung beherrschest,

Göttlicher Hüter der Mutter so vieler unsterblicher Kinder,

Die sie wie ihre Begleiter, die schnellen Jahrhunderte, eilend

Und unerschöpflich an Fülle, den höheren Gegenden sendet,

Dann zertrümmert die Hütte des ewigen Geistes hinabgräbt

Unter Hügel, auf denen der fliehende Wandrer nicht ausruht;

O Du, dieser einst verherrlichten Erde Beschützer,

Seraph Eloa, verzeih es Deinem künftigen Freunde,

Wenn er Deine Wohnung, seit Eden's Schöpfung verborgen,

Von der Sängerin Sion's gelehrt, den Sterblichen zeiget.

Hat er in tiefe Gedanken sich je voll einsamer Wollust

Und in die hellen Kreise der stillen Entzückung verloren,

Hat mit Gedanken der Geister sich sein Gedanke vereinigt,

Und die enthülltere Seele der Himmlischen Rede vernommen:

O, so hör' ihn, Eloa, wenn er, wie die Jugend des Himmels,

Kühn und erhaben, nicht singt verschwundene Größe des Menschen,

Sondern des Todes Geweihte, der Auferstehung Geweihte

Zu der Versammlung der Himmlischen führt, zu dem Rathe der Wächter.

In dem stillen Bezirk des unbetrachteten Nordpols

Ruhet die Mitternacht einsiedlerisch, säumend, und Wolken

Fließen von ihr wie ein sinkendes Meer unaufhörlich herunter.

So lag unter der Finsterniß Gottes, von Moses gerufen,

Einst der Strom Aegyptus, in vierzehn Ufer gedränget,

Und Ihr, ewige Pyramiden, der Könige Gräber.

Niemals hat noch ein Auge, von kleineren Himmeln umgrenzet,

Diese Gefilde gesehn, die in nächtlicher Stille ruhen

Unbewohnt, und wo von des Menschen Stimme kein Laut tönt,

Wo sie keinen Todten begruben, und keiner erstehn wird.

Aber, tiefen Gedanken geweiht und ernster Betrachtung,

Machen sie Seraphim herrlich, indem auf ihren Gebirgen

Gleich Orionen sie wandeln und, in prophetische Stille

Sanft verloren, der Sterblichen künftige Seligkeit anschaun.

Mitten in diesem Gefild' erhebt sich die englische Pforte,

Die der Erde Beschützer zu ihrem Heiligthum einführt.

Wie zu der Zeit, wenn der Winter belebt, ein heiliger Festtag

Ueber beschneiten Gebirgen nach trüben Tagen hervorgeht;

Wolken und Nacht entfliehen vor ihm, die beeisten Gefilde,

Hohe durchsichtige Wälder entnebeln ihr Antlitz und glänzen:

So ging Gabriel jetzt auf den mitternächtlichen Bergen,

Und schon stand des Unsterblichen Fuß an der heiligen Pforte,

Welche vor ihm wie rauschender Cherubim Flügel sich aufthat,

Hinter ihm wieder mit Eile sich schloß. Nun wandelt der Seraph

In der Erd' Abgründen. Da wälzten sich Oceane

Ringsum, langsamer Fluth, zu menschenlosen Gestaden.

Alle Söhne der Oceane, gewaltige Ströme

Flossen, wie Ungewitter sich aus den Wüsten heraufziehn,

Tiefauftönend ihm nach. Er ging, und sein Heiligthum zeigte

Sich ihm schon in der Nähe. Die Pfort', erbauet von Wolken,

Wich ihm aus und zerfloß vor ihm wie in himmlische Schimmer.

Unter dem Fuße des Eilenden zog sich flüchtige Dämmrung

Wallend weg. Nah hinter ihm an den dunkeln Gestaden

Blieb es in seinem Tritte zurück wie wehende Flammen.

Und der Unsterbliche war zu der Engelversammlung gekommen.

Da, wo ferne von uns zu der Mitte die Erde sich senket,

Wölbt sich in ihr ein weiter Bezirk voll himmlischer Lüfte.

Dort schwebt, leise bewegt und bekrönt mit flüssigem Schimmer,

Eine sanftere Sonne. Von ihr fließt Leben und Wärme

In die Adern der Erd' empor. Die obere Sonne

Bildet mit dieser vertrauten Gehilfin den blumigen Frühling

Und den feurigen Sommer, vom sinkenden Halme belastet,

Und den Herbst auf Traubengebirgen. In ihren Bezirken

Ist sie niemals auf- und niemals untergegangen.

Um sie lächelt in röthlichen Wolken ein ewiger Morgen.

Unterweilen thut, der alle Himmel erfüllet,

Seine Gedanken den Engeln daselbst durch Zeichen in Wolken

Wunderbar kund; dann erscheinen vor ihnen die Folgen der Vorsicht.

Also entdeckt sich Gott, wenn nach wohlthätigen Wettern

Ueber besänftigten Wolken der Himmelsbogen hervorgeht

Und Dir, Erde, den Bund und die Fruchtbarkeit Gottes verkündigt.

Gabriel ließ jetzo auf dieser Sonne sich nieder,

Die, ungesehen von uns, die innere Fläche der Erde

Und was dort Lebendigkeit athmet, mit bleibendem Strahl labt.

Also unsers Mondes Gefährt'. Wir sehn ihn nicht wallen;

Denn ihm entquillt nur dämmernder, bald versiegender Schimmer,

Auch verfinstert er nicht, so locker vereinte sein Stoff sich;

Aber die Menschen im Hesperus sehn, die im Jupiter sehn ihn.

Also der hohe Saturn. Der himmlischen Aehre Bewohner

Sehen des mondumwimmelten Sterns weitkreisenden Lauf nicht.

Um den Seraph versammelten sich die Beschützer der Völker,

Engel des Kriegs und des Todes, die im Labyrinthe des Schicksals

Bis zu der göttlichen Hand den führenden Faden begleiten;

Die in Verborgnem über die Thaten der Könige herrschen,

Wenn sie damit triumphirend als ihrer Schöpfung sich aufblähn.

Dann die Hüter der Tugendhaften, der wenigen Edlen,

Die in seiner Entfernung den denkenden Weisen begleiten,

Wenn er das Menschengewebe der Erdeseligkeit fliehet

Und die Bücher der ewigen Zukunft betend eröffnet.

Auch sind sie oft insgeheim bei einer Versammlung zugegen,

Wo der feurige Christ die Herabkunft Gottes empfindet,

Wenn ein brüderlich Volk, durch das Blut des Bundes geheiligt,

Vor dem Versöhner der Menschen in Jubellieder sich ausgießt.

Wenn die Seelen entschlafner Christen ihr todtes Antlitz

Und den Schweiß und die traurigen Züge des siegenden Todes

Und die bezwungne Natur auf ihrem Leichnam erblicken,

So empfangen sie diese Gefährten mit tröstendem Anblick:

»Lieber, wir wollen dereinst die Trümmern alle versammeln!

Eben diese Wohnung der Sterblichkeit, diese Gebeine,

Welche die Hand des gewaltigen Todes so traurig entstellt hat,

Soll mit dem Morgen des Richters zur neuen Schöpfung erwachen.

Kommt, zukünftige Bürger des Himmels, helleres Anschaun,

Siehe, der erste der Ueberwinder erwartet Euch, Seelen!«

Auch die Seelen, die zarten, nur sprossenden Leibern entflohen,

Sammelten sich um den Seraph herum. Sie flohen noch sprachlos,

Mit der Kindheit zärtlichem Weinen. Ihr schüchternes Auge

Hatte kaum staunend erblickt der Erde kleine Gefilde;

Darum durften sie sich auf der Welten furchtbaren Schauplatz,

Noch ungebildet, so bald hervorzutreten nicht wagen.

Ihre Beschützer geleiten sie zu sich und lehren sie reizend,

Unter beseelender Harfen Klang in lieblichen Liedern:

Wie und woher sie entstanden, wie groß die menschliche Seele

Von dem vollkommensten Geiste gemacht sei, wie jugendlich heiter

Sonnen und Monde nach ihrer Geburt zu dem Schöpfer gekommen.

»Euch erwarten vollendete Väter! Herrliches Anschaun

Eures Erbarmers erwartet Euch dort am ewigen Throne!«

Also lehren sie diese der Weisheit würdigen Schüler,

Jener erhabneren Weisheit, nach deren flüchtigem Schatten,

Durch ihr Glänzen geblendet, die irren Sterblichen eilen.

Jetzo hatten sie Alle die schimmernden Lauben verlassen

Und sich zu ihren Vertrauten, der Erde Hütern, versammelt.

Gabriel that jetzo der ganzen Geisterversammlung

Alles das kund, was Gott ihm befahl vom Messias zu sagen.

Diese blieb wie entzückt um den hohen göttlichen Lehrer,

Senkte froh die Gedanken in tiefe Betrachtungen nieder.

Aber ein liebenswürdiges Paar, zwo befreundete Seelen,

Benjamin und Jedidda, umarmten einander und sprachen:

»Ist das nicht, o Jedidda, der holde, vertrauliche Lehrer?

Ist's nicht Jesus, von welchem der Seraph es Alles erzählte?

Ach, ich weiß es noch wohl, wie er uns inbrünstig umarmte,

Wie er uns an die klopfende Brust mit Zärtlichkeit drückte!«

»Eine getreue Zähre der Huld, die seh' ich noch immer,

Netzte sein Antlitz; ich küßte sie auf, die seh' ich noch immer,

Benjamin, und da sagt' er zu unsern umstehenden Müttern:

›Werdet wie Kinder, sonst könnt Ihr das Reich des Vaters nicht erben.‹« –

»Ja, so sagt' er, Jedidda. Und Der ist unser Erlöser;

Durch Den sind wir so selig! Umarme Deinen Geliebten!«

Also besprachen sie sich mit Zärtlichkeit unter einander.

Gabriel aber erhub sich zur neuen Botschaft.. Der Feier

Festlicher Glanz floß über den Fuß des Unsterblichen nieder.

Also sehen der Erde Tag die Bewohner des Mondes,

Ihren Nächten zu leuchten, in stiller, thauender Wolke

Auf die Gipfel ihrer Gebirge herunterwallen.

Also geschmückt stand Gabriel auf, und unter dem Nachruf

Jauchzender Engel und Seelen betrat er den freieren Luftkreis.

Rauschend wie Pfeile vom silbernen Bogen, zum Siege beflügelt,

Flieget er neben Gestirnen vorbei und eilt zu der Sonne.

Und schon sinket er schwebend auf ihren Tempel herunter.

Auf der Zinne des Tempels fand er die Seelen der Väter,

Die unverwandt den suchenden Blick mit den Strahlen vereinten,

Welche den weckenden Tag in die Thäler Kanaan's sandten.

Unter den Vätern war einer von hohen, denkendem Ansehn,

Adam, der Sohn der erwachenden Erd' und der Bildungen Gottes.

Gabriel, er und der Sonne Beherrscher erwarteten sehnend

Unter Gesprächen vom Heil der Menschen des Oelbergs Anblick.

Zweiter Gesang

Jetzt stieg über den Cedernwald der Morgen herunter.

Jesus erhub sich; ihn sahn in der Sonne die Seelen der Väter.

Als sie ihn sahn, da sangen zwo Seelen gegen einander,

Adam's Seele, mit ihr die Seele der göttlichen Eva:

»Schönster der Tage, Du sollst vor allen künftigen Tagen

Festlich und heilig uns sein, Dich soll vor Deinen Gefährten,

Kehrest Du wieder zurück, des Menschen Seele, der Seraph

Und der Cherub beim Aufgang und Untergange begrüßen.

Steigst Du zur Erd' herab, verbreiten Dich Orione

Durch die Himmel, und gehst Du am Thron der Herrlichkeit Gottes

Strahlend hervor, so wollen wir Dir in feirendem Aufzug,

Jauchzend mit Hallelujagesängen entgegensegnen!

Dir, unsterblicher Tag, der Du unserm getrösteten Auge

Gott den Messias auf Erden in seiner Erniedrigung zeigest.

O, von Adam der Schönste, Messias in menschlicher Bildung!

Wie enthüllt sich in Deinem erhabenen Antlitz die Gottheit!«

»Selig bist Du und heilig, die Du den Messias gebarest,

Seliger Du als Eva, der Menschen Mutter. Unzählbar

Sind die Söhne von ihr und sind unzählbare Sünder.

Aber Du hast einen, nur einen göttlichen Menschen,

Einen gerechten, ach, einen unschuldigen, theuren Messias,

Einen ewigen Sohn (ihn schuf kein Schöpfer) geboren!

Zärtlich seh' und mit irrendem Blick ich hinab zu der Erde;

Dich, Paradies, Dich seh' ich nicht mehr. Du bist in den Wassern

Niedergestürzt, im Gericht der allgegenwärtigen Sündfluth!

Deiner erhabnen umschattenden Cedern, die Gott selbst pflanzte,

Deiner friedsamen Laube, der jungen Tugenden Wohnung,

Hat kein Sturm, kein Donner, kein Todesengel geschonet!

Bethlehem, wo ihn Maria gebar und ihn brünstig umarmte,

Sei Du mir mein Eden; Du Brunnen David's, die Quelle,

Wo ich göttlich erschaffen zuerst mich sahe; Du Hütte,

Wo er weinete, sei mir die Laube der ersten Unschuld!

Hätt' ich Dich in Eden geboren, Du Göttlicher, hätt' ich

Gleich nach jener entsetzlichen That, o Sohn, Dich geboren,

Siehe, so wär' ich mit Dir zu meinem Richter gegangen;

Da, wo er stand, wo unter ihm Eden zum Grabe sich aufthat,

Wo der Erkenntnisse Baum mir fürchterlich rauschte, die Stimme

Seiner Donner den Richterspruch des Fluches mir aussprach,

Wo ich in bangem Erbeben versank, zu sterben versank, da

Wär' ich zu ihm gegangen; Dich hätt' ich weinend umarmt, Sohn,

An mein Herz Dich gedrückt und gerufen: ›Zürne nicht, Vater!

Zürne nicht mehr, ich habe den Mann Jehovah geboren!‹«

»Heilig bist Du, anbetenswürdig und ewig, o Erster!

Der Du Deinen göttlichen Sohn von Ewigkeit zeugtest,

Ihn, nach Deinem Bilde gezeugt zum Erlöser der Menschen,

Meines von mir beweinten Geschlechts, erbarmend erwähltest.

Gott hat meine Thränen gesehn; Ihr habt sie gesehen,

Seraphim, und sie gezählt; auch Ihr, Ihr Seelen der Todten,

Seelen meines entschlafnen Geschlechts, sie alle gezählet.

Wärest Du nicht, o Messias, gewesen, die ewige Ruhe

Hätte selbst mir traurig und ungenießbar geschienen.

Aber, von Deiner göttlichen Huld, von Deiner Erbarmung,

Stifter des ewigen Bundes, von ihr umschattet, da lernt' ich

Selbst in der Wehmuth Schmerz mehr Seligkeiten empfinden.«

»Und nun trägst Du sein Bild, das Bild des sterblichen Menschen;

Gottmensch, Mittler, Dich beten wir an! Vollende Dein Opfer,

Das Du für uns, Weltrichter, für uns zu vollenden herabstiegst.

Mache die Erde bald neu, die Du zu verneuen beschlossest,

Dein und unser Geburtsland! Komm zurück in den Himmel!

Komm, sei gegrüßt in Deinen Erbarmungen, Gottmensch, Mittler!«

Also ertönte mit mächtigem Klang die Stimme der Seelen

Durch des strahlenden Tempels Gewölbe. Jesus vernahm sie

Fern in der Tiefe. Wie mitten in heiligen Einsiedleien,

In der Zukunft Folge vertieft, prophetische Weise

Dich, in der Fern' herwandelnde Stimme des Ewigen, hören.

Jesus stieg an dem Oelberg nieder. An seiner Mitte

Standen Palmen, vor allen auf niedrigen Hügeln erhaben,

Von leichtschimmernden Wolken des Morgennebels umflossen.

Unter den Palmen vernahm der Messias den Engel Johannes',

Raphael ist sein Name, der ihn hier betend verehrte.

Liebliche Winde zerflossen von ihm und trugen die Stimme,

Die sonst keine Geschöpfe nicht hörten, hinab zu dem Mittler.

»Raphael, komm,« rief ihm der Messias mit freundlichem Anblick,

»Wandle mir hier ungesehn zu der Seite. Wie hast Du die Nacht durch

Unsers lieben Johannes unschuldige Seele bewachet?

Welche Gedanken, die Deinen Gedanken, Raphael, glichen,

Hatt' er? Wo ist er jetzt?« – »Ich bewacht' ihn,« sagte der Seraph,

»Wie wir die Erstlinge Deiner Erwählten, o Mittler, bewachen.

Seinen geöffneten Geist umschatteten heilige Träume,

Träume von Dir. O, hättest Du ihn da schlummern gesehen,

Als er Dich, Göttlicher, sah! Ein heiliges Frühlingslächeln

Füllte sein Antlitz. Dein Seraph hat auch in Eden's Gefilden

Adam gesehn, da er schlief, und das Bild der werdenden Eva

Und des bauenden Schöpfers vor seine Gedanken herabkam.

Aber so schön war er kaum wie Dein göttlicher Jünger Johannes.

Doch jetzt ist er dort unten in traurigen, nächtlichen Gräbern,

Klaget einen besessenen Mann, der im Staube der Todten,

Fürchterlich bleich wie bebend Gebein, herübergestreckt liegt.

Mittler, Du solltest ihn sehn, Du solltest den zärtlichen Jünger

Neben ihm voll mitleidiges Kummers und Wehmuth erblicken,

Wie vor Menschenliebe das Herz ihm erbarmend zerfließet,

Wie er bebet. Mir selbst drang eine Thräne der Wehmuth

Zitternd ins Auge. Da wandt' ich mich weg. Das Leiden der Geister,

Die Du zur Ewigkeit schufst, ist mir stets durch die Seele gedrungen.«

Raphael schwieg. Der Göttliche sah mit Zorne gen Himmel.

»Vater, erhöre mich! Es werde der Hasser der Menschen

Deinem Gericht ein ewiges Opfer, das jauchzend der Himmel,

Das mit Bestürzung und Schand' und Schmach die Hölle betrachte!«

Also sagt' er und näherte sich den Gräbern der Todten.

Unten am mitternächtlichen Berge waren die Gräber

In zusammengebirgte, zerrüttete Felsen gehauen.

Dicke, finsterverwachsene Wälder verwahrten den Eingang

Vor des fliehenden Wanderers Blick. Ein trauriger Morgen

Stieg, wenn der Mittag schon sich über Jerusalem senkte,

Dämmernd noch in die Gräber mit kühlem Schauer hinunter.

Samma, so hieß der besessene Mann, lag neben dem Grabe

Seines jüngsten, geliebteren Sohns in kläglicher Ohnmacht.

Satan ließ ihm die Ruh, ihn desto ergrimmter zu quälen.

Samma lag bei des Knaben Gebein in modernder Asche;

Neben ihm stand sein anderer Sohn und weinte zu Gott auf.

Jenen todten, den der Vater beweint' und der Bruder,

Brachte die zärtliche Mutter einst, erweicht durch sein Flehen,

Mit in die Gräber zum Vater hinab, zu dem Vater im Elend,

Den jetzt Satan in grimmiger Wuth bei den Todten herumtrieb.

»Ach, mein Vater!« so rief der kleine geliebte Benoni

Und entflohe der Mutter Arm, die ängstlich ihm nachlief;

»Ach, mein Vater, umarme mich doch!« und krümmt' um die Hand sich,

Drückte sie an sein Herz. Der Vater umfasset ihn, bebet.

Da mit kindlicher Inbrunst nun der Knab' ihn umarmte,

Da er mit sanft liebkosendem Lächeln ihn jugendlich ansah,

Warf ihn der Vater an einen entgegenstehenden Felsen,

Daß sein zartes Gehirn an blutigen Steinen herabrann,

Und mit leisem Röcheln entfloh die Seele voll Unschuld.

Jetzo klagt er ihn trostlos und faßt das kalte Behältniß

Seiner Gebeine mit sterbendem Arm. »Mein Sohn, Benoni!

Ach, Benoni, mein Sohn!« so sagt er, und jammernde Thränen

Stürzen vom Auge, das bricht und langsamstarrend dahinstirbt.

Also lag er beklommen von Angst, da der Mittler hinabkam.

Joel, der andere Sohn, verwandte sein thränendes Antlitz

Von dem Vater und sah den Messias die Gräber herabgehn.

»Ach, mein Vater,« erhub er froh vor Verwundrung die Stimme,

»Jesus, der große Prophet, kommt in die Gräber hernieder.«

Satan hört' es und sah bestürzt durch die Oeffnung des Grabmals.

So sehn Gottesleugner, der Pöbel, aus dunkeln Gewölben,

Wenn am donnernden Himmel das hohe Gewitter heraufzieht,

Und in den Wolken der Rache gefürchtete Wagen sich wälzen.

Satan hatte bisher aus der Fern' nur Samma gepeinigt.

Aus den tiefsten, entlegensten Enden des nächtlichen Grabmals

Sandt' er langsame Plagen hervor. Itzt erhub er sich wieder,