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Der Narr auf Manegg beinhaltet eine Rahmen- und Binnenerzählung und wurde zuerst in der Deutschen Rundschau veröffentlicht. Auszug: Einige Zeit nach dem Spaziergange, den Herr Jacques mit seinem Paten gemacht, wunderte es diesen, wie es dem jungen Adepten des Originalwesens ergehe und welche Fortschritte er darin zurückgelegt habe. An einem schönen Septembertage ging er darum in das Haus der Gevattersleute, um seinen Jungpaten heimzusuchen und etwa zu einem Gang vor das Tor einzuladen. Nur mit halb säuerlicher Höflichkeit wurde er hierfür empfangen; denn man hielt ihn trotz seiner weißen Haare und seines gewaltigen Jabots für einen jener frondierenden Herren, welche, stets kühl gegen die Kirche und kritisch gegen die Staatsbehörden, sich zwar wohl hüten, irgendwo an einer praktischen Tätigkeit wirklichen Anteil zu nehmen, nichtsdestoweniger aber einer radikalen, wo nicht frivolen Gesinnung bezichtigt werden, einer Gesinnung, vor deren Einfluß besonders die Jugend zu bewahren sei.
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Seitenzahl: 33
Einige Zeit nach dem Spaziergange, den Herr Jacques mit seinem Paten gemacht, wunderte es diesen, wie es dem jungen Adepten des Originalwesens ergehe und welche Fortschritte er darin zurückgelegt habe. An einem schönen Septembertage ging er darum in das Haus der Gevattersleute, um seinen Jungpaten heimzusuchen und etwa zu einem Gang vor das Tor einzuladen. Nur mit halb säuerlicher Höflichkeit wurde er hierfür empfangen; denn man hielt ihn trotz seiner weißen Haare und seines gewaltigen Jabots für einen jener frondierenden Herren, welche, stets kühl gegen die Kirche und kritisch gegen die Staatsbehörden, sich zwar wohl hüten, irgendwo an einer praktischen Tätigkeit wirklichen Anteil zu nehmen, nichtsdestoweniger aber einer radikalen, wo nicht frivolen Gesinnung bezichtigt werden, einer Gesinnung, vor deren Einfluß besonders die Jugend zu bewahren sei.
Der alte Herr ließ sich aber nicht abschrecken, seinen Taufschützling selbst aufzusuchen, und fand denselben im obersten Stockwerk des Hauses in seinem Sommerquartier, einer großen geweihten Kammer, deren hohe Fenster noch aus unzähligen runden Scheiben zusammengesetzt waren. In diesem Gemache standen die ältesten Schränke des Hauses, nicht etwa die schönen Nußbaumschränke, welche die Vorsäle der untern Gemächer zierten, sondern uralte, baufällige Kasten von Fichtenholz, mit Blumen und Vögeln bemalt. Von der Decke hingen verschollene Zierstücke, große Glaskugeln, die inwendig mit bunten Ausschnittbildern, Damen in Reifröcken, Jägern, Hirschen und dergleichen beklebt und mit einem weißen Gipsgrunde ausgegossen waren, so daß sie bemaltem Porzellane glichen. Auch prangten an den Wänden einige Familienbildnisse, welche wegen zu schlechter Arbeit aus den Wohnräumen verbannt worden. Ihre Gesichter lächelten alle ohne andere Ursache, als weil die Maler die Mundwinkel mit angewöhntem, eisernem Schnörkel so zu formen gezwungen waren. Diese grundlose Heiterkeit der verjährten Gesellschaft machte fast einen unheimlichen Eindruck. Die guten Maler und die Vorfahren schienen nicht immer gleichzeitig geraten zu sein. Dazwischen hingen wunderliche Bilder, die mit Harzfarben unmittelbar auf die Rückseite von Glastafeln gemalt waren, und vergilbte Kupferstiche, welche Prospekte zürcherischer Staatszeremonien oder militärischen Schauspiele zum Gegenstand hatten. Seltsamerweise war hier noch ein kleines Rähmlein versteckt mit längst gesprungenem Glase und einem gestochenen Bildnisse Karls I. dahinter; mit verblichener Tinte war darauf geschrieben:
König Karl von Engelland Ward der Krone quitt erkannt. Daß er dürfe keiner Krone, Machten sie ihn Köpfes ohne.
Der Schreiber dieser Zeilen war aber nicht unter den töricht lachenden Ahnen, die hier im Exil hingen, zu finden; derselbe weilte vielmehr, von einem guten Künstler gemalt, in einer ganz anderen Stadt in der Gemäldesammlung eines dortigen Liebhabers. Es war ein ernsthafter Mann in der Tracht des siebzehnten Jahrhunderts, dessen eisengraue Augenbrauen und Knebelbart wie Sturmfahnen zu flattern schienen. Nicht nur als ein eifriger Antipapist lebte er im Gedächtnis, sondern als ein Ungläubiger und Unbotmäßiger überhaupt, der zu verschiedenen Malen verwarnt und gebüßt worden sei; und da eine geheime Tradition im Hause dahin lautete, daß es besser wäre, wenn nie eine Empörung stattgefunden hätte, nie ein König enthauptet worden und auch keine Kirchentrennung entstanden wäre, so war das Bild von einem Nachkommen für unangenehm befunden und einem fremden Kenner guter Sachen verkauft worden. Noch lieber hätte man längst das kleine Bildchen mit der frechen Aufschrift entfernt. Allein es ging die abergläubische Sage, daß jedesmal, so oft dies versucht würde, der alte Empörer nächtlich umgehe und mit entsetzlichen Hammerschlägen das Rähmlein wieder an der Wand befestige; der Schreck habe einst einen Hausgenossen so angegriffen, daß er daran gestorben sei.