Der Mönch, der seinen Ferrari verkaufte - Robin Sharma - E-Book

Der Mönch, der seinen Ferrari verkaufte E-Book

Robin Sharma

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Beschreibung

Zum 25. Jubiläum jetzt mit Journal und einer komplett neuen Einführung In diesem Buch erzählt Robin Sharma die erstaunliche Geschichte von Julian Mantle, dem Superstar unter den Prozessanwälten, dessen atemberaubender materieller Erfolg sein inneres Unglück überdeckte. Nach einer Herzattacke begibt er sich auf eine Reise in den Himalaya und landet in einem Kloster, in dem ihm die Mönche das Geheimnis des Glücks lehren. Der Bestseller hat das Leben von weltweit mehreren Millionen Menschen inspiriert und grundlegend verändert und ist heute aktueller denn je. Denn er zeigt auf, wie wir trotz großer Unsicherheiten und Umbrüche ein glückliches und furchtloses Leben leben können. 25 Jahre nach der Entstehung dieses Buches, ergänzte Robin Sharma seine Geschichte um eine neue Einführung und ein spezielles Journal, das Ihnen hilft, Ihre größten Wünsche zu verwirklichen. So führen Sie ein Leben, das von Erfolg, Gelassenheit und dem Dienst an anderen geprägt ist.

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Seitenzahl: 306

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ROBIN SHARMA

Der Mönch, der seinen Ferrari verkaufte

Eine bemerkenswerte Geschichte über die Verwirklichung Ihrer Träume

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

1. Auflage 2024

© 2024 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Die englische Originalausgabe erschien 1997 bei HarperCollins Publishers Ltd. unter dem Titel The Monk Who Sold His Ferrari. © 1997, 2007, 2012, 2021 by Robin Sharma. Published by arrangement with HarperCollins Publishers Ltd., Canda. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Übersetzung: Antoinette Gittinger, Hans Freundl

Redaktion: Silke Panten

Umschlaggestaltung: in Anlehnung an das Cover der Originalausgabe von Chelsea Hamre, Pamela Machleidt, München

Umschlagabbildung und Illustrationen: Alexander Row

Autorenfoto: David Leyes

Satz: ZeroSoft, Timisoa

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-791-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-98609-545-1

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-98609-546-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für meinen Sohn Colby, der mich täglich an das Gute in dieser Welt erinnert. Mögest du gesegnet sein.

Das Leben ist für mich kein Kerzenstummel. Es gleicht einer lodernden Fackel, die ich für eine Weile in der Hand trage. Ich möchte, dass sie so hell wie möglich brennt, bevor ich sie an die kommenden Generationen weitergebe.

George Bernard Shaw

Inhalt

Vorwort von Robin Sharma

Kapitel 1. Der Weckruf

Kapitel 2. Der geheimnisvolle Besucher

Kapitel 3. Die wundersame Verwandlung von Julian Mantle

Kapitel 4. Eine geheimnisvolle Begegnung mit den Weisen von Sivana

Kapitel 5. Ein spiritueller Schüler der Weisen

Kapitel 6. Die Kunst, sich selbst zu verändern

Kapitel 7. Ein höchst außergewöhnlicher Garten

Kapitel 8. Das innere Feuer entzünden

Kapitel 9. Die alte Kunst der Selbstführung

Kapitel 10. Die Macht der Disziplin

Kapitel 11. Dein kostbarstes Gut

Kapitel 12. Der letzte Sinn des Lebens

Kapitel 13. Das zeitlose Geheimnis lebenslangen Glücks

So lebst du die Weisheit des Mönchs, der seinen Ferrari verkaufte. Führe 30 Tage lang Tagebuch über deine höchsten Ziele

Danksagung

Über den Autor

Vorwort von Robin Sharma

Es ist mir eine Ehre und ein Privileg, dieses Vorwort für die Jubiläumsausgabe von Der Mönch, der seinen Ferrari verkaufte zu schreiben, das vor fünfundzwanzig Jahren zum ersten Mal erschienen ist.

Ich bin heute viel älter als damals, als ich die ersten Exemplare dieses Buches im Selbstverlag nachts in einem rund um die Uhr geöffneten Copyshop herstellte, während ich tagsüber noch als Rechtsanwalt arbeitete.

Doch was mir an Jugend verloren gegangen ist, habe ich an Durchblick gewonnen. Was ich an Naivität eingebüßt habe, ist mir an Erfahrung zugewachsen. Obgleich unsere Welt immer komplexer, unbeständiger und fragiler wird, gibt es – das glaube ich, kann ich sagen – auch immer mehr Menschen, die mehr Heldenhaftigkeit, Rechtschaffenheit und Menschlichkeit an den Tag legen, als ich es in den vielen Jahrzehnten meines Lebens erfahren habe.

Unzählige mutige und ehrliche Menschen sind auf der Suche nach echter Inspiration, authentischem Wissen und wahren Methoden, um ihre einschränkenden Glaubenssätze aufzubrechen, ihre emotionalen Wunden zu heilen, ihre körperliche Vitalität zu verbessern und ihr spirituelles Leben zu reinigen, damit sie ihre Großartigkeit zur Geltung bringen und über alle Schwierigkeiten triumphieren können. Das ist wundervoll.

Wir erleben auf unserem Planeten eine Zeit großer Dunkelheit. Zugleich ist es aber auch eine Zeit des bezaubernden Lichts. Ist das nicht faszinierend?

Wenn wir gemeinsam die innere Arbeit fortsetzen, die erforderlich ist, um uns all dessen gewahr zu werden, was wir wirklich sind, wird jeder von uns seinen Teil dazu beitragen, Angst gegen Mut, Mittelmäßigkeit gegen Meisterhaftigkeit und Hass gegen Liebe einzutauschen – und wird dadurch unsere Welt neu gestalten. Es wird eine sehr helle Zukunft sein.

Daher möchte ich Ihnen – einem Menschen, der von dem Bestreben geleitet wird, seiner Genialität Ausdruck zu verleihen – Folgendes mit auf den Weg geben:

Wenn Hoffnung schwer zu finden ist, stehe für Möglichkeiten.

Wenn Menschen verängstigt sind, stehe für Stärke.

Wenn Gemeinschaften gespalten sind, sei ein Versöhner.

Wenn die Oberflächlichkeit triumphiert, gehe in die Tiefe.

Wenn Mittelmäßigkeit üblich ist, schaffe ein Meisterwerk.

Wenn Aufgeben normal ist, bleibe hartnäckig.

Wenn Höflichkeit veraltet erscheint, sei respektvoll.

Wenn Anspruchsdenken vorherrscht, sei selbstlos.

Wenn Grobheit allgegenwärtig ist, bleibe freundlich.

Der Mönch, der seinen Ferrari verkaufte, ein Buch, das aus sehr bescheidenen Anfängen hervorging und von einem völlig unbekannten Autor verfasst wurde, ist durch Mundpropaganda zu einem weltweit gelesenen Klassiker im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung geworden. Viele Millionen Menschen hat das Wissen, das ich auf den folgenden Seiten vermittele, geholfen, sich ein Leben aufzubauen, das von Erfolg, heiterem Gleichmut und dem Dienst für andere geprägt ist.

Ich beglückwünsche Sie dazu, dass Sie dieses Buch in die Hand genommen haben. Ich hoffe, dass es seinen Zauber auf Sie ausübt. Ich wünsche Ihnen alles Gute für das majestätische Abenteuer Ihres brillant gelebten Lebens.

* * *

Mit Liebe und Respekt

Der Mönch, der seinen Ferrari verkaufte

Kapitel 1

Der Weckruf

Er brach mitten in einem überfüllten Gerichtssaal zusammen. Er war einer der hervorragendsten Anwälte des Landes. Er war bekannt für die teuren italienischen Anzüge, die seinen gedrungenen Körper schmückten, vor allem aber für seine bemerkenswerten Siege, die er vor den Gerichten errungen hatte. Ich war schockiert und stand wie gelähmt da. Der große Julian Mantle lag hingestreckt wie ein hilfloses Wesen auf dem Boden und wand sich wie ein kleines Kind, zitternd und bebend und schwitzend, als habe er einen epileptischen Anfall erlitten.

Von diesem Moment an schien sich alles wie in Zeitlupe zu bewegen. »Mein Gott, Julian ist zusammengebrochen!«, schrie seine Assistentin. Ihr Gefühlsausbruch unterstrich nur die allgemeine Ratlosigkeit. Der Richterin stand die Angst ins Gesicht geschrieben, sie flüsterte heiser etwas in die Notrufanlage. Ich selbst stand benommen und verwirrt da. Bitte stirb nicht, du alter Kämpfer. Du kannst noch nicht abdanken. Einen solchen Tod hast du nicht verdient.

Der Gerichtsdiener, der zuvor im Stehen wie erstarrt ausgesehen hatte, eilte herbei und begann mit der Wiederbelebung des gefallenen Rechtshelden. Die Assistentin war an seiner Seite, ihre langen blonden Locken baumelten über Julians feuerrotem Gesicht und sie sprach ihm leise Worte des Trostes zu, Worte, die er offensichtlich nicht hören konnte.

Ich kannte Julian seit siebzehn Jahren. Wir waren uns zum ersten Mal begegnet, als ich ein junger Jurastudent war und während des Sommers von einem seiner Partner als Praktikant eingestellt wurde. Schon damals hatte er viel erreicht. Er war ein brillanter, gutaussehender und furchtloser Prozessanwalt, der davon träumte, zu Ruhm und Ehren zu kommen. Julian war der junge Star der Kanzlei, der einmal groß herauskommen würde. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich eines Abends nach der Arbeit an seinem herrschaftlichen Eckbüro vorbeiging und einen Blick auf das Zitat warf, das eingerahmt auf seinem massiven Eichenschreibtisch stand. Es stammte von Winston Churchill und sprach Bände über den Menschen, der Julian war:

Ich bin überzeugt, dass wir heute Meister unseres Schicksals sind, dass die Aufgabe, die vor uns liegt, unsere Kräfte nicht übersteigt, dass ihre Qualen und Mühen nicht jenseits meines Vermögens liegen. Solange wir an unsere Sache glauben und einen unbezwingbaren Siegeswillen haben, ist uns der Sieg auch gewiss.

Julian hat diese Worte in die Tat umgesetzt. Er war zäh, zielstrebig und bereit, achtzehn Stunden am Tag für den Erfolg zu arbeiten, von dem er überzeugt war, dass er ihm zustehe. Ich hatte gehört, dass sein Großvater ein bekannter Senator und sein Vater ein hoch angesehener Richter am Bundesgerichtshof gewesen war. Es war offensichtlich, dass er aus reichem Hause stammte und dass enorme Erwartungen auf seinen in Armani-Anzügen steckenden Schultern lasteten. Aber eines muss ich zugeben: Er ist seinen eigenen Weg gegangen. Er war entschlossen, die Dinge auf seine Weise anzupacken – und es gefiel ihm, eine Show abzuziehen.

Julians exzentrisches Auftreten im Gerichtssaal schaffte es regelmäßig auf die Titelseiten der Zeitungen. Die Reichen und Berühmten strömten zu ihm, wenn sie einen versierten und angriffslustigen juristischen Strategen brauchten. Auch durch seine Aktivitäten außerhalb des Gerichtssaals machte er von sich reden. Seine nächtlichen Besuche in den angesagtesten Lokalen der Stadt mit sexy jungen Models oder seine ausschweifenden Trinkgelage mit einer Gruppe von Maklern, die er als sein »Abbruchkommando« bezeichnete, sind in der Kanzlei zur Legende geworden.

Ich kann mir bis heute nicht erklären, warum er mich auswählte, um ihm in dem Aufsehen erregenden Mordprozess zu assistieren, in dem er in jenem Sommer auftreten sollte. Obwohl ich an seiner Alma Mater, der Harvard Law School, meinen Abschluss gemacht hatte, war ich sicherlich nicht der begabteste Mitarbeiter in der Kanzlei, und mein Familienstammbaum hatte kein blaues Blut aufzuweisen. Mein Vater hatte nach seiner Zeit bei den Marines sein ganzes Leben lang als Wachmann bei einer örtlichen Bank gearbeitet. Meine Mutter war in bescheidenen Verhältnissen in der Bronx aufgewachsen.

Dennoch wählte Julian mich vor all den anderen aus, die ihn diskret dazu zu bewegen versuchten, sein juristischer Gehilfe in dem Prozess zu werden, der später als »Mutter aller Mordprozesse« bekannt werden sollte. Er sagte, an mir gefiele ihm, dass ich »hungrig« sei. Wir gewannen natürlich, und der Geschäftsmann, der des brutalen Mordes an seiner Frau angeklagt worden war, war nun ein freier Mann – oder zumindest so frei, wie es sein belastetes Gewissen zuließ.

Ich lernte sehr viel in diesem Sommer. Es war weit mehr als eine Lektion darüber, wie man einen begründeten Zweifel aufkommen lässt, wenn es keinen gibt – jeder gute Anwalt, der sein Metier beherrscht, bringt das fertig. Es war darüber hinaus eine Lektion in der Psychologie des Gewinnens und eine seltene Gelegenheit, einen Meister in Aktion zu erleben. Ich saugte diese Erfahrungen auf wie ein Schwamm.

Auf Julians Einladung hin blieb ich als Mitarbeiter in der Kanzlei und es entwickelte sich schnell eine feste Freundschaft zwischen uns. Ich muss zugeben, dass es nicht einfach war, mit ihm zusammenzuarbeiten. Die Arbeit als sein Junior bot häufig Anlass zur Frustration. Mehr als einmal führten wir bis spät in die Nacht lautstarke Streitgespräche. Alles musste immer so laufen, wie er es sich vorstellte. Dieser Mann meinte, sich nie zu irren. Unter seinem schroffen Äußeren verbarg sich jedoch ein Mensch, der durchaus ein Herz für andere hatte.

Auch wenn er sehr beschäftigt war, fragte er immer, wie es Jenny gehe, der Frau, die ich immer noch »meine Braut« nenne, obwohl wir schon verheiratet waren, bevor ich mit dem Jurastudium begann. Als Julian von einem anderen Praktikanten erfuhr, dass ich finanziell in Schwierigkeiten steckte, sorgte er dafür, dass ich ein großzügiges Stipendium erhielt. Er konnte sich durchaus auch mit seinen Freunden anlegen, konnte dabei manchmal unausstehlich sein, aber er ließ seine Freunde nie im Stich. Das eigentliche Problem war, dass Julian von der Arbeit besessen war.

In den ersten Jahren rechtfertigte er seine langen Arbeitszeiten damit, dass er es »zum Wohle der Firma« tue und dass er vorhabe, demnächst einen Monat Urlaub zu nehmen und »im nächsten Winter ganz sicher« auf die Kaimaninseln zu reisen. Mit der Zeit jedoch verbreitete sich Julians Ruf als brillanter Anwalt und seine Arbeitsbelastung nahm weiter zu. Die Fälle, die er bearbeitete, wurden immer umfangreicher und anspruchsvoller, und Julian, der nie vor einer interessanten Herausforderung zurückschreckte, setzte sich selbst immer mehr unter Druck. In seinen seltenen Momenten der Ruhe vertraute er mir an, dass er nicht mehr als ein paar Stunden schlafen könne, ohne mit einem schlechten Gewissen aufzuwachen, weil er nicht an einer Akte arbeitete. Mir wurde bald klar, dass ihn der Hunger nach mehr verzehrte: nach mehr Prestige, mehr Ruhm und mehr Geld.

Wie erwartet, wurde Julian ungemein erfolgreich. Er erreichte alles, was sich die meisten Menschen nur wünschen können: Er galt in seinem Beruf als Superstar und hatte ein Jahreseinkommen im siebenstelligen Bereich. Er konnte sich eine spektakuläre Villa in einer von Prominenten bevorzugten Gegend leisten, einen Privatjet, ein Sommerhaus auf einer tropischen Insel und – das war sein wertvollster Besitz – einen glänzenden roten Ferrari, der in seiner Einfahrt parkte.

Doch ich wusste, dass die Dinge nicht so idyllisch waren, wie sie oberflächlich erschienen. Ich erkannte die Anzeichen der drohenden Katastrophe nicht deshalb, weil ich so viel scharfsichtiger gewesen wäre als die anderen in der Firma, sondern einfach, weil ich die meiste Zeit mit diesem Mann verbrachte. Wir waren immer zusammen, weil wir immer arbeiteten. Die Dinge schienen sich nie zu beruhigen. Es gab immer einen neuen Fall am Horizont, der größer oder herausfordernder war als der letzte. Keine noch so gute Vorbereitung war für Julian jemals genug. Was wäre, wenn der Richter diese oder jene Frage stellte, was Gott verhüten möge? Was würde passieren, wenn unsere Recherchen nicht perfekt waren? Was würde geschehen, wenn er mitten in einem überfüllten Gerichtssaal plötzlich überrascht werden würde und dastünde wie ein Reh, das in der Nacht von Autoscheinwerfern geblendet wird? Wir gingen also bis an unsere Grenzen, und auch ich wurde in seine kleine Welt hineingezogen, in der sich alles nur um die Arbeit drehte. Da waren wir nun, zwei Sklaven der Uhr, die sich im vierundsechzigsten Stock eines Gebäudekomplexes aus Stahl und Glas abmühten, wenn die meisten vernünftigen Menschen zu Hause bei ihren Familien waren – während wir meinten, wir hätten alles im Griff, geblendet von der Chimäre des Erfolgs.

Je mehr Zeit ich mit Julian verbrachte, desto deutlicher konnte ich erkennen, dass er sich selbst immer mehr zugrunde richtete. Es schien fast, als habe er eine Art Todessehnsucht. Nichts konnte ihn jemals zufriedenstellen. Schließlich scheiterte seine Ehe, er redete nicht mehr mit seinem Vater, und obwohl er alles besaß, was man sich nur wünschen konnte, hatte er immer noch nicht gefunden, wonach er suchte. Das merkte man ihm an, emotional, körperlich – und auch geistig.

Mit seinen dreiundfünfzig Jahren sah Julian aus, als sei er Ende siebzig. Sein Gesicht war zerfurcht von Falten, ein nicht gerade glorreicher Tribut an seine Lebenseinstellung des »Alles oder nichts« und der enormen Belastung durch seine unausgeglichene Lebensweise. Er aß spät in der Nacht in teuren französischen Restaurants, rauchte dicke kubanische Zigarren und kippte einen Cognac nach dem anderen, was ihm ein gewaltiges Übergewicht einbrachte. Er klagte darüber, dass er sich nicht wohlfühle und das ständige Übermüdetsein nicht mehr ertragen könne. Er hatte seinen Sinn für Humor verloren und schien nicht mehr lachen zu können. Seine einst begeisternde Art war von einer tödlichen Düsternis verdrängt worden. Ich glaube, dass sein Leben mittlerweile jeden Sinn und Zweck verloren hatte.

Das Traurigste war vielleicht, dass er auch im Gerichtssaal seine einstige Konzentriertheit und gedankliche Schärfe eingebüßt hatte. Wo er früher alle Anwesenden mit einem wortgewandten und messerscharfen Schlussplädoyer verblüffte, schwadronierte er jetzt stundenlang über obskure Fälle, die wenig oder gar nichts mit der Sache zu tun hatten, die im Prozess verhandelt wurde. Wo er früher elegant auf die Einwände des gegnerischen Anwalts reagierte, legte er jetzt einen beißenden Sarkasmus an den Tag, der die Geduld der Richter strapazierte, die ihn früher als ein juristisches Genie angesehen hatten. Kurz gesagt, Julians Lebensfunke hatte bedenklich zu flackern begonnen.

Es war nicht nur die Belastung durch seine hektische Art, die ihn als Kandidaten für einen frühen Tod erscheinen ließ. Ich spürte, dass es viel tiefer ging. Es schien eine spirituelle Frage zu sein. Fast jeden Tag erzählte er mir, dass er keine Leidenschaft mehr verspüre für das, was er tue, und sich innerlich leer vorkomme. Julian sagte, dass er als junger Anwalt wirklich versessen gewesen sei auf das Recht, auch wenn er anfangs durch die sozialen Erwartungen seiner Familie in dieses Berufsfeld gedrängt worden sei. Die Komplexität des Rechts und die damit verbundenen intellektuellen Herausforderungen hätten ihn in ihren Bann gezogen und seine Energien geweckt. Dass er in der Lage war, durch seine Tätigkeit soziale Veränderungen zu bewirken, habe ihn inspiriert und motiviert. Damals sei er nicht bloß ein Junge reicher Eltern in Connecticut gewesen. Er habe sich als eine Kraft für das Gute verstanden, als ein Instrument für soziale Verbesserungen, das seine offenkundigen Begabungen einsetzen konnte, um anderen Menschen zu helfen. Diese Einstellung habe seinem Leben einen Sinn gegeben. Sie habe ihm ein Ziel aufgezeigt und seine Hoffnungen genährt.

Zu Julians persönlichem Niedergang trug nicht nur die Entfremdung von seiner beruflichen Tätigkeit bei. Er hatte etwas sehr Tragisches erlebt, bevor ich in die Firma kam. Einem der Seniorpartner zufolge war ihm etwas wirklich Gravierendes zugestoßen, aber niemand wollte mir Näheres darüber erzählen. Selbst der alte Harding, der notorisch redselige Managing Partner, der mehr Zeit an der Bar des »Ritz-Carlton« als in seinem unerhört großen Büro verbrachte, wiegelte ab mit der Begründung, dass er zur Verschwiegenheit verpflichtet sei. Worin auch immer dieses tiefe, dunkle Geheimnis bestand, ich hatte den Verdacht, dass es in irgendeiner Weise dazu beitrug, dass sich Julian in einer Abwärtsspirale befand. Ich war natürlich neugierig, vor allem aber wollte ich ihm helfen. Er war nicht nur mein Mentor, er war auch mein bester Freund.

Und dann geschah es. Dann kam dieser schwere Herzinfarkt, der den brillanten Julian Mantle auf den Boden der Tatsachen zurückholte und ihm seine Sterblichkeit aufzeigte. An einem Montagvormittag im Gerichtssaal Nummer sieben, jenem Gerichtssaal, in dem wir die Mutter aller Mordprozesse gewonnen hatten.

Kapitel 2

Der geheimnisvolle Besucher

Alle Angehörigen der Firma wurden zu einer Krisensitzung zusammengerufen. Als wir uns in den großen Sitzungssaal drängten, wusste ich, dass es ein ernstes Problem gab. Der alte Harding ergriff als Erster das Wort. »Ich fürchte, ich habe sehr schlechte Nachrichten. Julian Mantle hat gestern im Gerichtssaal während seines Plädoyers im Fall Air Atlantic einen schweren Herzinfarkt erlitten. Er liegt derzeit auf der Intensivstation, aber seine Ärzte haben mir mitgeteilt, dass sich sein Zustand inzwischen stabilisiert hat und er sich wieder erholen wird. Julian hat jedoch eine Entscheidung getroffen, die Sie alle kennen sollten. Er hat sich entschlossen, unsere Familie zu verlassen und seine anwaltliche Tätigkeit aufzugeben. Er wird nicht in die Kanzlei zurückkehren.«

Ich war geschockt. Ich wusste, dass Julian seine Schwierigkeiten hatte, aber ich hätte nie gedacht, dass er die Segel streichen würde. Und außerdem hätte ich angesichts unserer engen Zusammenarbeit erwartet, dass er den Anstand besäße, mir dies persönlich mitzuteilen. Aber er empfing mich nicht einmal im Krankenhaus zu einem Besuch. Jedes Mal, wenn ich dort vorsprach, teilten mir die Krankenschwestern anscheinend entsprechend seiner Anweisung mit, dass er schlafe und nicht gestört werden wolle. Er weigerte sich sogar, meine Telefonanrufe entgegenzunehmen. Vielleicht erinnerte ich ihn an das Leben, das er vergessen wollte. Wer weiß das schon? Aber eines kann ich sagen. Es tat wirklich weh.

Das alles ist nun ungefähr drei Jahre her. Zuletzt hörte ich, dass sich Julian auf eine Art Expedition nach Indien begeben habe. Er hatte einem der Partner in der Firma erzählt, dass er sein Leben vereinfachen wolle und dass er »einige Antworten« brauche auf verschiedene Dinge und hoffe, sie in diesem Land der Mystik zu finden. Er hatte seine Villa, sein Flugzeug und seine Privatinsel verkauft. Sogar seinen Ferrari hatte er weggegeben. Julian Mantle als indischer Yogi, dachte ich. Die Wege des Schicksals sind wirklich verschlungen.

Im Lauf dieser drei Jahre wandelte ich mich von einem überarbeiteten jungen Anwalt zu einem nun etwas älteren routinierten Anwalt mit einem gehörigen Schuss Zynismus. Meine Frau Jenny und ich gründeten eine Familie. Schließlich begann ich meine eigene Suche nach dem Sinn. Ich glaube, meine Kinder waren der Grund dafür. Sie haben meine Sicht auf die Welt und meine Rolle darin grundlegend verändert. Mein Vater hat es einmal sehr schön ausgedrückt: »John, auf deinem Sterbebett wirst du dir bestimmt nicht wünschen, mehr Zeit im Büro verbracht zu haben.« Also begann ich, mehr Zeit daheim zu verbringen. Ich richtete mich in einem angenehmen, wenn auch unspektakulären Dasein ein. Ich trat dem Rotary Club bei und spielte samstags Golf, um meine Partner und Kunden bei Laune zu halten. Aber ich muss Ihnen sagen, dass ich in meinen stillen Momenten oft an Julian dachte und mich fragte, was wohl aus ihm geworden war, nachdem sich unsere Wege auf so unerwartete und jähe Weise getrennt hatten.

Vielleicht hatte er sich in Indien niedergelassen, einem Land, das so vielfältig ist, dass selbst eine rastlose Seele wie er es zu seiner Heimat hätte machen können. Oder vielleicht war er auf einer Trekkingtour durch Nepal? Oder beim Tauchen vor den Kaimaninseln? Eines war sicher: Er war nicht in den Anwaltsberuf zurückgekehrt. Niemand hatte auch nur eine Postkarte von ihm erhalten, seit er aus unserer Branche ausgeschieden war.

Erste Antworten auf einige meiner Fragen erhielt ich vor ungefähr zwei Wochen, als es an meiner Tür klopfte. Ich hatte gerade einen anstrengenden Tag mit einem Mandanten hinter mir, als Genevieve, meine kluge Anwaltsgehilfin, den Kopf in mein kleines, elegant eingerichtetes Büro steckte.

»Hier ist jemand, der dich sprechen möchte, John. Er sagt, es sei dringend und er werde nicht gehen, bis du mit ihm gesprochen hast.«

»Ich wollte eigentlich gerade gehen, Genevieve«, erwiderte ich ungeduldig. »Ich werde noch einen Happen essen gehen und dann die Unterlagen für den Fall Hamilton fertig machen. Ich habe im Moment keine Zeit, jemanden zu empfangen. Sag ihm, er soll einen Termin vereinbaren wie alle anderen, und ruf den Wachdienst, falls er Ärger macht.«

»Aber er sagt, er muss dich unbedingt sehen. Er weigert sich, ein Nein als Antwort zu akzeptieren.«

Einen Augenblick erwog ich, selbst den Wachdienst zu rufen, aber dann dachte ich, es könne sich vielleicht um einen Menschen handeln, der in Not war, und änderte meine Haltung.

»Also gut, lass ihn rein«, sagte ich. »Vielleicht ergibt sich ja ein interessanter Auftrag.«

Die Tür zu meinem Büro öffnete sich langsam. Schließlich schwang sie ganz auf und ich erblickte einen lächelnden Mann, der etwa Mitte dreißig sein mochte. Er war groß, schlank und muskulös und strahlte Vitalität und Energie aus. Er erinnerte mich an diese perfekten Jungs, mit denen ich Jura studiert hatte, die aus perfekten Familien stammten, aus perfekten Häusern kamen, perfekte Autos fuhren und eine perfekte Haut besaßen. Aber mein Besucher hatte mehr zu bieten als nur ein jugendlich gutes Aussehen. Er strahlte einen inneren Frieden aus, der ihm fast etwas Heiliges verlieh. Und dann seine Augen. Durchdringend blaue Augen, die durch mich hindurchschnitten wie ein Rasiermesser, das auf das weiche Gesicht eines Jugendlichen trifft, der vor seiner ersten Rasur Angst hat.

Wieder so ein Jungspund, der es auf meinen Job abgesehen hat‹, dachte ich bei mir. Meine Güte, warum steht er nur da und starrt mich an? Ich hoffe, es war nicht seine Frau, die ich in dem großen Scheidungsfall vertreten habe, den ich letzte Woche gewonnen habe. Vielleicht ist es doch keine so dumme Idee, den Wachdienst zu rufen.

Der junge Mann schaute mich unverwandt an, so, wie der lächelnde Buddha einen seiner Lieblingsschüler angeschaut haben könnte. Nach einem langen Augenblick unangenehmen Schweigens sagte er in einem überraschend gebieterischen Tonfall: »Behandelst du alle deine Besucher so, John, selbst diejenigen, die dir beigebracht haben, wie man sich erfolgreich im Gerichtssaal durchsetzt?« Mit einem breiten Grinsen im Gesicht fuhr er fort: »Ich hätte meine Geheimnisse vielleicht doch für mich behalten sollen.«

Ich spürte ein seltsames Kribbeln in der Magengrube. Ich erkannte sie sofort, diese raue, honigweiche Stimme. Mein Herz begann schneller zu schlagen.

»Julian? Bist du das? Ich kann es nicht glauben! Bist du das wirklich?«

Das laute Lachen des Besuchers bestätigte meinen Verdacht. Der junge Mann, der vor mir stand, war kein anderer als der lange verschollene Yogi aus Indien: Julian Mantle. Ich war geblendet von seiner unglaublichen Verwandlung. Verschwunden waren der geisterhafte Teint, das kränkelnde Hüsteln und die leblosen Augen meines früheren Kollegen. Verschwunden waren auch die gealterte Erscheinung und der kränkliche Ausdruck, der zu seinem persönlichen Markenzeichen geworden war. Der Mann, der hier vor mir stand, schien bei bester Gesundheit zu sein, und sein faltenloses Gesicht strahlte förmlich. Seine Augen waren klar und brachten seine außergewöhnliche Vitalität zum Ausdruck. Vielleicht noch erstaunlicher war die heitere Gelassenheit, die Julian ausstrahlte. Ich selbst fühlte mich von tiefem Frieden erfüllt, als ich dasaß und ihn anstarrte. Er war nicht mehr der angespannte, sorgenvolle Seniorpartner einer führenden Anwaltskanzlei. Vielmehr war er die Verkörperung eines jugendlichen, vitalen und heiter lächelnden Menschen.

Kapitel 3

Die wundersame Verwandlung von Julian Mantle

Ich konnte nur staunen über den neuen, völlig veränderten Julian Mantle.

»Wie konnte jemand, der noch vor wenigen Jahren wie ein erschöpfter alter Mann aussah, jetzt so lebendig und vital wirken?«, fragte ich mich ungläubig. »War es eine Wunderdroge, die ihn so jung gemacht hat? Was hat diese außergewöhnliche Verwandlung ermöglicht?«

Julian ergriff als Erster das Wort. Er erzählte mir, dass die erbitterte Konkurrenz in der Juristerei ihren Tribut von ihm gefordert habe, nicht nur in physischer und emotionaler Hinsicht, sondern auch geistig. Die ständige Hektik und die endlosen Anforderungen hätten ihn ausgelaugt und erschöpft. Er erklärte, dass er körperlich zu einem Wrack geworden sei und sein Geist seinen Esprit eingebüßt habe. Sein Herzinfarkt sei nur ein Symptom für ein tiefer reichendes Problem gewesen. Der ständige Druck und der fordernde Terminkalender eines Spitzenanwalts hätten auch seine wichtigste – und vielleicht menschlichste – Gabe zerrüttet: seinen Geist. Als ihn sein Arzt vor die Wahl stellte, entweder seinen Beruf oder sein Leben aufzugeben, sei ihm klar geworden: Hier biete sich eine Möglichkeit, das innere Feuer, das er in seiner Jugend gekannt hatte, wieder neu zu entfachen – ein Feuer, das erloschen war, als seine anwaltliche Tätigkeit immer weniger eine Freude und immer mehr zu einem Geschäft für ihn geworden war.

Sichtlich erregt erzählte Julian, wie er all seine privaten Besitztümer verkauft und sich aufgemacht hatte nach Indien, ein Land, dessen alte Kultur und mystische Traditionen ihn schon immer fasziniert hätten. Er bereiste viele kleine Dörfer, manchmal zu Fuß, manchmal mit dem Zug, lernte neue Bräuche kennen, besichtigte zeitlose Sehenswürdigkeiten und entwickelte zunehmend mehr Zuneigung zu den indischen Menschen, die Wärme und Güte ausstrahlten und ihm eine erfrischende Vorstellung vom wahren Sinn des Lebens nahebrachten. Selbst Menschen, die nur wenig besaßen, öffneten ihre Häuser – und ihre Herzen – für diesen ermüdeten Besucher aus dem Westen. Während die Tage in dieser wundervollen Umgebung zu Wochen wurden, begann sich Julian allmählich wieder als lebendiger und ganzer Mensch zu fühlen, vielleicht zum ersten Mal seit seiner Kindheit. Seine Neugier und seine Begeisterungsfähigkeit kehrten langsam zurück, und seine Lebensgeister erwachten aufs Neue. Er begann sich wieder freudvoller und ruhiger zu fühlen. Und er konnte wieder lachen.

Er habe jeden Augenblick in diesem exotischen Land genossen, erzählte mir Julian, und doch habe es sich bei seiner Reise nach Indien um mehr gehandelt als um einen schlichten Erholungsurlaub für seinen überarbeiteten Geist. Er beschrieb seine Zeit in diesem fernen Land als eine »Odyssee meines Ichs«. Er vertraute mir an, dass er herausfinden wolle, wer er wirklich sei und was sein Leben ausmache, bevor es dafür zu spät sei. Deshalb habe er versucht, sich mit der Kultur dieses riesigen Landes auseinanderzusetzen, das über einen reichen Vorrat an alten Weisheiten darüber verfügt, wie man ein lohnenderes, erfüllteres und glücklicheres Leben führen kann.

»Auch wenn es für dich vielleicht sonderbar klingt, John, aber es war, als hätte ich einen Befehl von innen erhalten, eine innere Anweisung, die mir sagte, dass ich eine spirituelle Reise antreten solle, um den Funken, den ich verloren hatte, wieder zu entzünden«, erklärte Julian. »Es war eine außerordentlich befreiende Zeit für mich.«

Je mehr er in diese Welt eintauchte, umso öfter hörte er von indischen Mönchen, die weit über hundert Jahre alt geworden waren, von Mönchen, die sich trotz ihres hohen Alters eine nahezu jugendliche Vitalität bewahrt hatten. Je länger er im Land umherreiste, umso öfter erfuhr er von Yogis, deren Alter keiner mehr kannte, die die Kunst der Gedankenbeherrschung gemeistert hatten und spirituell erwacht waren. Und je mehr er sah, umso stärker wurde sein Wunsch, die geheimnisvolle Kraft zu verstehen, die die Menschen zu solchen Wundern befähigten, in der Hoffnung, diese Lebensphilosophien auch auf sein eigenes Leben anwenden zu können.

In den frühen Phasen seiner Reise suchte Julian viele bekannte und hoch angesehene Lehrer auf. Er erzählte mir, dass sie alle ihn mit offenen Armen und offenen Herzen empfangen hätten und mit ihm die Einsichten teilten, die sie im Laufe ihres Lebens erlangt hatten, das sie in schweigender Kontemplation über die erhabenen Fragen ihrer Existenz verbracht hatten. Julian versuchte auch, mir die Schönheit der alten Tempel zu beschreiben, die über die Landschaft dieses geheimnisvollen Landes verstreut waren, Bauwerke, die als getreuliche Torwächter für die Weisheit der Jahrhunderte standen. Er sagte, die sakrale Atmosphäre dieser Orte habe ihn tief berührt.

»Es war ein sehr aufwühlender Abschnitt meines Lebens, John. Da stand ich nun, ein abgehalfterter alter Anwalt, der sein ganzes Hab und Gut verkauft hatte, vom Rennpferd bis zur Rolex, und alles, was ihm noch geblieben war, in einen großen Rucksack gepackt hatte. Dieser Rucksack sollte mich auf meinem Weg zu den zeitlosen Traditionen des Ostens ständig begleiten.«

»War es schwer, wegzugehen?«, fragte ich laut, unfähig, meine Neugierde zu zügeln.

»Eigentlich war es das Einfachste, was ich je getan habe. Die Entscheidung, mein Büro und alle meine weltlichen Habseligkeiten aufzugeben, erschien mir wie etwas völlig Natürliches. Albert Camus hat einmal gesagt: ›Die wahre Großzügigkeit gegenüber der Zukunft besteht darin, alles dem Gegenwärtigen zu widmen.‹ Nun, genau das habe ich getan. Ich wusste, dass ich mich ändern musste – also beschloss ich, auf mein Herz zu hören und es auf sehr radikale Weise zu tun. Mein Leben wurde mit einem Schlag einfacher und sinnvoller, als ich den Ballast meiner Vergangenheit abstreifte. In dem Moment, als ich aufhörte, so viel Zeit mit der Jagd nach den großen Vergnügungen des Lebens zu verbringen, fing ich an, seine kleinen Freuden zu genießen, zum Beispiel, wenn ich beobachtete, wie die Sterne am mondbeschienenen Himmel tanzten oder wenn ich die Sonnenstrahlen an einem herrlichen Sommermorgen in mich aufnahm. Und Indien ist ein Land, das den Geist so sehr anregt, dass ich nur noch selten an das dachte, was ich zurückgelassen hatte.«

Diese ersten Begegnungen mit den Gebildeten und Gelehrten dieser exotischen Kultur faszinierten Julian, brachten ihm aber nicht das Wissen, nach dem er strebte. Die Weisheiten, die er kennenlernen wollte, und die praktischen Methoden, von denen er hoffte, dass sie die Qualität seines Lebens verändern würden, blieben ihm in diesen frühen Tagen seiner Odyssee noch verborgen. Erst nachdem Julian ungefähr sieben Monate in Indien verbracht hatte, erlebte er seinen ersten wirklichen Durchbruch.

In Kaschmir, einer verschlafenen Region mit alten, mystischen Traditionen, die am Fuße des Himalajas liegt, hatte er das Glück, einem Mann namens Yogi Krishnan zu begegnen. Dieser schmächtige Mann mit kahlgeschorenem Kopf war in seiner »vorherigen Inkarnation« ebenfalls Anwalt gewesen, wie er oft mit breitem Grinsen scherzte. Da ihm die Hektik, die das moderne Neu-Delhi kennzeichnet, zu viel geworden war, hatte auch er seine materiellen Besitztümer aufgegeben und sich in eine Welt größerer Einfachheit zurückgezogen. Durch die Betreuung des Dorftempels, die er übernommen hatte, sei es ihm möglich geworden, sagte Krishnan, sich selbst und seine Aufgabe im großen Ganzen des Lebens besser zu erkennen.

»Ich war es leid, ständig gewissermaßen im Alarmzustand zu leben. Ich erkannte, dass es meine Aufgabe ist, anderen zu dienen und in irgendeiner Weise dazu beizutragen, diese Welt zu einem besseren Ort zum Leben zu machen. Jetzt lebe ich, um anderen etwas zu geben«, erklärte er Julian. »Ich verbringe alle meine Tage und Nächte in diesem Tempel und führe ein strenges, aber auch erfülltes Leben. Ich gebe meine Erkenntnisse an all jene weiter, die hierherkommen, um zu beten. Ich diene Menschen, die in Not sind. Ich bin kein Priester. Ich bin einfach ein Mann, der seine Seele gefunden hat.«

Julian erzählte dem Anwalt, der zum Yogi geworden war, seine eigene Geschichte. Er erzählte von seinem früheren Leben als bekannter und privilegierter Anwalt. Er erzählte Yogi Krishnan von seinem Hunger nach Reichtum und seiner Besessenheit von Arbeit. Erregt schilderte er seine innere Zerrissenheit und berichtete von seiner spirituellen Krise, in die er geraten war, als das einst helle Licht seines Lebens im Wind eines aus dem Gleichgewicht geratenen Lebens gefährlich zu flackern begonnen hatte.

»Auch ich habe diesen Weg beschritten, mein Freund. Auch ich habe den Schmerz gefühlt, den Sie gefühlt haben. Doch ich habe gelernt, dass alles aus einem bestimmten Grund geschieht«, sagte Yogi Krishnan mitfühlend. »Jedes Ereignis hat einen Zweck und jeder Rückschlag enthält eine Lektion. Ich habe erkannt, dass Scheitern, sei es im persönlichen, im beruflichen oder auch im spirituellen Bereich, für die persönliche Entwicklung von wesentlicher Bedeutung ist. Es ermöglicht inneres Wachstum und bringt eine ganze Reihe von psychischen Belohnungen mit sich. Bedauern Sie niemals Ihre Vergangenheit. Nehmen Sie sie vielmehr als den Lehrer an, der sie ist.«

Nachdem er diese Worte gehört hatte, erzählte mir Julian, habe er eine große Erleichterung verspürt. Vielleicht, dachte er, hatte er in Yogi Krishnan den Mentor gefunden, den er suchte. Wer sollte ihn besser in die Geheimnisse der Kunst einführen können, sich ein ausgeglicheneres, faszinierenderes und freudvolleres Leben aufzubauen, als ein anderer ehemaliger Spitzenanwalt, der auf seiner eigenen spirituellen Odyssee zu einer erfüllenderen Lebensweise gefunden hatte?

»Ich brauche Ihre Hilfe, Krishnan. Ich muss lernen, wie ich mein Leben reicher und erfüllter gestalten kann.«

»Es wäre mir eine Ehre, Ihnen auf jede erdenkliche Weise zu helfen«, bot der Yogi an. »Aber darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?«

»Gern.«

»Seit ich mich um den Tempel in diesem kleinen Dorf kümmere, habe ich Gerüchte über eine mystische Gruppe von Weisen gehört, die angeblich hoch oben im Himalaja-Gebirge lebt. Man sagt, dass sie eine Methode entdeckt haben, die die Lebensqualität eines jeden Menschen grundlegend verbessern kann – und zwar nicht nur in körperlicher Hinsicht. Es soll ein ganzheitliches, integriertes System aus uralten Grundsätzen und zeitlosen Techniken sein, mit deren Hilfe man das Potenzial von Geist, Körper und Seele freisetzen könne.«

Julian war fasziniert. Genau das suchte er ja. »Aber wo genau leben diese Mönche?«

»Das weiß niemand, und ich bin leider schon zu alt, um mit der Suche zu beginnen. Aber eines will ich Ihnen sagen, mein Freund: Viele haben versucht, diese Mönche aufzuspüren, und viele sind gescheitert, und zwar oftmals mit tragischen Folgen. Die höheren Regionen des Himalajas sind äußerst tückisch. Selbst der geübteste Bergsteiger ist gegen die natürlichen Gefahren hilflos. Aber wenn Sie wirklich nach dem goldenen Schlüssel zu strahlender Gesundheit, dauerhaftem Glück und innerer Erfüllung suchen, dann verfüge nicht ich über diese Weisheit – sondern diese Mönche haben sie.«

Julian, der ein Mensch ist, der nicht leicht aufgibt, bedrängte Yogi Krishnan weiter. »Und Sie wissen wirklich nicht, wo sie leben?«

»Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Einheimischen in diesem Dorf sie als die Großen Weisen von Sivana kennen. In ihrer Mythologie bedeutet Sivana ›Oase der Erkenntnis‹. Diese Mönche werden verehrt, als wären sie göttlicher Natur hinsichtlich ihrer Verfassung und ihres Einflusses. Wenn ich wüsste, wo sie zu finden sind, wäre es meine Pflicht, es Ihnen zu sagen. Aber ehrlich gesagt, ich weiß es wirklich nicht – niemand weiß es.«

Am nächsten Morgen, als die ersten Strahlen der indischen Sonne über den farbenprächtigen Horizont tanzten, machte sich Julian auf den Weg zum verlorenen Land Sivana. Zuerst dachte er daran, einen Sherpa-Führer anzuheuern, der ihm bei seinem Aufstieg durch die Berge helfen sollte, aber aus einem seltsamen Grund sagte ihm sein Instinkt, dass er diese Reise allein machen musste. Daher schüttelte er, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, die Fesseln der Vernunft ab und setzte Vertrauen in seine Intuition. Er spürte, dass er sicher sein werde. Er wusste irgendwie, dass er finden würde, was er suchte. Also begann er zuversichtlich seinen Aufstieg.

In den ersten paar Tagen war es einfach. Manchmal holte er einen der fröhlichen Bewohner des Dorfes unten ein, der zufällig auf einem der Pfade unterwegs war, vielleicht auf der Suche nach dem geeigneten Stück Holz für eine Schnitzerei oder auf der Suche nach der Zuflucht, die dieser unwirkliche Ort all jenen Wanderern bot, die sich so hoch in den Himmel hinaufwagten. Zeitweilig wanderte er allein und nutzte die Zeit, um still darüber nachzudenken, wo er in seinem Leben schon überall gewesen war – und wohin er jetzt unterwegs war.

Es dauerte nicht lange, bis das Dorf unter ihm nicht mehr als ein winziger Fleck auf dieser wunderbaren Leinwand der Natur war. Die majestätischen schneebedeckten Gipfel des Himalajas ließen sein Herz schneller schlagen und raubten ihm zeitweise den Atem. Er fühlte sich ganz und gar eins mit