Der Patchwork-Club - Herzklopfen in St. Elwine- oder: Dezembertage - Britta Orlowski - E-Book
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Der Patchwork-Club - Herzklopfen in St. Elwine- oder: Dezembertage E-Book

Britta Orlowski

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Beschreibung

Eine Begegnung, die alles verändern wird: Der Liebesroman »Der Patchwork-Club – Herzklopfen in St. Elwine« von Britta Orlowski als eBook bei dotbooks. Ein besonderer Zauber geht von dieser Kleinstadt aus ... Ein Familiengeheimnis lockt Emma ins beschauliche St. Elwine an der Küste Marylands. Es gelingt ihr schnell, einen Job in der Maple Lodge zu finden, wo sie nicht nur ein wunderschönes Cottage beziehen darf, sondern auch dem attraktiven Matt begegnet, der mit seiner Familie hier zu Gast ist. Obwohl sie sich ganz darauf konzentrieren sollte, das Geheimnis ihres Vaters zu lüften, lässt sie sich überreden, dem örtlichen Patchworktreff beizutreten. Man könnte meinen, das wäre genug der Ablenkung, aber was sie auch tut, sie schafft es doch nicht, sich Matt aus dem Kopf zu schlagen. Und als ein Sturm die Stadt lahmlegt, haben die beiden plötzlich keine andere Wahl, als gemeinsam im kleinen Cottage Schutz zu suchen ...

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Seitenzahl: 423

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Über dieses Buch:

Verheißungsvolles Glöckchenklingeln und gemütliche Abende unter Patchworkdecken – ein besonderer Zauber geht von dieser Kleinstadt aus ... Ein Familiengeheimnis lockt Emma kurz vor Weihnachten ins beschauliche St. Elwine an der Küste Marylands. Es gelingt ihr schnell, einen Job in der Maple Lodge zu finden, wo sie nicht nur ein wunderschönes Cottage beziehen darf, sondern auch dem attraktiven Matt begegnet, der mit seiner Familie hier die Feiertage verbringt. Obwohl sie sich ganz darauf konzentrieren sollte, das Geheimnis ihres Vaters zu lüften, schafft sie es doch nicht, sich Matt aus dem Kopf zu schlagen. Und als ein Schneesturm die Stadt lahmlegt, sind die beiden plötzlich im kleinen Cottage eingeschneit ...

Über die Autorin:

Britta Orlowski, Jahrgang 1966, wohnt im Havelland und ist Mutter zweier Söhne. Sie arbeitete 20 Jahre als zahnmedizinische Fachangestellte. Aber da sie in einer Zahnarztpraxis leider keine Geschichten erfinden durfte, widmete sie sich schließlich ihrem Traumjob, wurde Buchautorin und jobbte nebenbei in Buchhandlungen. Im Jahr 2008 erschien ihr Debütroman. Inzwischen arbeitet sie in einer Arztpraxis und lebt ihre Liebe zu Büchern trotzdem aus. Ihr Lebensmotto: Tu, was du liebst. Wenn sie nicht gerade Quilts näht, tummelt sie sich in ihrem geliebten Garten und/oder schreibt am nächsten Buch. Sie ist Mitglied im Schriftstellerverband des Landes Brandenburg, sowie bei DELIA und Organisatorin der DELIA Liebesromantage 2011 in Rathenow.

Britta Orlowski veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Patchwork-Club-Reihe mit den Einzelbänden »Rückkehr nach St. Elwine«, »Eine Liebe in St. Elwine«, »Sommertage in St. Elwine«, »Der Himmel über St. Elwine«, »Ein Kuss in St. Elwine« und »Herzklopfen in St. Elwine«.

Die Website der Autorin: britta-orlowski.de

Die Autorin bei Facebook: facebook.com/Britta-Orlowski-155028824578718/?ref=bookmarks

Die Autorin auf Instagram: instagram.com/brittaorlowski/

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Überarbeitete eBook-Neuausgabe November 2024

Dieses Buch erschien bereits 2019 unter dem Titel »Dezembertage« bei Bookshouse.

Copyright © der Originalausgabe 2019 by Bookshouse Ltd., Villa Niki, 8722 Pano Akourdaleia, Cyprus

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

Vignette: © Freepik.com/macrovector

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-98952-318-0

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Britta Orlowski

Der Patchworkclub – Ein Kuss in St. Elwine

Roman

dotbooks.

Widmung

Für alle, die Weihnachten lieben und für alle, die den Glauben an Weihnachten verloren haben.

Und für Waltraud, in lieber Erinnerung, du fehlst …

Auch ist mir kein Weihnachten, wo es auch war, vergangen, ohne dass es hinter meinen geschlossenen Augen für eine Sekunde unbeschreiblich hell wurde.

Rainer Maria Rilke

Wenn alle Rätsel gelöst sind, dann erlöschen die Sterne.

Jean Baudrillard

Eine Kerze abbrennen lassen und sich wirklich einmal die Zeit dazu nehmen, gar nichts weiter zu tun als dieses.

Unbekannt

Personenverzeichnis

Familie Tanner:

Peter Tanner

Olivia Tanner geb. Conroy – Peters Ehefrau

deren Kinder:

Angelina Rickman geb. Tanner

Victoria de Bourrillon geb. Tanner

Joshua Tanner

Alexander Rickman – Angelinas Ehemann

deren Kind:

Leah Rickman

Jaques de Bourrillon – Victorias Ehemann – verstorben

deren Kind:

Alain de Bourrillon

Elizabeth Tanner geb. Crane – Joshuas zweite Ehefrau

deren Kinder:

Lucas Tanner

Hope Tanner

Familie Cumberland:

George Cumberland

Megan Cumberland – Georges Exfrau

deren Kind:

Marc Cumberland

Floriane Cumberland geschiedene Usher – Marcs Ehefrau

deren Kinder:

Kevin Usher

Stella Cumberland

Luna Cumberland

Jennifer Cumberland geb. Brighton – Georges zweite Ehefrau

deren Kind:

Rose Cumberland

Familie Svenson:

Johann Svenson

Emma Svenson – Johanns Ehefrau – verstorben

deren Kind:

Nathan Svenson

Celina Sinclair geb. Conroy – Nathans Exfrau – verstorben

deren Kind:

Charlotte Svenson

Tyler O'Brian (Künstlername) geb. Carmichael – Charlottes Freund

deren Adoptivkinder:

Ryan Svenson

Teresa Svenson

Maxwell Sinclair – Charlottes Stiefvater – verstorben

Annie Svenson – Nathans zweite Ehefrau

deren Kinder:

Thery Svenson

Emma Svenson

Familie Garrett:

Nora Garrett – geschieden

deren Kind:

Tallulah Amandes

Louis Bowlder – Tallulahs Freund

Familie Carmichael:

Chadwick Carmichael

Maureen Carmichael – Chadwicks Frau – verstorben

deren Kind:

Tyler O’Brian (Künstlername) Carmichael

Rodney Myers geb. Walsh – Tylers Halbbruder

Edward Walsh – Maureens zweiter Mann – verstorben

Ruth Carmichael – Chadwicks zweite Ehefrau

deren Kind:

Matthew Carmichael

Patchworkgruppe St. Elwine

Nora: Besitzerin Patchworkladen

Tallulah Amandes: Noras Tochter, Sozialarbeiterin

Doris Ross: frühere Haushälterin bei Frederick und Elizabeth Crane

Cybill Barlow: Angestellte bei einer Versicherung

Allison Webber: arbeitet im Autohaus

Kate: Haushälterin der Ganderton

Rachel Ganderton: Besitzerin der Boutique Schatztruhe

Dr. Elizabeth Crane-Tanner: Chirurgin – Oberärztin im St. Elwine Hospital

Irene Reinhold: Kosmetikerin – Schwester des Sheriffs

Leslie Burg: Krankenschwester in der Notaufnahme

Dr. Charlotte Svenson: Zahnärztin

Floriane Usher-Cumberland: alleinerziehende Mutter – stammt aus der DDR

Bonny Sue Parker: Besitzerin des Schönheitssalons

Firmen /Einrichtungen in St. Elwine

Tanner & Cumberland Construction: Joshua Tanner, Marc Cumberland, Carry, Jenny

Schönheitssalon: Bonny Sue Parker, Irene Reinhold, Floriane Usher

Rickman Immobilien: Angelina Tanner-Rickman, Alexander Rickman

Zahnarztpraxis Svenson: Dr. Charlotte Svenson, Janet Carter, Anna Foley, (früher auch Bertha Chappell)

St. Elwine Hospital: Dr. Theodor Jefferson, Dr. Elizabeth, Dr. Curtis Zimmerman, Schw. Leslie Burg

Show Business: Tyler O'Brian, Anna Foley, Orlando Moss, Norman Mc Kee

Marthas Pub: Roisin Logan

Noras Patchworkladen: Nora Garrett, Tallulah Amandes, Masha Byrne

Tanzstudio: Belle Maréchal

Buchladen: Monica

Sheriff-Büro: Ian Brosnan

Prolog

November 2007

Das riesige Wohnmobil auf der Einfahrt zur Garage riss Matt jäh aus seinen trüben Gedanken.

Er lebte immer noch bei seinen Eltern, war jedoch die meiste Zeit des Tages arbeiten. Da passte es gut, dass er sich nach dem kräftezehrenden Job auf der Baustelle nicht um Einkaufen, Kochen oder anderen Haushaltskram kümmern musste. Mom und Dad waren längst pensioniert und mochten ihr Leben so, wie es war. Er hatte nie den Eindruck gehabt, dass er zu Hause ausziehen sollte. Im Grunde profitierten sie alle voneinander, vor allem, da Dad nach seinem Unfall auf einer Bohrinsel noch vor Matts Geburt ein stark eingeschränktes Sichtfeld hatte. Ein Glück, dass Dad nicht vollkommen erblindet war. Auto fahren, geschweige erst ein Wohnmobil lenken, konnte er allerdings nicht.

Hatte sich Besuch angekündigt, ohne dass er etwas davon mitgebekommen hatte? Er schloss die Tür auf, blickte noch einmal über die Schulter zum Wohnmobil, und betrat das Haus.

Mom tauchte im Türrahmen zur Küche auf und sah ihn verblüfft an. »Was machst du denn um diese Uhrzeit hier?«

Matt blieb nichts anderes übrig, als es auszusprechen und damit Realität werden zu lassen. »Ich habe meinen Job verloren.«

»O nein. Das tut mir leid.«

Matt zuckte mit den Schultern.

»Aber warum denn?«

»Die Firma ist pleite.« Zumindest war das der Belegschaft heute Morgen mitgeteilt worden. Irgendwas mit Subunternehmer, bla, bla, bla. Er hatte nicht mehr zugehört, nachdem das Aus verkündet worden war. Er würde sich etwas Neues suchen müssen. Schreiner waren überall gefragt. Momentan jedoch war er urlaubsreif, das Arbeiten unter ständigem Zeitdruck forderte seinen Tribut. Matt stieß einen tiefen Atemzug aus.

»Ach, Junge, es wird sich schon was finden.«

Er lächelte seine Mutter an. »Ich weiß.« Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie Jeans und Bluse trug und keinen ihrer bequemen Hausanzüge. »Willst du einkaufen? Ich kann dich begleiten und dir beim Tragen helfen.«

»Das ist lieb von dir, danke, Matt. Aber ich bin gerade rein.«

»Hast du Besuch?«

»Nein, wie kommst du darauf?«

Er deutete zum Fenster, das den Blick zur Auffahrt freigab.

»Ach so, verstehe …« Sie zog die Augenbrauen in die Höhe und grinste geheimnisvoll. »Dieses Weihnachten wird alles anders.«

Hatte er Mom richtig verstanden? Sie war ein Gewohnheitsmensch, der es liebte, dass alles wie immer und nach Plan verlief. Er lachte auf. »Was hast du gesagt?«

»Du hast dich nicht verhört, mein Schatz. Trotzdem wiederhole ich es gern für dich: Dieses Weihnachten wird alles anders.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und hob erneut die Augenbrauen.

»Du machst es echt spannend.«

»Es ist eben die Zeit der kleinen Heimlichkeiten«, parierte Mom trocken.

»Wir haben erst November.«

»Und wenn schon, Planung ist alles.«

Das klang schon eher nach Mom. »Ich fürchte, ich werde heute nicht schlau aus dir.«

Immerhin lenkte es ihn von den Gedanken nach einer Jobsuche ab, was grundsätzlich schon mal gut war. Schließlich musste er nichts überstürzen. Er brauchte ein bisschen Zeit, um sich darüber klar zu werden, was er zukünftig machen wollte. »Was hast du vor?«

»Erinnerst du dich, dass wir dir vor ein paar Jahren gesagt haben, dass dein Vater bereits einmal verheiratet war?«

Matt nickte. »Und ich einen Halbbruder habe.«

»Stimmt«, bestätigte Mom. »Und ich finde, es ist an der Zeit, dass sich dein Dad mit Tyler aussöhnt.«

Matt erschrak. »Ist Dad krank?«

»Nein, nein, nein. Mach dir keine Sorgen. Allerdings weiß ich, dass seine Gedanken oft bei Tyler sind und er ihm gegenüber Schuldgefühle hegt, weil er die Familie damals verlassen hat. Sie müssen sich aussprechen und die Zeit nutzen. Niemand weiß schließlich, wie lange wir auf Erden bleiben dürfen.«

Wenn Mom so redete, wurde es Matt immer mulmig zumute. Er wollte nicht darüber nachdenken, dass jeden Augenblick etwas passieren konnte. Stattdessen interessierte ihn dringend, was sie geplant hatte. »Was willst du mir damit sagen?«

»Wir sind Weihnachten nicht hier.«

Für jemanden wie Mom war das ein Quantensprung, und was für einer. »Sondern?«

»In St. Elwine.«

Nie gehört. »Das liegt wo?«

»In Maryland.«

Matt klappte fast die Kinnlade hinunter. »Das müssen an die 2.400 Meilen quer durchs Land sein?«

»Es hilft ja nichts. Wenn der Prophet nicht zum Berg geht, muss der Berg eben zum Propheten …«

»Mom?«

»Seit Jahren hat dein Vater eine Ausrede nach der anderen, dabei wird seine Grübelei immer schlimmer.«

Und ich habe nichts davon bemerkt.

»Ich werde das nicht länger mitansehen«, sagte Mom bestimmt. »Daher habe ich ein Wohnmobil gemietet, eine Unterkunft gebucht und beschlossen, dieses Jahr den Dezember in St. Elwine zu verbringen. Dem Ort, in dem Tyler lebt.«

Mom liebte Dad so sehr, dass sie auf ihr Komfort-Weihnachtsfest zu Hause verzichtete, um an seiner Seite zu sein, wenn er mit der Vergangenheit konfrontiert wurde? Respekt. Matt konnte nicht anders und küsste ihre Wange.

»Wofür war der?«, fragte sie.

»Einfach so.«

Sie strahlte ihn an.

»Hast du bei all deiner Nächstenliebe nicht eine Kleinigkeit vergessen, Mom?«

»Nicht, dass ich wüsste.«

»Dad musste vor Jahren seinen Führerschein aus gesundheitlichen Gründen abgeben.«

»Stimmt, aber ich nicht. Und ich habe Fahrstunden genommen, um dieses Monstrum da zu lenken.« Sie klang stolz.

Die Vorstellung, dass seine Mutter tagelang mit einem Wohnmobil quer durchs Land fuhr, ohne dass jemand sie ablöste, verursachte Matt Bauchschmerzen. »Auf keinen Fall.«

»Na, hör mal.«

»Sorry, Mom, aber dann hätte ich keine ruhige Minute.«

»Versuch ja nicht, mir das auszureden. Ich bin bereits am Packen.«

Matt blickte sich hilflos um und ging langsam in die Küche. »Lass uns eine Tasse Kaffee zusammen trinken«, schlug er in versöhnlichem Ton vor.

»Netter Versuch. Aber er ist sinnlos.« Mom ging trotzdem zur Kaffeemaschine, nahm einen Becher aus dem Schrank und goss ihn voll. »Bitte sehr.«

Matt griff zu und tat einen langen Schluck. Danach sah er die Dinge klarer. »Ich komme mit nach St. Elwine.«

»Vielleicht solltest du in Ruhe darüber nachdenken.«

»Nicht nötig.«

»Also gut.«

Die Tatsache, dass Mom ihm den raschen Entschluss nicht ausreden wollte, sprach dafür, dass sie insgeheim froh darüber war.

»Ich nehme stark an, Dad weiß noch nichts davon …« Matt blickte sie über den Rand seines Kaffeebechers an.

»Darum kümmere ich mich. Mach dich heute einfach unsichtbar.«

»Kein Problem.« Matt würde sich in sein Zimmer begeben, um zu packen. Er stellte den Kaffeebecher auf der Arbeitsplatte ab.

»Hast du es im Rücken, Liebling?«, fragte Mom.

»Nein, warum?«

»Dann stell die Tasse einfach in den Geschirrspüler, nicht obendrauf. Das macht man, indem man diese Tür da öffnet und …«

»Schon gut, ich hab’s kapiert.«

»Das ist mein Sohn.« Sie strahlte ihn an.

»Ruth, was ist das für ein Wohnmobil da draußen?«, rief Dad, als er das Haus betrat.

Mom warf Matt einen Blick zu, der ihn augenblicklich aus der Küche schmiss. Jetzt würde sie beichten müssen. Na dann: Fröhliche Weihnachten.

Kalendertürchen 1

Soeben passierten sie das Ortsschild von St. Elwine. »Wir sind da«, rief Matt und drosselte die Geschwindigkeit. Laut Navi war es bis zur Maple-Lodge nicht mehr weit. Seine Mutter saß auf dem Beifahrersitz und lächelte.

»Mhm«, meldete sich Dad.

Moms Lächeln wurde breiter. Sie hatte gewonnen. Die ersten Tage ihrer Reise hatte sein Vater schweigend neben ihnen gesessen. Matt war sich nicht sicher, ob er daran knabberte, demnächst auf seinen Sohn Tyler zu treffen, oder ob er sauer auf Mom war, weil sie ihn überrumpelt hatte. Wahrscheinlich traf beides zu. Er selbst hatte es vorgezogen, das Wohnmobil über den Highway zu lenken und sich St. Elwine und seinen Halbbruder vorzustellen. ›Dieses Weihnachten wird alles anders‹, klang ihm andauernd in den Ohren. Hoffentlich bedeutete das nicht, dass er vor Langeweile sterben würde. Oder, schlimmer noch, dass sich seine Eltern vollkommen zerstritten. Dad, weil das Zusammentreffen mit Tyler nach so vielen Jahren nicht funktionierte, und Mom, weil sie weder dekorieren, Plätzchen backen noch einen eigenen Weihnachtsbaum würde schmücken können. Schön blöd. Allerdings würde auch diese Zeit vorübergehen, und dann kehrten sie in ihr gewohntes Leben zurück. Seine Eltern konnten sich wieder aussöhnen und einander verzeihen, und er ginge auf Jobsuche. Bis dahin betrachtete er das Unternehmen St. Elwine als Urlaub. Jetzt hatte er allerdings genug von fünf Tagen on the road.

»Was hast du Tyler gesagt, wann wir kommen, Chad?«, fragte Mom.

Dad holte tief Luft. »Ich … war der Meinung, das hat noch Zeit.«

»Wie meinst du das?«

»Ich habe ihn noch nicht angerufen.«

Augenblicklich herrschte Schweigen im Wohnmobil. Na super. Vorweihnachtsstimmung gleich null. Da half es auch nicht, dass im Radio gerade ›Driving home for christmas‹ gespielt wurde. Eigentlich mochte Matt den Song nicht, doch beim Autofahren passte er. Tyler hatte also keinen Schimmer, dass dieser Teil der Familie zu den Feiertagen anrückte, sogar den gesamten Dezember im Ort verbringen würde. Sein Halbbruder tat ihm jetzt schon leid. Matt hatte sich immerhin halbwegs auf eine Begegnung einstellen können. In Sachen Überrumpeln stand Dad Mom offenbar in nichts nach. Oder sollte das seine Retourkutsche sein? Eigentlich passte das nicht zu seinem Vater, daher verwarf Matt den Gedanken und tippte auf dessen Hilflosigkeit. Dad war ratlos, wie er sich verhalten sollte. Was ehrlich gesagt kein Wunder war. Immerhin hatte Mom Weitsicht besessen. Sie hatten das Wohnmobil, ein Zimmer in einer Lodge und damit alle Möglichkeiten für spontane, individuelle Entscheidungen.

Mom blickte aus dem Fenster. »Oh, es ist hübsch hier. Lauter kleine Holzhäuser mit Veranden.«

Die Läden, Cafe’s und Plätze waren weihnachtlich dekoriert. Der Ort wirkte ein bisschen altmodisch, irgendwie aus der Zeit gefallen. Kein Wunder, dass er seiner Mutter gefiel.

»Morgen könnten wir einen kleinen Bummel durch die Geschäfte machen. Chad, was meinst du?«, fragte Mom.

»Von mir aus.« Dad’s Umschreibung für: Nett, dass du mich noch nach meiner Meinung fragst.

Mom seufzte.

Das Navi zeigte an, dass sie St. Elwine’s Stadtkern wieder verlassen mussten. Maple-Lodge lag etwas außerhalb. Die Straße führte schnurgeradeaus, das Gelände ringsum wirkte wie eine Parkanlage. Sie kamen nur an zwei Anwesen mit mehreren Gebäuden vorbei: ›Tanner House‹ und ›New Heaven‹. Während Tanner House wie ein Schloss – es gab sogar einen Turm – aussah, wirkte Letzteres wie ein Gutshof mit herrschaftlicher Villa. Danach wurde die Landschaft waldiger. Hohe, alte Eichen, Ahorn und Kastanienbäume standen dichter beieinander. Es war viel dunkler hier als eben noch auf der Mainstreet von St. Elwine. An einem verwitterten grünen Hinweisschild, das ein zweigeschossiges Steinhaus auf einem Hügel zeigte, bog Matt nach rechts ab.

Mom wirkte wenig begeistert, wahrscheinlich hatte sie sich die Maple–Lodge anders vorgestellt. So, dass sich ein romantisches Blockhaus neben einem riesigen Ahornbaum präsentierte und nicht, dass die Ferienunterkunft von Ahorn und anderen Bäumen verschluckt wurde und praktisch von der Straße aus nicht auszumachen war. Tja, gut, dass er nicht an ausgleichende Gerechtigkeit glaubte.

Das Gelände stieg an, und tatsächlich kam oben auf dem Hügel das Haus in Sicht. Hinter den Fenstern war es dunkel, das Gebäude wirkte verlassen, als gammelte es seit ein paar Jahren vor sich hin. Hatte Mom tatsächlich hier gebucht? Er fuhr auf den Parkplatz und ließ das Fahrzeug ausrollen, bevor er den Motor abstellte.

»Bist du nun zufrieden?«, fragte Dad und warf Mom einen Blick zu.

»Natürlich nicht. Ich dachte …«

Da Mom den Tränen nah war, sprang Matt aus dem Wagen. »Ich sehe mich mal um. Es gibt bestimmt eine Erklärung für all das.« Mit den Händen machte er eine umfassende Bewegung.

Auch außerhalb des Wohnmobils wirkte das Anwesen wenig einladend. Tja, die Situation war nun einmal, wie sie war. Matt konnte es nicht ändern und suchte nach der Eingangstür. Dafür ging er um das Haus herum und fand sie am Giebel. Er klopfte an. »Hallo?«

Nichts rührte sich. Entschlossen drückte er die Klinke hinunter und trat in einen dunklen Flur. »Hallo. Ist hier jemand?« Es war kein Mensch zu sehen, aber immerhin hörte er einen Staubsauger, was erklärte, warum ihm niemand antwortete. Matt ging vorsichtig weiter, seine Augen hatten sich an das wenige Tageslicht gewöhnt. Er kam dem Staubsaugergeräusch näher und entdeckte schließlich einen Empfangstresen. Dort brannte sogar Licht.

Eine ältere Frau in Jeans und Pullover wandte ihm ihre Kehrseite zu und fuhr über den Teppichboden. Matt wartete höflich, statt ihr auf die Schulter zu klopfen. Endlich schaltete sie den Staubsauger mit dem Fuß aus, drehte sich um und schrie auf.

»Entschuldigung, ich wollte Sie nicht erschrecken«, sagte Matt.

»Ist Ihnen eins a gelungen, junger Mann. Bin soeben knapp an einem Herzkasper vorbeigeschrammt«, blaffte sie.

»Das tut mir aufrichtig leid.«

»Davon kann ich mir auch nichts kaufen.«

Netter Empfang.

»Wir haben übrigens geschlossen.« Sie ließ das Kabel einrollen.

Echt jetzt? »Da liegt sicher ein Missverständnis vor. Meine Mutter hat hier für den gesamten Dezember gebucht.«

»Sogar bis zum 07. Januar und im Voraus alles bezahlt«, schnarrte sie nicht besonders freundlich.

»Also, dann scheint ja alles in bester Ordnung zu sein.«

Sie trat hinter den Tresen. »Ist es nicht.«

»Wieso, wenn ich fragen darf?« Der Tresen aus dunklem Holz sah solide aus. An dem großen Brett aus demselben Holz, an der Wand dahinter, hingen nummerierte Schlüssel. Was dafür sprach, dass hier tatsächlich keine Gäste logierten. Oder gerade alle gleichzeitig durch St. Elwine spazierten, was eher unwahrscheinlich war.

Die Frau war seinem Blick gefolgt. »Wie ich bereits sagte: Wir haben geschlossen.«

»Aber meine Mom hat gebucht und bezahlt, wie Sie selbst bestätigt haben.«

»Inzwischen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es nicht geht. Im Übrigen hat Ihre Mutter mir auch nicht zugehört.«

Das lag im Bereich des Möglichen. Im Eifer für die Mission Tyler, den im Stich gelassenen Sohn, war eventuell die Begeisterung mit Mom durchgegangen. Das würde Matt später mit ihr klären. Jetzt musste er sich wohl erst mal um eine neue Unterkunft bemühen. Hoffentlich rückte die schroffe Dame im Strickpullover das Geld wieder heraus.

»Wir werden uns sicher einig«, sagte er und lächelte, was das Zeug hielt.

Irgendwo in der Nähe fiel eine Tür ins Schloss. Die Strickpulli-Frau spähte in Richtung Flur.

»Oh …, hi, Entschuldigung«, ertönte eine weibliche Stimme.

Matt blickte über die Schulter und starrte die junge Frau an. Sie hatte endlos lange Beine, große braune Augen und drehte sich einmal im Kreis.

»Wir haben geschlossen.« Die Geduld der Strickpullover-Frau von der Maple-Lodge wurde offensichtlich auf eine harte Probe gestellt.

»Die ältere Dame draußen auf dem Parkplatz sagt aber etwas anderes«, konterte die junge Frau.

»Tja, dann hat sie sich eben geirrt.«

Die beiden konnten nur Mom meinen. »Verzeihen Sie, wenn ich das sage«, wandte sich Matt an die Dame von der Maple–Lodge. »Dieses Gästehaus sieht aus, als brauchte es jede Menge Buchungen, und da wir schon mal hier sind … Es muss einen triftigen Grund geben, warum meine Mom bei Ihnen gebucht hat. Wir sind seit Tagen unterwegs. Meine Eltern haben sich so auf diese Reise gefreut.« Matt kreuzte auf dem Rücken den Mittel- über den Zeigefinger. »Bitte, schlagen Sie ihnen den Aufenthalt hier nicht ab. Der Ort hat eine große Bedeutung für die beiden.« Zur Bekräftigung drückte er hinter dem Rücken mit dem Mittelfinger fester zu.

»Sie meinen, sie haben hier ihre Hochzeitsreise verbracht?« Das Gesicht der Strickpullover-Frau sah nicht mehr ganz so abweisend aus.

Matt wollte nicht wirklich lügen, daher beantwortete er die Frage nicht, sondern strahlte die Frau mit all seinem Charme an. Miss-ich-hab-die-längsten-Beine-der-Welt verdrehte die Augen, doch darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. »Wenn Sie meinen Eltern ihren Dezembertraum verwirklichen lassen, bin ich gern bereit, mich hier ein wenig nützlich zu machen, Miss …«

»Mrs., ich bin Dorothea Butler, die Besitzerin.«

»Freut mich sehr. Matt Carmichael.« Er streckte ihr seine Hand entgegen und fragte sich bereits, ob er gerade einen Fehler machte.

Mrs. Butler nickte und schien nicht sicher zu sein, was sie von seinem Angebot halten sollte. Seine ausgestreckte Hand ignorierte sie, sodass er sie runternahm und sich etwas blöd vorkam.

»Meine Eltern sind die umgänglichsten Menschen überhaupt und werden Ihnen keine Probleme machen. Sie werden kaum merken, dass sie da sind. Bitte, sagen Sie ja«, wagte er einen letzten Versuch.

Mrs. Butler schwieg und schwieg und schwieg. Matt wurde nervös.

»Übernachtung, Frühstück?«, fragte sie schließlich.

Er nickte. »Genau, ich glaube, so war es ausgemacht, oder?«

»Sie wissen es nicht?«

»Doch, doch«, beeilte sich Matt zu antworten. »Es ist … ein wenig kompliziert.«

Mrs. Butler stieß einen verächtlichen Laut aus. »Wem sagen Sie das.«

Matt wartete auf ihre Entscheidung, am liebsten hätte er nachgeholfen, hielt sich jedoch zurück.

»Aber an Weihnachten müssen Sie sich hier selbst versorgen«, blaffte Mrs. Butler.

»Klar, kein Ding.«

»Na gut.«

»Gibt es ein Problem, Matt?« Mom kam den Flur entlanggelaufen.

Emma ahnte bereits, dass ihre Kurzschlusshandlung ein Fehler gewesen war. Trotzdem musste sie wissen, was in ihrer Familie gespielt wurde. Sie fühlte sich belogen und verraten. Der Typ vor ihr hier in dieser blöden, finsteren Lodge war auch so ein Arschloch. Mrs. Butler konnte er vielleicht noch bezirzen, aber Emma hatte genau gesehen, wie er hinter dem Rücken seine Finger gekreuzt hatte. Der log unverblümt, und damit hatte er bei ihr längst verspielt. Was geht mich fremdes Elend an? Sie wollte nur ihr Ding durchziehen. Da sie allerdings darauf achten musste, dass ihr in den kommenden Wochen das Geld nicht ausging und es in St. Elwine keine bezahlbare Unterkunft mehr gab, musste sie improvisieren. Sämtliche Hotels und Pensionen hatten nach der Sommersaison geschlossen, waren belegt oder schlichtweg zu teuer. Einige hatten für Thanksgiving den Betrieb wieder aufgenommen und derzeit zu, um sich für das Weihnachtsgeschäft zu wappnen, alle waren aber für die Festtage bereits ausgebucht. So hatte sie sich das hier nicht vorgestellt. Außerdem war es Emma zu dunkel und ganz entschieden zu kalt.

»Nein, Mom, alles in Ordnung. Mrs. Butler hat nur gerade einen … Personalengpass, und deshalb sind unsere Zimmer noch nicht fertig«, sagte der Kerl.

Na, der Typ hatte Nerven. Er belog sogar seine eigene Mutter. Der sollte sich schämen, dachte Emma wütend und ermahnte sich im Stillen, dass sie diese Familie nichts anging.

Mrs. Butler nickte doch tatsächlich, woraufhin der Kerl lächelte. Schleimer.

»Ich schlage vor, wir sehen uns den Ort an, essen irgendwo und kommen später wieder«, sagte er an seine Mutter gewandt.

Diese rieb sich fröstelnd über die Arme. »Das wird das Beste sein.«

»Bis nachher«, rief der Sohn aus, berührte kurz den Rücken seiner Mom und verließ mit ihr den Empfangsbereich.

Emma dachte an ihre rasant schwindenden Geldreserven. »Sie haben nicht zufällig einen Job zu vergeben?«

»Haben Sie nicht zugehört?«

Mrs. Butler wollte doch nicht ernsthaft daran festhalten. »Sie vergessen, dass Sie eben an diese Leute vermietet haben.«

»Sagt wer?«

»Ich bin Emma.« Vorsichtshalber lächelte sie extra freundlich.

»Aha. Und doch.«

»Doch was?«

»Ich werde genug mit dieser Familie zu tun haben.«

»Dafür haben Sie mich. Ich bin Ihre neue Aushilfe«, flötete Emma.

»Seit wann?«

»Ab sofort, würde ich sagen.«

Stieß Mrs. Butler gerade einen Fluch aus, der verdächtig nach ›diese Scheißweihnachtszeit‹ klang? Da wollte sich Emma aus den Fängen ihrer Familie befreien, weil sie es nicht ertrug, die heimelige Atmosphäre an Weihnachten mit dem Wissen um die Lügen ihres Vaters zu vereinbaren, und war mitten in einem anderen Netz aus Halbwahrheiten gelandet. Plötzlich kam sie sich einsam und verlassen vor und biss sich auf die Unterlippe, um das Brennen in ihren Augen zu kompensieren. Sie fror.

Mrs. Butler kam hinter dem Tresen hervor, musterte sie von der Seite und räumte den Staubsauger in einen Wandschrank. »Na schön, Sie haben es nicht anders gewollt. Wenn Sie sich ins Zeug legen, ist Kost und Logis frei. Und Sie bleiben nur so lange, bis meine zahlenden Gäste abreisen. Keinen Tag länger, haben wir uns verstanden?«

Emma konnte ihr Glück kaum fassen. Ihr Magen schlug auf einmal Purzelbäume. »Klar, soll ich dann jetzt die Zimmer vorbereiten?« Von einem Moment zum anderen hatte sie einen Job, Unterkunft und würde auch nicht verhungern.

Mrs. Butler nickte.

»Eine Frage habe ich allerdings noch.« Emma schnappte sich ihre Reisetasche.

»Schieß los, wir haben zu tun!«

»Wo werde ich wohnen?«

Mrs. Butler deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger nach oben. »Such dir ein Zimmer aus.«

Als sie angekommen war, hatte sich Emma zunächst auf dem Gelände umgesehen und auf der Rückseite des Hauses, hinter dem Hügel, drei oder vier Cottages entdeckt. Vielleicht könnte sie dort … »Darf ich einen Blick in eines der Cottages hinter dem Haus werfen?«

»Da gibt es nur Ofenheizung.« Mrs. Butler warf ein paar alte Zeitschriften in den Papierkorb.

Emma war auch der aufgeschichtete Stapel Brennholz neben dem Haupthaus nicht entgangen. »Das macht nichts.«

»Die Schlüssel hängen am separaten Brett, aber beeil dich.«

Das brauchte ihr Mrs. Butler nicht zweimal zu sagen. Emma ließ ihr Gepäck am Empfang zurück und flitzte los. Draußen zog sie den Schal enger, ging zum Hügel und betrachtete die Schlüsselanhänger. Welches der Häuschen sollte sie als Erstes aufschließen? Sie ging die Namen auf den hübschen Anhängern durch: ›Under the Chestnut‹, ›Under the Oak‹, ›Between the maples‹ und ›Downhill to the fairys‹. Hügelabwärts zu den Feen? Manchmal war es gar nicht so schwierig, eine Entscheidung zu treffen. Emma fand das Holzschild des Feen-Cottages mit seinen verspielten Schnörkeln am Dachüberstand. Sie brannte vor Neugier, steckte den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Tür und ging zwei Schritte vorwärts. Begeistert atmete sie ein – es war … einfach nur entzückend: Ein gemütliches Wohnzimmer mit praktischer integrierter Küchenzeile, separatem Schlafraum und ein winziges Bad. Perfekt. Meins, dachte Emma sofort. Rasch warf sie noch einen Blick in die anderen Häuschen, aber ihr Herz hatte längst entschieden. Obwohl die übrigen Cottages auch hübsch waren, blieb sie bei ihrer Wahl. Dieser Matt von vorhin wirkte viel zu verwöhnt, um in so einem Cottage zu wohnen. Ihr Hang zum Sarkasmus kam mal wieder zum Vorschein. Bestimmt war der Typ daran gewöhnt, immer seinen Willen zu bekommen. Wie wäre es, wenn sie ihm eins für seine Lügen auswischte, und ein Häuschen für ihn herrichtete? Er bekäme garantiert schlechte Laune. Au ja. Emma konnte es kaum erwarten, sein Gesicht bei der Schlüsselübergabe zu sehen. Rasch rannte sie zurück ins Haus, um sich mit Putzutensilien einzudecken. Wie hatte Mrs. Butler gesagt: Sie müsse sich ins Zeug legen. Genau das hatte Emma jetzt vor. Ihre Stimmung kletterte gerade ein paar Zentimeter hinauf.

»Ehrlich gesagt, ich bin beeindruckt. Du machst deine Sache gut.«

Emma fuhr herum, als ihre neue Chefin auf Zeit plötzlich hinter ihr auftauchte. »Vielen Dank.«

»Was wahr ist, muss wahr bleiben. Kannst mich Dotty nennen.«

»Okay.« Emma stützte sich auf den Besenstiel. Sie war gerade damit fertig geworden, die herrlich große Veranda, die sich über die gesamte Front des Haupthauses erstreckte, zu fegen.

»Ich habe uns eine Kürbissuppe gekocht. Hoffentlich magst du Kürbis.«

Emma hatte solchen Hunger, dass sie alles, was Dotty ihr vorsetzte, verschlingen würde. »Bestimmt. Ich wollte noch die beiden hübschen Bänke da herrichten.« Sie wies auf die verwitterten Holzbänke, die auf der Veranda standen.

»Warum, was ist mit denen?«

Emma sah es in Gedanken direkt vor sich. »Mit kuscheligem Fell und ein paar Kissen, vielleicht aus grobem Strick- oder Wollstoff, sähen sie viel einladender aus für unsere Gäste.«

»Willst du dir wirklich die Mühe machen? Das lohnt doch kaum.«

»Ich finde, so was lohnt sich immer. Warum ist hier geschlossen?«

Dottys Gesicht wurde finster und wieder so verkniffen wie vorhin, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren.

»Entschuldigung, ich wollte dir nicht zu nahetreten.« Emma senkte den Kopf.

»Komm in die Küche, bevor die Kürbissuppe kalt wird!«, forderte Dotty sie auf und ging voran.

Zu Mittag hatten Matt und seine Eltern in einem Fast Food Restaurant Pommes und Burger gegessen, was nicht allzu lange vorhielt.

»Ich würde sagen, nun hatte Mrs. Butler genug Zeit, unsere Zimmer und ein Dinner vorzubereiten«, meinte Mom nach einem ausgiebigen Schaufensterbummel und dem kurzen Spaziergang zum Strand.

»Äh … ich fürchte, da liegt ein Missverständnis vor. Matt rieb sich das Kinn. »Mrs. Butler sprach von Übernachtung und Frühstück, und ich habe das bestätigt. Mir war nicht klar …«

»Aber ich habe Halbpension gebucht.« Seine Mutter klang niedergeschlagen.

»Das lässt sich bestimmt morgen klären.«

»Hoffentlich.«

»Dann sollten wir uns jetzt auf die Suche nach einem Lokal machen, wo wir zu Abend essen können. Ich habe Hunger«, warf sein Vater schlecht gelaunt ein.

So kannte Matt ihn nicht. Vor allem erstaunte ihn, dass er seiner Mutter über eine so lange Distanz nicht längst verziehen hatte. Hoffentlich renkte sich das bald wieder ein. Es fühlte sich nicht gerade angenehm an, zwischen den Stühlen zu klemmen.

»Da vorn ist ein Pub.« Mom putzte sich die Nase und marschierte los.

»Soll das etwa eine Anspielung sein? Weil meine erste Frau Irin war?«, grummelte Dad und hatte es nicht besonders eilig, obwohl ein kalter Wind um die Häuser pfiff und die letzten Laubblätter von den Bäumen fegte.

Mann, die Stimmung war echt auf dem Nullpunkt.

Mom blickte über die Schulter. »Unsinn. Ich dachte nur, da bekommen wir ganz sicher etwas Warmes in den Bauch, und es ist nicht mehr weit zu laufen«, entrüstete sie sich.

Matt ignorierte die beiden, überquerte die Straße und lief zum Pub. Die Tafel wies aus, dass drinnen leckeres Irish Stew serviert wurde. Allein bei dem Gedanken knurrte ihm der Magen. Vorsichtshalber warf er einen Blick zurück. Während seine Mutter ihm langsam folgte, stand Dad immer noch an derselben Stelle. Matt hätte zu Hause bleiben, sich vom Baustellenstress erholen und später einige alte Kumpels aufsuchen sollen. Dumm gelaufen. Dieses Weihnachten ging ihm jetzt schon auf die Eier.

Er zog seinen Ärmel zurück und blickte auf die Armbanduhr. Es war zwanzig nach fünf, der Pub hatte erst seit einer guten Viertelstunde geöffnet. Matt war der erste Gast, nein, der zweite. Auf dem Barhocker am Tresen saß ein Sheriff und sah sich kurz um, als Matt grüßte.

»Guten Abend, ich suche einen freien Tisch.«

Die dunkelhaarige Wirtin lächelte ihn an. »Bitte sehr, suchen Sie sich einen aus.«

»Keiner reserviert?«

»Nur am Wochenende, wenn Veranstaltungen sind.«

Das klang gut, da konnte er Samstagabend hingehen auf der Flucht vor Streit oder Langeweile.

»Essen Sie allein?« Die Wirtin kam an seinen Tisch und zündete die Kerze an.

»Ich hoffe nicht, aber so genau weiß ich es nicht.«

Sie lachte. »Sind Sie auf der Durchreise?«

»Wir wollen die Feiertage hier verbringen und sind heute angekommen.«

»Das nenne ich mal frühzeitig.«

»Sie sagen es.«

»Darf ich Ihnen schon etwas zu trinken bringen?«

»Eine Cola.«

»Kommt sofort.«

Im selben Augenblick betraten seine Eltern den Pub. Dad half Mom sogar aus ihrem Mantel. Dann hatten sich die Wogen wohl ein wenig geglättet. Ob Matt sich eine andere Unterkunft suchen sollte? Vielleicht war es besser, wenn die beiden für sich wären.

»Sie vermieten Zimmer?«, fragte er die Wirtin, als sie ihm die Cola servierte.

»Derzeit ist keines frei, aber ja, ich vermiete – theoretisch.«

Er konnte die Angelegenheit jetzt nicht vertiefen, denn Mom und Dad steuerten seinen Tisch an. Daher nickte er, die Wirtin verstand und zog sich zurück.

Mom nahm Platz und setzte ein Lächeln auf. Sie blickte sich um. »Hübsch hier. Die vorherrschende Farbe ist türkis. Ungewöhnlich, findest du nicht?«

Ihm waren eher die Holzverkleidungen aufgefallen. Die Einrichtung wirkte traditionell und war doch irgendwie modern. Er fühlte sich sofort wohl.

»Was darf ich den Herrschaften zu trinken bringen? Etwas Warmes vielleicht? Wir haben den besten Erdbeerpunsch der ganzen Stadt und bieten ihn mit oder ohne Alkohol an.« Die Wirtin verstand ihr Handwerk, das musste Matt ihr lassen.

»Für mich bitte mit«, bestellte seine Mutter und warf seinem Vater einen Seitenblick zu.

»Ich nehme dasselbe«, antwortete dieser.

Oha, seine Eltern wollten hoffentlich nicht um die Wette saufen. Nein, sicher nicht, versuchte sich Matt zu beruhigen.

Nachdem sie die Speisekarte studiert hatten, hob Mom den Kopf. »Hast du schon mit Tyler gesprochen, Chad?«

Immerhin hatte Dad heute während des Strandspaziergangs sein Handy gezückt.

»Du kannst wahrscheinlich nicht zu seinem Haus gehen und klingeln. Da wird es garantiert Sicherheitsvorkehrungen geben.«

Matt horchte auf. War sein Halbbruder irgendein hohes Tier?

»Hallo? Er ist sein Vater, da wird der Sohn schon die Tür aufmachen«, warf Matt ein. Und überhaupt: Telefonierten die beiden nicht hin und wieder? Matt erinnerte sich genau. Erst im Herbst …

»Fragt sich nur, wer welche Tür öffnet. Tyler ist immerhin ein Rockstar. Stimmt doch, Chad?«, vergewisserte sich Mom.

»Ein Rockstar?« Wollte Mom ihn auf den Arm nehmen? Andererseits war sie heute sicher nicht zum Scherzen aufgelegt.

Dad nickte. »Das ist richtig.« Er wandte sich an Matt. »Dein Halbbruder lebt hier auf einer Ranch. Du hast schon von ihm gehört. Er trägt den Nachnamen seiner Mutter als Künstlernamen. O’Brian.«

Matt stieß sein Glas um, zum Glück hatte er die Cola längst ausgetrunken. Tyler O’Brian, der Rocksänger war sein Bruder? Halbbruder, korrigierte er rasch für sich und stellte das Glas wieder auf. Warum, zum Teufel, hatte Dad ihm diese Tatsache verschwiegen? Wahrscheinlich, weil Matt vor noch nicht allzu langer Zeit deswegen ausgeflippt wäre. Aber hey, das war schließlich kein Wunder. Garantiert wurde dieses Weihnachten anders, und Langeweile stand dabei nicht mehr zur Debatte. Matt beglückwünschte sich im Stillen, dass er seine Eltern begleitet hatte.

»Zweimal Erdbeerpunsch, fruchtig und heiß. Bitte schön. Was darf es zum Essen sein?« Lächelnd stellte die Wirtin die dampfenden Gläser auf den Tisch.

Sie bestellten jeder das Irish Stew und Salat.

»Ich fasse mal kurz zusammen«, sagte Matt. »Dein ältester Sohn ist der Rockstar Tyler O’Brian, der keine Ahnung hat, dass du hier bist und ihn über Weihnachten besuchen willst. Wie hast du dir das vorgestellt, Dad?«

»Überhaupt nicht. Das solltest du deine Mutter fragen.«

Matt lehnte sich zurück, streckte die Beine aus und verschränkte die Arme vor der Brust. Er beobachtete seine Eltern, die jeder vorsichtig am heißen Punsch nippten und so taten, als wären sie damit vollauf beschäftigt. »Gut«, lenkte er ein. »Wir können ja später darüber reden.«

Mom setzte ein dankbares Lächeln auf, während sein Vater keine Miene verzog.

Kurz nach dem Essen verließen sie den Pub und fuhren wieder zur Maple–Lodge raus. Um diese Uhrzeit sah es dort auf dem Anwesen noch finsterer aus. Im Gästehaus selbst war es allerdings anders. Der jetzt hell erleuchtete Empfangsbereich wirkte auf einmal einladend. Auf dem Tresen standen ein leuchtend roter Weihnachtsstern und eine mit verschiedenen Zapfen, Nüssen und mit Gewürznelken gespickte Orangen gefüllte, große Holzschale. Es duftete weihnachtlich nach Zimt und Sternanis, fast wie zu Hause, dachte Matt. Moms Gesicht hellte sich augenblicklich auf. Er betätigte die Portiersklingel. Kurz darauf kam aus einer der Türen die junge Frau vom Vormittag. Sie trug enge Jeans und einen schwarzen Rollkragenpullover und wirkte erst recht, als hätte sie Beine bis zum Hals. War sie vielleicht ein Top-Model und er hatte keine Ahnung, wer hier vor ihm stand? Immerhin lebte in diesem Küstenort auch ein weltbekannter Rocksänger, da tummelten sich vielleicht noch weitere Promis.

»Guten Abend, wir haben Sie bereits erwartet. Ich hoffe, Sie hatten einen schönen Tag. Ich bin Emma und stehe Ihnen bei allen Fragen für die Dauer Ihres Aufenthaltes in der Maple-Lodge zur Verfügung.«

»Wie reizend.« Mom lächelte. »Wir würden jetzt gern unsere Zimmer sehen.«

»Natürlich. Wenn Sie mir bitte folgen wollen? Ihr Gepäck befindet sich bereits dort.« Emma griff nach einem der Schlüssel und ging voran.

Vor der Tür mit der Nummer drei blieben sie stehen, und Emma schloss auf. Das Zimmer war sehr geräumig. Es verfügte über ein großes Doppelbett, Kleiderschrank, eine gemütliche Sitzecke sowie ein angrenzendes Bad. Auch hier duftete es weihnachtlich, und es war angenehm warm im Gegensatz zu den Temperaturen draußen. Matt freute sich, dass sich die anfängliche Enttäuschung seiner Mutter gerade in Luft auflöste. Weihnachten schien gerettet.

»Frühstück gibt es ab 8:00 Uhr unten im Speiseraum, hinter der Rezeption. Sie können ihn nicht verfehlen.« Emma überreichte Mom den Schlüssel.

»Vielen Dank, Emma. Es gibt da allerdings noch ein Problem.« Mom verzog kurz bedauernd das Gesicht. »Ich hatte Halbpension gebucht und im Voraus bezahlt, aber mein Sohn meinte, dass wir eventuell nur Frühstück bekämen.«

»Machen Sie sich keine Sorgen, Mrs. Carmichael. Ich werde mich darum kümmern, dass alles zu Ihrer Zufriedenheit sein wird. Falls Sie noch einen Tee oder etwas anderes möchten, da steht das Haustelefon.« Sie wies auf einen der Nachtschränke.

»Wir haben alles, was wir brauchen, vielen Dank. Matt …« Mom wandte sich um. »Wir sehen uns dann morgen am Frühstückstisch. Ich bin ziemlich erledigt von der langen Fahrt und gehe ins Bett. Schlaf gut!«

»Ja, ihr auch.« Nachdem er ihre Wange geküsst und sie verabschiedet hatte, griff er sich seinen Koffer und verließ mit Emma das Zimmer.

»Ich wusste nicht, wem welches Gepäckstück gehört«, entschuldigte sie sich.

»Kein Problem. Sagen Sie, sind Sie für die Verwandlung hier im Haus verantwortlich?«

Emma zuckte nur mit den Schultern. Zu ihm war sie längst nicht so freundlich und zuvorkommend wie noch eben seinen Eltern gegenüber. Dabei war er sich keiner Schuld bewusst.

Er folgte ihr über den Flur bis zur Haustür. Sie machte keinerlei Anstalten, ihm etwas zu erklären. »Wohin gehen wir?«

»Nach draußen.«

Das sehe ich selbst. »Geht’s ein wenig präziser?«

»Klar. Zu einem der Cottages. Im ›Under the Oak‹ wirst du dich bestimmt wohlfühlen. Der Weg führt ein Stück hügelabwärts. Präzise genug?«

Einen Moment lang blieb er vor Verblüffung stehen, fasste sich wieder und lief ihr nach.

Der schmale Weg war von kleinen Laternen gesäumt. Es wirkte romantisch, und zum ersten Mal in diesem Jahr verspürte Matt den Hauch einer Weihnachtsstimmung. Zwar nur sehr flüchtig, als wenn jemand eine Kerze auspustet und der besondere Duft verweht, aber immerhin.

Emma wartete vor einem Cottage auf ihn und schloss bereits die Tür auf. Als sie das Licht anknipste, warf sie ihm gleichzeitig den Schlüssel zu.

Matt verfehlte ihn um wenige Zentimeter und bückte sich, um auf dem Waldboden danach zu suchen. »Herzlichen Dank auch.«

Sie ignorierte seine Verärgerung. »Wie gesagt, Frühstück gibt es im Haupthaus. Den Ofen habe ich bereits angeheizt, es müsste schon warm sein. Vergiss nicht, regelmäßig Holz aufzulegen. Wenn ich mich recht erinnere, wolltest du dich ja nützlich machen. Klar soweit?«

»Sicher. Danke für die Mühe, die Sie sich gemacht haben.« Matt dachte dabei an die Freude seiner Mutter.

»Kommt in deinem Fall nicht wieder vor, worauf du dich verlassen kannst.«

Kein Wunder, dass die Maple–Lodge nicht gerade ausgebucht war. »Was haben Sie für ein Problem?«

»Keines.« Sie blickte auf ihre Armbanduhr. »Nur exakt seit zehn Minuten Feierabend.«

»Oh, dann will ich Sie auf keinen Fall länger davon abhalten. Wir sehen uns morgen.« Schade, dass Miss Ich-habe-die-längsten-Beine-der-Welt chronisch schlecht gelaunt war. Er kroch auf allen vieren, um diesen verdammten Schlüssel zu finden. Wahrscheinlich wäre es wohl zu viel verlangt, wenn er sie bat, ihm dabei zu helfen. »Gute Nacht!«, wünschte er auffallend höflich.

Emma ließ sich das nicht zweimal sagen, drehte sich um und marschierte hügelaufwärts zum Haupthaus.

Bildete er sich das ein, oder roch es hier mitten im Wald tatsächlich nach Schnee? Es war schon so lange her, dass er zum letzten Mal durch Schnee gestapft war. Damals hatten sie noch in Alaska gewohnt. Seit Jahren lebte seine Familie nun im äußersten Zipfel von Arizona, und dort schneite es praktisch nie. Matt bedauerte den Umstand. Endlich stieß er mit den Fingerspitzen gegen kaltes Metall und griff zu. Er hatte den blöden Schlüssel gefunden und kam wieder hoch. Die Tür zu seinem Cottage stand offen, und Matt betrat das Blockhaus. Mit dem Fuß schob er die Tür hinter sich zu. Drinnen war es immerhin sehr gemütlich. Die Einrichtung ließ ihn erneut an Alaska denken. Mit einem Mal bedauerte er kein bisschen, dass er nicht im Haupthaus untergebracht war. Das Fenster im Wohnzimmer reichte bis zum Boden und entpuppte sich als Tür. Kurz entschlossen knipste er das Licht aus. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, begriff er, dass er einen spektakulären Blick in den Wald hatte. Wunderbar, es fühlte sich an, als käme er heim. In seinem Rücken flackerte Feuer in einem gusseisernen Ofen. Obendrüber, an der Wand, hing ein Hirschgeweih, und das Fensterbrett auf der anderen Seite war mit einer Girlande aus frischem Tannengrün und Zapfen dekoriert, was den wunderbaren Waldgeruch im Cottage ›Under the Oak‹ erklärte. Hier ließ es sich gut aushalten. Matt schaltete das Licht wieder ein und bemerkte, dass er seinen Koffer draußen vergessen hatte. Rasch holte er ihn herein und ging weiter auf Entdeckungstour. Leider war der Kühlschrank leer. Wenn er schon eine Küchenzeile samt kleinem Tresen hatte, würde er morgen ein bisschen was einkaufen, um sich heiße Schokolade oder einen Punsch zuzubereiten. Der alte Gaskocher funktionierte hoffentlich noch.

Das Badezimmer war winzig, reichte ihm aber aus, allerdings fand er keine weitere Tür. Stattdessen führte eine Stiege in die offene Dachkonstruktion, wo ein Zwischenboden, ein Drittel so groß wie der Wohnraum unten, als Schlafplatz diente. Auf mehreren miteinander verschraubten Holzpaletten lag eine extradicke Matratze und darüber das Bettzeug mit einem Flanellquilt und einigen passenden Kissen. Yep, eindeutig eine Umgebung, in der von ganz allein Weihnachtsstimmung aufkommen würde.

Matt verstaute seine Sachen im Wandschrank und schaltete den Fernseher ein. Auch der hatte bereits einige Jahre auf dem Buckel, aber das war okay. Er würde sich häufig draußen in der Natur aufhalten, die Gegend erkunden oder seinen Halbbruder treffen. Darauf brannte er geradezu.

Kalendertürchen 3

Heilige Scheiße, warum ist es hier so kalt? Auch an ihrem zweiten Morgen in der Maple-Lodge streckte Emma den Arm unter dem dicken Federbett hervor, um den rasselnden Wecker auszustellen. Sie fühlte sich herrlich ausgeschlafen, aber der Gedanke, das warme Bett verlassen zu müssen, war absolut indiskutabel. Vor allem, weil ihre mitgebrachten Klamotten kaum die passende Winterbekleidung hergaben. Bevor sie Hals über Kopf von zu Hause aufgebrochen war, hätte sie besser erst die Wetterlage in Maryland checken sollen. In Südkalifornien, wo sie herkam, herrschten selbst um diese Jahreszeit paradiesische Temperaturen. Sie musste dringend in den Ort fahren, um sich Socken, Pullover, Handschuhe und warme Unterwäsche zu kaufen. Bestimmt könnte sie den alten Lieferwagen der Maple–Lodge benutzen und auch gleich Vorräte für die zahlenden Gäste besorgen.

Als sie widerwillig und barfuß ins Bad tapste, bedauerte sie erst recht, keine warmen Socken dabei zu haben. Genau wie gestern früh war das Wasser eiskalt, sie musste es erst eine ganze Weile laufen lassen, bevor sie sich damit die Zähne putzen konnte. Ein herrlich flauschiger Bademantel stand plötzlich ganz oben auf ihrer Wunschliste. So schnell sie konnte, schlüpfte sie in ihre Sachen, schnüffelte an ihrem einzigen warmen Pullover, den sie bereits gestern getragen hatte, und befand, dass sie ihn heute noch einmal anziehen konnte. Glücklicherweise roch er nicht nach Schweiß. Kunststück, wenn ich permanent friere.

Im Ofen fand sich noch ein bisschen Glut. Emma warf eilig ein paar Holzscheite nach, legte sich die Jacke um und rannte den Hügel hinauf zum Haupthaus. Unfassbar, es war so kalt, dass ihre Atemluft Dampfwolken bildete. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Was tat sie sich hier nur an? Trotzdem beharrte sie, als sie die Klinke hinunterdrückte, sie brauchte unbedingt Gewissheit. Koste es, was es wolle. Neben ihrer Mutter hatte sie ihrem Dad am meisten vertraut auf dieser Welt, und jetzt das.

»Wo bleibst du denn?«, rief ihr Dotty aus der Küche entgegen.

»Guten Morgen. Tut mir leid, ich komme mit der Kälte nicht sonderlich gut klar.«

»Welcher Kälte?«, fragte Dotty seelenruhig.

»Du meinst, es wird noch schlimmer?«

Dotty begann lauthals zu lachen.

Emma verzog das Gesicht und warf einen Blick in den Speisesaal. Den Tisch hatte Dotty bereits eingedeckt. Außerdem roch es nach Kaffee.

»Wir nehmen den länglichen Tisch in der Ecke wieder als Frühstücksbuffet«, erklärte Dotty.

Emma nickte. »Okay.«

»Rührei oder Pancakes?«

»Äh … beides?« Emmas Magen fühlte sich allein bei der Vorstellung bereits hohl an.

»Du willst beides für unsere Gäste vorbereiten? Dann nur zu!« Dotty wies zum riesigen Herd.

So was nennt man Eigentor. Emma öffnete den Kühlschrank und holte die Eier heraus. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Dotty zwei Sorten Marmelade und Honig auf den Tisch stellte. Außerdem Wurst, Käse und Obst. Danach bestückte sie den Toaster mit Brotscheiben und setzte zwischendurch den Wasserkocher in Gang.

»Wir beide essen wieder in der Küche, sobald die Gäste frühstücken«, verkündete Dotty.

Emma war überzeugt, dass das Ehepaar pünktlich um acht Uhr im Speisesaal erscheinen würde. Doch was, wenn dieser Matt erneut trödelte und bis in die Puppen im Bett blieb? Mussten sie dann so lange warten? Nur das nicht, dem werde ich auf die Sprünge helfen. Fragte sich nur, wie.

»Guten Morgen, die Damen.« Matt trat gut gelaunt näher und hängte seine gefütterte Jacke an die Garderobe.

Sieh an. Emmas Sorge erwies sich als unbegründet.

»Kann ich mich irgendwie nützlich machen?«

Bevor Dotty noch abwinken konnte, übernahm Emma das Kommando. »Ja. Ich habe es in den letzten beiden Tagen noch nicht geschafft, auch den Speiseraum weihnachtlich zu dekorieren.«

Dotty ließ ihre Augenbrauen noch oben schnellen, sagte aber gottlob kein Wort.

»Okay.« Matt Carmichael zog die Silben in die Länge und verschwand wieder im Flur, wo er ohne Murren seine Jacke anzog und nach draußen ging.

»Was sollte das denn?«, fragte Dotty.

»Er will mithelfen, oder nicht?«

»Du musst es ja wissen.« Der Toaster warf die nächsten Scheiben aus, und Dotty hüllte sie im Brotkorb in ein Tuch.

Es dauerte nicht lange, bis Matts Schritte über die Dielen polterten. In der Hand schwenkte er einen alten Holzwassereimer, und unter seinem Arm klemmte ein Bündel Tannengrün sowie andere Zweige mit leuchtend roten Beeren. »Auftrag erledigt.« Er lächelte gut gelaunt, stellte den Eimer in die Ecke des Speiseraums und steckte das Grünzeug kurzerhand hinein.

»Mein Gott, doch nicht so«, rief Emma aus.

»Sondern?«

»Behutsam. Einen Zweig nach dem anderen drapieren, und zum Schluss die mit den roten Beeren.« Sie machte es ihm vor.

»Ich finde, es sieht gut aus, so, wie es ist.«

»Auf keinen Fall.«

Er verdrehte die Augen und bückte sich. Als er das Tannengrün wieder hochnahm, schob Emma ihn beiseite. »Lass mich das machen.«

»Ihr Wunsch ist mir Befehl.«

Der Kerl schlenderte doch seelenruhig davon, zog seine Jacke aus, hängte sie über die Stuhllehne und begutachtete das Frühstücksbuffet. »Mhm, sieht wieder alles sehr lecker aus. Ich habe einen Bärenhunger.«

Ich auch.

»Dann greifen Sie zu«, forderte Dotty ihn auf. »Darf ich Ihnen Kaffee einschenken?«

»Sehr gern, vielen Dank.«

Der Charmebolzen lächelte, als bekäme er es bezahlt, und die arme Dotty glaubte wahrscheinlich, dass er nett wäre. Emma wusste es besser. Sie dachte sofort wieder an seine auf dem Rücken gekreuzten Finger, als er den Aufenthalt hier ergaunert hatte.

Die Tannenzweige im Holzeimer waren endlich zu ihrer Zufriedenheit arrangiert, und so ging Emma zurück in die Küche, um die Wärmebehälter mit dem Rührei und den Pancakes für das Buffet zu holen.

»Guten Morgen«, trällerte Mrs. Carmichael, die mit ihrem Ehemann im Schlepptau auf der Bildfläche erschien. »Es duftet köstlich. Vielen Dank. Ich freue mich sehr, hier zu sein.« Sie tätschelte ihrem Sohn, der gerade einen Schluck Kaffee trank, die Wange und strahlte Emma an.

»Das ist schön. Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen.«

»Ja, großartig.«

»Wunderbar. Dann bringe ich Ihnen sofort den Kaffee.« Emma eilte in die Küche.

»Für mich bitte schwarzen Tee, wenn es keine Umstände macht«, rief Mrs. Carmichael ihr nach.

»Natürlich nicht. Bedienen Sie sich.«

Als das Ehepaar endlich am Tisch bei ihrem Sohn saß, zog sich Emma in die Küche zurück, wo Dotty bereits für sie beide eingedeckt hatte.

»Der Toast ist warm, ich habe ihn gerade erst gemacht.« Es hätte dieser Aussage nicht bedurft, damit Emma zu essen begann.

»Was steht heute an?« fragte sie nach dem vierten Toast und der zweiten Tasse Kaffee.

Dotty zuckte mit den Schultern.

»Wie lange ist die Maple–Lodge eigentlich schon geschlossen?«

»Wir haben doch geöffnet.« Dotty begutachtete den Salzstreuer.

»Nicht offiziell, oder sehe ich das falsch?«

»Kann man denn inoffiziell auf haben?«

Emma verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Gut, dann frage ich andersherum: Wie lange war der Laden hier geschlossen?«

»Eine ganze Weile. Warum willst du das wissen?«

»Schon gut.« Emma begriff, dass Dotty nicht darüber reden wollte. »Was mache ich, wenn weitere Gäste auftauchen und sich nach einer Unterkunft erkundigen?«

»Das glaubst du doch selbst nicht.«

Demnach war Dotty bewusst, dass ihre Lodge im Dornröschenschlaf vor sich hindämmerte.

»Sag denen einfach, dass wir ausgebucht sind«, schlug Dotty schließlich vor.

»Ja, nee, ist klar.«

Daraufhin holte Dotty tief Luft. »Ich weiß es doch auch nicht. Es wird bestimmt keine weiteren Anfragen geben.«

Emma ließ das Thema fallen und erkundigte sich bei ihrer Chefin nach der Halbpension-Buchung der Carmichaels.

Dotty seufzte. »Ist bereits seit gestern Mittag geregelt.«

»Ich würde heute gern in den Ort fahren, um einzukaufen. Da ich deinen Lieferwagen gesehen habe, dachte ich mir …«

»Ja, nimm ihn nur. Mach dir aber unbedingt vorher eine Besorgungsliste und stell am besten gleich noch einen Speiseplan auf.«

Sollte Emma darauf hinweisen, dass sie noch nie im Gastgewerbe gearbeitet hatte?

»Dein Gesicht spricht Bände«, sagte Dotty trocken. »Warum hast du den Job eigentlich angenommen, wenn du keinen Schimmer hast?«

»Ich habe etwas zu erledigen und brauchte eine preiswerte Unterkunft.«